Ein Baby und zwei Opas - Angela Ochel - E-Book

Ein Baby und zwei Opas E-Book

Angela Ochel

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Beschreibung

Gut gebrüllt, ist halb gewonnen. Wilhelm (73) ist total überfordert, das sieht Finn (1 1/4) sofort. Weder wusste sein Opa, dass er einen Enkel hat, noch scheint ihn die Aussicht, auf ein Baby aufpassen zu müssen, sonderlich zu freuen. Finn dagegen findet´s prima. Als dann noch der andere Opa, Alt-Hippie Gunnar, anreist und bei der Kinderbetreuung helfen will, ist das Chaos vorprogrammiert und der Wettstreit eröffnet: preußisch-korrekt gegen bio, Stadt gegen Land, Frühförderung gegen Selbstverwirklichung. Doch dann machen Finns Eltern Ärger, und plötzlich müssen alle zusammenhalten. Ob das gut geht? Finn und wie er die Welt sieht – hochkomisch, schonungslos und garantiert kleckerfrei! Mit 10 Pflegetipps für Opas!

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Über Angela Ochel

Angela Ochel, 1970 in Bielefeld geboren, machte eine Banklehre und arbeitete lange Zeit als Projektleiterin. Seit ihrem 16. Lebensjahr schreibt sie für Freunde und Familie jährlich zu Weihnachten einen kleinen Roman. »Ein Baby und zwei Opas« ist ihre erste Publikation. Ochel lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen bei Frankfurt am Main.

Mehr zur Autorin unter www.angelaochel.de.

Informationen zum Buch

Gut gebrüllt, ist halb gewonnen.

Wilhelm (73) ist total überfordert, das sieht Finn (1 1/4) sofort. Weder wusste sein Opa, dass er einen Enkel hat, noch scheint ihn die Aussicht, auf ein Baby aufpassen zu müssen, sonderlich zu freuen. Finn dagegen findet´s prima. Als dann noch der andere Opa, Alt-Hippie Gunnar, anreist und bei der Kinderbetreuung helfen will, ist das Chaos vorprogrammiert und der Wettstreit eröffnet: preußisch-korrekt gegen bio, Stadt gegen Land, Frühförderung gegen Selbstverwirklichung. Doch dann machen Finns Eltern Ärger, und plötzlich müssen alle zusammenhalten. Ob das gut geht?

Finn und wie er die Welt sieht – hochkomisch, schonungslos und garantiert kleckerfrei!

Mit 10 Pflegetipps für Opas.

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Angela Ochel

Ein Baby und zwei Opas

Roman

Inhaltsübersicht

Über Angela Ochel

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1: Es tanzt der Bi-Ba-Butzemann

2: Ilsebilse, niemand willse

3: Schlaf, Kindlein, schlaf

4: Wer hat Angst vorm bösen Mann?

5: Ene mene Muh

6: Eiapopeia, was raschelt im Stroh?

7: Mich dünkt, wir geben einen Ball, sprach die Nachtigall

8: Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen

9: Heile, heile Kätzchen

10: Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn

11: Angeführt, mit Butter beschmiert, Käse geleckt, hat gut geschmeckt

12: Wenn ich zum Tanzen geh, tut mir mein Bein nicht weh

13: Maikäfer, flieg!

14: Der Herr, der schickt den Jockel aus

15: Hoch soll er leben! Dreimal hoch!

16: Lieber Regen, geh weg. Liebe Sonne, komm wieder.

