Echtes Gulasch - Peter J. Gnad - E-Book

Echtes Gulasch E-Book

Peter J. Gnad

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Beschreibung

Skurrile Geschichten, schwärzlicher Humor, Abgründe und lichte Höhen. Von Mutters Reise zum Gulasch, über eine zauberhafte Begegnung mit einer Hexe, zur bitterbösen Geschichte vom Nachlass, Tod eines Rauchers, Aufruhr im Kirchenschiff und der Begegnung mit einer Fliege. Unterhaltsames und Verwunderliches.

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Seitenzahl: 160

Veröffentlichungsjahr: 2011

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Echtes Gulasch

und andere Geschichten

von Peter J. Gnad
Erweiterte Fassung
published by:  epubli GmbH, Berlin,
www.epubli.de
ISBN 978-3-8442-1309-6
Copyright: © 2011 Peter J. Gnad
Umschlaggestaltung, Illustrationen, Fotos vom Autor selbst.
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, ohne Zustimmung des Verlages und des Autors, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Peter J. Gnad - 1950 geboren, aufgewachsen in Graz, Österreich. Lebte in den USA und Deutschland. Journalist, Autor, Fotograf, Musiker, Regisseur, Film, Fernsehen. Das gesuchte Abenteuer des Lebens erfolgreich gefunden. Ohne jegliche Langeweile, zwar mit Verletzungen und zurückbleibenden Narben, aber ohne den Wunsch auch nur Teile davon nicht erlebt zu haben. 
Bücher:
"Querverkehrt"
"Echtes Gulasch"
"bin in Afghanistan"
"Kreiss-Lauf"

"Echtes Gulasch"

