Echt und stark - Thomas Härry - E-Book + Hörbuch

Echt und stark E-Book und Hörbuch

Thomas Härry

4,9

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Beschreibung

Christen, die sich in ihrem Dienst verausgaben und gesundheitlich darunter leiden, kann Thomas Härry lange Zeit nicht verstehen. Bis er selbst an unerklärlichen Schmerzen und Angstattacken leidet. So beginnt für ihn ein langer Prozess, in dem er seinen Glauben gründlich unter die Lupe nimmt. In seinem Buch erklärt der Autor einfühlsam und gut verständlich, dass geistliche Reife dort entsteht, wo emotionale Gesundheit und geistlicher Tiefgang zusammen kommen. Er berichtet von seiner Reise zu einer Beziehung mit Gott, die Echt und stark ist. Echt, weil sie unter die Oberfläche blickt und der eigenen Vergangenheit, den Schwächen und Wunden nicht länger ausweicht. Stark, weil der Glaube ein festes Fundament und gesunde Ausdrucksformen gefunden hat. Dazu gehören die regelmäßige Bibellese, das ehrliche Gebet, die Abhängigkeit vom Heiligen Geist, die Einbettung in tragende Beziehungen etc. Ein hilfreiches Buch für alle Christen, die einen ehrlichen Glauben mit Tiefgang finden wollen!

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Seitenzahl: 428

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Zeit:10 Std. 22 min

Sprecher:Martin Falk

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Thomas Härry

Echt und stark

Kraftvoll glauben, Tiefgang finden

Die Edition erscheint in Zusammenarbeit zwischen dem R. Brockhaus Verlag Wuppertal und dem Bundes-Verlag Witten. Herausgeber: Ulrich Eggers

Die zitierten Bibeltexte ohne Quellenangabe entstammen der Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. Alle anderen Zitate sind aus folgenden Übersetzungen entnommen: Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, © Katholische Bibelanstalt, Stuttgart Hoffnung für alle, Brunnen Verlag Basel und Gießen, Copyright © 1996/2002 by International Bible Society Revidierte Elberfelder Bibel, © 1991, R. Brockhaus Verlag Wuppertal Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber und Franz Rosenzweig, © 1992, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Zitat von Dietrich Bonhoeffer S. 17: © by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

© R. Brockhaus Verlag Wuppertal 2007 Umschlaggestaltung: Dietmar Reichert, Dormagen Satz: Satz & Medien Wieser, Stolberg Druck: Ebner & Spiegel, Ulm

Vorwort

Darf man das Vorwort zu einem Buch mit einer Sympathieerklärung für den Autor beginnen? Keine Ahnung, ich werde es einfach tun. Denn ich mag Thomas Härry – auch wenn ich ihn erst wenige Jahre kenne. Ich sehe in ihm jemanden, der gut zur Zeitschrift und zur Buchedition AUFATMEN passt. Ein aufrichtiger Sucher, interessiert und hungrig, der immer auch nach Antworten für sein eigenes Leben, nach Anwendung in seinem persönlichen Alltag fragt. Ein Denker und Grübler, der sich nicht schnell zufriedengibt und an glatten Fassaden nachhaltig kratzt und bohrt. Zugleich einer, der mit sich selbst ehrlich ist und etwas von der Gebrochenheit menschlichen Lebens weiß. Von Wünschen, Idealen, Hoffnungen, Zielen – und von der manchmal so widersprüchlichen Wirklichkeit, die uns oft ganz anders aussehen lässt, als wir eigentlich gerne wollten und würden und wären. Dass Thomas Härry in alldem dennoch deutlich nach vorne gehen will, eine Vision für sein Leben hat, Ziele aktiv ansteuert und das alles in einer intensiven Beziehung zu Christus tut, weckt meine Freundschaft und Freude an diesem Mann.

So lebt dieses Buch denn auch von diesen ganz persönlichen Merkmalen. Und vom Lebensumfeld, in das Thomas Härry verwoben ist: engagierte missionarische Gemeindearbeit in seiner »Evangelischen Minoritätsgemeinde« in Aarau. Lehre im Theologisch-Diakonischen Seminar. Und das große Charakter-Test-Labor Ehe und Familie. In dem allen ist es Thomas’ höchstes Ziel, aus der persönlichen Beziehung zu Christus zu leben und diese Beziehung lebendig, ernährend und aufrichtig zu gestalten. An dieser persönlichen, geistlichen Reise gibt er in diesem Buch Anteil. Möchte andere mitnehmen in eine kraftvolle Glaubensbeziehung, die echt und stark ist.

