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Ein herrlich freches Kinderbuch-Debüt von Björn Kern, mit witzigen Illustrationen von Franziska Ludwig
Endlich wieder Sommerferien – die schönste und lustigste Zeit des Jahres für die achtjährige Wilma. Denn dann kommt das Edgarfest und mit ihm Edgar. Edgar ist achtzig Jahre alt, Franzose und hat nur Flausen im Kopf: Er erfindet einen Umdrehtag, bastelt ein Kranichmodell, mit dem Wilma den Deich hinunterfliegt, balanciert Korken auf der Nase und seine Zeit richtet sich nach einer besonderen Farbuhr und einem verrückten Wartekalender. Bei diesen Aktionen geht es manchmal ganz schön wild zu. Wie gut, dass Wilma einen Schutzkuckuck hat, der immer auf sie aufpasst …
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2025
Für Selma
B. K.
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Text: Björn Kern
Vermittelt durch ProjektAgentur
Ulrich Störiko-Blume
Bilder: Franziska Ludwig
ISBN 978-3-641-33259-4V002
In Wilmas Familie gab es nicht nur Weihnachten und Ostern, sondern auch Edgar. Edgar feierten sie in dem warmen Sommermonat August, was Wilma sehr passend erschien. Das schönste aller Feste gehörte auch in die schönste Jahreszeit, logisch. Außerdem waren im Sommer alle anderen Feste vergessen worden. Kein Tannenbaum, kein Eiersuchen, nichts. Natürlich, Wilma konnte schwimmen gehen, in der kleinen Lagune im Schilf, unten am Baggersee. Oder sie konnte grillen mit den Friedens, hinten, wo das Feld anfing. Aber was war das schon gegen das Edgarfest?
Die Friedens waren ihre Nachbarn und Anna Frieden war ihre beste Freundin. Wilma stellte sich manchmal vor, ihre Freundin hieße nicht Anna, sondern Frieda. Dann hieße sie Frieda Frieden! Das wäre ja nun etwas doppelt gemoppelt. Aber natürlich besser als Kristina Krieg. Das sah Wilma ein.
Aber das wollte ich gar nicht erzählen, sondern vom letzten Edgarfest. Das war nämlich das verrückteste von allen. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Wilmas Schutzkuckuck. Ich heiße Bo, bin durchsichtig und trinke viel Kuckuckstee (der übrigens nach Vanille und Pfeffer schmeckt). Ich bin ziemlich wichtig in Wilmas Leben, da sie, nun ja, ein klein wenig schusselig ist. Steuert sie beispielsweise mit ihrem Pennyboard auf eine Bordsteinkante zu, sause ich aus meiner Kuckucksburg und halte Wilma am Arm, damit sie nicht stürzt. Und Wilma? Kriegt nichts davon mit, nicht mal, dass da eine Bordsteinkante war, so verträumt ist sie.
Ich liebe Wilma sehr. Und wenn sie auch nur einen winzigen Kratzer abbekommt (zum Beispiel, weil sie mit ihrer besten Freundin Anna in den Brombeerhecken gespielt hat), könnte ich mich schwarzärgern, brombeerschwarz. Hätte ich doch besser auf sie aufgepasst!
Nun aber zurück zu Edgar. Wilmas Familie feierte das Edgarfest also jedes Jahr im August. Man kann auch sagen: Sie feierten Edgar im August. (So wie manche Weihnachten und andere Weihnachtsfest sagen.) Und zwar feierten sie ihn am 11., am 22. oder am 33. August. Niemals hätte das Edgarfest beispielsweise am 5. oder am 23. August gefeiert werden können, das wäre Edgar viel zu langweilig gewesen, da hätte er sofort Kopfschmerzen bekommen. Keine Kopfschmerzen bekam Edgar vor allem dann, wenn er im Dunkeln einbeinig rückwärtshüpfte oder Milchreis so lange auf dem Herd stehen ließ, bis daraus Milchbeton geworden war.