17: Alle Leut, alle Leut gehen jetzt nach Haus

Epilog

Die richtige Nutzung und Pflege von Opas: Tipps und Tricks von Finn

Impressum

1Es tanzt der Bi-Ba-Butzemann

Das Leben ist eine feine Sache. Manchmal frage ich mich, warum das außer mir keiner merkt. Zum Beispiel Mama und Papa. Die wirken seit einigen Tagen ziemlich angespannt. Heute war es richtig schlimm. Sie sind doch tatsächlich die ganze Zeit während meiner morgendlichen Warme-Milch-und-Kuschel-Stunde herumgerannt. Statt mit mir gemütlich im Bett zu liegen und mir dabei zuzugucken, wie ich meine Milch trinke, haben sie ganz viele Koffer gepackt und anschließend in unser klappriges Auto gestopft. Jedenfalls schien mir die Stimmung im Keller. Dabei ist es endlich Sommer. Das Wetter ist freundlich. Die Sonne scheint. Ich muss nicht mehr so lange und so dick angezogen werden, und die Luft riecht gut nach Blumen.

Erst dachte ich, wir fahren wieder in diese merkwürdige Kinderkrippe, wo es dauernd nach Pups, Seife und Erbsenbrei stinkt. Ich bin nämlich vor kurzem ein Jahr alt geworden. Meine Eltern haben das ganz schön mit mir gefeiert. Das war toll. Weniger toll war, dass wir am nächsten Tag in diese Babyaufbewahrungsanstalt gefahren sind. Mama sagte, ich sei jetzt alt genug. Klar bin ich alt genug, aber ich will da nicht hin. Glücklicherweise wurde sie, kurz nach meiner Eingewöhnungswoche (als ob man sich an Pupsgerüche gewöhnen könnte. Besser, man nennt das Ich-nehme-es-so-hin-Woche) geschlossen. Ein Riesendrama, Mama war ganz schön verzweifelt. Irgendwo müsse ich ja schließlich jeden Morgen hin, weil meine Eltern was ganz Wichtiges tun, wo ich nicht mitkann. Versteh ich nicht. Bisher konnte ich doch auch überallhin mit.

Jetzt sind wir jedenfalls in dieser gigantischen Villa gelandet. Hier gibt es eine riesige Treppe draußen und zwei riesige Treppen drinnen und ganz viele große Elefanten aus Porzellan. So weit finde ich es ganz okay. Aber wo sind die anderen Kinder? Und ob ich wohl auf den Elefanten herumklettern darf? Oder ist das mal wieder so was, was ich nicht verstehe. So eine Sache, die toll aussieht, die man aber nicht anfassen darf? Mh, scheint so. Aber ich würde den Elefanten trotzdem gerne anfassen. Dazu muss ich Papa allerdings dazu bringen, mich auf den Boden zu setzen. Für solche Fälle hab ich zum Glück immer Hasi dabei.

Hasi ist blau, aus Plüsch und hat durch meine grenzenlose Liebe sowie den Schleudergang der Waschmaschine die Beschaffenheit eines Waschlappens angenommen. Er hat zwei prima große Ohren und ist immer da, wenn ich auf Forschungsreisen aus bin. Oder traurig. Aber ich bin eigentlich selten traurig. Ich sei das fröhlichste Baby, das er je in der Praxis gehabt hätte, sagt mein Kinderarzt Doktor Hintzemann. Der lacht immer, wenn er mich untersucht, und anschließend untersucht er Hasi. Glücklicherweise ist der genauso super gesund wie ich.

In diesem großen Haus scheint gerade mal ein einziger Mensch zu wohnen. Ich glaube, es ist dieser ältere Herr vor uns, der so laut redet, als wären wir alle schwerhörig.

»Wie war das, bitte, liebes Fräulein?« Während er das sagt, rudert er gefährlich mit den Armen. Er wirkt sehr überrascht und irgendwie sehr beleidigt.

»Du hast schon richtig gehört, Papa!«

»Ich kann es nicht glauben!«

Was ist denn das da hinter diesen riesigen Fenstern, das sehe ich ja jetzt erst. Ist das ein Park? Dolle Sache. Riesiges Haus und ein Park drumherum. Ich glaube, Mama hat davon schon einmal gesprochen. Sie findet das, glaube ich, doof mit dem Alleinwohnen und vor allem mit dem Park. Komisch. Zu Papa sagt sie immer, es wäre gut, wenn wir einen Garten hätten, damit ich mehr an die frische Luft komme. Meine Güte, hier gibt es ja wohl einen Haufen frischer Luft, oder? Und außer diesem Mann ohne Haare ist niemand zu sehen. Vielleicht ist der Herr ja auch so erstaunt, weil er nach langer Zeit mal wieder auf Menschen trifft?