"Also pass' auf, du kannst dich doch noch an den Franzl erinnern, oder? Weißt' schon, der Schwule aus Wien, der Bühnenarchitekt oder was er war - an der Staatsoper. Jetzt ist er ja schon in Pension. "Teresa" sagen seine Freund' zu ihm..."
Meine Mutter muss ihre Erzählung abbrechen, ihr Oberkörper wird von konvulsivischen Zuckungen heimgesucht, sie lacht, was ihr Bauchmuskel bereit ist herzugeben. Sie ist ein Kapitel für sich in dieser Geschichte, weil ihre Art zu erzählen wesentlichen Anteil an der Bildhaftigkeit des Geschehens hat. Meine Mutter kann nämlich nicht erzählen. Man sagt, an ihr sei eine Schauspielerin verloren gegangen, aber ich glaube das nicht. Sie wäre nicht gut gewesen auf der Bühne, wäre entweder jedes Mal vor Schmerz mitgestorben oder hätte sich bei jeder zu erzielenden Pointe schon vorher in die Hosen gemacht. Was sie übrigens, wenn sie einen Witz erzählt bekam, des Öfteren androhte - als ob es nicht ihre Hosen wären. Gleichgültig, ob sie einen Witz erzählt bekam, oder ob sie selbst einen Scherz machte. Oft kam sie nicht einmal bis zum Ende, weil diverse Lachkrämpfe allen Erzählfluss zerstörten und manchmal vergaß sie sogar die Pointe.
"Eigentlich heißt er ja Franzl, aber alle seine Freunde sagen "Teresa" zu ihm, vollständig "Teresa von Connersreuth", weil er ja eigentlich eine DAME ist... Naja und man weiß ja, wie das ist, der Zirkel der Leute ist ja sehr, wie soll man sagen, äh, geschlossen. Da sind ja auch nur wenige Nichteingeweihte zugelassen. Ich bin eine der seltenen Ausnahmen... Naja schau, wann immer ich in Wien bin und in die Oper will, geh ich zum Franzl, wohne bei ihm und er verschafft mir auch noch die Karten. Naja, ich mein', es ist alles wirklich ganz herzlich und freundschaftlich. Er ist ja wirklich ein ganz lieber Kerl. Weißt', intelligent, witzig, gebildet, hat Manieren, ein echter "Gentleman". Nur etwas gibt's, da spinnt er ganz ordentlich und kräftig. Er ist knauserig bis dorthinaus, geizig, manchmal richtig kleinkariert, wenn's darum geht in der Straßenbahn schwarz zu fahren oder sonst irgendjemand, um eine Lächerlichkeit herunterzuhandeln, nötigenfalls auch zu betrügen. Auf der anderen Seite ist er ein guter Mensch, geht an keinem Bettler vorbei ohne was dazulassen, meist sehr großzügig, er spendet auch an Hilfsorganisationen. Aber wenn's ums Fahrgeld in der Straßenbahn geht, fallen alle Hemmungen... Na, jedenfalls... Nein... es geht nicht..."
Hier setzte der zweite Lachsturm ein, der die Fortsetzung der Geschichte neuerlich verwehte.
"Eines Abends hat er gesagt, 'weißt was Grete, morgen lad' mir uns alle meine Freund' ein... zu an gscheit'n Gulasch. Was Ordentliches, sodass auch alle satt wern', meine Freund'... Und dass ich keine Angst haben bräuchte, weil, naja, äh, die wollen ja nix von Frauen, weißt eh! Und dazu hat er ang'fangen ganz verschämt mit seinen Augendeckeln zu klimpern. 'Ein richtiges Gulasch. Ich, oder vielmehr WIR gehen zusammen einkaufen... 'Naja gut, ich mag ja Gulasch, ein echtes; also bin ich halt mit ihm einkaufen gegangen... Da schleppt der mich von Metzger zu Metzger. Und des passt ihm nicht und das Nächste auch nicht, und so weiter, und so weiter, nix is ihm recht, bis endlich die G'schäfte alle zu g'macht haben. Kauft ER schließlich im letzten Supermarkt, den letzten Dreck zusammen, dass mir schon ganz schlecht g'worden ist beim Zuschauen. Ich hab ihn dann gerade noch überreden können, seinem Herzen doch einen Stoß zu geben und auch noch ein bisserl gutes Fleisch zu kaufen... Du kannst dir das nicht vorstellen... Zu Hause hat er dann gesagt, 'So, dann hilfst mir jetzt aber schon auch noch weiter', hat mir gezeigt, wo ich alles finde und teilt mich glatt zum Zwiebelschneiden ein, Salat waschen, die niederen Dienste halt. Er selbst packt das Fleisch aus, wetzt das Messer und richtet die Gewürze her... Pffffff... "Sie lacht wieder los.
"Mutter!!"
"Darum hat er sich richtig gedrängelt. 'Das Fleisch schneide schon ich, darum brauchst dich nicht kümmern!' Zu dem Zeitpunkt hab ich das natürlich noch nicht verstanden, wer konnte das auch ahnen, warte jetzt kommt's!"
Ein wahres Furioso von Lachsturm fegte über meine Mutter hinweg.
"Mutter, bitte komm' zur Sache...!"
