Die besten Freunde der Welt - Ute Wegmann - E-Book
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Die besten Freunde der Welt E-Book

Ute Wegmann

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Beschreibung

Wie Pech und Schwefel Fritz und Ben sind Die besten Freunde der Welt. Und weil das so ist, sind sie füreinander da. Und jetzt kommt die Sache mit dem Schwimmunterricht. Weil Ben als ganz kleines Baby sehr krank war, meint seine Mutter immer noch, dass ihr Sohn sich »schonen« soll. Das ist ganz schön anstrengend. Denn Ben darf rein gar nichts, was Jungen Spaß macht: nicht am Sportunterricht teilnehmen, nicht Fußball spielen, kein Tennis. Öde, finden das Ben und Fritz. Also versuchen die beiden heimlich, Ben, den Nichtschwimmer, mir nichts, dir nichts fürs Seepferdchen fit zu machen. Gar nicht leicht, wenn einer so wasserscheu ist, dass er sich nicht einmal in ein Schaumbad traut!

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Fritz und Ben sind die besten Freunde der Welt. Fritz ist ein Sportass. Ben darf gar nichts: nicht Fußball spielen, kein Tennis, nicht schwimmen. Bens Mutter meint nämlich, dass ihr Sohn sich schonen sollte, weil er als Baby sehr krank war. Öde und blöde finden das die beiden Jungs. Und plötzlich sollen alle zum Schwimmunterricht. Fritz versucht heimlich, Ben, den Nichtschwimmer, fürs Seepferdchen fit zu machen. Gar nicht leicht, wenn einer so wasserscheu ist, dass er sich nicht einmal in ein Schaumbad traut! Aber spannend und toll, mit dem besten Freund ein Geheimnis zu haben.

Ute Wegmann in der Reihe Hanser:

Sandalenwetter

Die besten Freunde der Welt

Hoover

Dunkelgrün wie das Meer

Toni

Manchmal bist du überall – Geschichten und Gedichte

Ute Wegmann

Die besten Freunde der Welt

Fritz und Ben

Mit Illustrationen von Sabine Wilharm

für Fritz und Eno

für Dario und für Tom,

besonders für Ben Klein

und für alle kleinen und großen Bens

Warten finde ich doof

Sieben.

Acht.

Neun.

Ich sitze auf der Treppe vor dem Haus und zähle silberne Autos. Damit ich mich nicht langweile.

Silber ist gerade irgendwie modern. Ich wundere mich, wie viele vorbeifahren.

Ich warte auf Ben. Warten find ich doof.

Wir wollen zum Tennis. Ben kann gar kein Tennis, aber ich hab versprochen, es ihm beizubringen. Schließlich ist er mein bester Freund. Der beste Freund von Fritz. Und Fritz, das bin ich.

Fritz klingt klug, sagt meine Oma.

Kurz und knackig, sagt meine Mutter.

Wie Brause mit Zitronengeschmack, sagt Opa.

Der alte Fritz, das ist eine historische Person, sagt mein Vater.

Fritzi Flitzi mit dem kleinen Pitzi, ruft meine blöde Cousine Pia.

Die wird sich noch wundern.

Alles braucht seine Zeit! Ich mag Opas Lieblingsspruch.

Zeit klingt wie ein Zauberwort.

Zeit hab ich nie. Bin immer unterwegs. Meistens schnell. Am schnellsten mit meinem Roller. Deshalb hab ich den Spitznamen Flitz. Klingt wie Fritz auf Chinesisch.

Die Chinesen können kein R sprechen, sagt Ben. Er weiß solche Sachen.

Er kennt fast alle Länder der Erde, die Sprachen, die Flaggen, die Tiere, die dort leben. Das interessiert ihn.

Schon wieder ein silbernes Auto.

»Mensch, Ben!«, rufe ich zur geschlossenen Tür und schaue auf meine Uhr: Es ist Viertel vor drei.

