Durchs Leben gewhippt - Melissa Simeoni - E-Book

Durchs Leben gewhippt E-Book

Melissa Simeoni

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Beschreibung

"Ja, Axis ist eine Mörderin! Sie hat schon einmal in einer wilden Jagd bewiesen, dass sie das Zeug zur Kämpferin hat. Der Hase wurde nicht nur gehetzt sondern prompt erlegt. Damals quittierte ich das lobend für unsere Zucht und dachte nicht weiter darüber nach, aber an diesem Abend war es anders. Sie war mit Hinterlist vorgegangen und hat nicht nur getötet, sondern sich in einen offensichtlich wilden Kampf verwickeln lassen." Dieses Buch ist kein Hundetraining Tipps - Anleitungsbuch, auch kein "Mach es so, denn ich weiß es am besten Buch". Es ist eine Sammlung kleiner und kurioser Geschichten, wie man sie mit Whippets erlebt und aus denen man Schlüsse für sich selbst ziehen kann.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Doch wieder alles neu

Der, den niemand wollte

Nase voll

Wie sehr Runa Farka liebt

Gewitternächte

Der Griff ins Klo - Offensichtlich wurde nicht gespült

Fühle deinen Welpen

Bilderserie

Hündisch

Ohnmacht und Nagetiere

Bauchfleck

Das Katz- und Maus-Spiel, nur mit Whippet und ohne Maus

Herzensliebe und Herzenshärte

Whippet gegen das Vergessen

Kontrolle verloren!

Meine Freundin

Miese Ratte

Vorwort

Wie Sie vielleicht wissen, habe ich schon ein Buch über Whippets geschrieben. Es war nicht nur eine nette Geschichtensammlung über den Wahnsinn, der unsere Whippets manchmal heimsucht, sondern auch eine kleine „Betriebsanleitung", wie man mit einem Whippchen zurechtkommen kann, aber selbstverständlich nicht muss.

Eines meiner Credos lautet, dass jeder Hund und natürlich auch jedes Whippet seinen ganz eigenen Charakter hat. Somit gibt es eigentlich gar keine Standardanleitung zum Umgang mit ihnen. Natürlich gibt es eine Universalsprache der Hunde, welche auch das Whippet mit seinem whippetischen Dialekt beherrscht (dazu noch mehr in diesem Buch), jedoch gibt es kein Rundumsorglospaket der Marke „Fix und fertig - mit diesen Kommandos folgt jedes Whippet". Und das ist auch gut so.

Jedes Hundebuch, das Sie lesen und vorerst vielleicht als das neue Nonplusultra erscheint, muss geprüft werden. Passen die Trainingsmethoden tatsächlich zu dem Hund, den man selbst zuhause am Sofa, im Bett, am Tisch und/oder am Klo mit dabei hat? Und wenn man glaubt, die perfekte Lektüre gefunden zu haben, wäre es super, wenn man nicht ständig den gleichen Fehler macht, der mir immer wieder passiert ist, nämlich sofort sein ganzes Trainings- und Lebenskonzept mit dem Whippet über den Haufen zu werfen und der neuen und tollen Linie zu folgen. Ja, Ausgeglichenheit ist in meinem Leben manchmal ein Fremdwort, aber ich arbeite schwer daran, mich zu verbessern!

Am besten ist immer, zuerst in seinem eigenen Menschenkopf darüber nachzudenken (wir haben ihn ja schließlich einzig und allein, um die beste Trainingsmethode für Herrn und Frau Whippsti herauszufinden), ob das, was da im Buch steht, auch zum jeweiligen Hund passt. Es einfach gleich auszuprobieren, ist mit Sicherheit der falsche Weg.

