Raus bist du noch lange nicht - Elfriede Wimmer - E-Book

Raus bist du noch lange nicht E-Book

Elfriede Wimmer

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Beschreibung

Manchmal kann es passieren, dass die Welt aus den Fugen gerät: Eine Übersiedlung, der Wechsel an eine neue Schule, eine Professorin, die es auf dich abgesehen hat, und eine Clique, die dich verspottet und dich ausgrenzt. Mitläufer, die nichts tun und wegsehen. Eltern, die in einer Ehekrise stecken und keine Zeit für dich haben. Und plötzlich stehst du alleine da. Genau das ist Cleo passiert. Was genau ist Mobbing? Mobbing ist ein sehr ernst zu nehmendes Thema. Leider werde immer mehr Kinder und Jugendliche über einen längeren Zeitraum schikaniert, ausgelacht und verspottet. Mobbing zeigt sich auch im Ignorieren und im Ausgrenzen aus der Gruppe. Dinge von Mobbingopfern werden gestohlen oder beschädigt, Gerüchte verbreitet und Unwahrheiten erfunden. Es kann auch zu körperlicher Gewalt, Erpressung und Belästigung kommen. Meistens gibt es einen Anstifter und ein Opfer. Aber auch Mitläufer sind schuldig. Die einen unternehmen aus Angst nichts, die anderen sind froh darüber, dass sie nicht selbst betroffen sind. Dabei wäre es wichtig, nicht wegzusehen, sondern den Mut zu haben, einzuschreiten oder Hilfe von einem Erwachsenen zu holen, wenn jemand körperlich oder seelisch verletzt wird.

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Raus bist du noch lange nichtvon Elfriede Wimmer

Von Elfriede Wimmer unter anderem im G&G Verlag als E-Book erschienen: „EasyTom“, ISBN 978-3-7074-1712-8

1. digitale Auflage, 2015

www.ggverlag.at

ISBN E-Book 978-3-7074-1718-0ISBN Print 978-3-7074-1479-0

In der aktuell gültigen Rechtschreibung

Lektorat: Birgit ReznyIllustrationen: Katharina Reichert

© 2012 G&G Verlagsgesellschaft mbH, WienAlle Rechte vorbehalten.

Inhalt

Ene, mene, muh – und raus bist du …

Ein halbes Jahr später

Zicken

Elisa

Demütigungen

Streit und Missverständnisse

Endlich eine Freundin

Bobo

Die Perlenkette

Ene, mene, muh …

Raus bist du noch lange nicht …

Miteinander reden

Nachwort

Ene, mene, muh – und raus bist du …

Cleo und Sara sitzen im hinteren Teil des Schulhofes auf der alten Ziegelmauer, dort, wo sich sonst keiner hin verirrt. Beide wissen, dass es das letzte Mal ist.

Sie haben die gleichen Jeans an, das gleiche rosa Shirt, die gleichen grünen Convers, sie sind beste Freundinnen. Sara heult. Unbeholfen streicht sich Cleo ihre blonden Haare hinter die Ohren. Das macht sie immer, wenn sie ratlos ist.

„Ich bin ja nicht aus der Welt“, versucht Cleo sie zu trösten. „Es sind nur zwei Autostunden, wir können uns jederzeit sehen. So oft wir nur wollen.“

Zaghaft greift Cleo nach Saras Hand.

Sie weiß, dass sie sich selber Mut zuspricht. Auch sie trifft es hart, dass ihre Eltern beschlossen haben, aus der Stadt wegzuziehen, um in ein Haus auf dem Land zu übersiedeln. Für Cleo bedeutet das eine neue Schule, neue Freundinnen, ein völlig anderes Leben. Sie schluckt und stochert mit einem Ast im Boden herum. Beide Mädchen schweigen.

Ein halbes Jahr später

Ich hasse die Fiesmann, ich hasse die Fiesmann, ich hasse die Fiesmann …

Die Finger, die den Stift krampfhaft umklammern und immer wieder diese Worte in das Papier eingravieren, haben abgebissene Fingernägel, an denen der letzte Rest von schwarzem Nagellack klebt.

„Cleo, bist du mit den Hausaufgaben fertig!?“

Die honigsüße Stimme ihrer Mutter kann Cleo nicht täuschen. „Die will ja nur so schnell wie möglich zum Golfplatz abhauen“, denkt sie wütend. Erst schleppt sie ihren Vater und sie in dieses Kaff, weg von allen Freunden, und nun hat sie nur mehr ihre Übungsstunden im Kopf. Es ist ihr scheißegal, ob Cleo Mathe, Deutsch oder irgendeinen anderen bescheuerten Gegenstand paukt. Wahrscheinlich steht sie gerade vor dem Spiegel und mustert ihr neues Outfit.

Cleo schnauft verächtlich. Seit zwei Wochen macht sich ihre Mutter wegen diesem obercoolen Golftrainer verrückt. Sie denkt, dass Cleo es nicht merkt. Echt peinlich. Cleo ist dreizehn und der Typ ist gerade mal zehn Jahre älter als sie.

Cleo drückt den Stift noch stärker auf das Papier und kritzelt unter „die Fiesmann“, die eigentlich Friesmann heißt und Klassenvorstand der 3b im Neudorf-Gymnasium ist, „Meine Mutter ist doof!“.

Frau Professor Dagmar Friesmann schaut auf die Uhr und klatscht in die Hände. Cleo hebt verzweifelt den Kopf. Gott, wie sie dieses Klatschen hasst. Diese Kuh mit ihrem dürren Knochengestell und dem grauen Haarknoten hat eine eigene, provokante Art zu klatschen. Die meisten Schüler zucken zusammen und lassen die Füllfeder fallen. Die kalten Augen der „Fiesmann“ bleiben an Cleo hängen. „Du hast den Füller noch in der Hand, das gibt einen Punkteabzug.“

„Aber, bitte, ich bin … nur noch das Wort zu Ende …“

„Du kennst die Regel“, kommt unerbittlich die schneidende Stimme der Deutschprofessorin, „Klatschen heißt: sofortiges Fallenlassen der Schreibutensilien. Ich kann nicht immer wegen dir eine Ausnahme machen.“

„Von wegen Ausnahme“, murrt Cleo, „Sie kennen dieses Wort doch nicht einmal.“

„Das macht einen weiteren Punkteabzug.“ Emotionslos dreht sich die „Fiesmann“ zu ihrem Schreibtisch um und setzt sich mit durchgedrücktem Rücken auf die Kante ihres Stuhles.

Nachdem sie ihre Brille mit dem lächerlichen roten Rahmen zurechtgerückt hat, nickt sie einem molligen Mädchen mit rosa Schleifen im dünnen Haar zu: „Emma, Schätzchen, sammle bitte die Arbeiten ein.“

Emma wird vor Freude rot im Gesicht und springt eifrig aus ihrer Bank. „Sehr gerne, sofort, Frau Professor Friesmann!“ Vor Cleo bleibt sie stehen und schaut verunsichert auf die Hand, die sich über die Deutschschularbeit gelegt hat. Sie versucht, den Zettel darunter hervorzuziehen. Aber Cleos Finger scheinen daran festzukleben. Verzweifelt dreht Emma ihren Kopf in Richtung der Professorin.

Die hat die Szene sehr wohl bemerkt. Es ist nicht das erste Mal, dass dieses schreckliche Mädchen sich ihr widersetzt. Allein wie sie aussieht: immer provokant gekleidet, die dunklen Haare ungleich geschnitten, eine Seite kurz, die andere länger. Und diese Aufsätze! Kein ordentlicher Satzaufbau, keine Grammatik, kein korrekter Schreibstil. Von allem immer zu viel und zu üppig, fast schwülstig, mit verwirrenden Nebensätzen, die nirgendwohin führen. Verärgert greift sich die Professorin mit ihren knochigen, langen Fingern an ihren Haarknoten. Es ist eine Geste der Ungeduld, gemischt mit ein ganz klein wenig Unsicherheit angesichts der Starrköpfigkeit dieser unmöglichen Schülerin, die vor nicht ganz einem halben Jahr in ihre bis dahin gut kontrollierte Klasse geschneit kam. Dabei schien sie anfangs recht ordentlich zu sein. Unauffällig, schüchtern, bereit sich unterzuordnen. Aber plötzlich wurde sie aufmüpfig, begann unangenehm aufzufallen und störte das Gesamtbild. Das kann natürlich in einem Privatgymnasium nicht geduldet werden. Sie, Dagmar Friesmann, weiß, wie man mit solchen Querdenkern umzugehen hat. Sie wird ihr ganz schnell die Flügel stutzen.

„Emma, bitte bring mir alle Arbeiten, außer der von Cleo, die gilt als nicht abgegeben.“

Voller Wut schaut Cleo auf die Deutschprofessorin. Sie ist jetzt ein halbes Jahr bei ihr in der neuen Schule und es ist der absolute Horror. Frau Professor Friesmann hat ihre Lieblinge, und Cleo gehört eindeutig nicht dazu. Das hätte sie ja noch ertragen können, aber was wirklich ätzend ist, sind ein paar Mädchen aus ihrer Klasse. Sie spürt die Blicke von Larissa und ihren Freundinnen in ihrem Rücken und hört sie kichern. Unsicher beginnt Cleo an ihren Nägeln zu kauen. Dann versteckt sie sich hinter ihren frisch geschnittenen Haaren. Das war eine echt blöde Idee von ihr. Vor Wut und Enttäuschung hat sie sich die Haare schwarz gefärbt und danach selber abgeschnitten. Um alles noch schlimmer zu machen, hat sie ihre Jeans gegen schwarze Klamotten getauscht und auch die Nägel schwarz lackiert. Sie dachte, damit die Aufmerksamkeit der Mädchen zu bekommen.

Doch das ist gründlich schiefgegangen. Ihre Mutter war entsetzt und den Tussis in der Klasse konnte sie damit nur ein mitleidiges Lächeln entlocken. Keiner fand es cool. Außer vielleicht Greta. Sie behauptete, es sei mutig, anders als die anderen zu sein. Ehrlich gesagt, findet Cleo Greta ein bisschen schräg. Sie heißt auch nicht wirklich Greta, sondern Julia. Aber dann hat sie beschlossen, sich nach einer Schauspielerin, die schon lange tot ist, zu nennen, und seitdem sagen alle Greta zu ihr. Greta ist eine Außenseiterin. Sie hat sich die Augenbrauen gezupft und sich stattdessen tätowierte Striche malen lassen. Ihre Haare sind platinblond gefärbt und ihre Kleider passen nicht zu ihrem Alter. Trotzdem wird sie in Ruhe gelassen und keiner lästert offen über ihr Aussehen.

Cleo ist nicht sicher, ob sie wirklich anders als die anderen sein will. Egal was sie auch versucht, sie kann offensichtlich überhaupt nichts richtig machen. Dabei möchte sie doch nur dazugehören.

Am Nachhauseweg beobachtet sie sehnsüchtig, wie Larissa, das beliebteste Mädchen in der Klasse, laut lachend zwischen Johanna und Nora zum wartenden Auto ihrer Mutter geht. „Hi, Mum, kannst du Johanna und Nora mitnehmen?“ Die Mädchen zwängen sich auf den engen Rücksitz und winken ihren Freundinnen zu, die neidisch auf das silberne Cabrio starren.

Ob sie wohl je in den Club der angesagten Mädchen aufgenommen wird? Cleo denkt an ihre Freundin Sara aus der alten Schule. Sie vermisst sie ganz furchtbar.

„Hallo, ist jemand zu Hause?“ Die weiße breite Holztür, deren Täfelung noch nach dem frisch gestrichenen Lack riecht, der erst kürzlich aufgetragen wurde, öffnet sich einen Spalt. Cleo springt durch das helle Vorzimmer und reißt sie ganz auf. Stürmisch umarmt sie ihren Vater, der mit Päckchen beladen versucht, hereinzukommen ohne diese zu verlieren. Zu spät. Die sorgfältig eingepackten, mit Schleifen versehenen Schachteln fallen zu Boden. Lachend nimmt Kurt seine Tochter und wirbelt sie herum. „Ach du liebe Zeit, bist du schwer“, sagt er keuchend. „Wo ist mein Baby geblieben?“

„Sie ist dreizehn, du musst dich daran gewöhnen. Wenn du öfter zu Hause wärst, würde dir das auffallen.“ Cleos Mutter taucht hinter den beiden auf und schaut auf die Geschenke, die verstreut auf dem Boden liegen. „Jedes Jahr das Gleiche“, schimpft sie. „Du verwöhnst sie zu sehr.“