EasyTom und ich - Elfriede Wimmer - E-Book

EasyTom und ich E-Book

Elfriede Wimmer

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Beschreibung

Lukas ist neu in der Klasse und fühlt sich irgendwie daneben. Einfach uncool. Und - ehrlich gesagt - er ist es auch. Manches checkt er einfach nicht. "Wie spricht man mit einem Mädchen?""Gibt es Regeln im Umgang mit den Klassenkameraden?""Wie wird man der Boss?""Was ist angesagt - und warum?"Überfordert mit all diesen lebenswichtigen Fragen, erhält Lukas plötzlich und unerwartet Hilfe. Und er ist sich gar nicht sicher, ob er diese Hilfe überhaupt möchte ....Probleme, Träume, Verwirrungen eines 12-Jährigen: Ein witziges, cooles Buch mit einem feinen sozialen Hintergrund.

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EasyTom und ichvon Elfriede Wimmer

1. digitale Auflage, 2014

www.ggverlag.at

ISBN E-Book 978-3-7074-1712-8ISBN Print 978-3-7074-1586-5

In der aktuell gültigen Rechtschreibung.

Illustrationen: Irmtraud Guhe

©2013 G&G Verlagsgesellschaft mbH, WienAlle Rechte vorbehalten.

Inhalt

Regeln oderWas macht der Vogel auf meinem Platz?

Mädchen sind anders,auch wenn sie den gleichen Vogel haben

Mein Freund Stefan oderGibt es den Vogel wirklich?

Ein Wort mit vier O oderDer Vogel hat meistens recht

Erkenntnisse

Das Geisterzimmer oderErst denken, dann reden

Ein genialer Plan oderWie mich der Steinkreis der Druidenauf eine Idee brachte

Sophie oderWer ist der Vogel?

Regeln oder Was macht der Vogel auf meinem Platz?

Es war in der dritten Stunde, nach der Zehn-Uhr-Pause. Ich hatte mein Brot, das mit Streichkäse und gelbem Paprika von unserer Terrasse belegt war, wieder nicht aufgegessen, weil wir Magic gespielt hatten. Ich wusste, es würde deswegen Ärger geben, aber dieses Kartenspiel war total abgefahren und jeder war danach süchtig. Zumindest in der 2A des Sportgymnasiums, in das ich seit fünf Monaten ging. Wenn man hier dazugehören wollte, war es Pflicht, nicht nur die Magic-Regeln, sondern auch die dazugehörigen Sprüche zu beherrschen. Ich gebe zu, ich war nicht wirklich gut darin und mogelte mich so durch. Ehrlich, die Regeln waren total schwer.

Also, wie gesagt, es war in der dritten Stunde. Professor Iglis – logo, dass er für uns nur der „Igel“ war – betrat eben mit Schwung das Klassenzimmer, einen Stoß loser Zettel unter dem Arm, was nur eines bedeuten konnte: Mathetest! Ein Stöhnen begleitete seinen Auftritt, das er, wie immer, völlig ignorierte. Er grinste von einem Ohr zum anderen, als wollte er uns mitteilen, dass die Greenies gewonnen hätten. Na ja, das wäre natürlich eine Sensation gewesen, die Greenies hatten nämlich noch nie gewonnen und waren seit Beginn des Schuljahres die einzige Mannschaft, die noch kein Tor geschossen hatte. Aber unter uns gesagt war mir das ziemlich egal, weil mich Fußball null interessiert.

Ich holte meinen Schulrucksack aus dem Fach, das sich oberhalb meiner Knie befand, und wollte ihn eben auf den leeren Platz neben mir knallen, als ich ihn zum ersten Mal sah.

Er war nicht wirklich ein Vogel. Etwas wie ihn hatte ich noch nie zuvor gesehen. Seine dünnen Beine erinnerten mich an einen Storch. Sein kugelrunder Bauch war weiß und flauschig. Am Rücken hatte er zwei hellrote Flügel und auf seinem Kopf sprossen drei orange-gelbe Haarbüschel. Er war etwas kleiner als ich und seine Augen, mit denen er mich unverwandt anstarrte, waren groß, rund und schwarz.