So erspart man sich viel Verwirrtheit, glauben Sie mir! Die Verwirrung war in meiner Anfangszeit mit Whippets mein ständiger Begleiter. Kommen Sie jetzt aber nicht auf die Idee, ich würde nur von armen, verwirrten Menschen sprechen, denn die sind ja nicht so wichtig. Ich meine natürlich die super-armen, verwirrten Whippets. Ja, Hunde können ordentlich durcheinanderkommen, wenn man alle paar Wochen ein ganz neues Konzept bei ihnen ausprobiert. Meistens werden sie es uns sogar sehr deutlich mit ihrer Sprache mitteilen. Da liegt der Ball dann wohl wieder bei uns Menschen, diese Sprache zu erlernen, damit wir VERSTEHEN, was uns unser Whipp sagen möchte, und nicht nur ziellos herumdeuten und interpretieren.

Ja, ja, ich weiß, es ist lustig, den Kinderleins alles Mögliche zu unterstellen. Wir meinen, zu wissen, wie sie denken und wie sie uns manipulieren wollen. Wir geben ihnen Stimmen und erfinden Gespräche rund um ihre Blicke. Was? Das machen wir nun mal in unserer Freizeit! Das ist, wie ins Theater gehen, nur sehr viel billiger und man kann es auch zuhause im Garten tun.

Doch bleiben wir ganz kurz ernst und bei den Fakten: Whippets haben keine manipulativen Superkräfte, mit denen sie uns beeinflussen wollen. Sie kommunizieren, wie Hunde es eben tun, und sie verstehen manchmal einfach nicht, warum wir Menschen nicht checken, was sie uns sagen wollen. Vielleicht vergeben Whippstis nicht so schnell wie andere Hunde, vielleicht sind sie etwas fordernder in ihrer Kommunikation, aber das ist auch schon alles!

Aber zurück zu den sehr interessanten Trainingswegen, die ich gegangen bin und für doof befunden habe, begonnen beim Konzept, dass ein Whippet frei und ohne Leine geht, auch wenn der Hase mit erhobenem Mittelfinger vorbeihüpft, bis hin zu elendslangen Spaziergängen und ermüdenden Geisteswissenschaften für den Hund. Wir haben alles durch, außer das „Brechen" des Hundes, das erforderlich ist, wenn man einen Sichtjäger dazu bringen möchte, einen spottenden Hasen ziehen zu lassen, und das Impulskontrolle-Training, das von manchen so weit hinausgezögert wird, bis das Whippet vor Anspannung umfällt, gar keinen Impuls mehr zeigt und dann als wandelnde Leiche durchs Leben geht. Sehen die Windlinge eh schon manchmal wie Skelettchen aus, muss man sie nicht auch noch geistig aushungern! Bitte nicht falsch verstehen, Impulskontrolle ist für jeden Hund wichtig, aber es ist auch wichtig, kein Training zu übertreiben!

Daher wird dieses Buch kein Hundetrainingstipps-Anleitungsbuch und auch kein „Mach es so, denn ich weiß es am besten"-Buch, sondern eine Sammlung von kleinen, kuriosen Geschichten, die mit Whippets erlebt wurden und aus denen man natürlich Schlüsse für sich selbst ziehen kann. Jeder darf sich dann gerne selbst überlegen, wie er in dieser Situation als Whippet-Mensch gehandelt hätte oder was er anders machen würde. Meine Gedanken zu den Geschichten werden Sie natürlich schon zu lesen bekommen. Bücher zu schreiben, regt mich auch immer zur Selbstreflexion an. Sie können somit live dabei sein. Vielleicht sind Sie sogar dabei, wenn ich wieder einmal alle meine Grundpfeiler umstoße, um ein neues Konzept auszuprobieren. Wer weiß das schon jetzt am Anfang?

