Hetzjäger und Schmusekissen - Melissa Simeoni - E-Book

Hetzjäger und Schmusekissen E-Book

Melissa Simeoni

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Beschreibung

Können wir es nachvollziehen, wie toll es ist, sich die Pfoten blutig zu rennen, weil das Stoppelfeld noch nicht umgeackert wurde, nur um dann unsere Zähne in den vermutlich stinkenden und mit Zecken besetzten Popo eines Rehs zu schlagen? Höchst wahrscheinlich nicht! Aber eine realistische Sicht auf das Thema "Leben mit hetzenden Knutsch-Kugeln" kann uns sehr gut helfen, nicht verrückt zu werden, wenn man mit ebendiesen zusammenlebt.

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Seitenzahl: 216

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Inhaltsverzeichnis

Eine Geschichte

Erste Erkenntnisse

Das Whippet

Der Standard

Welpenalarm

Alles Neu

Backrezept für Wunderwhippets

Wichtige Besorgungen für Mensch und Whippet

Wenn aus Welpen Monster werden

Das Leben mit erwachsenen Whippets

Spaß, Spaß, Spaß

Das Alter

Geschichten, die das Leben schreibt

Eine Bitte…

Eine Geschichte

Immer noch sehr aufgekratzt, aber schon etwas ruhiger, schließe ich endlich das riesige Eisentor. Sicherheitshalber sperre ich es auch zu. Ich habe Angst, sie könnten das von mir so geliebte Tor öffnen und entwischen, aus dem Hof ausbrechen und noch mehr Schaden anrichten. Ein Schaden, der sich vor allem in meinem großen Herzen für Hunde abzeichnen würde. Ich lehn––e mich an das Tor und atme hörbar. Mein Blutdruck ist sicher immer noch in ungesunder Höhe und mein Herz schlägt viel zu schnell. Langsam öffne ich die Augen. Zuerst sehe ich nur die Dampfwolken meines Atems. Mir kommt es vor, als könnte ich jedes kleine Wassertröpfchen einzeln erkennen.

Nach solch einem Schockerlebnis sieht man die Welt viel klarer und alles wirkt irgendwie intensiver als vorher. So ergeht es wohl auch einer Fliege, die es gerade noch geschafft hat, dem Schnabel der Schwalbe zu entkommen. Ich fühle mich gerade wie eine Fliege, aber eine, die es nicht geschafft hat, der Schwalbe auszuweichen, eher wie eine, die gegen eine Windschutzscheibe geflogen und als kleiner gelber Fleck endete.

Es ist Winter. Der Tag brachte viel Schneefall und schlechte Sicht. Ein Wetter, das man irgendwie lieber vom Fenster aus beobachtet. Vielleicht hätte ich es auch so machen sollen, einfach drinnen bleiben und aus dem Fenster schauen!

Was die eingeschränkte Sicht im Freien betrifft, gilt das natürlich nur für Menschen und nicht für Hunde. Hunde sehen sogar bei diesem Wetter sehr gut, vor allem Windhunde. Diese Tierchen jagen auf Sicht. Ihnen entgeht kein noch so gut getarnter Hase. Sie kommen selbst an einem solch kalten Tag so schnell in den Jagdmodus, dass man sich das Kommando „zu mir“ auch gleich schenken kann, wenn man nicht genauso gut sieht wie sie. Also quasi immer, außer man hat einmal Glück und seine Hasenpfote dabei oder vor dem Losgehen auf Holz geklopft oder der Rauchfangkehrer war da und man hat sein vierblättriges Kleeblatt in der Hosentasche oder man hat das Hufeisen noch schnell vor dem Hinausgehen umgedreht.

Wenn das alles nicht zutrifft, hat man die Erlaubnis, sich sofort wimmernd und schluchzend einzugraben und zu warten, dass das Biest wieder an die Stelle zurückkommt, an der es abgehauen ist. Das ist aber wieder Interpretationssache. Ist die Stelle aus der Sicht des Menschen oder der des Hundes gemeint? Und wenn es mehrere Hunde waren? Von welchem wird dann die Stelle genommen, wo er den Menschen zuletzt bemerkt hat? Fragen über Fragen!