Um wie viel Uhr feierte Wilmas Familie jedes Jahr Edgar? Morgens um fünf Uhr zwölf schon mal nicht. Um fünf Uhr zwölf fanden eher Sachen statt, die mit der Arbeit von Wilmas Mutter zu tun hatten. Die hieß Inge Dürrschnabel und zählte Vögel. Für Wilma stand fest: Wenn man Dürrschnabel hieß, suchte man sich einen anderen Beruf, als Vögel zu zählen. Wenn man aber Vögel zählte (und diese kleinen Ringe an ihre Beine klemmte), hieß man nicht Dürrschnabel. Doch den Namen ihres Mannes anzunehmen, so was passte nicht recht in die Welt von Wilmas Mutter Inge.
Inge Dürrschnabel zählte nicht einfach nur Meisen und Buchfinken, sondern auch so schöne Vögel wie Kraniche und Seeadler und Rote Milane. Wilma hatte schon viele Stunden ihres Lebens mit ihrer Mutter auf der Pirsch gelegen und Vögel beobachtet. Sie mochte diese Stunden in der Natür sehr, vor allem, weil sie so lange keine Geschirrspülmaschine ausräumen musste.
Natür? Nanü?
Bei jedem Edgarfest erfand Edgar neue Wörter. Die blieben dann als Erinnerung zurück, wenn er wieder abgefahren war. »Weißt du noch, als er mit uns Vögel zählen war, mitten in der schönsten Natür?«, fragte Wilma dann. Oder: »Weißt du noch, als er auf keinen Fall mit dem Büs fahren wollte?«
Wenn Wilmas Vater eines dieser Wörter hörte, quoll ein wenig Qualm aus seinen Mundwinkeln. Das passierte immer, wenn er lachen musste. Ole war sehr in Ordnung, fand Wilma. Sein größtes Problem: Er hieß mit vollem Namen Sven-Ole Dürrschnabel-Baardsson. Und bis man das ausgesprochen hatte, war meist schon was ganz anderes passiert.
Morgens früh fand das Edgarfest also schon mal nicht statt. Wenn Edgar morgens früh überhaupt wach war, dann nur, um einen lustigen Haubentaucher zu beobachten. Edgar und früher Morgen, das passte nicht zusammen. Das war wie den rechten Schuh am linken Fuß anziehen. (Auch wenn Wilma ihren rechten Fuß sehr gern in Papas linken Schuh steckte, um dann, nach wenigen Schritten, lachend im Flur umzufallen.)
Dafür, dass Wilma vor ihren feinen braunen Augen eine Brille trug, lachte sie übrigens sehr viel. Das habe ich neulich auch meinem Bruder Bu erzählt. Doch der hat nur den Kopf geschüttelt. Das sei nicht trotz, sondern wegen Wilmas Brille so. Kinder mit Brille würden immer besonders viel lachen. Denn sie würden besonders viel sehen, was lustig ist.
In Wilmas Familie waren die Aufgaben jedenfalls klar verteilt: Inge war fürs Reden zuständig. Wilma fürs Lachen. Und Ole fürs Schweigen. Denn der war den ganzen Tag in sein Projekt versunken. Was das war, wusste Wilma auch nicht so recht, aber wenn sie alles richtig verstanden hatte, rettete ihr Vater die Vögel in den Flussauen. Inge zählte sie, Ole rettete sie. Das fand Wilma eine überaus gute Sache, denn sie mochte die Vögel in den Flussauen sehr. (Aber sie mochte, zum Beispiel, auch Schmetterlingsflügel oder Kakao oder den großen Wagen am Nachthimmel.)
Aber was plaudere ich da schon wieder! Da es wirklich schwer zu erraten ist, um wie viel Uhr Wilmas Familie das Edgarfest feierte, verrate ich es nun endlich: Feierten sie am 11. August, kam er um halb grün. Feierten sie hingegen am 22. August, kam er um Viertel vor lila. Und in Jahren, in denen sie das Edgarfest erst am 33. August begingen, erschien er selten vor Punkt pink.
Wilma, die ein Mädchen von acht Jahren war und gern mit ihrer Freundin Anna schwimmen ging, wenn das Wasser nicht allzu tief war, wusste genau, wann es Punkt pink war. Edgar hatte ihr eigens eine Farbuhr dafür geschenkt. Punkt pink, das war eine ganz normale Uhrzeit, nicht etwa ein Witz, wie ihn Gustav Frieden gemacht hätte.