"Dann hab' ich bemerkt, dass er das Fleisch in zwei Häufchen aufteilt, ein kleineres und ein größeres, dachte mir aber nichts dabei, beschäftigte mich weiter mit dem Gemüse. Franzl schiebt den größeren Haufen vom Schneidebrett in einen großen Topf um es mit dem nun schon glasigen Zwiebel anzubraten. Ich dachte mir noch immer nichts... Nun aber der blanke Wahnsinn... Da geht der Franzl aus der Küche und kommt mit dem Nähzeug wieder zurück - der kleine Fleischhaufen liegt noch immer auf dem Schneidebrett – er nimmt eine dicke Nadel und fängt an jedes einzelne Stück Gulaschfleisch - ich hab dann gesehen, dass es natürlich das MAGERE war - auf einer Art Sattlergarn aufzufädeln. Also ganz genau durchstechen, nachziehen, das nächste Stückerl und das nächste, sodass letztlich alle Fleischstückerln aneinanderhängen. Die zwei losen Enden verknotet, der Ring auf Reißfestigkeit überprüft, wirft er das Ganze in den Topf, zu dem anderen, darin bereits bruzzelnden Fleisch. Ich hab einigermaßen verständnislos zug'schaut, kannst dir ja vorstellen. Inzwischen hat es an der Tür geläutet und ich bin aufmachen gegangen - seine Freunde. Ich hab mich dann mit denen bekannt gemacht, ein bisserl getratscht, waren alle gaaanz liebe Leute!"
Der Nachsatz kam mit besonderer Betonung. Sollte nur ja niemand denken, dass SIE etwas gegen Schwule hatte.
"Nein, ganz im Gegenteil, die sind doch interessant... und meistens ja auch recht gutaussehend... wenngleich, naja... hat ja eh keinen Sinn!"
Sie lacht verschämt, wie ein kleines Mädchen, zwinkert mir dabei zu.
"Einmal hab' ich zu ihm gesagt, 'weißt, Franzl, ihr entziehts der Frauenwelt da eine ganze Menge gutaussehender Männer', worauf der Franzl g'sagt hat, 'Grete, du musst des nur umgekehrt sehen, wie viele schöne Männer uns entgehen, wegen euch... Frauen!' - er gebrauchte einen anderen Ausdruck! Naja, ich meine, eigentlich hat er ja auch recht; von seiner Warte aus gesehen..."
Und sie kicherte und gackerte schon wieder los, es ist mühsam.
"Mutter, was war denn nun weiter?"
"Ach so ja... das Gulasch, hihihihi... Als ich dann wieder in die Küche komme..."
Die Sätze wurden jetzt nur mehr abgehackt und mühevoll, immer wieder durch heftiges Prusten und Keuchen unterbrochen, hervor gestoßen.
"Steht der Franzl am Herd und rührt im Topffff... nein,...ich kann nicht mehr, ich halt's nicht aus, ich glaub ich mach mich an!"
Da war sie wieder, diese handfeste Drohung an ihre direkte Umwelt.
"Da steht der also am Herd und rührt in seinem Gulasch, ich komme von hinten an ihn heran, sehe ihm über die Schulter hinweg zu, beobachte ihn ein wenig von der Seite und frag' dann so ganz harmlos..."
Hier wäre noch anzumerken, dass meine Mutter nie "so ganz harmlos" zu fragen pflegte und schon gar nicht, wenn sie es derart betonte.
"Sag' einmal, Franzl...(eine deutliche Zäsur), wieso hast'n du eigentlich des Fleisch aufg'fadelt...? Schaut der mich ganz groß an, taucht seinen Kochlöffel in das Gulasch und hebt das an dem Faden zusammenhängende Fleisch heraus, hält es grinsend, quasi triumphierend in die Höhe und sagt seelenruhig: 
"Du, äh, das is meine Portion! Da kann ich nachher beim Austeilen besser trennen..."
Meine Mutter baut genüsslich eine Pause ein. Ich schaue sie verständnislos an.
"Da sagt der glatt: 'Schau, das da is für mich! Wenn ich dann austeilen tu, fahr ich einfach mit dem Kochlöffel hinein und tauch' mir meine Portion heraus - Ich hab's noch immer nicht glauben wollen, hab noch einmal nachgefragt - 'Ja, klar' sagt er 'ich bin doch nicht blöd, ich werd' doch net des Beste hergeben... Das Aufg'fadelte ist für mich und der Rest für meine Freund'!.Ich stehe da wie vom Donner gerührt, frage noch einmal nach, will's nicht glauben - Franzl, was sagst' da? Und er sagt: 'Ja, ich mach das immer so, ich geh' mich doch nicht streiten, mit meinen Freunden ! Ich löse das Problem vorher, ganz einfach, pragmatisch! Ist übrigens eine gute Methode, könnt'st dir ruhig auch merken. Meine Erfindung, sollt' ich mir eigentlich auch patentieren lassen !"
Eine neuerliche Kunstpause markierte Mutters wohlüberlegten und etwas nachdenklich gesprochenen Nachsatz.
"Ich hab dann wahrscheinlich auch so blöd dreing'schaut wie du jetzt und nur mehr gesagt: "Franzl, manchmal ist es richtig schön, dich als Freund zu haben."