»Du bist sein Opa! Du kannst dich nicht aus der Verantwortung schleichen!«

»Schleichen? Ich werde nicht schleichen! Ich bin noch nie geschlichen! Ich werde deine dreiste Bitte einfach laut ablehnen! Laut! Jawohl! Nicht schleichend!«

»Du kannst sie nicht ablehnen! Seine Krippe ist momentan geschlossen. Das Gesundheitsamt hat da in der Küche irgendwas gefunden. Da kann er nicht hin, verstehst du denn nicht?«

»Mit meinen Ohren ist alles in Ordnung, junge Dame! Und ich sage trotzdem nein.«

»Das kannst du nicht machen!« Mama schüttelt den Kopf. Ihre schönen Haare fliegen dabei so fröhlich. Ich mag das.

»Oh, und wie ich das kann ich! Schließlich bist du es, die sich aus der Verantwortung geschlichen hat. Als du hier einfach ausgezogen bist! Zum Studium!«

»Nicht das schon wieder!«

Ich finde solche lauten Gespräche immer faszinierend. Erst mal ist es einfach klasse, wenn jemand laut redet, da verstehe ich wenigstens jedes Wort. Und wenn die Erwachsenen sich beim Reden so anstrengen, dann verändern sich ihre Gesichter so lustig. Mal laufen sie rot an, mal werden die Augen ganz groß, mal ganz klein.

Dieser Mann ist wohl das, worüber meine Eltern seit Tagen aufgeregt diskutieren. Ein Opa. Genauer: Der gehört wohl mir, weil meine Mama immer sagte: »Er ist Finns Opa, der muss ihn nehmen!« Es handelt sich also um meinen persönlichen Opa. Typisch. Ob ich den Opa überhaupt haben will, fragt mal wieder keiner. Als sie mir diesen Schnuller andrehen wollten, damit ich nicht mehr am Daumen lutsche, war das genauso. Da hat auch niemand mal gefragt, ob mir der überhaupt schmeckt. Meine Meinung zählt einfach nicht. Aber egal. Bislang hatte ich noch keinen Opa, ich nehme den also ganz gerne.

»Dieses Kind kann auf keinen Fall hierbleiben! Schau dich doch mal um! Hier ist kein Platz!«, dröhnt es jetzt durch die riesigen Räume.

Kein Platz, er hat wirklich Humor, dieser Opa. Bis eben war ich echt skeptisch, was diese Opa-Sache anging, aber da wusste ich ja auch noch nicht, wie lustig der ist. Nur seltsam, dass Mama das nicht merkt. Wie es aussieht, ist sie ein bisschen knatschig mit ihm. In immer kürzeren Abständen brüllt sie: »Wie kannst du nur so gemein sein, Papa!«

Aber ich kenn das schon, das legt sich. Mit meinem Papa ist sie auch meist knatschig. Sie hat dann auch so eine Falte auf der Stirn. Dann ist es besser, schnell wegzukrabbeln und unterm Tisch eine Runde Daumen zu lutschen, bis sich die Lage wieder beruhigt hat. Ähnlich wie mein Papa hat dieser ältere Papa kein Talent dafür, Mama zu beruhigen. Zu dumm. Dabei muss man sie nur anquieken, dann lacht sie.

»Dieses Kind kann hier nicht bleiben!« Der Opa hat eine respektable Lautstärke auf Lager. Aber nur dass das klar ist: Bei Mama kommt man mit Schreien nicht weiter.

»Dieses Kind ist DEIN Enkel!« Siehste, die kann nämlich kräftig zurückbrüllen.

»Davon wusste ich aber bis eben noch nichts!«

Richtig eingeschüchtert scheint mir dieser Opa nicht. Wow, ich bin beeindruckt.