Gustav Frieden war Annas Vater, und er konnte keinen Satz sagen, in dem nicht mindestens ein Witz vorkam. Doch seltsam: Seine Witze waren nie witzig. Wilma hatte lange geglaubt, auch der Name »Frieden« sei nur einer von seinen Witzen. Doch irgendwann hatte er seinen Ausweis hervorgeholt, und da stand tatsächlich: Gustav Frieden.
Im Gegensatz zu Annas Vater erzählte Edgar überhaupt keine Witze. Genau das war ja das Komische an ihm. Er brauchte keine Witze, um witzig zu sein. Und trotzdem kringelte und kugelte sich Wilma vor Lachen. Und bekam nicht selten auch noch Schluckauf davon. Denn Edgar konnte nicht nur Ameisen in seinen Stirnfalten einklemmen, sondern auch mit den Augenbrauen Kekskrümel in die Luft schleudern.
Dieses Jahr kam Edgar am 33. August. Und das sogar überpünktlich um halb grün! Es war ein sehr sonniger, sehr trockener Tag und von den Weizenfeldern wehte der Duft von warmem Mehl ins Dorf. (Karwitz war so klein, dass es nur eine einzige Straße darin gab.) Normalerweise würde Wilma an einem solchen Sommertag mit ihrer Freundin am Baggersee liegen. Gleich an der kleinen Lagune hinter dem Badekiosk, an dem sie Gummifrösche kauften für zehn Cent das Stück.
Seit diesem Sommer durften Anna und Wilma endlich allein mit dem Fahrrad zum See radeln, durch den heißen Kiefernwald. Gustav Frieden hatte es verbieten wollen, aber dann hatte Elinor Frieden ihrem Mann die Hand auf den Oberarm gelegt und »Na ja, Gustav« gesagt. Mit einem »Na ja, Gustav« hatte sich schon manches Verbot in eine Erlaubnis verwandelt. Alles in allem verhielt es sich bei den Friedens genau andersherum als in Wilmas Familie: Papa verbot, Mama erlaubte. Bei Wilma war es so: Mama verbot und Papa erlaubte.
Wilma nahm an, dass das so seine Richtigkeit hatte. Nicht auszudenken, sie würde in einer Familie leben, in der sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater alles verbieten würde. Dann läge sie ja den ganzen Tag mit Schutzhelm im Bett. Und andersherum, wenn beide alles erlaubten? Das klang zwar gut, würde aber auf Dauer ein klein wenig langweilig werden. Verbote machten ja schon auch Spaß. Vor allem, wenn man sich nicht an sie hielt.
Wilma lag also nicht am Baggersee, sie saß zu Hause und wartete auf Edgar. Oder besser: Sie hüpfte und wartete auf Edgar. Sie konnte einfach nicht still sitzen. Sie konnte auch kein Hörspiel hören. Während es am Weihnachtsnachmittag durchaus half, zum hundertsten Mal den Kleinen Wassermann zu hören oder Das doppelte Lottchen oder Till Eulenspiegel, so half in den Stunden vor dem Edgarfest gar nichts.
Wilma ging in den Garten und schrieb mit roter Farbe auf ein weißes Bettlaken: Herzlich wilkomen, liber Edgar. Doch dann blendete die Sonne zu sehr, und Wilma ging wieder ins Haus. Sie begann, Papierflieger zu falten. Noch bevor der erste abstürzte, stand sie schon wieder auf der Dorfstraße, um nach einem lang gezogenen, sandgelben Peugeot Ausschau zu halten. Edgars Auto war uralt. In einem Museum wäre es weniger aufgefallen als auf einer Straße. Und obwohl das Museumsauto fürchterlich stank, mochte Wilma es sehr. Ausnahmsweise. Weil es eben von Edgar war.