In Vorgärten auf Treppen rumsitzen macht mich nervös. Besonders wenn mich Zwerge beobachten. Ich sehe vier zwischen den Blumen, und einer versteckt sich unter dem Baum.

Jetzt warte ich schon fünfzehn Minuten auf meinen Freund.

Meine Füße trampeln von einer Stufe auf die andere, rauf und runter. Von ganz alleine.

Ich gähne. Seit halb acht bin ich wach. Enorm viele Stunden.

Jeden Tag das gleiche Frühaufstehen. Anstrengend. Besonders für meine Mutter. Meinem Vater macht das nichts aus. Egal, wann der aufsteht, der ist immer gut gelaunt.

Warum kann die Schule nicht um zehn Uhr anfangen? Das fragen wir uns jeden Tag, meine Mutter und ich. Denn jeden Morgen weckt sie mich mit dem gleichen Ich-will-lieber-wieder-ins-Bett-Gesicht.

In der Küche bestelle ich mir mein Frühstück. Extra höflich, damit es klingt wie im Café: »Eine Tasse Kakao, bitte!«

Wenn meine Mutter ausgeschlafen ist, spielt sie mit und bedient mich wie eine nette Kellnerin, die Kinder mag. Essen kann ich nach dem Wachwerden nichts. Mein Magen schläft um diese Uhrzeit noch. Wie meine Mutter. Wir reden deshalb morgens nicht so viel. Nur das Wichtigste.

»Morning!«

»Morning!«

Ich puste in die dampfende Tasse.

Sie schmiert Butter auf eine Brotscheibe.

»Cheese or salami?«

»Schmierkäse!«, antworte ich.

Sie verdreht die Augen und geht zum Kühlschrank.

Auch noch Extrawürste, denkt sie.

Ich weiß, was sie denkt. Manchmal rutscht ihr das nämlich raus.

Manchmal fehlen ihr auch Wörter, denn sie kommt aus einem anderen Land. Sie lebt nicht so lange in Deutschland wie die Mütter meiner Freunde. Die sind alle schon immer hier.

Mum, das sagen englische Kinder zu ihren Müttern, wurde in England geboren. Vor 29 Jahren. Sie hat nur Englisch gesprochen, Englisch gehört, Englisch gelesen, Englisch gegessen, Englisch geträumt … bis sie meinen Dad kennenlernte.

ZOSCH! erwischte sie ein Liebespfeil.

Zosch, ein Auto zischt vorbei. Elf silberne sind bis jetzt meine Ausbeute, aber das vorbeigezoschte war diesmal gelb. Wie meine Tennisbälle. Ob wir heute noch zum Tennisplatz kommen?

Vor Langeweile fange ich an zu jonglieren. Mit drei Bällen, das ist einfach. Ich nehme den vierten dazu.

Ben, was machst du bloß?, denke ich und spüre, wie ich vor Müdigkeit kaum die Bälle auffangen kann.

Ich denke an meinen langen Schultag. Der Schulweg ist das Beste. Manchmal holt Ben mich ab, oft geh ich allein.

Gleich neben unserem Haus gibt es eine Bäckerei. Durch die Seitenfenster kann ich in die Backstube gucken. Bäcker Zimmermann arbeitet in einem weißen T-Shirt und blau-weiß karierter Hose. Sogar sein Gesicht und seine Hände sind weiß von all dem Mehl.

Wenn er mich sieht, winkt er mich herein und schenkt mir ein warmes Schokocroissant. Ich halte es unter meine Nase. Oh, herrlicher Schokoladenduft. Jedes Mal überwältigt mich ganz plötzlich ein riesengroßer Hunger. Der taucht so schnell auf wie eine Wespe beim Limotrinken. Kaum zurück auf dem Bürgersteig muss ich sofort in das Croissant beißen. Die warme Schokolade läuft dickflüssig über meine Zunge und an meinem Gaumen vorbei. Lecker! Ich bleibe stehen und schließe die Augen. So kann ich den Geschmack richtig genießen.