»Meine Tochter redet ja nicht mit mir! Und sie fand es wohl nicht sonderlich erwähnenswert, mir die Geburt meines ersten Enkels mitzuteilen!«

Aha. Das klärt einiges. Den Opa scheint man auch nie einzubeziehen. Genauso wenig wie mich. Nur, wer ist dieser Enkel?

Abgesehen von ihrer Brüllerei ist Mama eine ganz tolle Frau. Wenn ich sie in einem Wort beschreiben müsste, käme ich schwer in Not. Wunderschön ist da einfach zu wenig. Sie ist stark, witzig und zusätzlich wunderschön. Ganz tolle, helle Haare, die immer kitzeln, wenn sie mich wickelt. Blaue Augen und eine schöne Nase, mit der sie mir in den Bauch stupst.

Frau Hammer, die ältere Dame, die bei uns putzt und ab und zu mal auf mich aufpasst, sagt oft: »Deine Mama lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen.« Ich glaube, sie sagt das, weil mein Papa manchmal so aussieht, als hätte er Hunger. Mein Papa ist ganz dünn und eher still. Er hat dunkle Locken und grüne Augen. Aber wenn er mal was sagt, dann ist es total witzig.

Er ist natürlich mein Held. Und Mama meine Heldin. Wenn es um mich geht, kennen beide kein Pardon. Ich bin genauso, wenn es um Hasi geht.

Papa ist eher für meine kleineren Kümmernisse zuständig. Der umarmt mich, und dann ist auch schnell alles wieder gut. Und er hat mir mal Hasi gewaschen und die ganze Zeit mit mir vor der Waschmaschine ausgeharrt, bis Hasi wieder sauber war. Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Seit dem Zwischenfall wird Hasi übrigens nicht mehr von mir mit Möhrchenmatsch gefüttert.

Papa und ich stehen noch immer in dem Raum mit den Treppen und schauen gebannt zu, wie die beiden sich laut unterhalten. Da Papa mich im Arm hält, habe ich einen ganz guten Überblick. Außerdem merke ich, dass Papa die ganze Sache unangenehm ist. Ab und zu zuckt er, und seine Hände fühlen sich etwas verkrampft an. Ich muss ziemlich lange zerren, bis er endlich Hasi loslässt.

»Du weißt genau, warum ich nicht mehr mit dir geredet habe, Papa! Und jetzt bringe ich dir deinen Enkel.«

»Nein, ich weiß es nicht! Das Wesen des Nichtredens ist es nämlich, nicht sonderlich erklärend zu sein, junge Dame!«

»Das ist jetzt nicht das Thema!« Mama wirft ihre Hände in die Luft. Das macht sie immer so, wenn sie energisch wird. Ich finde das sehr beeindruckend.

»Das ist sehr wohl das Thema!« Schon wieder fliegen Hände in die Luft, schau an. Der Opa macht das genauso! Interessant.

»Ich will nicht darüber sprechen, Papa!« Mama verschränkt gebieterisch die Arme vor dem Bauch.

»Ich will aber darüber sprechen, junge Dame!« Jetzt verschränkt der Opa ebenfalls die Arme vor dem Bauch.

Ich kann mir nicht helfen. Der Opa ist mir total sympathisch. Er ist so … so … er ist so mütterlich …

»Das kann doch nicht wahr sein! Du bist mein Vater, und ich brauche deine Hilfe. Finn muss die nächsten Wochen irgendwo bleiben, wo er gut aufgehoben ist! Du MUSST mir helfen! Das ist deine verdammte Pflicht! Und wir wissen beide, warum er hier besser aufgehoben ist als irgendwo anders. Wo ist sie überhaupt?«

Okay, man kann das alles auch sicher etwas freundlicher sagen, aber zumindest kommt meine Mama schnell auf den Punkt.