Echt, weil sie mit ehrlichem Blick hinschaut, wie es in unserem Leben wirklich aussieht. Hinter der frommen Maske oder der erfolgreichen Fassade. Dort, wo wir alle so ähnlich sind. »Wie lächerlich und weltfremd ist der, der sich über irgendetwas wundert, was im Leben vorkommt!«, hat sich der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel mal entrüstet. Ein Satz, der sich im ersten Teil dieses Buches spiegelt. Denn wir sind unsere Geschichte. Mit Wunden und Wirren, mit Schwächen und Stärken, Siegen und Niederlagen. Mut zu sich selbst zu haben, darum geht es. Mein Gewordensein zu erkennen, es zu akzeptieren und sich damit in emotional gesunder Weise zu versöhnen.

Aber dabei bleibt dieses Buch nicht stehen. Denn wir sind nicht begrenzt auf unser Gewordensein, sondern wir können wachsen – und zugleich echt bleiben. Brauchen die Um- und Irrwege unserer Geschichte nicht zu leugnen. Können in und mit ihnen stark werden – denn unser Glaube kann eine enorme Kraft entfalten. Zumindest dann, wenn er Tiefgang bekommt, wenn wir fest verwurzelt sind in unserer Beziehung zum dreieinigen Gott. Hier teilt der Autor persönliche Erfahrungen, die erprobt und alltagsnah sind und dennoch von einer großen Vision und einem Ziel her leben. Echt und stark werden – sodass wir irgendwann als sturmzerzauste, knorrige, kräftige Bäume dastehen, die gute Früchte bringen. Das ist es, was Thomas Härry will. Ich erfreue mich an diesem Buch und wünsche ihm viele Leser!

Ulrich Eggers Herausgeber edition AUFATMEN

Einleitung: So was passiert mir doch nicht!

Februar 1994. Unser Wagen fährt mit hohem Tempo über die Autobahn. Zusammen mit einem Missionar und zwei Pastoren fahre ich zu einer Tagung nach Deutschland. Zwei meiner Mitreisenden kenne ich erst seit drei Stunden. Sie haben wie ich eine Mitfahrgelegenheit gesucht und so haben wir uns zu dieser Fahrt zusammengefunden.

Wir nutzen die Zeit, um einander zu erzählen, wer wir sind, woher wir kommen und was wir arbeiten. Max, einer der Pastoren, erzählt, dass er sich gerade in einer Phase der Neuorientierung befindet. Er überlegt, wieder in seinen alten Beruf als Ingenieur zu wechseln. Ich werde neugierig und frage ihn: »Was bewegt dich dazu?« Max, von dem ich noch nicht viel mehr als den Namen kenne, zögert einen Moment. »Das ist eine längere Geschichte«, sagt er schließlich, »ich weiß gar nicht, wo ich da am besten beginne.« Max überlegt eine Weile. Dann erzählt er seine Geschichte. Während Max erzählt, ist es mucksmäuschenstill im Wagen. Man hört nur seine Stimme erzählen, zuerst stockend, dann immer fließender. Und im Hintergrund das Dröhnen des alten Opels, der mit 140 Stundenkilometern durch Deutschland braust.

Max erzählt von Schlafstörungen, die ihn seit mehreren Monaten quälen. Von Tagen, an denen er wie gelähmt ist und kaum arbeiten kann. Dann ist er schon nach zwei Stunden Arbeit völlig erschöpft und hat auch für einfache Aufgaben kaum mehr Energie. Vor einigen Wochen begannen die Rückenschmerzen. Als er kaum noch sitzen kann, sucht er den Arzt auf. Es gibt mehrere Untersuchungen, weil der Arzt zunächst nicht herausfindet, welches die Ursachen von Max’ gesundheitlichen Problemen sind. Schließlich diagnostiziert sein Arzt unter anderem massive Störungen im vegetativen Nervensystem. Er bekommt entsprechende Medikamente und ein Aufbautraining für seinen Rücken. Als sich der Zustand von Max trotz medikamentöser Behandlung nicht verbessert, raten ihm sein Arzt und Freunde zu einer beruflichen Neuorientierung. Das ist für Max ein sehr schwieriger Gedanke. Seit 15 Jahren ist er Pastor. Es ist der Beruf seiner Träume. Er kann sich nicht vorstellen, wieder als Ingenieur zu arbeiten, unter anderem auch deshalb nicht, weil er nicht weiß, wie er die massive technologische Entwicklung innerhalb seiner Branche aufholen soll. Nun kommt zu seinen gesundheitlichen Problemen noch die existentielle Sorge um seinen Beruf und den Lebensunterhalt seiner Familie hinzu.