Edgars Fahrt dauerte fünfzehn Stunden, er wohnte in Frankreich. Wilma wusste nur ungefähr, wo das war, aber in Polen oder in England lag es schon einmal nicht. Dass Edgar in Frankreich wohnte, hatte viele Vorteile. Zum Beispiel sagte er nicht nur »Natür« und »Büs«, er hatte auch sonst eine ganz feine Art zu sprechen. Niemals würde er sagen: »Ich habe einen Hut!« Er sagte lieber: »Ich abbe eine Uut!« Er konnte nämlich kein H aussprechen. Unvorstellbar, oder? Er war ein Mann von achtzig Jahren (und ein paar Monaten, Tagen und Sekunden), er konnte seine Schuhe binden und brustschwimmen und rechtschreiben und alles, aber kein H aussprechen. Weil es ein H in Frankreich angeblich nicht gab.
Sagte Edgar, er habe Schnupfen, klang das wie: »Ich möchte üpfen!« Wollte er hingegen hüpfen, sagte er: »Lass uns in die Wasser schlüpfen!« War er in Not, rief er um »Ilfe«. Und wie Wilma liebte er Süßigkeiten über alles. (Besonders Gummibärchen von »Aribo«.)
Wilma verfasste vor jedem Edgarfest eine lange Liste mit Sätzen, die Edgar laut vorlesen musste, wenn er ankam, weil das so leicht und liebenswert klang aus seinem Mund.
Auf dieser Liste stand zum Beispiel:
Hanutas, Hüte und Handtaschen beginnen mit einem H!
Und was machte Edgar daraus?
»Anutas, Üte und Andtaschen beginnen mit eine A.«
»Mit einem H, Edgar!«
»Sage ich doch, mit eine A.«
Und dann lachten und knuddelten sich Wilma und Edgar, denn Lachen und Knuddeln, das waren mit Abstand die Dinge, die Edgar am besten beherrschte und die Wilma am meisten Spaß machten, mit ihm.
Am Vormittag des Tages, an dem Edgar kam – es war inzwischen ungefähr Viertel nach gelb –, faltete Wilma nicht nur Papierflieger, die sie nicht fliegen ließ. Sie lief nicht nur ziellos vom Garten auf die Dorfstraße, um nach einem sandgelben Peugeot Ausschau zu halten. Nein, sie arbeitete auch an ihrer Liste.
Hornissen sind hungrig auf Honig, schrieb sie.
Im Himalaja hagelt es aus hohen Höhen.
Hibbelige Himbeeren hüten heute haushohe Hochwaldschafe.
Es würde ganz zauberhaft klingen, freute sie sich, wenn Edgar das gleich vorlas. Dabei war seine Aussprache nicht das Einzige, was ihn so besonders machte. Edgar sah auch ganz formidabel aus! Einerseits war er achtzig Jahre alt. Er hatte ein kleines, faltiges Gesicht mit hellwachen Augen darin. Andererseits hatte er nicht einmal eine Glatze. Und er war sehr klein und dünn. Wilma hatte noch nie einen so alten, so dünnen Mann gesehen. Daher verhielt es sich so: Von hinten sah Edgar aus wie ein Kind. Und von vorne sah er aus wie ein alter Mann. Wenn er aber den Mund aufmachte und lächelte (Edgar lächelte immer, wenn er den Mund aufmachte), dann hatte man wieder das Gefühl, es würde ein liebenswürdiges und ein ganz klein bisschen naseweises Kind vor einem stehen
.
Während Wilmas Eltern zur Vorbereitung auf das Edgarfest alles fegten, wischten und polierten, sorgte Wilma dafür, Dinge auf dem Boden zu verteilen, auf die sich hervorragend treten ließ. Sie wusste, dass Edgar leicht Kopfschmerzen bekam, wenn er zu viel Ordnung um sich hatte. Er mochte es am liebsten, wenn es im Haus so aussah, wie draußen, in seiner geliebten Natür.