Im Hof steht eine Chesterfield-Couch, ein echtes englisches Ledersofa. Was auch sonst, schließlich teilt man sich doch das Haus mit noblem englischem Getier! Als ich mich darauf fallen lasse und immer noch in meine innere Fragestunde versunken bin, merke ich, dass sich zwei graue, ziemlich spitze Öhrchen in mein Blickfeld schieben. Unweigerlich folge ich den Öhrchen, die zwar gemäß Standard eigentlich nicht stehen sollten, es aber trotzdem tun, da sie sich wenig aus menschlichen Schönheitsidealen machen, nach unten und starre nun in das Gesicht von Farka. Die gute Dame heißt nicht ohne Grund so. „Farkas“ ist das ungarische Wort für Wolf.

Normalerweise tauschen wir gerne zufriedene Blicke aus und versinken ganz verliebt in den Augen des Gegenübers. Jetzt aber muss ich fassungslos feststellen, dass Farka tatsächlich unheimlich glücklich und zufrieden aussieht, während ich das mit meinen verheulten Augen sicher nicht tue. Axis, das zweite Whippetbiest, drängelt sich nun neben Farka und schaut wie immer zuerst sie und dann mich sehr aufmerksam an. Auch ihr Gesicht wirkt völlig zufrieden und entspannt. Denkt man sich das Blut um die Fänge der beiden weg, haben die Gesichtszüge der beiden Hunde irgendwie Ähnlichkeit mit meinen, wenn ich ein Geschenk in den Händen halte und beginne, es auszupacken.

Offensichtlich haben die zwei entschieden, dass Rot ihre neue Lieblingsfarbe wird. Ich bin, wie man sich vorstellen kann, weniger davon überzeugt. Ich würde liebend gerne noch etwas sitzen bleiben und diese Verräter vor mir frieren lassen. Eine Stimme in meinem Kopf überredet mich jedoch dazu, ins Haus zu gehen. Ich bin letztendlich eine gute Hundemami und meine Kinderleins sollen nicht krank werden. Außerdem verkrampfen sich sonst vielleicht ihre Muskeln und ich muss sie wieder massieren. Also, hinein mit uns!

Drinnen werden wir aufgeregt vom alten „Ehepaar des Hauses“, Eny und Goethe, natürlich ebenfalls Whippets, begrüßt. Ich bekomme einen freundlichen Blick zugeworfen, während die Verräter überschwänglich umkreist werden, bevor man ihre Gesichter akribisch untersucht.

Vor diesem Spaziergang hatte ich wie so oft Selbstzweifel. Würden mich Eny und Goethe mehr oder weniger lieben, wenn ich sie hinaus in den Schnee schleife? Aber jetzt, nach alldem, sind mir die Zweifel völlig egal und ich bin einfach nur noch froh, dass ich nur die zwei Mädels dabeihatte. Die Horrorszenarien und Schreckensbilder von Autos, die meine Hunde über den Haufen fahren, oder einer Horde wild gewordener Jäger, die heute auf Hundejagd gehen, wären dann nur noch schlimmer gewesen. Ich werde sowieso jetzt wieder eine Zeit lang mit meinen Verlustängsten zu kämpfen haben.

So viel Glück wie die beiden Damen mit den roten Mündern ausstrahlen, hat eine Menschenfrau mit rotem Lippenstift bestimmt noch nie empfunden. Ich auf alle Fälle nicht, vor allem nicht, wenn ich Lippenstift trug!

Ich kann das Glück einfach nicht mit ihnen teilen und ziehe mich in die warme Küche zurück, um mein Handy aufzuwärmen. Wenn man diese Dinger nämlich braucht, fallen sie einfach aus. Da habe ich einmal brav auf die guten Ratschläge gehört und das dumme Ding mitgenommen („falls was passiert“), und dann ist es erst recht ausgefallen. Wahrscheinlich wegen der Kälte oder vor Angst, als es meine Schreie nach den Hunden hörte.

Ich muss mich einfach dringend jemandem anvertrauen und meinen Seelenschmerz teilen. Zum Glück braucht weder mein Handy lange, um wieder hochzufahren, noch mein Mann, um nachhause zu kommen.