Ich höre zu, wie Max erzählt, und versuche, ihn zu verstehen. Es gelingt mir nicht. Ich selber bin noch jung, keine dreißig Jahre alt. Gerade habe ich eine neue Tätigkeit im Seminardienst einer christlichen Organisation begonnen. Ich sprühe vor Energie und bin wieder neu motiviert, mich für Gott und seine Sache zu engagieren. Für das, was Max von sich erzählt, existiert in meinem Denken und in meiner Erfahrung noch kein Zuordnungsraster. Ich kann darum nicht nachvollziehen, wie es dazu kommen kann, dass Christen sich so sehr in ihrem Dienst verausgaben, dass sie dabei ihre Gesundheit verlieren. Und dann fehlt mir vor allem das Einfühlungsvermögen, um verstehen zu können, wie es zu einer Situation wie dieser kommen kann. In mir ist viel Überheblichkeit und Stolz. Natürlich ist mir das in diesem Moment nicht bewusst. Im Stillen aber wundere ich mich verständnislos über so viel falsch verstandenes christliches Dienstverständnis, das einen solchen Kollaps, wie Max ihn gerade erlebt, provoziert hat. Ein beinahe ruinierter Körper, psychische Probleme – das alles ist für mich zum damaligen Zeitpunkt Ausdruck eines grundlegenden Versagens. Irgendwo muss es im Leben von Max doch ein Leck geben. Ein unstabiler Glaube vielleicht? Oder ungelöste persönliche Probleme? Vielleicht auch eine fehlende Sensibilität im Umgang mit sich selbst. Oder doch psychische Schwierigkeiten? Wie gesagt, ich bin nicht fähig, die Situation von Max zu erfassen und einzuordnen. In meinen Gedanken macht sich eine selbstgerechte Verständnislosigkeit breit. Es kann doch unmöglich Gottes Wille sein, dass eines seiner Kinder dermaßen an die Grenzen kommt. Weshalb geben Menschen wie Max der übernatürlichen Kraft Gottes in ihrem Leben nicht mehr Raum? Weshalb rechnen sie nicht mit seiner heilenden, wiederherstellenden Kraft? Es kann doch nicht sein, dass von Gott bevollmächtigte Mitarbeiter auf einmal ihren Dienst quittieren müssen, weil solche unnötigen Hindernisse sie schachmatt setzen!

So wie ich damals über die Situation von Max rätselte, so rätsle ich heute über mich selbst und über die Art, wie ich damals dachte. Ich war sehr kurzsichtig und sehr unbarmherzig. Und vor allem sehr unerfahren. Ich meinte, solche Situationen mit meinem geistlichen Scharfblick beurteilen zu können, und merkte nicht, wie richtend, unbarmherzig und unreif ich darin war.

Nur wenige Jahre später korrigierte Gott mein Denken und Urteilen auf unerwartete und sehr schmerzliche Weise. Diesmal war ich selbst an der Reihe. Auf einmal war ich in der Situation von Max. Innerhalb weniger Wochen zerbrach meine unreife, fixe Vorstellung vom unerschütterlichen Diener Gottes, der ich sein wollte. Noch lange wollte ich es nicht wahrhaben, dass es nun mich selbst erwischt hatte. Mit allen Kräften versuchte ich, mich dagegen zu wehren und die Katastrophe zu verhindern. Ohne Erfolg.

Was war geschehen? Ich war inzwischen vier Jahre in der Seminararbeit eines bekannten christlichen Werkes tätig. Ich schulte Mitarbeiter verschiedener Gemeinden und führte Seminare und Beratungen durch. Daneben unterrichtete ich teilzeitlich biblische Fächer an einer theologischen Ausbildungsstätte.

Seit etwa zwei Jahren war ich in meiner Arbeit so richtig ausgelastet. Ich genoss es, Einblick in verschiedene Gemeinden zu haben und sie mit meinen Seminaren ein Stück begleiten zu können. Nebenberuflich nahm ich ein weiterführendes theologisches Aufbaustudium in Angriff, um mich in meiner Lehrtätigkeit weiterentwickeln zu können.