Auf der anderen Straßenseite hat der Gemüsehändler schon seine Regale aufgebaut. Er steht bestimmt noch früher auf als ich. Meine Mum sagt, er fährt morgens zum Großmarkt, um das beste Obst einzukaufen.

Ich glaube, der mag mich auch.

»Günaydin, Fritz, schöner Arbeitstag«, ruft er mir jeden Morgen zu, und dann wirft er mir einen Apfel oder eine Apfelsine quer über die Straße bis auf meine Seite. Der kann super werfen. Er sagt, er hat früher Handball im Wasser gespielt. Das nennt man dann wohl Wasserball. Als er ein Junge war, wohnte er am Schwarzen Meer und konnte das jeden Tag üben.

»Danke, Herr Özgul«, rufe ich ihm zu. »An apple a day keeps the doctor away.« Das ist so ein Spruch von meiner Mum.

»Jawoll!«, sagt er lachend. »Çok buluş!«

Keine Ahnung, was das bedeutet. Ich verstehe kein Türkisch, und er versteht kein Englisch. Wir lachen uns an. Ich winke ihm und gehe zur Schule.

So ist das jeden Tag.

Warum beeilt Ben sich nicht?, denke ich und stoße mit dem Fuß ganz leicht gegen den Zwerg an der Schubkarre. Der Doofi-Zwerg steht zwischen den Blumen, bewegt sich keinen Millimeter und glotzt. Ich glotze zurück.

Eigentlich wünsche ich mir mehr Zeit für Ben. Aber ich bin immer ausgebucht. Meine Woche ist rappelvoll. Von Montag bis Sonntag ist bei mir ganz schön was los. Jeden Tag Schule. Jeden Tag Termine. Termine nach den Terminen. Termine vor den Terminen.

Willst du Manager werden?, hat Oma mich gefragt.

Ich werde Man in Black, Oma!, habe ich geantwortet.

Schon wieder weg?, lachte sie daraufhin und drückte mir die Hand zum Abschied. Ich wollte noch gar nicht gehen.

Sie hört wirklich nicht gut.

Mein Opa sagt, meine Oma ist eine taube Nuss, aber er hört noch die Flöhe husten. Dabei lacht er. Er meint das nicht böse.

Ich kann supergut hören. Wie Opa. Aber ich höre immer noch keinen Ben.

Ich sitze schon gefühlte drei Stunden auf der Treppe.

Doofe Autos. Doofes Zählen. Doofes Warten.

Der freie Nachmittag kriecht in die Ritzen zwischen den Pflastersteinen. Ich starre auf den Boden und glaube, dass ich das Gras wachsen sehe.

Ben will doch unbedingt Tennis lernen. Das ist ein Geheimnis. Das ist der Grund für unsere Verabredung.

Ich drehe mich um. Die Tür bleibt zu.

Die Zwerge glotzen.

Die Zeit in meinem Kopf steht fast still und dabei rast sie. Wie kann das sein? Das macht mich alles voll nervös. Meine Füße trampeln von selber auf und nieder. Ich stehe auf und setze mich auf die Mauer. Jetzt schaukeln meine Beine. Hin und her und hin und her.

Ich weiß, dass so ein Nachmittag nicht ewig dauert. Ben muss nämlich immer früh nach Hause. Und – ein freier Nachmittag in meinem Leben ist eine Ausnahme. Heute ist zum Beispiel Mittwoch, und Mittwoch bedeutet Fußballtraining. Und ich habe nur frei, weil mein Trainer Schnupfen und Husten und Fieber hat.

Meine freie Zeit verbringe ich mit Ben. Der sich übrigens jeden Tag mit mir verabreden könnte. Ein Freund, der immer Zeit hat, das ist toll. Der Grund dafür ist nicht toll.

Die Haustür quietscht. Ich fasse es nicht: Da steht er. Endlich!

Ich springe auf vor Freude, aber Ben sieht aus wie schlechte Laune.

»Hi!«, sagt er sehr knapp.