Als er wenig später erscheint, ist er sehr verwundert über die „Gesichtsbemalung“ unserer Hunde. In Selbstmitleid versunken, schien es mir bis dahin auch nicht essenziell, unsere „Kinder“ zu säubern.

Lang und breit erzähle ich ihm von unserem Spaziergang, der einfach wundervoll begonnen hatte. Die Mädchen waren super motiviert und aufmerksam. Sie haben sich ständig nach mir ausgerichtet und sind nicht weiter als fünf Meter von mir weggegangen. Wir haben zu dritt kleine Wettrennen gemacht, die natürlich sie gewonnen haben. Wer kann denn schon in einem dicken Ledermantel laufen?! Ich sicher nicht.

Ich fand das Wetter eigentlich auch ganz toll, weil es durch den Schnee irgendwie so still war. Alles rund um uns war weiß und kalt, bis auf ein kleines braunes Etwas, das da mitten am Feld saß. Das kleine Dinge wäre leicht mit einem Erdhaufen zu verwechseln gewesen, doch als es sich zu bewegen begann, war klar, dass es kein Erdhaufen war. In diesem Moment hätte ich allerdings einen sich bewegenden Erdhaufen bevorzugt.

Das braune Etwas flitzte übers Feld. Zugegeben, der Wicht war noch nicht in seinem vollen Hasengalopp. Offensichtlich war er noch nicht motiviert genug, um sein Leben zu laufen. Als er jedoch die zwei Weiber hinter sich bemerkte, wusste er, dass es ernst war, und schlug einen tollen Haken, um sie abzuhängen. Tja, das war wohl nichts! Nachdem er den ersten Haken gemeistert hatte, legte er an Geschwindigkeit zu. Die Mädels direkt hinter ihm taten es ihm gleich.

An dieser Stelle muss ich kurz einwerfen, dass es wirklich wenig gibt, das toller aussieht als zwei Whippets, die in vollem Galopp hinter ihrem Mittagessen her sind. Es ist einfach ein wundervoller Anblick. Ich kann gut verstehen, warum Menschen, die gerne mit ihren Hunden auf die Rennbahn gehen, immer so verträumt aussehen. Ja, es ist fast wie ein Traum oder wie Magie. Diese verpufft allerdings, wenn einem bewusst wird, dass man nicht auf der geschützten Rennbahn steht, sondern auf einem eingeschneiten Feld mitten im Nirgendwo.

Als ich die Mädels hinter der nahegelegenen Hügelkuppe verschwinden sah, war der Zauber so etwas von vorbei, dass ich unter Tränen zu laufen und gleichzeitig zu beten begann. „Keine sonderliche gute Idee!“, schrie meine Lunge.

Die Richtung war mir erst nicht klar. Ja, ich weiß, dass es am vernünftigsten ist, dort zu bleiben, wo sie weggesprintet sind. Aber jeder, der schon einmal in der gleichen Lage war, wird verstehen, dass es fast unmöglich ist, still stehen zu bleiben, vor allem im Winter, wenn es schneit, die Kinder nur leicht bekleidet sind und keine Sicht mehr besteht.

Ich versuchte also, den Spuren der beiden zu folgen. Weil ich nicht sonderlich gut Spuren lesen kann, irrte ich so geschätzte 20 Minuten über die Felder. Es war eher ein Verzweiflungsakt, denn durch die Tränen hätte vermutlich niemand eine Hundespur von einer Bärenspur unterscheiden können.

Da hörte ich plötzlich ein Auto, das hupend bremste. Mein Herz war schockgefroren und drohte zu zerspringen, nicht nur durch die Geräusche, sondern auch durch die ziemliche Anstrengung beim Schluchzen, Wimmern, Heulen und Aufziehen der Nase, weil ich kein Taschentuch hatte und zu atmen versuchte.

Immer wieder redete ich mir ein, dass das nicht wegen meiner Mädels sei, aber irgendwie waren meine Überredungsversuche nicht so gut. Nachdem ich weitere 20 Minuten abwechselnd gerufen und gesucht hatte, drehte ich mich um und machte mich auf den Heimweg. Ich musste telefonieren und eine Suchanzeige aufgeben, mich dann betrinken und mit Schokolade vollstopfen! Unbedingt! Da fiel mir der Haselnussschnaps im Kasten ein, den sonst keiner mag. Er würde daran glauben müssen!