Im Tal der Hexe

Schon das Haus allein sah so aus, dass ich es erst mal neugierig umrundete. Es musste sehr alt sein. Die kleinen, mittelalterlichen Luken, die es im unteren Teil aufwies, waren mit großen rostigen, eisernen Zargen versehen, um unliebsame Besucher unmissverständlich davon abzuhalten, auf diesem Wege eindringen zu wollen.
Es stand auf einer kleinen Lichtung, hinter ein paar Apfelbäumen, halb versteckt, in einem Tal, das ich zwar von der Ferne kannte, aber noch nie zuvor hatte ich einen Fuß dorthin gesetzt – als Kind nannte ich es, ein bisschen ängstlich, das "Hexental", weil es sich oft so geheimnisvoll im Nebel verkleidet zeigte und eigentlich zu keinem Besuch verlockte.
Auch diesmal zogen da einige Nebelschwaden, da es kurze Zeit davor ein wenig geregnet hatte, ein früh-sommerliches Gewitter, welches das Land und den Wald nun wie eine Blume duften ließ.
Ich zog an dem Griff, der die Leine bis in den Eingang des Hauses spannte und eine silberne Glocke zum Klingen brachte, zog nach einer Weile ein weiteres Mal an der Leine, aber nichts rührte sich im Haus. Auch mein Klopfen an der Haustür brachte keinen Erfolg, so stieg ich die kurze Treppe wieder hinunter, ging nochmals um das Haus herum, um zu sehen, ob vielleicht auf der Hinterseite ein Zeichen von Leben zu entdecken war. Die Abendsonne tauchte die Nebelschwaden in ein goldenes Licht, zauberte eine seltsame Stimmung in die Lichtung.
Eigentlich hatte ich nur einen Freund von mir besuchen wollen, der mir einige Tage zuvor erzählte, dass er sich für eine bestimmte Arbeit, in eben jenem Hause aufhielt, sich in "Klausur" zurückzog, um von weltlichen Verlockungen ungestört zu sein.
Ich schellte noch einmal, sah hoch zu dem Erker, da war sogar eine Pechnase in der Wand, wahrscheinlich noch aus den Türkenkriegen, das Haus war wirklich sehr alt, die Mauern dick wie bei einer Festung.
Ich wollte mich schon wieder abwenden, als sich ein Fenster im oberen Stockwerk mit einem leichten Quietschen öffnete. Ein Kopf beugte sich heraus, aber es war nicht mein Freund Michael. Ich ging einige Schritte zur Seite um das Gegenlicht, das die Sicht erschwerte, zu vermeiden und sah nochmals hinauf.
Es war eine junge Frau, die da zu mir herunter sah und nach meinem Begehr fragte.
"Ich wollte zu Michael, er hat gesagt, dass ich ihn hier finde, er wollte hier…"
"Michael ist gestern Abend wieder in die Stadt gefahren, musste wohl irgendwas Wichtiges erledigen…"
Ich war enttäuscht, war schon im Begriff mich für die Störung zu entschuldigen und zurück zum Wagen zu gehen, als die Frau mich zurückrief und meinte, ich solle doch einen Moment warten, sie komme gleich hinunter an die Tür.
Als sie dann die Tür öffnete, war es, als ob ein Licht aufginge. Sie trug ein langes weißes Kleid, eher so etwas wie einen Umhang, hatte langes, rotes Haar, das ihr bis weit über die Schultern fiel. Das Gegenlicht der Sonne umriss ihren Körper unter dem Kleidungsstück, sie sah aus wie eine Göttin, die da nur zur Abwechslung kurz einmal in die profanen Niederungen der irdischen Welt hinabgestiegen war. Ihre märchenhafte Erscheinung ließ mich an meinem Realitätssinn zweifeln – war dies die Wirklichkeit ?