»Ich sagte nein! Und: Sie ist einkaufen.« Ha, der Opa ist mutig. Zu meiner Mama kann man gar nicht NEIN sagen, weiß der das nicht? Ich versuche das fast jeden Tag. Wenn ich besagten Möhrchenmatsch essen soll, zum Beispiel. Aber Mama schafft es eigentlich jedes Mal, mir doch was davon anzudrehen. Und mein Papa kann so viel NEIN sagen, wie er will, er macht dann doch alles, was Mama sagt.

Mein Papa musste zum Beispiel letztens sein Motorrad verkaufen. Dramatische Sache war das. Papa war genauso traurig, wie die doofe Chrystel-Paris, die Tochter unserer nervigen Nachbarn, als sich ihr Meerschweinchen aus dem Fenster gestürzt hat. Ganz ehrlich, bevor ich als Meerschweinchen bei der wohnen müsste, würde ich mich auch lieber irgendwo hinunterstürzen.

»Finn kann nirgendwo sonst hin! Papa. Bitte.«

»Die Nummer zieht bei mir nicht, mein Fräulein. Und höre ich da eigentlich richtig? Finn? Ihr habt ihn Finn genannt?«

Klar, meine Eltern haben mich so genannt, weil man das so gut über den Spielplatz brüllen kann: ›Finn! Nicht den fremden Hund die Rutsche runterschubsen!‹ Oder: ›Finn! Nicht die doofe Chrystel-Paris bis zum Kragen in den Sand einbuddeln!‹ Ich erwähnte bereits, dass ich ein fröhliches Baby bin?

»Ja, Papa. Finn heißt er. Ef I En En.« Mamas Stimme klingt auf einmal ganz weich.

»Aha! Und was ist falsch mit meinem Namen? Warum konnte er nicht heißen wie ich? Warum muss er heißen wie die Sonderangebote in schwedischen Möbelhäusern?«

»Er soll heißen wie du? Wilhelm? Ich bitte dich! Wilhelm fand ich nicht so toll für ein Baby, Papa!«

»ICH war auch mal ein Baby!«

Haha, der und ein Baby? Wie soll das denn gehen? Das wäre das riesigste Baby, das ich je gesehen habe! Allerdings hat er tatsächlich weniger Haare als ich. Aber dafür hat er Haare mitten im Gesicht. Überm Mund nämlich. Diese Borsten bewegen sich so lustig, wenn er redet. Ich muss das dringend mal untersuchen, aber leider ist Mama noch nicht mit Schimpfen fertig.

»Finn bleibt hier!«

»Ich sage nein.«

»Doch!«

»Nein.«

Wie lange halten die das eigentlich durch? Die sind ja störrischer als Chrystel-Paris, wenn man ihr einen Bart anmalen will. Langsam wird mir langweilig. Zeit, mir diesen persönlichen Opa einmal genauer anzuschauen. Er ist ein großer Mann mit einem sehr riesigen Bauch und hat einen ganz schmalen, gestreiften Latz um den Hals. Das kenn ich, das nennt man Schlips. Mein Papa ist dagegen allergisch, sagt der zumindest. Mein Opa hat damit wohl keine Probleme. Unter der Strickjacke sieht man so Hosenträger wie bei Joschka aus der Käfergruppe. Joschka hat die Dinger an, weil er sich dauernd die Hose runterzieht. Ob der Opa das auch macht? Ich fände das okay, wenn mein Opa seine Hose loswerden will. Das darf der ruhig. Ohne Hose ist es schließlich gemütlicher.

»Kann er überhaupt schon sprechen?« Mein Opa zeigt vage in meine Richtung.

Klar!

»Nein. Finn ist doch gerade erst ein Jahr alt geworden!«

Bitte?

»Kann er laufen?«

»Papa! Ich bitte dich! Er ist noch ein Baby. Natürlich kann er nicht laufen!«

Pah, natürlich kann ich laufen! Ich habe dazu nur einfach wenig Lust. Der aufrechte Gang wird meiner Meinung nach vollkommen überschätzt. Beim Rumgetragenwerden hat man doch eine viel bessere Sicht! Und schau sie dir doch alle an, die, die laufen können! Jetzt müssen sie alles selber machen, niemand kommt und hebt sie hoch.