Manche Geschichten werden lustig sein und hoffentlich viele zum Lachen bringen. Vielleicht werden sie ein guter Grund sein, sein Leben mit einem Whippet zu teilen, vielleicht das Gegenteil bewirken. Sie werden manche schockieren, eventuell traurig stimmen und hoffentlich dazu anregen, niemals so mit seinem Hund umzugehen. Ich weiß, das ist vielleicht nicht das, was man über ein Whippet-Buch erfahren möchte, aber es ist mir ganz wichtig, herauszuarbeiten, was für Whippets nicht geht und wie wichtig es ist, seinen Hund wirklich gut kennenzulernen und sein Leben nicht nur mit der Idee eines Hundes zu teilen. Ich spreche hier nicht von irgendwelchen esoterischen Seelenwanderungen, um die Seele seines Hundes zu finden (obwohl ich manchmal der Meinung bin, dass ein bisschen Magie im Kopf nicht schaden kann), nein, ich spreche von simplen Beobachtungen, die jeder Mensch bei seinem Hund anstellen kann!

Die traurigen Geschichten sollen zeigen, was passiert, wenn man sich zu sehr auf Trainingskonzepte, auf seine langjährige Erfahrung mit Hunden oder schlechte Ratschläge verlässt und dabei vergisst, dass jeder neue Hund im Leben eine neue Persönlichkeit ist, die Bedürfnisse hat und nicht nach einem klassischen Whippet-Schema funktioniert.

Eine beziehungsfördernde Möglichkeit wäre, seinem Whippet am Abend die Geschichten vorzulesen. Allerdings sollte man da bei den positiven Anekdoten verweilen, damit Herr oder Frau Whipps nicht in Gefahr läuft, schlecht zu träumen. Wenn das passiert, muss das Whippet selbstverständlich ohne Wenn und Aber zu seinem Menschen ins Bett, was nicht jeder mag. Daher eher keine traurigen und auch keine Jagdgeschichten vor dem Einschlafen.

Vielleicht nehmen Sie sich ja auch ein Beispiel an den felligen Kollegen und denken darüber nach, dass Sie als Whippchen nie so werden wollen, wobei das relativ unwahrscheinlich ist. Selbstreflexion ist nicht unbedingt angesagt bei den Whippets. Sie gehen maximal zum Therapeuten, wenn sie sich über das Verhalten ihrer Menschen oder Mitbewohner ärgern. Viel eher wird passieren, dass sie sich diese sagenumwobenen Whippet-Geschichten und Whippet-Helden als Vorbild nehmen und ihnen nacheifern wollen. Daher wäre es vielleicht doch besser, das Buch, nachdem man es gelesen hat, zu verstecken und dafür zu sorgen, dass das eigene Whippet niemals einen Blick hineinwerfen kann. Man muss die Kinder ja nicht zusätzlich zu ihren eigenen lustigen Ideen zu kreativen Höchstleistungen drängen. Allerdings muss ich sagen, dass ich genau so zu meinen Geschichten komme. Also, Sie sehen schon, ich bin sehr hin- und hergerissen. Nun ist es an Ihnen, zu entscheiden. Was werden Sie tun? Vorlesen - ja oder nein?

In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern ganz viel Spaß beim Schmökern und viel Vergnügen auf Ihrem eigenen Weg mit Ihrem Whippchen!

Doch wieder alles neu

In meinem letzten Buch habe ich davon geschwärmt, dass ich unsere Fünferbande so sehr liebe, dass ich nie wieder einen weiteren Hund haben will. (Das wissen Sie noch nicht? Dann müssen Sie unbedingt mein erstes Whippet-Buch kaufen und lesen. Und nein, ich mache selbstverständlich keine Werbung. Ich will Ihnen nur helfen, die Zusammenhänge zu verstehen. So bin ich - hilfsbereit und liebevoll!)

Eigentlich war das auch so, doch irgendwie hat mir noch etwas gefehlt. Unsere Hunde waren seit dem Einzug des flauschigen Riesen deutlich ruhiger geworden, was natürlich nicht schlecht zu bewerten war. Jeder normale Mensch wäre damit auch sehr zufrieden gewesen, aber leider ist auch „normal" mitunter ein Fremdwort für mich. Also war ich wieder auf der Suche, denn es war mir irgendwie doch zu ruhig. Natürlich hatte ich das Versprechen an den „besten aller Ehemänner", dass es keine weiteren Hunde geben würde, noch im Kopf. Ich konnte mich auch leider nicht darauf ausreden, dass ich dies vergessen hätte, denn der „beste aller Ehemänner" weiß, dass ich ein Gedächtnis wie ein Elefant habe. Aber manchmal ändert man seine Meinung, oder?

Also, kaum war ich mit der Erstversion des Buches fertig und es war schon so gut wie bei der Lektorin, sah ich auf einem Facebook-Profil meiner Züchterkollegin, dass sie gerade Welpen hatte. Selbstverständlich war ich nicht auf Welpensuche und hatte mich auch schon einige Zeit nicht mit den Stammbäumen diverser Hunde beschäftigt, aber wenn man auf seinem gesamten Social-Media-Profil nur Hundemenschen und deren Vierbeiner hat, ist es nicht so schwierig, über Wurfmeldungen und Welpenfotos zu stolpern. Man wird damit eigentlich fast ins Gesicht geschlagen, sobald man seinen Account öffnet. Es ist also sehr schwierig, seine Gedanken zu beherrschen. In diesem Fall kann ich dem lieben Herrn Matthäus aus der Bibel nur recht geben, der erläutert, dass man im Herzen schon Ehebruch begangen hat, wenn man sich immer die Frau seiner Mitmenschen ansieht, sie einem gefällt und man sich im Kopf schon so seine Bildchen und Vorstellungen macht (Matthäus, Kapitel 5, Vers 28). Ich habe diesen Spruch selbstverständlich (wie alles in meinem Leben) auf Hunde umgelegt und deute es so: Wenn ich mir ständig Whippets ansehe, die mir gefallen, und ich mir schon überlege, ob dann vielleicht doch noch einer mehr geht, habe ich mein Versprechen dem „besten aller Ehemänner" gegenüber eigentlich bereits gebrochen. Ja, ich bin eine Sünderin! Die alten Hebräer waren wirklich ziemlich schlau, ist alles, was ich zu meiner Verteidigung zu sagen habe.

Was soll ich machen? Es ist einfach passiert. Ich sah sie auf einem Foto, kaum zwei Wochen alt. Ich wusste, dass dieser Hund große Freude und großes Leid für unsere Familie bedeuten würde. Mit diesem Gedanken hatte ich sie quasi markiert. Tatsächlich hatte sich keine passende Familie für sie interessiert, wie mir ihre Züchterin später erzählte. Ob das wohl an ihrem Two-Face lag? Runa hatte ihren Zwiespalt zwischen niedlich und teuflisch schon von Anfang an mit ihrer auffälligen, zweigeteilten Gesichtsfärbung bekanntgegeben.

Nachdem ich sie also mit Gedanken markiert hatte - Gedanken haben wirklich unglaublich viel Kraft -, habe ich lange und sehr intensiv überlegt. Immerhin musste ich Argumente finden, um den „besten Ehemann der Welt" von meinem genialen Plan zu überzeugen. Dazu musste ein todsicherer Schlachtplan ausgearbeitet werden. Jedes Argument musste ein Killerargument sein und den Zweifel meines Gegners sofort im Keim ersticken.

Das ist nicht immer ganz so leicht, da der „beste Ehemann der Welt" und ich bis zu dieser Zeit sehr verschiedene Vorstellungen von unserer nahen Zukunft hatten. Seine Vision war ein gepflegter Rasen mit schönen Blumenbeeten und ein sauberes Haus. Das fand ich zwar auch toll, aber für mich ging es in erster Linie darum, wer wohl auf dem Rasen und im Haus herumkugeln würde. Meiner Vorstellung nach waren es viele Hunde in allen möglichen Farben, Größen und Fellstrukturen mit Herzchen in den Augen und einem fleischen Knochen im Mund. Also startete ich mit meiner Zermürbungstaktik.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe es geschafft. Sie wurde 15 Wochen, nachdem ich das erste Foto von Frau Runa gesehen hatte, von uns abgeholt. Wenn sich jetzt einige fragen, warum ich nicht erzähle, wie ich den „besten Ehemann der Welt" umstimmen konnte, dann liegt das daran, dass ich vielleicht einmal ein Buch über Überredungstaktiken schreiben werde. Da kann ich nicht im Vorhinein schon alle meine Geheimnisse ausplaudern.

Runa war für meinen Mann also wieder eine Nacht- und Nebelaktion, eine hochgegangene Emotionsbombe von Muttergefühlen oder schlichtweg ein Albtraum. Für mich war sie natürlich reifliche Planung und der Orden für meine Tapferkeit in den Verhandlungen.

Doch dieses kleine Wunderwesen war alles andere als ein Engerl. Ich muss mich korrigieren, sie ist alles andere als ein Engerl. Vielleicht werde ich sie irgendwann in „Frau Satansbraten" umtaufen.

In meiner Überlegungsphase habe ich immer wieder hilfesuchend zum Himmel gesprochen und sogar eine Antwort bekommen. Ob ich nun der Einbildung bezichtigt werde oder nicht, ich glaube an solche Dinge. Es war ein absolut starkes Gefühl, das mir quasi ins Ohr schrie, den Welpen nicht zu adoptieren. Der Herr da oben wusste schon, dass es schwer sein würde, mich davon zu überzeugen, Runa dort zu lassen, wo sie war, die Markierung zu lösen und weiter ein ruhiges Leben in einem gepflegten Garten zu führen.

Naja, diesen Einwurf von oben hätte ich mal doch lieber ernstnehmen sollen. Nicht nur, dass dieses Whippet-Wesen vollkommen durchgeknallt ist, sie ist auch noch zuchtuntauglich, was unser ganzes Leben vor Kurzem derart auf den Kopf gestellt hat, dass wir uns erst einmal wieder davon erholen müssen. Die Quintessenz ist, dass die Gespräche mit dem Herrn da oben sehr hilfreich gewesen wären, hätte ich sie angenommen. Schon blöd, dass ich so ein sturer Bock bin. Aber nun zu Runa. Unser erstes Kennenlernen verlief sehr amüsant. Der „beste Ehemann der Welt" und ich fuhren zu Runa nachhause und wurden sofort überschwänglich begrüßt. Wir sind viel gewohnt von kleinen Whippet-Welpen, aber so etwas hatten selbst wir noch nicht gesehen und gefühlt, nämlich lauter kleine Zähne, die sich in Kleidung und Finger bohrten. Tja, nicht nur Runa, sondern auch ihre Geschwister haben wirklich schwer einen an der Waffel, also natürlich im positiven Sinn. Sie scheinen, was ihre Sprungkünste betrifft, eher eine Mischung aus Kängurus und Wiesel zu sein. Übrigens ist einer von Runas vielen Namen „Wiesel". Wir haben noch nie so kleine, drahtige Welpen gesehen wie in diesem Wurf. Sie waren nicht nur wahnsinnig begeistert vom Besuch, sie haben sich auch offensichtlich gleich gedacht, dass sie beim „besten Ehemann der Welt" Eindruck hinterlassen, wenn sie ihn in seine Nase beißen. Ich muss hier nochmals wiederholen, weil es einfach so faszinierend ist, dass wir uns nicht zu ihnen hinuntergebeugt haben. Das haben wir uns gar nicht getraut. Im Gegenteil, dieses Nasenpiercing entstand im Sprung oder eher im Flug. Eindruck haben sie auf alle Fälle allesamt hinterlassen.

Jetzt wollte ich schon schreiben, dass wir, als sich die Herde etwas beruhigt hatte, den ganzen Papierkram erledigt haben. Aber wenn ich mich recht erinnere, hat sich da niemand beruhigt. Genau da hätte ich schon wissen müssen, was uns in der nächsten Zeit blühen wird. Aber spätestens auf der Heimfahrt war mir dann einiges klar.

Wir haben schon viele Heimfahrten mit Welpen erlebt. Bis jetzt war nur die mit unserem Beauceron, wohlgemerkt aus einer Arbeitslinie, mit der von Runa zu vergleichen. Von Übelkeit und dann erschöpftem Einschlafen waren wir meilenweit entfernt. Sie war die ganze Fahrt wach und wollte immer aus dem Fenster sehen. Meine erste Vermutung war - wie immer habe ich zu blümchenhaft gedacht-, dass sie einfach etwas unsicher wäre und nicht wüsste, warum da draußen alles schwarz ist und was eigentlich mit ihr passierte. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass sie wohl wie bei allen Autofahrten danach eher nach jagdlichen Objekten Ausschau gehalten hat. Diese waren natürlich im Dunkel der Nacht nicht so leicht zu finden, weshalb sie dann vor lauter Ärger 10 Meter vor unserer Haustür gekotzt hat. Vielleicht hat sie aber auch diese erste Autofahrt als wundervolles, neues Abenteuer empfunden. Auch das ist möglich, denn Runa liebt Abenteuer.

Runa kam, sah und war sich sicher, dass wir ihre neue Familie sein würden und sie einfach wirklich jeder mögen musste. Mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen sucht, watschelte sie im dunklen Garten und im Haus herum, als wäre sie hier geboren worden. Sie probierte jedes Hundebett und die Couch aus, aber immer darauf bedacht, den „besten aller Ehemänner" im Blick zu behalten. Genau hier an diesem Punkt hätte ich schon wissen müssen, dass zwischen den beiden eine große Liebe entstehen sollte.

Anfangs belächelte ich ihre Einstellung etwas, doch mit der Zeit wurde mir klar, dass dieser neun Kilo schwere Hund wirklich alles schafft, was er sich vornimmt. So hat sie es sogar geschafft, dass der „beste aller Ehemänner" IHR Mensch geworden ist. Die beiden sind so verliebt, dass alle anderen Hunde und ich oft am Boden liegen vor Lachen, weil der „beste aller Hunde-Papas" sich schon wieder für sein kleines Runschi zum Affen macht.

Was unsere anderen Kinder betrifft, hat Runa auch da sehr schnell ihre Einstellung zu ihnen offen kundgetan. Bei vielen Welpen, wenn sie in eine bestehende Hundegruppe kommen, ist es so, dass sie sehr unterwürfig und niedlich tun, damit sie jeder mag. Runa war zwar auch sehr niedlich, aber nicht unterwürfig, da ihr einfach sonnenklar war, dass sie jeder mögen MUSS.

Eine kurze Schilderung des ersten Zusammentreffens mit unseren „Kindern": Runa saß auf meinem Schoß, nachdem sie sich das Wohnzimmer, die Küche, das Bad und den Garten genauestens angesehen hatte. Ich gab den Befehl, die Meute hereinzulassen, natürlich nicht alle auf einmal, denn ich wollte das klitzekleine Whippchen nicht überfordern. Wie naiv! Mittlerweile ist jedem hier klar, dass das klitzekleine Whippchen nur von einem Ding überfordert sein kann, nämlich von einem Kind.

Runas Leitspruch, quasi ihr Lebensmotto, lautet: „Ich bin das größte Raubtier der Erde und ich werde mit allem fertig!" Dies spiegelt sich auch auf ihrem Gesicht wider und so kam es, dass unsere großen Kinder sich zwar an das Kleinteil heranwagten, aber niemand es auch nur erwog, erzieherisch einzugreifen. Irgendwie hielten sie die Neue wohl für ein Alien, da sie so vollkommen anders war als jeder ihnen bekannter Welpe. Vielleicht waren sie einfach von so viel Selbstvertrauen in einem so kleinen Hund geblendet. Runa hielt sich jedoch nicht für ein Alien, sie war sich eher sicher, dass sie so etwas wie der Whippet-Messias in unserem Haus sei, das Wesen, auf das wir alle gewartet hatten, um unser Leben vollends zu verändern und zu verbessern. Mit dieser positiven Emotionslage hüpfte sie nun von einem zum anderen und begrüßte jeden. Goethe, schon am Anfang vollkommen fertig von so viel Freude und Tatkraft, verzog sich als erster aufs sichere Sofa und beobachtete das Geschehen nur noch angewidert von seiner sicheren Burg aus. Eny hingegen war dermaßen schnell in das Kleinteil verliebt, dass sie ganz vergaß, dass eigentlich Axis ihre Tochter war und nicht Runa. Ähnliches war bei Farka zu erkennen. Axis, die immer etwas abwartend ist, reagierte prompt mit Spielaufforderungen und Arkouda tat es ihr nach. Man kann diesen Abend also als Runas ersten Erfolg verbuchen. Für uns trat eine Wende ein, denn von da an wurde heftig, laut und schnell im Garten gespielt, anfangs wenig geschlafen, und vom schönen Rasen und den geordneten Blumenbeeten konnten wir uns auch verabschieden.

Arkouda (das riesige Barsoi-Fellmonster) musste sich vom Gedanken verabschieden, in Ruhe und vor allem allein aus ihrer Schüssel zu fressen, ein Privileg, das sie sich schwer erarbeitet hatte. Runa war und ist dermaßen schnell, dass sie gar nicht wahrgenommen, geschweige denn zurechtgewiesen werden kann, wenn sie Arkoudas Essen stiehlt. Auch für die anderen Kinder veränderte sich viel. Eny bekam tatsächlich noch eine Tochter. Sie ist endlich eine, die genauso dünn ist wie sie (zu unserem Leidwesen). Farka bekam einen Führer. Wir nennen die beiden Binky und Brain nach diesen Fernsehmäusen. Brain-Runa strebt immer nach der Weltherrschaft und Binky-Farka, der Doofling, macht alles mit und nach. Axis hat nun eine Spiel- und Jagdgefährtin, der man alle Schliche beibringen kann und muss. Goethe erhielt ein Spielzeug, das er nach Herzenslust verbellen kann, wenn es wieder einmal schneller als er durch den Garten düst. Der „beste Ehemann der Welt" hat endlich seinen ganz eigenen Hund, der ihm alles nachmacht und am liebsten unter seinen Pulli kriechen möchte, um immer bei ihm zu sein.

Nun versteht er mich endlich, Runa sei Dank! Es gibt nichts Schöneres, als so verbunden mit einem Lebewesen zu sein. Seine neu gefundenen Gefühle sind für mich nicht nur schön zu beobachten, sondern auch ein gefundenes Fressen für weitere Verhandlungen, denn ich habe Großes vor (großes Flauschiges)! Das Pläneschmieden hat begonnen und ich bin sicher, Runa ist ebenso begeistert, denn sie ist wie ich bereit für ein neues Hundeabenteuer.

Der, den niemand wollte

Es ist immer wieder interessant, wenn Welpen-Interessenten kommen und mir erklären, dass sie gerne hätten, dass der Hund sie aussuchen soll, nicht umgekehrt, denn das müsse doch so sein. Lustigerweise sind das oft (nicht immer) genau die Menschen, die zwar wollen, dass der Hund sie aussucht, aber im Leben mit dem Hund darf der dann nicht selbständig denken und sich entfalten und hat eigentlich auch nichts mitzureden, denn es ist ja nur der Hund. Diese Gruppe von „Erwählten" ist seltsam, aber eigentlich möchte ich hier nicht über sie schreiben. Ich muss mich auch nicht über sie ärgern, denn ich betrachte sie mit einer gewissen Faszination.

Ich habe mich oft gefragt, ob das Menschen sind, die keine Entscheidungen treffen wollen, oder sie eher an den Mythos „Liebe auf den ersten Blick" glauben. Vielleicht wissen sie einfach nicht, was zu ihnen passt oder was sie wollen. Also ist wieder einmal alles drin und man muss die Menschlein sehr genau beobachten. Allerdings soll das jetzt nicht heißen, dass ich das doof oder unwahr finde, also das mit der „Liebe auf den ersten Blick" oder mit dem Blick tief in die Seele, wie es auch manchmal beschrieben wird. Ich habe es nur bis jetzt nicht wirklich oft erlebt, daher bin ich etwas vorsichtig.

Auf alle Fälle wollen manche dieser Menschen gewählt werden und sofort dieses faszinierende Band der Einheit zwischen Menschen und Hunden spüren. Ich denke zwar, dass dieses Einheitsband eher durch Beziehungsarbeit und Zeit entsteht, aber ich wurde gelehrt, dass es durchaus auch Ausnahmen gibt. Manche wollen dieses Gefühl der Verbundenheit so sehr, dass sie es sich dann schlichtweg einbilden und mich damit leicht fertig machen, wenn sie mir erklären, dass dieser oder jener Welpe unbedingt zu ihnen kommen muss, weil sie gerade miteinander „gebonded" haben. Allerdings weiß ich, dass dieser Welpe so ziemlich jedem Besucher begeistert zugeht und immer sehr aufgeschlossen ist. Der arme Zwerg wird bei diesem Gefühlsausbruch derart emotional in die Enge getrieben, dass er nahe davor ist, in Ohnmacht zu fallen. Aber wer bin ich schon, dass ich dieses Band verstehen könnte? Das sagen mir zumindest oft die Blicke der „Erwählten". Spätestens bei solchen Gesprächen denke ich mir dann, dass ich auch etwas von dem Trip haben sollte, damit ich mit meiner Umwelt auch so „bonden" kann.

Wie dem auch sei, im Laufe der Jahre habe ich mir Argumente und Arglist zugelegt, damit ich solche Menschen von dem Welpen überzeugen kann, der mit ihnen am besten leben könnte. Denn das ist mein Ziel. Jedes Welpchen soll zu der Familie kommen, bei der es sein Potenzial ausleben kann und wo es hinpasst. Wenn sie mir allzu sehr auf die Nerven gehen, dann erteile ich auch gerne Absagen, in denen ich erkläre, dass dieser oder jener Welpe aber viel stärker mit einer anderen Familie „gebondet" hat, heißt natürlich nicht, dass das gelogen ist. Manchmal muss man sich einfach den „Dialekt" der Menschen zulegen, mit denen man gerade spricht. Außerdem ist das „Bonden" eine sehr subjektive Sache und darf daher nicht wirklich bewertet werden. Und bis jetzt haben wir es ohne Welpen-Interessenten-Schlammschlachten geschafft.

Doch in ganz wenigen Fällen ist das gar nicht notwendig. Ich weiß schon, die Wissenschaft ist da vielleicht manchmal anderer Meinung, aber ich bin auch von spontaner und extremer Zuneigung, nicht nur zwischen Menschen, sondern auch zwischen Menschen und Hunden, überzeugt. Ich schreibe bewusst „Zuneigung", obschon vielleicht „Sympathie" noch besser ist, denn Liebe kann es noch nicht sein.

Liebe muss wachsen, egal ob zwischen Menschen und Menschen oder Hunden und Menschen. Erklären kann ich das leider nicht. Wer kann Gefühle aber auch wirklich erklären? Außerdem muss ich all den „Bondern" recht geben: Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir Menschleins wohl einfach nicht verstehen werden. Dabei sollten wir es auch belassen.