Auch unser Familienleben war in Bewegung. Ich war sehr glücklich mit Karin, einer temperamentvollen Ostfriesin, verheiratet. Gerade war Fabienne, unsere zweite Tochter, geboren. Wir wohnten zusammen mit zwei Singles und einem Ehepaar als Lebensgemeinschaft in einem Mehrfamilienhaus. Im Nachbarort befand sich ein Frauengefängnis. Unsere Lebensgemeinschaft war mit der Absicht gegründet worden, Frauen in und nach dem Strafvollzug zu begleiten. Neben der Betreuung inhaftierter Frauen nahmen wir strafentlassene Frauen so lange bei uns auf, bis sie wieder selbstständig leben und arbeiten konnten.

Inmitten dieser intensiven Lebensphase kam ich langsam an meine Grenzen. Es begann mit Atemschwierigkeiten auf meinen regelmäßigen Joggingrunden. Als ich schon nach zehn Minuten meinen Lauf keuchend und nach Luft japsend abbrechen musste, ging ich zum Arzt. Dieser diagnostizierte eine leichte Form von Asthma. Er riet mir zu einer medikamentösen Kur. Ich lehnte die Einnahme von Medikamenten ab. Es war ja nur leichtes Asthma. Der Gedanke, aufgrund einer Krankheit regelmäßig auf Medikamente angewiesen zu sein, gefiel mir überhaupt nicht. Er passte nicht in mein Bild des vitalen, energiegeladenen Mitarbeiters Gottes. Also verdrängte ich die nun auftauchende Irritation erfolgreich.

Langsam, zunächst fast unmerklich, kamen weitere Symptome dazu. Ich konnte nicht mehr so gut schlafen wie früher. Tagsüber war ich sehr aufgedreht und explodierte fast vor Energie. Am Feierabend hatte ich immer noch das Bedürfnis, zu arbeiten. Ich schrieb Berichte, bereitete Seminare vor oder las bis tief in die Nacht berufsbezogene Bücher und Zeitschriften. Wenn die Kinder zu Bett gegangen waren, feilte ich noch stundenlang an einem Vortrag weiter oder erledigte Telefonate.

In dieser Zeit war ich auffallend oft erkältet. Manchmal dauerte es wochenlang, bis ich einen harmlosen Schnupfen wieder los war. Eines Tages kamen stechende Schmerzen in der Herzgegend dazu. Zeitweise spürte ich dieses Stechen bis in die linke Hand herunter. Wenn ich mein Büro betrat, fing mein ganzer Körper seltsam zu kribbeln an. Dieses Kribbeln hörte nicht auf, wenn ich das Büro verließ. Es hielt an, wurde manchmal etwas schwächer und nahm dann wieder zu.

Und dann kamen diese grausamen Angstattacken. Entweder konnte ich nicht einschlafen oder erwachte mitten in der Nacht. Und dann war da plötzlich nackte Angst. Eine abgrundtiefe, dunkle Angst. Diffus, rational völlig unbegründet und nicht nachvollziehbar. Aber voll destruktiver Energie – ein unwiderstehlicher Sog in die Tiefe. Es war die Angst zu versagen. Einen Termin nicht einhalten zu können. Die Angst, meine Arbeit nicht bewältigen zu können. Die Angst, mich vor meinen Studenten zu blamieren. Seltsamerweise war diese Angst tagsüber oft wie weggeblasen. Aber nachts krallte sie sich wie ein schwarzer Dämon in meinen Gedanken und Gefühlen fest.

Ich erinnere mich an eine Nacht, die das Fass zum Überlaufen brachte. Wieder hatten mich innere Unruhe und panische Ängste stundenlang wach gehalten. Nun war ich am Ende. So konnte und durfte es nicht weitergehen. Ich lag in den Armen meiner Frau und verlor die letzte Kraft, mich gegen meinen Zustand zu wehren. Ich weinte hemmungslos. Ich war am Ende. Ich hatte keine Strategie mehr auf Lager, wie ich trotzdem irgendwie weiterkommen würde. Ich musste mir eingestehen, dass ich definitiv nicht mehr weiterwusste. Das war die Stunde meiner endgültigen Kapitulation.