Inge und Ole wussten das zwar auch. Denn jedes Mal, wenn Edgar kam, sagte er als Erstes: »Das sieht ja aus wie im Otel!« Und das meinte er nicht als Lob. Aber im nächsten Jahr putzten Inge und Ole dann doch wieder. Das war wie mit den Mitbringseln der Friedens. Brachte Elinor Frieden zum Grillen Pralinen mit, sagte Inge: »Das wäre doch nicht nötig gewesen.« Hatte Elinor Frieden aber einmal kein Geschenk dabei, hörte Wilma, wie ihre Mutter abends beim Abspülen ihren Vater fragte: »Sag mal, haben Friedens eigentlich gar nichts mitgebracht?«
Natürlich putzten Inge und Ole nicht nur. Seit den frühen Morgenstunden füllten sie auch salzigen Strudel und würzten eine Wildkräutersuppe. Dabei plauderte Inge in einem fort: wie viele Eier ihr fehlten und dass das Backpulver aus sei und dass immerhin die Hefe hervorragend gehe und – Ole reichte ihr währenddessen die Rosinen und die Wildkräuter und wischte den Boden, die Spüle, die Fenster – und schwieg. Das war immer so bei Wilmas Vater. Wenn er eine Sache tat (beispielsweise also Wildkräuter reichen), konnte er unmöglich eine andere Sache tun (also beispielsweise reden). Nein, eins ging nur. Alles andere strengte ihn an.
Und Wilma? Schlich in Edgars Zimmer. So nannte sie das Gästezimmer, auch wenn er gar nicht da war. Sie verteilte zwei tote Hummeln, eine Handvoll Sand und etwas Moos und eine Mohnblüte. Schon viel besser. Sie legte noch das halbe Wildschweingebiss aufs Bett, das sie eines Morgens beim Zählen der Vögel in den Flussauen gefunden hatte. Wilma war noch immer davon überzeugt, dass das Wildschwein Klee gegessen hatte, bevor es starb. Denn zwischen den Zähnen klemmte ein kleines, welkes Kleeblatt. Aber ihre Mutter meinte, das sei nur Zufall. Wilma beschloss, Edgar zu fragen, was er von der Sache hielt.
Sie zog ihre Sandalen aus und machte den Barfußtest. Autsch! Sie war sofort auf einen kleinen Kiefernzapfen getreten. Sehr gut. Edgar konnte kommen.
Es dauerte noch zwei volle Farben. Aber dann näherte sich auf der Dorfstraße ein Auto. Es klang anders als die wenigen Autos, die sonst durchs Dorf fuhren. Wilmas Herz begann zu klopfen, sie rannte zum Fenster.
»Er ist da!«, rief sie durchs ganze Haus. »Edgar ist da!«
Und dann flitzte sie durch den Flur in den Hof und vom Hof auf die Dorfstraße, wo der sandgelbe Peugeot gerade vor ihrem Gartenzaun hielt. Oh nein, sie hatte das Willkommensplakat vergessen! Was sollte sie jetzt tun? Würde sie es holen, wäre niemand da, um Edgar zu empfangen. Würde sie ihn empfangen, hätte sie dagegen kein Plakat. Wilma hasste solche Situationen.
Erst gestern war etwas ähnlich Schlimmes vorgefallen. Wilma hatte sich gerade ein Honigbrot geschmiert. Sie hatte ausprobieren wollen, wie es sich anfühlte, wenn sie ihre Handfläche einmal in voller Breite auf die beschmierte Seite des Honigbrotes drückte. (Es war ein tolles Gefühl!) Als sie die Hand wieder hochnehmen wollte, klebte aber das ganze Honigbrot an ihr fest. Und als sie es abzog, stand auf einmal Gustav Frieden im Hof und rief nach Ole. Aber Ole war gerade mit seinem Projekt beschäftigt und durfte keinesfalls gestört werden, da er unterm Dach die Vögel in den Auen rettete.
Wilma hatte keine Zeit mehr gehabt, sich die Hände zu waschen, und war in den Hof gegangen. Und da passierte es. Gustav Frieden streckte ihr die Hand entgegen. Na toll. Und jetzt? Einschlagen? Mit der ganzen Honigpampe? Oder den Handschlag verweigern? Da wusste sie ja, wie das ankam, bei Gustav Frieden. Der hatte es immer außerordentlich wichtig mit seinem Begrüßen und Verabschieden.
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