»Junge Dame! Dann ist es ein für alle Mal klar. Wie soll das auch gehen? Ich kann doch kein hilfloses Baby versorgen! Das ist ja unmöglich.« Er wedelt mit dem Zeigefinger vor Mamas Gesicht herum.

»Sicher geht das, Papa. Platz ist reichlich in diesem alten Gemäuer, und du musst nur aufhören, so stur zu sein! Und natürlich muss der blöde, hochherrschaftliche Nippes weggeräumt werden. Ich warte, bis sie wiederkommt. Sie wird das entscheiden.«

»Ich verbitte mir diesen Ton!« Es klingt eher so, als könne er Mama – wie alle Menschen, die ich kenne – nichts abschlagen, aber es ist okay, wenn er das noch nicht zugeben will. Das geht jedem so. Es wäre echt mal witzig herauszubekommen, ob dieser Opa und ich es zusammen schaffen könnten, mal was gegen Mamas Willen durchzusetzen. Zum Beispiel, dieses Daumenlutschverbot. Mit diesem Opa zusammen – das könnte klappen!

»Ich habe keine Zeit für Streit, Papa. Wir müssen los zum Flughafen.«

»Ach, Zeit hat die junge Dame wohl auch nicht? Alle für sich arbeiten lassen, aber selber gemütlich ab in den Flieger!«

»Meine Güte! Papa! Wir wollen nicht in den Urlaub, sondern in ein Krisengebiet. Da können wir den Kleinen ja schlecht mitnehmen! Jemand ist krank geworden, und ich muss einspringen. Ich habe mir das auch anders vorgestellt. Das fällt mir echt schwer.«

»Aha!«

»Natürlich fällt es mir schwer! Sehr schwer sogar. Aber den Menschen dort geht es sonst ganz schlecht. Und ich weiß, dass Finn hier sicher ist. Man muss Opfer bringen in Zeiten der Krisen.« Mama sieht jetzt richtig traurig aus.

»Krisen, Krisen! Meine Tochter muss ja unbedingt die Welt retten! Dies hier ist sehr wohl auch eine Krise. Jawoll! Eine bedeutende Krise, würde ich sogar sagen.«

Oh, mein Papa lacht. Das muss komisch gewesen sein. Ich lache höflich mit. Keiner beachtet mich.

»Da müssen Sie sich gar nicht so amüsieren, junger Mann!« Opa zeigt auf mich und Papa.

»Oh, bitte, Greg, du halte dich mal da raus, ja? Ich kläre das hier mit meinem Vater alleine.«

»Finn hat ein ausgesprochen sonniges Gemüt, du wirst ihn sofort lieben, Papa! Und du hast Ninfa, oder etwa nicht? So dumm wirst du nicht gewesen sein, dieses Goldstück einem anderen zu überlassen!«

»Meine Haushälterin ist nicht dafür da, fremde Babys aufzuziehen!«

»Fremde Babys?«

Oh, oh. Mama ist außer sich. Na, toll, Opa, jetzt kannst du aber was erleben. Eine Frau, die die Krisengebiete dieser Welt bereist, sollte man nicht unnötig reizen. Meine Mama hat es bislang mit allen aufgenommen. Ölmultis, Diktatoren und Malaria. Und mit der doofen Mutter von Chrystel-Paris.

»Fremde Babys?« Wenn Mama sich erst mal in einer unpassenden Formulierung festgebissen hat, dann gute Nacht.

»Hast du gerade FREMDE BABYS gesagt?«

»… äh, ich meinte ja nur …«

»Du hast dein eigen Fleisch und Blut FREMD genannt? Was bist du nur für ein KALTER MENSCH!«

Der Ausdruck »kalter Mensch« ist reserviert für die ganz, ganz großen Schurken dieser Welt.