In der Tür erscheint seine Mutter und winkt uns mit einem lauten »Tschööö, Kinder« und dem Überlebenstipp: »Geht nicht so weit weg, und Ben, pass auf, wenn du auf das Klettergerüst steigst und …«

Wir winken zurück und machen dabei viele kleine Schritte, damit sie nicht merkt, wie schnell wir wegwollen. Die Stimme von Bens Mutter wird immer leiser, und der Wind zerfetzt die Sätze und verschluckt die Wörter. Ich denke an Zuckerwatte. Die habe ich auf der Kirmes gegessen. Die löst sich mit Spucke zusammen im Mund auf. Wie Silkes Wörter im Wind.

Als wir nichts mehr hören und die Mutter nur noch ein Rote-Bluse-Punkt im Vorgarten ist, sagt Ben: »Meine Mutter nervt! Ich musste unbedingt ihren neuen Schokokuchen probieren.«

Bei dem Schokokuchenwort läuft mir das Wasser im Mund zusammen und ich denke: Hm, lecker.

»An einem stinknormalen Mittwoch?«, frage ich.

Mein bester Freund nickt. Ich kann es nicht glauben und beneide ihn ein bisschen.

Wie schön, dass deine Mutter immer da ist und Kuchen backt, will ich sagen. Aber dann fällt mir ein, dass das gar nicht schön ist, denn Bens Mutter schwirrt um ihn herum wie eine Fliege um einen frischen, warmen Vanillepudding.

»Wo sind deine Turnschuhe?«, frage ich stattdessen.

Er schaut mich an. »Turnschuhe? Ich hab keine.«

Na, das kann ja lustig werden. Einen zweiten Schläger habe ich eingepackt, und die Bälle schleppe ich sowieso meistens mit. Aber jetzt müssen wir auch noch Sportklamotten in seiner Größe finden. So ist das mit Ben, bei praktischen Sachen kann ich mich nicht auf ihn verlassen.

Meine Mutter würde jetzt ihren Lieblingsspruch sagen: Keep cool!, weil das der erste Satz war, den sie von meinem Vater gehört hat.

Das ist eine Extra-Spezial-Geschichte, die erzähl ich später.

Keep cool! heißt auf jeden Fall: Reg dich nicht auf! Bleib locker!

»Kein Problem!«, beruhige ich Ben und mich. »Bleib locker! Wir finden schon was für dich. Jetzt erst mal weg hier.«

Und als ich das sage, sieht Ben schon ein bisschen glücklicher aus.

Wortsalat und warum Sonntage sooo schön sind

Das erste deutsche Wort, an das sich meine Mutter erinnert und das ihr richtig gut gefiel, war Liebling.

Am Anfang dachte sie, Lieblinge wären die Heinzelmännchen, die in der Nacht das Haus putzen und aufräumen. Diese ulkigen Aufräumzwerge kannte sie aus einem Buch. Als mein Vater immer wieder Liebling zu ihr sagte, konnte sie sich nicht darüber freuen, denn sie wollte nicht Papas Heinzelmännchen werden. Aber irgendwie passte alles nicht zusammen, denn mein Vater machte etwas, das kannte sie von ihren Brüdern kein bisschen: Er half im Haushalt mit. Er räumte Geschirr weg. Er spülte. Er saugte Staub. Dann hat sie endlich im Wörterbuch nachgeguckt: Liebling ist das gleiche wie Darling und nicht wie brownie. Außerdem liebte er sie so wahnsinnig sehr, das hat sie gefühlt. Mit dem Herzen, sagt sie. Er war selber der Brownie. Und er verhält sich immer noch wie ein Heinzelmännchen.

Seit ein paar Wochen putzt er total gern Schuhe. Samstagmorgens stellt er alle Schuhpaare in eine Reihe, holt die Kiste mit den Tuben und Bürsten aus der Vorratskammer und sucht die richtigen Farben aus. Dann werden die fettigen Cremes mit den Schwämmchen aufgetragen, und wenn er bei dem letzten Paar angekommen ist, beginnt er, die ersten mit einem weichen Lappen abzuwischen, bis sie glänzen wie Weihnachtskugeln. Meine Mum liebt das. Und sie liebt ihren Brownie.

Mittlerweile spricht meine Mutter gut Deutsch, und wenn ihr mal ein deutsches Wort fehlt, sagt sie einfach das englische. Wortsalat, nennt mein Papa das.

Mit mir will sie andauernd Englisch sprechen. Damit ich ihre Muttersprache lerne, sagt sie. Es wäre auch meine Muttersprache, weil sie ja meine englische Mutter ist. Kompliziert. Manchmal nervt das, und ich höre die Sätze einfach so, wie ich will. Meistens antworte ich dann in Deutsch. Vielleicht habe ich ein automatisches Übersetzungsprogramm in meinem Gehirn.

Mein Vater regt sich schon mal auf, wenn Mama was Falsches sagt. Er ist so ordentlich, das merkt man ja an der Geschichte mit den Schuhen.

Aber trotz Wortsalat küssen sie sich oft.

Das ist mir total peinlich, beruhigt mich aber, weil ich denke: Die kommen auch alleine zurecht. Die brauchen mich gar nicht unbedingt. Und ich kann meine Sachen machen.

Sonntags, wenn Papa keinen Dienst hat, sind wir eine echte Familie. Meine beiden Eltern und ich, das Kind. Zwei plus eins!

Keine Hektik! Alle haben Zeit füreinander.

Zusammen frühstücken und leckeres Mittagessen. Zusammen was unternehmen.

Wir drei. Zusammen.

Sonntags frage ich sie lebenswichtige Fragen, und sie erklären mir alles. Die ganze Welt! Wie richtige Eltern! Dafür sind die schließlich da.

Wo im Süden genau der Südpol liegt.

Warum Frau Martens gestorben ist, obwohl sie jung war und immer rote Wangen hatte.

Wie man Pfannkuchen backt, die nicht in der Pfanne kleben.

Und so weiter.

Die Fragen sammel ich während der Woche. Keine Ahnung, wo die alle herkommen. Ich schreibe sie in ein kleines Heft, damit ich keine vergesse.

Oft rauft sich mein Vater die Haare, weil er auf all die Fragen Antworten finden muss.

Väter haben kein leichtes Leben.

Ich glaube, mein Dad fühlt sich oft wie ein angeschossener Cowboy. Oder was bedeutet sonst sein Satz: »Du fragst mir Löcher in den Bauch, Fritz.«

Ich antworte ihm: »Wer A sagt, muss auch B sagen.« Ist ja klar, was ich damit meine: Wer Kinder haben will, muss auch ihre Fragen aushalten. Einfach ist das nicht. Einige Fragen sind echt knifflig.

Zum Beispiel, ob meine Füße schneller laufen, als mein Gehirn denkt.

Ob Bienen rückwärtsfliegen können!

Wie die Wörter von Oma durch das Telefon in mein Ohr kommen.

Meine Eltern wissen komischerweise alles!

Ich mag Sonntage sehr.

Sonntage sind Null-Stress-Alle-Fragen-Tage.

Sonntage sind Elterntage.

Sonntage sind Schneckentempotage.

Superhirn Ben und seine Fische

Bens Eltern wissen auch alles und haben extrem viel Zeit für ihn. Ganz besonders seine Mutter. Ich habe es ja schon gesagt: Wie eine Fliege um den Pudding oder wie ein Planet auf der Umlaufbahn um die Erde, so kreist sie um Ben herum.

Bens Vater arbeitet bei der Post. Oder in so einer ähnlichen Firma. Er fährt mit einem Lieferwagen durch die Gegend und bringt den Leuten Sachen. Er ist schnell und dünn wie ein Rennradfahrer und läuft den ganzen Tag mit Paketen Treppen rauf und runter.

Die Mutter arbeitet zu Hause. Sie backt Kuchen. Sie kocht. Sie wäscht. Sie kümmert sich um Ben. Ohne Unterbrechung.