Karin drängte mich zum Arztbesuch. Jetzt endlich war ich dazu bereit. Ich wurde von Kopf bis Fuß untersucht. Nichts. Das Herz in Ordnung. Das Blut in Ordnung. Ja, der Cholesterinspiegel könnte etwas besser sein. Ein bisschen Mangel an Magnesium. Das Einzige, was nicht mehr richtig zu funktionieren schien, war das vegetative Nervensystem … Max lässt grüßen! »Sie müssen sich überlegen, wie Sie mit Druck und Stress besser umgehen können«, war die abschließende Bemerkung meines Arztes.

Nun folgte eine längst überfällige Phase der Neuorientierung. Schon bald wurde mir klar, dass es um weit mehr gehen würde, als einige stressvermindernde Strategien einzuüben. Mein Verhalten innerhalb der Familie, der Arbeit und mein Umgang mit mir selbst bedurften einer grundlegenden Überarbeitung. Es war Zeit, der Sache etwas tiefer auf den Grund zu gehen.

Die darauffolgenden Monate waren geprägt von einer gründlichen Inventur meines bisherigen Lebens. Diese Bestandsaufnahme machte deutlich, dass es vor allem zwei Bereiche gab, mit denen ich mich intensiver als bisher auseinandersetzen musste.

Der erste Bereich umfasste meine ganze innere Welt: meine Seele, meine Emotionen, mein Herz. Darin eingeschlossen waren meine tiefer liegenden, größtenteils unbewussten Haltungen, Überzeugungen, Motive und Gefühle. Ich stellte bald fest, dass ich einige wichtige Facetten aus diesem Bereich meiner Persönlichkeit bisher von meiner Spiritualität und Glaubensentwicklung ausgeblendet hatte. Das drückte sich darin aus, dass ich all die Regungen aus diesem Bereich schlicht überging und nicht beachtete. Ich spaltete meine seelischen Empfindungen weitgehend von meinem Glauben ab.

Also begann ich die Bibel intensiv auf diesen Themenbereich hin zu untersuchen. Was sagt Gott zu der inneren, emotionalen Seite unseres Lebens? Wie ist sie mit unserem Glauben verknüpft? Welche Rolle spielen dabei unbewusste Prägungen und Überzeugungen? Wie beeinflussen sie unser Denken und Verhalten im Alltag? Welche Auswirkungen hat eine gesunde Glaubensentwicklung auf die innersten Bereiche meines Herzens, in dem die Gefühle und meine Überzeugungen geprägt werden? Ich stellte schon bald fest, dass ich da wichtige Teile des jüdisch-christlichen Menschenbildes zu wenig ernst genommen hatte.

Es war nicht alleine das Studium der Bibel, das mir weiterhalf. Ich entdeckte einige hilfreiche Literatur zu diesem Thema. Bald wurde mir auch klar, dass ich in diesem Lernprozess die Hilfe eines kompetenten christlichen Seelsorgers brauchte. Hilfe von außen anzunehmen erwies sich als eine wichtige Entscheidung. Ohne die geschickte Begleitung einer Fachperson wäre ich gewissen ungesunden Motiven und Prägungen in der Tiefe meines Herzens vielleicht nie auf die Spur gekommen.

Ein zweiter Bereich meines Lebens bedurfte der vermehrten Aufmerksamkeit: meine Spiritualität. Erlauben Sie mir eine kurze Zwischenbemerkung zur Definition dieses Begriffs, den ich im Laufe dieses Buches immer wieder erwähnen werde. »Spiritualität« ist kein Hobby für Kerzen- und Weihrauchliebhaber. Es heißt auch nicht, dass man ins Kloster geht oder Meditationsübungen macht. Spiritualität ist kein Insiderbegriff für Mystiker und Wollsocken tragende Vegetarier, die sich bei Harfenmusik entspannen wollen. Spiritualität ist konkrete Alltagsgestaltung mit Gott.

Seit ich Christ geworden war, trug ich in mir die Überzeugung, dass Gottes Weg, mein Leben zu erneuern, wesentlich verbunden war mit den klassischen geistlichen Disziplinen wie dem Gebet, dem Lesen der Bibel, der Gemeinschaft, dem Inspirieren und Führen des Heiligen Geistes, der Stille usw. Ich hatte deshalb schon in einer frühen Phase meiner geistlichen Entwicklung den Wunsch, diese Disziplinen kennenzulernen und einzuüben. Später hatte ich dazu hilfreiche Literatur gelesen und dabei von verschiedenen konfessionellen Zugangswegen zu diesem Thema profitiert.

Nun musste ich aber ernüchtert feststellen, dass auch mein auf diese Weise gestaltetes geistliches Leben nicht verhindert hatte, dass ich in diese Sackgasse der Überforderung, inneren Anspannung und des körperlichen Zusammenbruchs geraten war. Das irritierte mich. Wie konnte ich trotz regelmäßigem Umgang mit Gottes Wort und Gebet gewisse Aspekte meines Lebens vor Gott ausklammern, ohne dass mir das selber bewusst wurde? Wie war es möglich, dass ich dabei sein Reden so einseitig wahrgenommen hatte und viele seiner Warnungen so erfolgreich überhören konnte? Ich musste also auch meine Spiritualität einer erneuten Prüfung unterziehen.

Die vielleicht wichtigste Entdeckung in diesem Prozess der Neuorientierung (der sich übrigens über mehrere Jahre hin erstreckte und bis heute nicht abgeschlossen ist) aber war die einfache Erkenntnis, dass emotionale Reife und Spiritualität untrennbar zusammengehören.

Eine Spiritualität, bei der die Tiefen meiner Seele, meine Emotionen, meine unbewussten Motive und Prägungen unberührt bleiben, führt zu einer einseitigen, letztlich an der Oberfläche bleibenden Glaubensentwicklung.

Dieses Volk da behauptet, mich zu ehren. Aber sie ehren mich nur mit Worten, mit dem Herzen sind sie weit weg von mir, lässt Gott Israel durch seinen Propheten Jesaja ausrichten (Jesaja 29,13). In Markus 7,6 zitiert Jesus diese Worte und wendet sie auch auf seine eigene Zeit an. Das war nicht nur eine treffende Bestandsaufnahme von Jesus zur Spiritualität der geistlichen Führer des Judentums in der damaligen Zeit. Zum selben Ergebnis führt auch jede Form von Spiritualität, von Jüngerschaftstraining und geistlicher Entwicklung, die den Kern unserer Persönlichkeit und die Tiefe unserer emotionalen Innenwelt außer Acht lässt.

Genauso fatal ist allerdings auch das Gegenteil. Die Beschäftigung mit den Regungen unserer Seele führt nur dann zu Heilung und Erneuerung, wenn sie in eine lebendige Spiritualität eingebettet ist. Durch sie schaffen wir Raum für den prägenden Einfluss Gottes, der die innersten Bereiche unserer Seele neu ordnen und formen kann. Ohne eine gesunde Spiritualität bleiben wir bei einer rein seelischen Bestandsaufnahme stehen.

Die Kraft, falsches Denken, destruktive Selbstbilder oder unlautere Motive zu verändern, liegt nur sehr beschränkt im Menschen selbst. Erst wenn Gottes übernatürliche Kraft Zugang zu den ungeordneten Bereichen meines Herzens bekommt, wird ein Leben möglich, das Jesus Christus ähnlicher wird. Eine gesunde Spiritualität führt zu dieser ganzheitlichen Reife von Glaube und Persönlichkeit sowie von Seele und Körper. Denn in der persönlichen Spiritualität öffnet der Mensch sein Innerstes der Kraft Gottes, die ihn als ganzen Menschen von innen nach außen erneuert.

Dieser Zusammenhang zwischen geistlichem Leben (Spiritualität) und einer ehrlichen Auseinandersetzung mit den tieferen Schichten meiner Seele war für mich eine erste wichtige Erkenntnis auf dem Weg meines eigenen Heilungsprozesses. Geistliche Reife und emotionale Reife bedingen einander. Sie gehören untrennbar zusammen.

Aus meiner persönlichen Auseinandersetzung mit der wechselseitigen Beziehung von emotionaler und geistlicher Reife ist dieses Buch entstanden.

Im ersten Teil geht es zunächst um die unlösbare Verbindung zwischen Glauben und emotionaler Reife, die ich selbst so lange nicht erkannt habe. Darin versuche ich zunächst zu begründen, warum wir diese Bereiche nicht voneinander trennen können, ohne dabei Schaden zu nehmen. In diesem Zusammenhang werden Sie einige wichtige Aspekte emotionaler Reife kennenlernen. Dazu gehört der mutige Blick unter die Oberfläche unseres Alltags- und Glaubenslebens. Wenn Sie diesen Blick wagen, werden Sie einige Entdeckungen machen, die Sie vielleicht beunruhigen, die für Ihr persönliches Wachstum aber sehr wichtig sind. Halten Sie diesen Blick aus und übernehmen Sie die Verantwortung für den Veränderungsprozess, der Ihnen bevorsteht. Verantwortung übernehmen heißt, einige wichtige Weichen zu stellen, um nachhaltig innere Heilung, Veränderung und Befreiung erleben zu können.

Den meisten Menschen ist nicht bewusst, wie sehr ihre Gegenwart von ihrer Vergangenheit mitbestimmt wird. Darum beinhaltet geistliche Reife immer auch eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Prägungen unserer Vergangenheit.

Menschen, deren Glaube auch die emotionalen Seiten ihrer Persönlichkeit berührt, lernen eine weitere Lektion. Sie erlauben sich eine ehrliche Auseinandersetzung mit den verwundeten, zerbrochenen Seiten ihrer Seele. Sie lernen das Geheimnis der Kraft Gottes inmitten ihrer Schwachheit und Grenzen kennen.

Der konstruktive Umgang mit Kummer, Verlustgefühlen und Trauer ist ein weiteres Kennzeichen einer geistlichen Reife, die auch die emotionalen Seiten unseres Lebens umfasst.

Im zweiten Teil des Buches stelle ich Ihnen verschiedene Facetten einer gesunden Spiritualität vor. Ich lade Sie ein zu entdecken, wie Sie Ihre Gottesbeziehung so gestalten können, dass dabei Kopf, Herz und Gefühle vor Gott zur Sprache kommen und von seiner Kraft berührt werden.

Ein erstes Übungsfeld dabei ist die Suche nach Ruhe für unser unruhiges menschliches Herz. Wer lernt, wie er inmitten turbulenter Zeiten still werden kann, ist bereit für die lebensverändernde Begegnung mit Gott. Eine kraftvolle Spiritualität ist immer auch von einem gewinnbringenden Umgang mit dem Wort Gottes geprägt. Entdecken Sie, wie Gottes Wahrheiten Ihre Gedanken und Gefühle nachhaltig umgestalten können. In einem weiteren Kapitel lernen Sie, wie reif gewordener Glaube unsere Gebete verändert. Statt ständig um uns selbst zu kreisen, werden unsere Gebete zu einem Ausdruck unserer Liebe und Hingabe an Gott und andere Menschen. Auf unserer gemeinsamen Reise durch dieses Buch begegnen wir auch dem Heiligen Geist als dem unverzichtbaren Wegbegleiter im Erneuerungsprozess des Glaubens. Ohne sein inspirierendes, beratendes Wirken inmitten unseres Alltags bleibt unser Glaube staubtrocken und blutleer. Weil Glaubensreife nicht das Produkt einer beeindruckenden Solonummer ist, widmet sich ein weiteres Kapitel der Frage, welche Beziehungen für unser inneres Wachstum unerlässlich sind. Dann möchte ich Ihnen zeigen, weshalb sich Reife auch darin zeigt, für was und für wen sich ein Mensch mit seinen persönlichen Ressourcen einsetzt. Schließlich werde ich Sie am Schluss dieses Buches ermutigen, Ihre geistliche Entwicklung ganz oben auf Ihre Prioritätenliste zu setzen. Denn Sie werden nicht zufällig zu einer ganzheitlichen reifen Persönlichkeit.

Dieses Buch ist eng mit meinem persönlichen Wachstumsweg der letzten Jahre verwoben. Es ist deshalb nicht nur dort, wo das direkt zum Ausdruck kommt, autobiographisch gefärbt. Ich muss bekennen: Das Meiste, wovon ich schreibe, habe ich nicht freiwillig gelernt, sondern inmitten von Grenzen und Versagen. In einem Lied singt die Countrylegende Johnny Cash: »I learned the hard way« – ich lernte es auf die harte Tour. Das trifft auch auf mich zu. Ich finde mich in den Worten von Dietrich Bonhoeffer wieder, der schrieb:

»Man muss damit rechnen, dass die meisten Menschen nur durch Erfahrungen am eigenen Leib klug werden. Nur so erklärt sich die erstaunliche Unfähigkeit der meisten Menschen zu präventivem Handeln jeder Art – man glaubt eben selbst immer noch, um die Gefahr herumzukommen, bis es schließlich zu spät ist.« 1