»… wollte doch bloß andeuten …«

»Andeuten?«

»Äh!«

»Andeuten? Was willst du andeuten? Andeuten, dass du ein kaltes Herz hast?«

»So hab ich das nicht gesagt, ich …«

»Andere Menschen wären froh, wenn sie Enkel hätten! Aber du! Du, du, du Griesgram!«

»Nein, nein, das hast du falsch verstanden.« Opa lässt die Schultern hängen. Oh, wie niedlich das aussieht!

»Ich habe dich sehr wohl verstanden! Alle haben dich verstanden! Alle!« Mama muss viel Luft holen, denn sie redet sehr laut. Sie nutzt den riesigen Raum und läuft aufgeregt hin und her.

Opa fehlen die Worte.

Alle gucken auf Mama.

»Nicht zu fassen, dass das mein eigener Vater sagt! Der sonst so menschliche, so hochgelobte Doktor Semmelmann! Der immer so bewundert wird für sein soziales Engagement. Und damals in der Charité! Nicht eingekriegt haben sie sich alle wegen dir. Und jetzt? Kaltherzigkeit! Der eigene Enkel wird verstoßen! Fremd! Also wirklich – wenn ich jetzt die Zeit und die Energie hätte …«

»Aber Sara. So war das ja gar nicht gemeint. Nun beruhige dich mal wieder.« Opa klopft meiner Mama vorsichtig auf die Schulter.

»Vater!« Mamas Stimme vibriert. Ich denke, sie hat es gleich geschafft und diesen Opa bezwungen.

Mein Opa zuckt zusammen und richtet sich augenblicklich sehr gerade auf. Kinn leicht angehoben.

»Papa.« Mama spricht nun unerwartet leise. Ganz sanft und säuselnd. »Also, ich versuche es jetzt noch einmal im Guten.«

»Dieses fremde Kind –« Sie atmet dramatisch ein und aus, als würde sie gleich explodieren. »DEIN armer, armer Enkel, mit dem schönen Namen Finn, ist ein Jahr alt und ein wunderbares, pflegeleichtes Kind.«

Hört, hört!

»Finn braucht lediglich ein bisschen Wärme und ein sicheres Dach über dem Kopf. Und du weist ihn ab. Was eindeutig belegt …«

Crescendo!

»… dass (Luftholen und volle Lautstärke) du ein ganz, ganz KALTER MENSCH bist!«

Opa, du bist verloren.

»Dass ich mal so enttäuscht von dir werde … von meinem eignen (schweres Atmen) Vater!«

Wow! Opa bekommt die Galavorstellung! Da muss man gute Nerven haben – oder so viel Erfahrung wie ich. Mama weint. Aber es ist dieses wohldosierte Weinen. Nicht das, wenn sie gerührt ist, weil ich ihr über die Wange streiche. Das hier ist die große Show. Ich setze voll auf Mama.

»Wirst du ihn also nehmen, den armen Jungen? Während wir Menschenleben retten?«

Erwähnte ich schon, dass meine Eltern »Ärzte ohne Grenzen« sind? Das sind Leute, die retten andere in Gegenden, wo es ganz, ganz schlimm ist. Sie sind halt Helden. Und mein Opa konnte ja nicht wissen, wen er da als Gegner hat.

»… ich weiß nicht …«

Ich glaube, Opa ist beeindruckt. Die beiden sehen sich übrigens ziemlich ähnlich. Bis auf die Haare natürlich, aber die Augen und das Kinn. Ich glaube, mit Opa komme ich super aus. Nur schade, dass Mama und Papa wieder wegmüssen, ich hab sie gerne bei mir. Aber meinem Opa werde ich das gemütliche Leben schon beibringen. Das Leben mit mir. Ein bisschen krabbeln, ein bisschen essen, viel schlafen und natürlich etwas Schmusen. Und wenn keiner hinguckt, ein bisschen Daumenlutschen. Ich sag doch, das Leben ist eine feine Sache.