"Hallo, ich bin Marah, und du brauchst nicht vor mir davonzulaufen, ich beiße nicht…" Ihre Augen waren strahlend grün und lachten mich unverhohlen an. Ich stammelte mehr, als dass ich tatsächlich sagte, sie wäre ja nichts zum "Davonlaufen", schon eher was zum "Nachlaufen". Sie lächelte, ergriff meine Hand und zog mich ins Innere des Hauses. Jegliche Gegenwehr wäre sinnlos gewesen, ich fühlte mich wie von einem Zauber ergriffen, folgte ihr fast willenlos. Sie hätte mich auch geradewegs zur Schlachtbank führen können, ich war ihr sofort verfallen, wäre ihr wie in Hypnose überallhin gefolgt.
Das war der zu fleischgewordene Traum eines jeden Mannes – ihr wallendes, rotes Haar, ihr gertenschlanker Körper, mit den richtigen Kurven an den richtigen Stellen, ihr schwebender Gang, die grünen Augen, das schmale Gesicht, dazu noch der glockenhelle Klang ihrer Stimme, aber vor allem auch dieses Lachen, das wie eine Verheißung klang, ein fast paradiesisches Versprechen. Da hatte ich noch keine Ahnung, was nun auf mich zukommen sollte.
Die Räumlichkeiten waren an die moderne Zeit angepasst, der Boden mit weichen, persischen Teppichen ausgekleidet, mit dicken Matratzen und Kissen, verteilt im Raum, niedere Tischchen um darauf etwaige Speisen und Getränke abzustellen - ein Bild, wie in ein orientalisches Gemälde.
"Komm setz dich zu mir, erzähle mir, wer du bist, aber die Wahrheit, keine Märchen, das durchschaue ich sofort !"
Ich sagte ihr meinen Namen, und dass ich eigentlich nur meinen Freund Micha hier besuchen hatte wollen, es klang schon fast wie eine Entschuldigung für mein Dasein, das hier nun ihre Kreise zu stören wagte. Sie lachte silberhell, strahlte mich an, goss ein Glas dunkelroten Wein in ein Glas, reichte es mir. Sie berührte dabei meine Hand, und es war fast wie ein Stromstoß, der da durch meinen Körper fuhr. Was hatte diese Frau an sich, war sie eine Zauberin ? Ich war völlig fasziniert von dieser Lichterscheinung, von der Magie, die sie umspielte. Natürlich wusste sie genau, dass die einfallende Abendsonne ihren Körper unter dem dünnen Stoff scharf abzeichnete, sie war sich und ihrer Wirkung wohl bewusst.
"Ich… äh, seit wann wohnst du denn hier, in diesem Haus, ich hatte keine Ahnung und wenn ich das gewusst hätte…"
Ich stammelte, schalt mich ob meiner offensichtlichen Verwirrung, verspürte sogar ein zartes Rot in meinem Gesicht aufsteigen, wandte mich ab, aber es war zu spät. Sie hatte es schon gesehen, strich mit ihrem Handrücken vorsichtig über meine Wange, lächelte mich lieblich an, was mich nur noch mehr verwirrte und das Rot in meinem Gesicht nun erst so richtig vertiefte.
"Ich hab' schon von dir gehört, Micha hat auch erwähnt, dass da vielleicht 'jemand' vorbeikäme, um ihn zu besuchen."
"Ich will ja auch gar nicht stören, es tut mir leid… ich meine, nein, es tut mir nicht leid, du… bist wunderschön !"