Ich war schon fast zuhause, da kam plötzlich Farka, wohl gemerkt am Bauch robbend, auf mich zu. Sie war aus einem kleinen Wäldchen gekommen und obwohl ich ihr nie etwas getan hatte, bewegte sie sich in dieser äußerst unterwürfigen Art. Nicht nur das erstaunte mich zutiefst, auch die Farbe ihres Gesichtes. Es war definitiv nicht grau. Die ersten scheuen Blicke von mir an unsere Umgebung, um zu überprüfen, ob das irgendwer gesehen hatte, wurden zum Glück von niemandem erwidert.

In einer Mischung aus Verwunderung, Frustration, Freude und purer Wut nahm ich Farka einfach an die Leine und ließ meinen Blick wieder zum Wäldchen wandern. Das zweite Wesen der Finsternis kam ebenfalls aus der Baumgruppe, nur befand es Frau Axis nicht für nötigt, zu mir zu kommen, obwohl ich so ziemlich das auffälligste Ding in der schneeweißen Landschaft war. Nein, sie war einfach an mir vorbei, in Richtung nachhause unterwegs, ihr Gesicht ebenfalls in schönsten Rottönen. Nun sah ich mich noch etwas genauer um. Vielleicht würde aus dem Gebüsch gleich ein Jäger hüpfen und mich anzeigen wollen! Tief in mir drinnen war mir das schon egal. Er hätte mich auch steinigen können, so elendiglich fühlte ich mich!

Ich lief ihr hinterher und in dem Moment, als ich sie an die Leine nahm, drehte sie ihren Kopf zu mir und ihre Augen sagten so viel wie: „Wenn ich schon an die Leine muss, kannst du dich wenigstens schneller bewegen. Ich bin echt müde und will nachhause. Außerdem könnte ich nach der Anstrengung echt ein Stück Käse aus deiner Manteltasche vertragen!“

Mein Mann sitzt mir grinsend gegenüber. Ich starre ihn an und wische mir erneut die Tränen aus dem Gesicht. Er gibt mir ein Taschentuch und als ich mir die Nase putze, sage ich: „Weißt du, ich glaube, sie hassen mich. Sie wollen nicht bei mir bleiben. Warum haben sie mich nicht lieb? Ich liebe sie so sehr und habe mir solche Sorgen gemacht.“

Er steht auf und nimmt mich in den Arm. Eigentlich sollte mich das etwas trösten, doch dann sagt er: „Ach, Baby das sind Windhunde, also Jagdhunde. Die wollen jagen und so. Das hat nichts mit dir zu tun.“

In diesem Moment könnte ich ihm dafür den Hals umdrehen. Ich bräuchte jetzt Liebe und etwas Trost, doch und er wirft mit Fakten um sich, die ich nicht von ihm erwarte. Ich bin doch sonst der Hundeklugscheißer. Also weine ich jetzt aus Zorn einfach weiter, weil es eigentlich eh schon egal ist, warum die Tränen fließen!

Tief in meinem Inneren weiß ich, dass er recht hat, aber es wird noch einige Zeit dauern, bis ich es nicht als persönlichen Angriff sehe, wenn die Kinder machen, wofür sie nun einmal da sind.

Erste Erkenntnisse

Bevor ich hier meine Gedanken noch weiter ausbaue, möchte ich gesagt haben, dass ich meine Hunde sehr liebe. Sie sind meine Kinder, aber ich nenne die Dinge gerne beim Namen. Wenn sich eines meiner Kinder wie ein stinkendes Warzenschwein auf Koks benimmt, weil ein anderer Hund ihm gerade sein nach Verwesung stinkendes Kuhohr stehlen will, rede ich es nicht schön. In diesem Augenblick ist er oder sie nun einmal ein doofer Proll ohne Manieren und nicht mein liebes Schnuffiwuffi, das nie jemandem etwas antun würde. Aber was soll man machen? Hunde sprechen untereinander Klartext und erwarten nicht, dass das Gegenüber die momentane Gefühlslage erschnüffelt oder erahnt. Nein, in dieser Situation zeigt sich nun einmal mehr, dass man die Verwandtschaft nicht leugnen kann. Der Wolf bleibt das schwarze Schaf im Stammbaum!

Gerade die realistische Sicht auf das Thema „Leben mit hetzenden Knutschkugeln“ hat mir sehr geholfen, nicht verrückt zu werden. Daher kann ich es nur jedem zukünftigen Besitzer eines Whippets sehr ans Herz legen, zu versuchen, solch eine Sicht zu erwerben.

Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Jagdhundbesitzer, egal ob Sichtjäger oder Nasenjäger, vielleicht sogar 90% der Hundebesitzer im Allgemeinen, solche oder ähnliche Geschichten erzählen können.

In meinem Umfeld gibt es fast ausschließlich jagendes Hundegetier. Das liegt wohl daran, dass ich hauptsächlich mit „Windhundmenschen“ zu tun habe. Tatsächlich sind die paar anderen Hunde, die in meinem Bekanntenkreis herumwuseln, diejenigen, die nicht jagen. Das soll natürlich nicht heißen, dass Windhunde immer jagen und man das nicht ändern kann, aber darauf kommen wir später noch zu sprechen. Natürlich gibt keiner gerne zu, dass der Hund zwischendurch einmal auf Wiedersehen sagt und sich eine Spaßrunde im Wald und die Waldbewohner noch dazu gönnt. Vor allem Züchterkollegen haben Scheu davor, denn es ist schwierig, Menschen eine Rasse schmackhaft zu machen, aber ehrlich zu bleiben. Wer es mit einem Whippet versuchen will, muss die Extreme lieben. Er muss sie nicht nur toll finden, sondern wirklich lieben, um nicht unglücklich zu werden!

Man sollte sich als Züchter viel eher freuen und nicht in Scham versinken, wenn die Hunde Jagderfolg haben, vor allem dann, wenn man Züchter einer Jagdhunderasse ist, die sich auf eine besondere Art des Jagens spezialisiert hat. (Natürlich hetze ich meine Hunde nicht absichtlich auf Hasen, aber man kann in so einem schlechten Akt auch das Gute sehen. Dazu möchte ich animieren!) Es gibt doch nichts Besseres, als einen Hund gezüchtet zu haben oder zu besitzen, der anatomisch genau das leisten kann, wofür man ihn braucht. Damit meine ich nicht, drei Runden in einem Ausstellungsring zu laufen und auf einem Tischchen zu stehen. Bitte nicht falsch verstehen, Ausstellungen haben ihre Berechtigung, und wenn es Hund und Herrn Spaß macht, dann ist es sicher eine nette Beschäftigung für beide. Aber sie sind keine adäquate Methode, um festzustellen, was ein Hund leisten kann. Dieser Gedanke ist unheimlich wichtig in der Hundezucht, denn schlussendlich hat man genau deshalb begonnen, Hunde zu selektieren und zu züchten, weil sie einen Nutzen hatten und auch heute noch in ihren Genen genau dieser Nutzen vorhanden ist, egal was wir Menschen an ihnen herumpfuschen!

Natürlich ist es für den Hasen, das Reh oder das Wildschwein nicht erfreulich, aber der Züchter weiß dann wenigstens, dass er das Zuchtziel erfüllt hat und seine Hunde immer noch leisten können, wofür sie gezüchtet wurden. Dabei sollte man es aber dann auch bewenden lassen. Man muss nicht die komplette Hasenpopulation in der Umgebung vernichten, nur um sagen zu können, dass der Hund immer noch das kann, wofür er da ist. Viel eher wäre es ratsam, nach so einem Eklat einen Hundetrainer aufzusuchen und die Nase in Fachliteratur zu stecken. Ich denke, dass es aber den meisten so geht, wie es mir gegangen ist. Sie sind traurig und wütend, dass sie als Person nicht genügen, damit das Hündchen bei ihnen bleibt. Aber schauen wir der Realität ins Auge: So ist es nun einmal! Wir können vermutlich mit einem zwei Meter langen Würstchen in der Gegend herumwedeln, und es gäbe immer noch Whippets, die viel lieber dem Hasen hinterher wollen!

Leider ist unser Denken so entsetzlich menschlich und wir schaffen es zu unserem eigenen Leidwesen nur schwer, über den Tellerrand zu sehen. Dazu möchte ich aber animieren, denn dann kann man entspannter mit solchen Jagdsituationen umgehen.

Wir haben einfach nicht so starke Instinkte und Triebe wie ein Hund oder unterdrücken sie erfolgreicher. Das kann man sehen, wie man will. Daher können wir es auch nicht nachvollziehen, dass es der absolute Traum ist, sich die Pfoten blutig zu rennen, weil das Stoppelfeld noch nicht umgeackert wurde, nur um dann seine Zähne in den vermutlich stinkenden und mit Zecken besetzten Posch eines Rehs zu schlagen. Wir würden natürlich niemals von unserem felligen Partner davonlaufen, um irgendeinem Schokotörtchen hinterher zu hetzen. Das ist der große Unterschied bei diesen zwei Parteien beziehungsweise in der Hunde-Mensch-Beziehung.

Das Whippet

Die Fabel vom Whippet

Lange ist´s her, da saß Gott nachdenklich im Himmel auf seinem Thron und überlegte, welches Tier er noch erschaffen könnte. Ihm war klar, dass ein neues Tier das Einhorn, sein zuletzt geschaffenes Wesen, nicht übertreffen könnte. Dennoch sollte es etwas von seinem Glanz erhalten. Also nahm er das Einhorn beiseite und bürstete es. Ganz vorsichtig fing er den Staub auf, der aus seinem Fell fiel, denn diesen würde er später für die Veredelung des neuen Wesens brauchen. In seinen Schaffensgedanken versunken und mit der Flasche Einhornstaub in der Hand fiel sein Blick plötzlich auf einen Menschen auf der Erde, der gerade mit seinem Hund spielte. Für einen Moment schob er seine Gedanken zur Seite und beobachtete die glückliche Szene. Er freute sich mit den beiden an ihrer Liebe zueinander, denn sie war ohne jeden Zweifel unvergleichlich.

Doch Gott war nicht der einzige Beobachter. Auf einem Baum unweit des Menschen mit seinem Hund saß eine Ratte. Diese fühlte sich furchtbar einsam und wünschte sich nichts mehr, als auch so einen Freund wie den Menschen zu haben. Einen Freund, der sie liebte und ihre wundervolle, lustige, eigensinnige und anschmiegsame Persönlichkeit sah, nicht nur ihr Äußeres, das viele nicht sehr ansprechend fanden.

Gott sah die kleine Ratte, wie sie sich eine riesige Träne von der Wange wischte. Schnell nahm er sie in seine Hand, und auch den Menschen sowie seinen Hund hob er vom Erdboden auf. Er betrachtete die drei und stellte ihnen die Frage, ob sie alle für immer glücklich und in seiner Liebe miteinander verbunden sein wollen. Die drei beäugten sich nochmals, waren aber schließlich einverstanden. Also nahm Gott sie in eine Hand und legte seine andere darüber, ließ zwischen seinen Fingern den Einhornstaub durchrieseln und sprach: „Wie hübsch ist Person, Persönlichkeit, Eigensinn (in einem) Tier!“ Dann schüttelte er seine Hände. Schon nach kurzem Schütteln begann es aus seinen Händen zu leuchten. Voller Vorfreude und gespannter Erwartung öffnete er sie.

Auf seiner Hand saß ein mittelgroßer Hund mit einer spitzen Rattennase und riesigen schwarzen Rattenknopfaugen, aus denen der Eigensinn, die Liebe und die menschliche Schläue förmlich sprühten. Der kleine Hund wedelte ihn im Sitzen an und Gott rief aus: „Ein Whippet!“ (Wie-Hübsch-Ist-Person-Persönlichkeit-Eigensinn-Tier)

Die wahre Krone der Schöpfung war geboren. Auch heute kann man das Whippet noch neben Gottes Thron sitzen sehen. Und wenn man ganz genau zum Himmel aufschaut, sieht man auch. wie sich die beiden ansehen. Und genau in dem Moment wird eine ungeheure Menge Liebe frei, die jeder Mensch und jedes Tier spüren kann.