»Ihr habt mich nicht mal zu eurer Hochzeit eingeladen.« Opa klingt deutlich kleinlauter. »Ich nehme mal an, dieser vorlaute Mensch ist der Kindsvater und Ehemann?«

»Ja, Greg ist der Vater von Finn.« Mama räuspert sich und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: »Aber wir sind nicht verheiratet. Wir sind Menschen, die sich nichts aus Konventionen machen und auch nichts aus schnödem Reichtum.«

»Ah«, Opa hebt das Kinn, »wie schön! Noch ein Weltverbesserer! Und warum kann man die Welt nicht in einer normalen Arztpraxis verbessern? Sind wir es hier nicht wert, von Frau Doktor gerettet zu werden? Hm? Warum muss man sich deswegen gleich totschießen lassen und sein eigenes Kind aussetzen?«

»ICH SETZE MEIN KIND NICHT AUS!«

Wow, Opa hat voll ins Schwarze getroffen. Mama mag es gar nicht, wenn man meint, sie würde mich nicht genug liebhaben. Jetzt muss ich ihr aber schnell Hasi hinhalten.

Mist, sie beachtet mich gar nicht.

»Und dann noch Ärzte ohne Grenzen! Welch Idiotie! Was glaubt ihr, was ihr seid? Helden? Und der arme, alte Wilhelm soll sich um dieses uneheliche Kind kümmern!« Opa holt auf.

»In welchem Jahrhundert leben wir denn, Herrgott noch mal!« Mama ist außer sich. Oh, und mein Papa ist so verdattert, dass er mich endlich auf den Boden lässt. Super, ich muss zu diesem Elefanten. Krabbeln geht ja fix. Hey, weicher Boden. Und toll, der Elefant fühlt sich ganz kalt und glatt an. Ich lege Hasi obendrauf. So. Geschafft. Ich muss jetzt erst mal eine Runde Daumen nuckeln, guckt ja gerade keiner. Sie reden lieber alle wild durcheinander.

Meine Güte, sind Erwachsene laut. Schrecklich.

Nanu, was ist das denn für ein neues Geräusch? Ein Schlüssel dreht sich in einer Tür. Das ist ganz in der Nähe. Ach, die Eingangstür geht auf. Wer ist denn das?

»Prinzessin!« Plötzlich steht eine schokoladenfarbene, in Gelb und Rosa gekleidete Riesin im Raum. Sie trägt Tüten, schwer wie die Säcke des Weihnachtsmanns. Es ist doch Sommer!

»Ninfa!« Mama kennt die. Genauer: Mama ist begeistert von ihr.

»Mein Baby ist zurück!« Diese Ninfa hat offenbar für ganz Berlin eingekauft. Sie stellt ihre Taschen eilig auf den Boden und breitet ihre gigantischen Arme aus. Wen meint die bloß mit »Baby«? Mich kennt die doch gar nicht! Oh, Mama rennt auf sie zu und wirft sich in ihre Arme. Und verschwindet fast ganz darin! Das hab ich noch nie gesehen. Jetzt weint Mama, aber echt.

Diese Ninfa ist bestimmt so eine Art Frau Hammer. Eine, die alles wiederfindet, was man verloren, und alles aufräumt, was man verwuschelt hat. Natürlich – jetzt weiß ich auch, warum es bei Opa so ordentlich aussieht. Wenn Papa und ich alleine zu Hause sind, bricht immer das Chaos aus. Dann müssen wir schnell Frau Hammer anrufen.

Hier beim Opa ist alles picobello. Das muss das Werk dieser Ninfa sein. Jetzt zupft sie Mama an den Wangen herum und wischt mit einem riesigen Stofftaschentuch Mamas Tränen weg. Und ihre eigenen.

»Meine kleine Sarrra! Meine Prrrinzessin mit dem goldenen Haar! So lange hab ich nichts von dir gehört! So lange hat mein Herrrz geblutet. Nun hat der Herrrgott ein Einsehen und hat dich zurückgebrrracht!«

Ganz schön viele Rs!

»Das ist meine Haushälterin. Frau Ninfa. Sie ist ursprünglich aus Kolumbien. