Sandalenwetter - Ute Wegmann - E-Book

Sandalenwetter E-Book

Ute Wegmann

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Beschreibung

Zum ersten mal verliebt: Die schönste aller Krankheiten Karl weiß gar nicht, was mit ihm los ist. Aber immer, wenn Charlotte in seiner Nähe ist, fühlt er sich so komisch, und immer, wenn Charlotte gerade guckt, passieren ihm die peinlichsten Sachen. Dabei findet Karl Charlotte ziemlich toll. Also muss er handeln: Karl wird Charlotte schreiben, sie ins Kino einladen, zum Eisessen ...  Nur blöd, dass Charlotte morgen früh schon in die Ferien fährt – für sechs Wochen! Eine Ewigkeit! Aber für das Glück müssen manchmal Opfer gebracht werden: Schule schwänzen, mit der Wahrheit locker umgehen und sich durch den Großstadtdschungel kämpfen. Entschlossen nimmt Karl alle Herausforderungen an, denn am Ende des steinigen Wegs steht Charlotte. 

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Karl weiß gar nicht, was mit ihm los ist – immer wenn Charlotte in seiner Nähe ist, fühlt er sich so komisch, und immer wenn Charlotte gerade guckt, passieren ihm die peinlichsten Sachen. Dabei findet Karl Charlotte toll. Also muss er handeln: Karl wird Charlotte schreiben, sie ins Kino einladen, zum Eisessen … Nur blöd, dass sie morgen früh in die Ferien fährt – für sechs Wochen! Eine Ewigkeit! Aber für das Glück muss man Opfer bringen: Schule schwänzen und mit der Wahrheit locker umgehen. Entschlossen nimmt Karl alle Herausforderungen an, denn am Ende des steinigen Weges steht Charlotte.

Ute Wegmann in der Reihe Hanser:

Sandalenwetter

Weit weg … nach Hause

Never alone

Die besten Freunde der Welt

Hoover

Dunkelgrün wie das Meer

Toni

Manchmal bist du überall – Geschichten und Gedichte

Ute Wegmann

Sandalenwetter

Mit Bildern von Roland Breitschuh

Für Philip

und alle, die mit neun Jahren gern wissen möchten,

wie es sich anfühlt,

wenn man zum ersten Mal verliebt ist

1. Taschengeld

Quietschsonnenmaisgelb ist die Farbe für Taschengeld, dunkellila die für Geige üben. In zwei Farben teilt Karl Welzen die wichtigen Dinge seines Lebens ein: Entweder macht etwas Spaß und ist gut und schön und lustig, dann ist es gelb, so gelb wie der Mais, den Cowboys auf dem Feuer rösten. Ist aber etwas voll blöde, ungerecht oder einfach daneben, dann ist es tiefdunkellila wie Auberginen, dieses längliche Gemüse, das sich auf der Zunge anfühlt wie Watte und meistens auch so schmeckt. Tiefdunkellila sind auf jeden Fall die mit Terminen voll gepackten Wochentage: Schule, Judo, Geigenunterricht, Hausaufgaben. Solche Tage sind schon fast schwarz, so tieflila sind die. Maisgelbe Tage vergehen völlig ohne Stress. Nur faulenzen, kicken, Heftchen lesen, leckere Sachen essen und Fernsehen gucken. Eine Erholung von den dunkellilafarbenen!

Welcher Tag ist heute? Dienstag. Farbe? Leuchtend gelb! So gelb wie Charlottes neues T-Shirt, das super aussieht zu ihren braunen Zöpfen. Maisgelbe Charlotte, gelber Dienstag! Gelb, denn es gibt Bandnudeln mit Spinat und Knoblauch. Zweifelsfrei Karls Lieblingsgericht. Die Mittagessen mit Gemüse bringen echte Erholung. Denn dann bleibt Karl vom Salat verschont. Karls Mutter liebt Blattsalate – und zwar jeden Tag, in allen Formen und Farben. Egal, wie die Teile heißen: Kopfsalate! Weil sie rund sind wie grüne Köpfe von Außerirdischen? Eichblattsalat! Weil die Salatblätter die Form haben wie die Blätter einer Eiche? Und Batavia? Wem sieht der Salat ähnlich? Es klingt wie der Name eines alten verschrumpelten Ritters! Der mit dem uncoolen Namen steht ungefähr fünfmal in der Woche auf dem Tisch. Schön angerichtet, mal mit klein geschnittenem Fenchel oder Möhre, mal mit Rucola. Rias Fantasie ist grenzenlos und trotzdem bleibt es Salat. Und schmeckt wie Salat: grün und salatig.

Früher war Karls Mutter voll öko. Nicht äußerlich, mehr so in Essensangelegenheiten. Es gab Hirse und Grünkern und immer Gemüse aus dem Bioladen und Fleisch am liebsten gar nicht.

Deshalb freut sich Karl seit jeher auf die Sommertage bei den Großeltern. Die leben auf dem Land in einem Haus mit Garten. Und Opa, der isst gern Fleisch. Für sein Leben gern. Und Oma auch.

Wenn im Sommer das Wetter gut ist, also eigentlich selten, wird im Garten gegrillt. Aber nicht einfach nur Würstchen. Nein! Schnitzel, Koteletts, Bauchspeck, Steaks. Riesige Fleischteile, die ohne Ende über Tellerränder lappen.

Am liebsten würde Karl jedes Wochenende zu den Großeltern fahren. Da kann er Sachen machen, die man in der Mietwohnung schlichtweg vergessen kann: Tischtennis spielen oder Federball und natürlich kicken. Logisch! Aber mehr als alles liebt Karl es, mit einem Schritt draußen zu stehen. Im Garten! Das findet er großartig: Nirgends blöde Treppen. Immerhin wohnt er im dritten Stock. Ria sagt: »Das hält fit und ist gut für den Hintern.« Sie meint, das strafft. Ihren Hintern! Mag sein! Bei Karl ist das schließlich nicht nötig. Charlotte, die hat es richtig gut: Sie wohnt im zweiten Stock in einem Haus mit Aufzug. Das wäre der Hammer: Ria könnte ihren Hintern straffen und Karl würde sich fein nach oben fahren lassen. Einige seiner Freunde müssen sogar fünf Etagen hochsteigen. Da kann sich ein später Nachmittag schon mal zu einer mittleren Katastrophe ausweiten. Wenn zum Beispiel beim Einkauf die Milch vergessen wurde. Meistens muss dann eins der Kinder runterrennen. Milch holen. Als ob das für Kinder einfacher wäre als für Erwachsene. Ungerechtigkeiten des Lebens! Das ist nur eine davon.

Auf jeden Fall ist immer noch Dienstag und Sommer! Und die Sonne scheint. Und das ist gut so in der letzten Woche vor den Sommerferien.

Maisgelber Dienstagnachmittag: kein Judo, kein Geigenunterricht, kein Zahnarzttermin und keine Hausaufgaben. Keine Pflichten! Nur freie Zeit!

Meistens trifft Karl sich an solchen Tagen mit seinen Freunden im Park. Natürlich zum Fußball spielen. Die Zeit der Detektivspiele mit heimlichem Leute-Beobachten ist vorbei. Früher waren er und seine Freunde gut ausgestattet: Im Detektivkoffer lagen ordentlich nebeneinander Ausweise, Flitschen, Spurensucher, ein Fernrohr, eine verspiegelte Brille und selbstredend Handschellen. Falls der Täter dingfest gemacht werden musste. Aber der Koffer steht seit einiger Zeit unbenutzt unterm Bett, überzogen mit einer dicken Staubschicht. Karl fühlt sich für dieses Spiel zu alt: Detektive sind meistens viel jünger. Zweites Schuljahr oder so.

Neuerdings widmet Karl seine ganze Aufmerksamkeit einem Pappkarton, beklebt mit coolen Aufklebern. Darin herrscht ein völliges Chaos aus Zetteln, Fotos und Fußballbildern und Einladungen zu Geburtstagen – auch von Mädchen. Die beste Geburtstagsparty war eigentlich Charlottes: Disco mit Rumsitzen, Salzstangen essen und Musik hören.

Karl liegt auf dem Boden im Kinderzimmer und beginnt das Poster einer Fußballmannschaft aus einem Sportheft zu trennen. Schon zwei Uhr und er hat noch keine Verabredung. Langsam könnte ja mal was passieren. Wo sind denn die Reißzwecken, die auf der Fensterbank lagen? Er schiebt die Vorhänge zur Seite: Clowns und Tiger in der Manege! Wie peinlich! Das ist oberlila! Hoffentlich kann man von der Straße aus die Clowns nicht erkennen. Charlotte würde ihn sonst für ein Kleinkind halten. Das alberne Kindermuster ist wirklich nichts für einen, der nach den Sommerferien aufs Gymnasium geht. Aber Ria hat absolut nie Zeit, mit ihm neue Vorhänge auszusuchen. Seitdem sie mit dem Studium angefangen hat, hetzt sie nur durch die Gegend. Physik und Mathe sind ihre Fächer. Damit hat sie gute Chancen, weil solche Lehrer gesucht werden, sagt sie. Und nebenbei jobbt sie in einem Feinkostladen. Da muss man gestresst sein!

Seine Mutter scheppert in der Küche mit einem Topf herum. Aus dem voll aufgedrehten Radio schallt ›Overload‹ von den Sugababes. Bei dem Lied kann Ria richtig ausflippen. Und das tut sie auch. Lautstark singt sie mit. Seine Mutter freut sich wohl total auf die Ferien. Ferien!? Zeit für Vorhänge!? Das wäre ein echter Lichtblick. Andererseits: sechs Wochen ohne seinen Freund Antonio, sechs Wochen ohne Fußball spielen in den Pausen, sechs Wochen ohne Charlotte? Sechs Wochen zu Hause?

Karls Vater, der ist manchmal ein oder zwei Wochen unterwegs. Volker hat Kunstgeschichte studiert und noch was, das heißt Völkerkunde. Da geht’s um verschiedene Stämme auf der Erde, vor allem um die Afrikaner. Volker sagt immer, so ein Studium kannst du dir auch gleich an die Backe heften. Er meint wohl, das bringt nichts. Wenn man nicht die richtigen Leute im Museum kennt, findet man nie einen Job. Und so war es dann auch! Er kannte diese richtig wichtigen Leute nicht. Und er fand keinen Job. Weder im Museum noch anderswo. Erst war er enttäuscht, weil ihm das viel Spaß macht mit der Kunst. Aber jetzt hat er eine tolle Arbeit gefunden. Er fährt LKW bei einer Spedition. Keine stinknormale, die Möbel oder Konservendosen transportiert, sondern eine Kunstspedition. Volker fährt zu den Ateliers großer Künstler, meistens schwer berühmte Maler, und transportiert ihre Bilder mit dem kleinen LKW durch Europa zu Galerien und Museen. Wenn Volker länger weg ist, brechen für Karl harte Zeiten an, vor allem wenn kein Sprudelwasser mehr im Haus ist oder die Welzens das Treppenhaus putzen müssen. Dann ist nämlich Karl gefragt!

Die Musik aus der Küche übertönt beinahe das Schnarren des Telefons. Telefonklingeln hört Karl allerdings immer, sogar wenn die Waschmaschine schleudert oder Ria im Bad volle Dröhnung ihre Haare föhnt. Denn Klingeln ist gelb und bedeutet meistens ›Freund‹, also einer, der sich verabreden will. Karl rast aus seinem Zimmer und überholt Ria, die zum Apparat tanzt.

»Ich geh schon!«, ruft er, rutscht auf Socken zum Telefontisch und reißt den Hörer von der Gabel.

»Karl Welzen! – Hallo, Lukas! – Nein, ich hab Zeit! Hast du Lust auf Fußball?«, fragt Karl und folgt Ria in die Küche.

Das Radio dröhnt.

»Kann ich mit Lukas im Park Fußball spielen?«, brüllt Karl.

Ria nickt und singt gut gelaunt irgendein altes Stück mit. Von Cat Stevens. Den kennt heute niemand mehr, aber damals fanden ihn alle super. Sagt Ria. Karl findet die Musik grauselig. Das Radio und Cat Stevens geben alles. Karl flüchtet in sein Zimmer.

»Lukas, hörst du mich? Um drei im Park? Bringst du den Ball mit? – Okay! Bis gleich!«

Plötzlich ist es ganz still und Ria steht in der Kinderzimmertür: »Sind die Hausaufgaben fertig, mein Sohn?«

Karl zuckt zusammen. »Mensch, hast du mich erschreckt!«, sagt er und zieht sich die gelbschwarzen Stutzen an. »Wir haben gar nichts auf, Mama! Frau Larens hat selber keine Lust mehr auf Unterricht. Sie spricht nur noch über die Toskana. Gestern hat sie von alldem ›Schönen‹ erzählt, das die Italiener nach Deutschland gebracht haben. Sie konnte nicht mehr aufhören. Angefangen hat sie bei ›eindrucksvollen‹ Kunstwerken, dann schwärmte sie von den weltberühmten italienischen Nudeln und ihren verschiedenen Formen und zum Schluss ging’s um Wildschweingerichte.«

»Oh! Wildschwein.« Ria überlegt. »Was für eine gute Idee! Das braten wir, wenn Papa zurückkommt.«

»Ich hab noch nie Wildschwein gegessen. Schmeckt das?«

»Es ist köstlich! Ich glaube, es könnte dein neues Lieblingsessen werden.«

Während Karl sein Fußballtrikot anzieht, nimmt er sich vor, seine Eltern zu überreden, nächstes Jahr in die Toskana zu fahren statt zum hundersten Mal auf den FKK-Campingplatz in Südfrankreich. Die ganzen Nackten in Socken und Turnschuhen gehen ihm schon lange auf den Wecker.

»Weiße Büffel kann man dort sehen, sagt Frau Larens«, erzählt Karl weiter. »In einem Naturschutzgebiet am Meer laufen sie frei herum. Einen wilden Strand mit Pinienwäldern gibt es auch. Nur wenige Menschen baden dort, weil die Leute abgezählt werden. An einer Schranke steht nämlich ein Aufpasser. Ist der Parkplatz voll, muss man warten. Erst wenn ein Auto wegfährt, darf der Nächste in das Naturschutzgebiet hinein. Frau Larens hat letztes Jahr vierzig Minuten vor der Schranke gewartet. Das war ihr egal, behauptet sie. Vierzig Minuten bei vierzig Grad Hitze. Egal? Ich wäre gestorben. Oder verdurstet!«

»Apropos Hitze und Verdursten! Vergiss nicht, dir was zu trinken mitzunehmen!«, sagt Ria und geht zurück in die Küche.

Um kurz vor drei packt Karl seinen Rucksack mit Wasserflasche und Torwarthandschuhen.

»Mama! Kann ich mein Taschengeld haben?«, schreit er in Richtung Küche.

»Wie viel war das noch mal?«, fragt sie und kramt in verschiedenen Einkaufstaschen nach ihrem Portemonnaie.

»Zehn Euro!«, ruft Karl und kichert leise.

»Quatsch! Sag mal im Ernst!«

»Zwei, Mama, zwei Euro! Seit zwei Jahren zwei Euro!« Er kann’s nicht fassen, dass seine Mutter sich das nicht merken will.

»Zwei klingt okay! Was machst du mit dem Geld?«, fragt Ria zurück.

»Weiß ich noch nicht. Vielleicht kauf ich Fußballbilder! Oder Lakritz. Oder ein kleines Eis für Lukas und mich.«

»Hm! Sehr aufschlussreich! So genau wollte ich es nicht wissen!«

»Ich weiß es eben jetzt noch nicht.« Karl zieht die Stutzen hoch.

Endlich hat Ria ihr Geld in einer ihrer Manteltaschen gefunden und drückt dem Sohn zwei Euro in die Hand.