Die Herkunft und die Geschichte

Für die meisten Whippetbesitzer und -züchter ist das Whippet vor allem der neue Lieblingsmensch, das bessere Ich, das beste Kind aller Zeiten oder, oder, oder. Die Liste der niedlichen Bezeichnungen lässt sich unendlich fortsetzen. Aber es ist nicht nur eine Liste, sondern das tatsächliche Lebensgefühl von uns Whippetleuten!

Von dieser leichten Verwirrung rührt vermutlich auch die Fabel über die Herkunft des Vierbeiners, in welcher sich vier wesentliche Dinge miteinander vermischt haben und das Endprodukt das Whippet, wie viele es heute kennen, war oder vielmehr ist.

Aus der Fabel geht im Wesentlichen hervor, dass man zur Entstehung eines perfekten Whippets einen Menschen, einen Hund, eine Ratte und die Königin der Eigenschaften, nämlich die Liebe, braucht. Das Ganze dann noch etwas verfeinert mit Einhornstaub und schon sind alle zufrieden, überglücklich, nicht zu vergessen: verliebt bis in alle Ewigkeit. Jeder, der es wagt, sich nach oder zu seinem Whippet eine andere Hunderasse zu nehmen, wird in Gedanken als Verräter beschimpft und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Es ist tatsächlich schon etwas mehr als Verrat, diese Wunderwesen hinten anzureihen. Schließlich sind sie einfach einzigartig.

Ja, ja, Whippetmenschen sind so wie ihre Hunde, immer niedlich und nett. Nur wenn es ihnen die Sicherung fetzt, dann werden sie zu blutrünstigen Terriern, eine Verwandtschaft, die ich und jeder der Whippets schon einmal in voller Aktion gesehen hat und auf keinen Fall abstreiten will. Aber später mehr dazu.

Zurück zur Fabel über die Entstehung des Whippets. Ich bin mir nicht immer sicher, ob ich an diese Fabel vom Whippet glauben soll. Irgendwie ist sie viel zu lieb und zu herzig. Außerdem verwundert mich etwas, dass es in ihr gar nichts wirklich Böses gibt. Und genau da beginnen meine Zweifel zu wuchern wie Unkraut! Übrigens sollten das auch Ihre, falls Ihnen jemand das Whippet als absolutes Wunderwesen verkaufen will, denn nichts und niemand ist immer nur wunderbar!

Allerdings wird nicht genau beschrieben, was das für ein Mensch oder Hund war oder wie eigensinnig die Ratte wirklich war. Hier ist also Interpretationsspielraum, der meiner Meinung nach auch sehr wichtig ist, denn Whippets sind bei weitem nicht so himmlisch, wie beschrieben. Auf all diese schlechten Eigenschaften kommen wir aber noch zu sprechen. Doch selbst wenn sie etwas entsetzlich Furchtbares tun, sind sie dabei doch irgendwie niedlich oder gegebenenfalls sogar elegant. (Beachten Sie den letzten Satz nicht. Ich trage schon wieder meine rosa Brille!)

Okay, rosa Brille runter und weiter geht es!

Um diesen Ausführungen etwas Glaubwürdigkeit einzuhauchen, bleibe ich aber schon gerne bei den Fakten, die ich bei meinen Nachforschungen entdeckt habe.

So ganz einfach ist es aber nicht, die wirkliche Geschichte des Whippets zu finden, denn es gibt hier nicht nur eine wahre Geschichte, sondern viele kleine, die sich zu einer großen zusammenschließen.

Ich bin Experten in Sachen Geschichte sehr dankbar, dass es sie gibt, und ich bin froh, dass sich Menschen so viel Mühe gemacht haben, alle Kleinigkeiten zusammenzutragen, so dass wir sie einfach nur mehr konsumieren können.

Laut Geschichte gibt es zwei Möglichkeiten, wie das Whippet zusammengesetzt wurde.

Variante Nummer eins

Das Whippet ist eine reine Mixrasse, die im 19. Jahrhundert in England entstand. Man sagt, Bergleute und Fabrikarbeiter haben die unter Arbeitern eher seltenen, aber offensichtlich doch anzutreffenden Greyhounds mit Terriern, die auf die Rattenjagd spezialisiert waren, gekreuzt. Zum Veredeln kam dann angeblich noch das Italienische Windspiel dazu. Schwups, war das super wendige, jagdscharfe und schnelle Whippet kreiert.

Was die Terrier betrifft, wurden der Manchesterterrier und der Old White English Terrier verantwortlich gemacht, nicht, wie manchmal vermutet, der Bedlington Terrier. Dieser hat seine Wurzeln angeblich im Whippet und im Dandie Dinmont Terrier. Man kann hier auch zusammenfassend sagen, dass einfach richtig viel rumgepanscht wurde, bis das rauskam, was die Menschen haben wollten. Also eigentlich eh wie immer!

Das klingt alles soweit auch ganz plausibel, bis auf das mit dem Windspiel. Die Sache mit dem Windspiel ist etwas schwieriger. Da aber um 1850 kaum Windspiele in England existierten, vor allem nicht in den Minenregionen, wo das Whippet herkommt, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass es in der Entstehung des Whippets eine maßgebliche Rolle spielte.

Die wenigen Exemplare, die es gab, waren auch nicht sehr jagdlich orientiert. Auch waren sie nicht schnell genug, was früher beziehungsweise vor allem bei den ersten Experimenten äußerst wichtig war. Früher züchtete man vor allem Gebrauchshunde, die etwas leisteten, etwa das Abendessen nachhause zu bringen. Manchmal ging es aber auch nur darum, sich den Spaß in der Freizeit mit Wetten auf den schnellsten Hund zu vertreiben. Wenn der dann den Hasen ins Jenseits beförderte, gab es im Anschluss sicher leckere Hasenschenkel am Lagerfeuer.

Man kann also davon ausgehen, dass das Windspiel nicht viel mit dem Whippet zu tun hat. Dieser Meinung ist übrigens auch E. Fitch Dagish in seinem Buch „Whippets“.

Variante Nummer zwei

Viele Experten sind nicht erfreut darüber, dass antike Reliefs und Kunstwerke aus längst vergangenen Zeiten nicht wirklich als Beweise der langen Geschichte des Whippets anerkannt werden. Aber eigentlich ist doch genau so etwas ein Beweis, wenn auch manche dagegensprechen.

Bevor der Mensch auf die absolut seltsame Idee kam, Hunde in kleinen Ringen laufen zu lassen, um ihre Schönheit zu bewerten und ihre Tauglichkeit (für was nochmal?) zu prüfen, wurden Hunde eher nach Funktionalität gezüchtet. Daher gab es auch nicht wirklich Rassen, sondern eher Typen.

Einer der ältesten Typen ist nun einmal der Windhund, den man bis 6000 v.Chr. auf bildlichen Darstellungen, Wandmalereien oder Grabschmuck vor allem bei den Ägyptern finden kann. Eine Region, in der ich mir unsere Whippets super gut in der Sonne bratend vorstellen kann! Im Museum von Kairo kann man sogar eine ganz besondere Steatit-Scheibe mit eingelegtem Alabaster aus der 1. Dynastie, die zwei Windhunde bei der Jagd zeigt, finden.

Windhunde waren und sind auch heute noch wegen ihrer hohen Geschwindigkeit, ihrer Wendigkeit, ihres stromlinienförmigen Körpers und ihres sehr ausgeprägten Hetztriebes unschlagbare Jäger. Daher hat sich auch ihr Erscheinungsbild in all den Jahrtausenden nicht großartig gewandelt. Das, was sie können, kann wirklich keine andere Hundegruppe. Natürlich kann man hier jetzt einwenden, dass das nicht unbedingt Whippets waren. Das stimmt, denn die Reinzucht vieler Rassen begann erst im 19. Jhdt., also auch die der Whippets. Genau genommen haben also beide Varianten recht, denn erst im 19. Jhdt. begann man, Hunde in Rassen einzuteilen und sie gewissen Standards zu unterwerfen.