„Was glotzt du so?“, fragte er mich unhöflich. „Hast du vielleicht etwas dagegen, dass ich hier sitze?“

„Na ja“, ich schluckte und sah mich vorsichtig um, „eigentlich sitzt hier Stefan.“

„Eigentlich sitzt hier Stefan“, äffte er mich nach, und ich begann mich schön langsam zu wundern, dass keiner in der Klasse auch nur irgendeine Bemerkung über meinen schrägen Banknachbar machte. „Was heißt hier eigentlich? Und wo ist dieser Stefan? Ich sehe nämlich nur eine leere Bank und einen ziemlich dämlichen Typen, der die Hosen voll hat, weil es einen Mathetest gibt.“

Wie zur Bestätigung flatterte der Zettel mit den Rechenaufgaben auf meinen Tisch.

„Ich bin übrigens EasyTom. Ich sitze ab heute neben dir.“ Bevor ich etwas erwidern konnte, schnappte er sich meinen Test und begann ihn in affenartiger Geschwindigkeit auszufüllen.

„Ich liebe Tests“, bemerkte er zwischendurch. „Dieser hier ist total leicht. Aber das macht nichts, es ist ja erst die 2. Klasse Gymnasium.“ Verschwörerisch zwinkerte er mir zu: „Vielleicht können wir den Igel ja dazu überreden, dass wir beide das nächste Mal ein bisschen etwas Schwereres bekommen.“

„Bist du total bescheuert?“, endlich hatte ich mich gefangen und protestierte. „Erstens, EasyTom, oder wer immer du auch bist, sitzt hier Stefan, der seit Dienstag wegen seiner Allergie fehlt, und zweitens brauche ich keine Hilfe. Und schon gar keinen schwereren Test. Das kannst du vergessen. Am besten, du verschwindest wieder.“

„Du bist böse, weil ich unfreundlich war“, bemerkte EasyTom unbeeindruckt. „Okay, ich gebe zu, ich war nicht nett, aber wir können es doch miteinander versuchen?“

„Können wir nicht“, erwiderte ich so energisch wie ich nur konnte. Dazu muss ich sagen, dass ich nicht energisch bin, überhaupt nicht energisch. Ich bin eher schüchtern und traue mich nicht wirklich, meine Meinung zu sagen. Ich schnappte mir den Zettel mit dem Test und überflog die Aufgaben. Es war voll abgefahren, EasyTom hatte alles fertig ausgefüllt. Fieberhaft begann ich nachzurechnen, während er sich die roten Federn selbstgefällig glatt strich. Ich war nervös und blieb schon beim ersten Beispiel hängen: Wenn eine Schnecke in einer Stunde einen Meter zurücklegt, welche Strecke legt sie in zwei Tagen zurück? Ich nahm meine Finger zu Hilfe und schaute zu Maximilian, der rechts neben mir saß. Die Zahl, die auf seinem Blatt stand, war die gleiche, die auch EasyTom herausbekommen hatte. Ich verglich die nächste, und auch diese stimmte überein. Bei der dritten Rechnung hatte Maximilian ein anderes Ergebnis. Ich flüsterte ihm mit geradem Kopf und schiefem Mund – weil der Igel ja nichts mitbekommen sollte – zu, dass er nochmals nachrechnen sollte. Kurz darauf bemerkte ich erstaunt, dass Maximilian sein Ergebnis ausradierte und durch ein neues ersetzte.

„Ist ja cool“, murmelte ich und wollte von EasyTom wissen, wie er das so schnell geschafft hatte, doch der war nicht mehr da. Ich schaute unter die Bank und ließ meinen Blick im Klassenzimmer umherwandern, aber EasyTom blieb verschwunden. Ehrlich, ich war erleichtert, er hatte mich genervt, und obwohl er mir geholfen hatte, war ich froh, dass er weg war.

Den Rest des Unterrichts war ich unkonzentriert und schaute mich immer wieder verstohlen um, doch EasyTom tauchte nicht wieder auf, bis ich schließlich glaubte, dass ich mir alles nur eingebildet hatte. Sicherheitshalber fragte ich Maximilian, ob ihm irgendetwas Verdächtiges auf Stefans Platz aufgefallen wäre.

„Was meinst du mit verdächtig?“, fragte er vorsichtig. Ich dachte mir gerne Spiele aus und Maximilian vermutete daher natürlich sofort eine Falle oder einen Hinterhalt, in den ich ihn locken wollte. Er untersuchte den Tisch und stellte fest, dass ein Labyrinth, ein paar unterschiedlich große Kreise sowie Bart Simpson darauf gemalt waren. Dann setzte er sich auf den Sessel, wobei ich automatisch die Luft anhielt, schaute in das Fach und zog einen klebrigen Kaugummi, zwei abgenagte Farbstifte, einen Radiergummi, den Rest einer alten Semmel sowie einen Socken hervor – grün-weiß gestreift, die Farben der Greenies. Stefan spielte erfolglos aber umso leidenschaftlicher in der Schulmannschaft. Wir stritten uns oft deswegen, weil er dauernd nur über Fußball redete, während ich lieber klettern ging. Klettern ist echt das Größte.

Ich war jeden Mittwoch in der Kletterhalle im 21. Bezirk und schaffte gesichert bereits 20 Meter. Stefan hasste klettern, er hatte Höhenangst und war nicht dazu zu bewegen, auch nur auf einen Baum zu steigen.

Als Maximilian mit seiner Untersuchung fertig war, schüttelte er den Kopf: „Nichts Auffälliges, alles ganz normales Zeug“, stellte er fest. „Suchst du was Bestimmtes?“ Das war jetzt peinlich, weil mir keine Erklärung für meine Frage einfiel. Ich stotterte verlegen herum und murmelte dann etwas von: „Dachte, ich hätte mein Lineal verlegt.“ Maximilian tippte sich mit einer vielsagenden Geste an den Kopf und wunderte sich über so ein Theater wegen eines Lineals.

Um uns herum herrschten der typische Lärm und das typische Durcheinander, die üblicherweise das Ende des Unterrichts begleiteten. Sessel wurden gerückt, Schulrucksäcke eingepackt, es wurde gestoßen und gelacht, Verabredungen für den Nachmittag wurden getroffen und Kappen von den Köpfen derjenigen gerissen und durch die Klasse geschossen, die das Pech hatten, kleiner als die anderen zu sein.

Ich konnte es nicht leiden, wenn sie so etwas machten. Meistens traf es Pitti. Er hechtete dann unter dem Gelächter der Klassenkameraden seiner Kappe nach, ohne die geringste Chance, sie zu erwischen, und musste warten, bis die anderen genug von dem Spiel hatten oder ich die Kappe fing und sie ihm zurückgab. Ich war zum Glück ziemlich groß und fing so ein Geschoß mit Leichtigkeit aus der Luft, wenn es an mir vorbeiflog.

Es wäre besser, überlegte ich, wenn die Kleinen so täten, als würde es sie überhaupt nicht interessieren, anstatt schreiend ihren Kappen nachzujagen. Dann wäre es nur der halbe Spaß und die anderen würden es bleiben lassen. Aber jeder musste sehen, wo er blieb. Ich zum Beispiel hatte es auch nicht leicht, weil ich nicht in der Fußballmannschaft spielte. Nicht, dass ich es nicht probiert hätte, ehrlich, aber ich kapierte die Regeln nicht. Ich war total überfordert und wusste nicht, was ich wann und warum auf dem Spielfeld tun sollte. Das hatte zur Folge, dass mich meine Mitspieler in der Hitze des Gefechts Blödmann oder Anti-Kicker schimpften. Stefan trainierte dann mit mir alleine, aber es half alles nichts, aus mir wurde kein Fußballer. Letztendlich beschloss ich, es bleiben zu lassen.

Dafür versuchte ich beim Magic mein Glück. Das Kartenspiel war bei uns an der Schule sehr beliebt. Wer es beherrschte, war angesagt. Wenn nur diese Regeln nicht wären! Wie gesagt, die kapierte ich auch nur so ungefähr und es würde nicht lange dauern, bis das die anderen Spielern merkten.

Maximilian zum Beispiel konnte überhaupt nicht spielen, deshalb hockte er in der Pause meist alleine herum, kaute an seiner Schokosemmel und war sauer. Die nächste Stunde konnte ich ihn dann vergessen und er ließ mich auch nicht abschreiben. Dann ignorierte ich ihn meinerseits und tat so, als würde ich seine Hilfe nicht brauchen, bis er wieder normal war.

Ja, auch das waren Regeln. So zu tun, als wäre man cool. Man konnte diese Regeln nirgends nachlesen. Man lernte sie durch Beobachtung und Erfahrung. Das dauerte manchmal ganz schön lange – Jahre, wenn man Pech hatte. Bei mir war es so, dass ich im Kindergarten einfach nicht checkte, dass es uncool war, wenn man mit Mädchen spielte. Ich brauchte ganze acht Monate, bis ich es sein ließ. Danach versuchte ich, in der Jungengruppe meinen Platz zu finden.