Dieses Buch beinhaltet solche Lektionen, die sich mir inmitten eigener, schwieriger Erfahrungen aufgedrängt haben. Ich bin mir bewusst, dass die Verknüpfung eines Themas mit persönlichen Erfahrungen immer mit Chancen und Risiken verbunden ist. Ich habe mich dennoch entschlossen, Sie an meiner persönlichen Geschichte teilhaben zu lassen, denn ich möchte Ihnen keine Ansammlung trockener Theorie zumuten, obwohl mir eine sorgfältige inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen fundamentalen Themen der Glaubensentwicklung wichtig ist. Aber letztlich geht es ums alltags- und krisentaugliche Leben als Christ in einer herausfordernden Welt. Wenn meine persönlichen Entdeckungen Sie dabei auf dem Weg Ihres eigenen Reifeprozesses inspirieren und anspornen, dann erhört Gott mein wichtigstes Gebetsanliegen im Blick auf dieses Buch.

Manche der beschriebenen Lektionen, die für mich, so wie sie hier formuliert sind, von fundamentaler Bedeutung sind, sehen im Blick auf Ihr Leben vielleicht anders aus. Hier liegen die Grenzen persönlicher Erfahrungen. Sie sind nur bedingt auf andere anwendbar. Haben Sie darum den Mut, in Gottes Wort oder in entsprechender Literatur weiter zu graben, wenn Sie an einer Stelle eine vertiefte Auseinandersetzung brauchen.

Ich wünsche Ihnen eine lebensverändernde Entdeckungsreise!

Teil 1: Glaube und emotionale Reife: Mut zur ehrlichen Auseinandersetzung

Kapitel 1: Reife, die von innen kommt

Ein tolles Schiff, das keines war

Southhampton, England am 9. Januar 2005. Fast 2000 Passagiere besteigen voller Vorfreude das im Jahr 2000 im deutschen Pappenburg fertig gebaute 270 Meter lange Luxus-Passagierschiff »Aurora«. Vor ihnen liegt eine 103-tägige, fantastische Kreuzfahrt, die sie zu Traumzielen wie Madeira, den Kapverdischen Inseln, San Francisco und Hongkong bringen wird. Die ausnahmslos betuchten Passagiere haben für dieses Vergnügen je nach Kabinenausstattung bis zu 60 000 Euro bezahlt. Dafür wird ihnen aber auch Luxus pur geboten. Mit Gold überzogene Wasserhähne, teuerste Möbel in den als Suiten angelegten Kabinen, Geschäfte, Kinos, Musik, Unterhaltung und beste Speisen warten auf die Gäste.

Das Schiff liegt zum Auslaufen bereit. Die Passagiere treffen sich in den verschiedenen Bars auf dem Schiff oder machen einen ersten Bummel durch die vielen Shops im Inneren des Schiffs. Dann kommt die Durchsage über die Lautsprecher. Die Abfahrt verzögert sich aufgrund eines technischen Problems. Zwei Stunden später die erneute Durchsage: Das Problem konnte noch nicht gelöst werden. Die Schiffsbetreiber bitten die Gäste um Geduld. Mehrere Stunden später eine erneute Durchsage. Das Schiff kann nicht auslaufen. Man hofft, das Problem innerhalb des nächsten Tages lösen zu können. Für die Gäste ist der Zwischenfall zunächst nur halb so schlimm. Man vertröstet sie in der Zwischenzeit mit Gratisdrinks, Unterhaltungsmusik, Kino und üppigen Menüs. Nach zwei Tagen liegt die Aurora immer noch im Hafen von Southhampton. Auch noch nach fünf Tagen. Die ersten Gäste reagieren nun doch ärgerlich. 385 Personen verlieren die Geduld und verlassen wütend das Schiff. Am neunten Tag ist es dann doch so weit. Der Schaden ist behoben, das Schiff verlässt den Hafen und sticht in See. Die Laune steigt und die Gäste freuen sich auf die vor ihnen liegenden Wochen auf See. Am nächsten Tag, das Schiff befindet sich gerade im Ärmelkanal, erreicht die Gäste die unglaubliche Hiobsbotschaft: Die Luxusfahrt muss definitiv abgebrochen werden. Die verbleibenden 1300 Passagiere werden zurück nach Southhampton gebracht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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