Sie nahm meine Hand in die ihre und ich sah, dass ihre Hände groß und stark waren, fast schon wie Männerhände, aber dann doch auch wieder nicht. Sie streichelte meine Hand, besah sich die Innenseiten, als ob sie darin lesen wollte, strich mit ihrem Zeigefinger über meine Handfläche, erkundete sie auch mit ihrem Tastsinn. "Du hast schöne Hände, grob und stark, das mag ich, die können sicher gut zupacken !" Ich zog meine Hand schnell zurück, verspürte einen Anflug von Scham, als ob sie ein Geheimnis entdeckt hätte - wie oft hatte ich mir gewünscht, doch etwas feingliederigere Hände zu haben.
Sie erzählte, dass sie ja eigentlich auch nur auf Besuch hier sei, eigentlich in der Stadt wohne, aber nicht mal da häufig anzutreffen wäre, weil sie berufsbedingt, viel reisen müsse. Wir erzählten einander einige Geschichten aus unser beider Leben, redeten über dies und jenes, wie man das halt so tut, wenn man einem interessanten Menschen begegnet, den man näher kennenlernen will. Die Sonne ging unter, aber es war noch immer warm, der kommende Sommer kündigte sich schon mit einer ersten lauwarmen Nacht an.
Sie stand auf, ging ein paar Schritte in den Raum, drehte sich dann abrupt um ihre Achse, sah mich unmittelbar an. "Du bleibst doch noch… ein wenig, oder ?" Ihre Stimme gurrte nun, sie sah mich mit einem Blick an, der gut und gerne auch von einer Spinne hätte kommen können, die ihr Opfer schon einmal in Vorfreude auf das kommende Mahl begutachtete. "Wir wollen etwas essen… du musst was essen, nicht dass du hier bei mir an allgemeiner Schwäche verstirbst !" Die Musik, die auf einmal den Raum erfüllte, war Zigeunermusik, ein Geiger spielte sich da die Seele aus dem Leib. Ich sank zurück in die Kissen, war wohl vom Wein schon leicht benebelt, aber doch noch mehr trunken von dieser elfenhaften Frau, von Marah – war sie Wirklichkeit oder nur Traum, ein Wunschbild von einem Traum. Ich kniff mich tatsächlich in den Arm, ward mir aber bewusst, dass man sich auch in einem Traum kneifen konnte, dies also jetzt nicht als Wahrheitsbeweis dienen konnte.
Marah kam mit einem Tablett voller Delikatessen zurück, ich aß wie ein Verhungernder, während sie nur neben mir saß, einen kleinen Bissen Brot in ihren Mund steckte und mir lächelnd zusah, mir neuerlich Wein einschenkte, den ich sofort gierig trank. Ich ließ mich zurücksinken, lehnte mich gegen die Wand. "Du bist eine Zauberin, oder… und reist von Land zu Land um die Menschen mit deiner Magie zu beglücken, gib's zu !" Sie lachte aus vollem Halse, schüttelte ihr rotes, wallendes Haar, prostete mir zu. "Du hast mich durchschaut, mein Lieber, wie machst du das nur ?" Sie lächelte belustigt, strich mir wieder übers Gesicht. "Ich bin eine weiße Hexe !"
Sie hielt meine Hand nun mit ihren beiden Händen fest umfasst, drückte sie an ihre Brust. "Bleibst du heute Nacht bei mir… und bist mein Gemahl ?"
Ich saß wie erstarrt, sah sie zweifelnd an, konnte erst gar nicht sprechen. Die Frage war klar und deutlich und auch unmissverständlich - sie der Mann, ich die Frau – nein, umgekehrt – eins und eins ergab zwei. Ich stammelte vor mich hin, kaum noch Ton in meiner Stimme. "Ja klar… ich bleibe - ich bin gerne dein Gemahl… wenn ich darf…"