Ben findet das blöd. Deshalb ist Schule für ihn eine Erholung. Weil er dann mal freihat, von seiner Mutter. Das ist anders als bei mir. Meine Eltern lassen mich echt in Ruhe. Und Schule finde ich anstrengend, weil man auf diesen harten Stühlen sitzen muss. Ich bin lieber draußen.

Mein bester Freund darf absolut nichts. Er war als Baby sehr krank. Sein Herz war krank. Da fehlte eine Klappe. Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich dachte immer, ein Herz ist ein Herz und keine Schachtel mit Klappen. Die Herzklappe ist auf jeden Fall abhandengekommen, während Ben noch im Bauch seiner Mutter gewachsen ist. Irgendwie verschwunden. Weg. Die fehlte, als er aus seiner Mutter rauskam, und dann war er sofort ziemlich blau, weil er keinen Sauerstoff hatte. Ben hat gesagt, die Krankheit ist total selten. Das haben nur ganz wenige Babys. Die Ärzte mussten ihn gleich operieren, sonst wäre er gestorben. So eine Narbe wie Ben hat sonst niemand.

Mein Freund ist was ganz Besonderes.

Das Problem ist nur, er möchte nichts Besonderes sein.

Ben ist jetzt gesund, aber seine Mutter hat sich so daran gewöhnt, dass sie sich um ihn kümmern muss. Sie kann es sich nicht mehr abgewöhnen.

Sie kümmert sich von Montagmorgen bis Sonntagabend. Und dann fängt sie Montagmorgen wieder von vorne an.

Ben darf nichts. Seine Mutter hat Angst. Sie denkt, der Sauerstoff könnte wieder wegbleiben. Ben könnte blau werden. Und sterben.

»Alles Quatsch«, sagen Ben und ich.

Ben ist quietschlebendig und bleibt das auch, das spüre ich.

Kein Wunder, dass er sich wünscht, seine Eltern würden sich mit anderen Dingen beschäftigen statt mit ihm. Vor allem wünscht er sich, dass er mal was darf.

Sport machen zum Beispiel. Er will einfach normal sein. Ein normaler Junge. Wie ich eben.

Er möchte alles können, was ich kann: Tennis. Schwimmen. Er möchte in meinen Fußballverein. Mit den anderen zum Angeln an den See.

Und nicht immer nur Klavier üben und Bücher lesen.

»Klavier, Klavier, Klavier«, jammert er. »Ätzend!«, und dann schüttelt er sich wie ein regennasser Hund.

Nie gibt es in Bens Leben unbeantwortete Fragen. Seine Mutter, der herumschwirrende Planet, beantwortet alles sofort. Nicht nur sonntags. Der Knaller ist, dass er sich alles merken kann. Superbrain nennt ihn meine Mutter, wenn er ihr wieder was von seltenen Tieren erzählt. Ben findet das nicht so lustig. Er wäre lieber Superman statt Superhirn.

Ben ist mir oft einen Schritt voraus, der Schlaukopf.

Ben kennt Vögel und Bäume. Ich kenne nur Gemüse.

Ben kennt Noten, ich nur die Namen der Instrumente.

Ben kennt Länder und Planeten und jede Menge Künstler. Ich kenne Comedians, das sind Witzemacher.

Niemand ist überrascht, dass Ben seinen Fischen die Namen von berühmten Malern gegeben hat.

Der Fisch mit dem Zickzackmuster heißt Picasso.

Der blau-gelbe Fisch mit den roten Kiemen heißt Miró.

Der zartrosa-hellblaue Fisch heißt Paul Klee.

Auf dem Weg zum Park erzählt Superhirn Ben überglücklich, dass er sich einen Fisch zum Geburtstag wünscht. Eine Fischfrau. Die will er Mona Lisa nennen. Wir gehen am Teich entlang. Auf der Holzbrücke bleiben wir stehen und hängen uns über die Brüstung. Das machen wir immer. Wir wollen Fische entdecken.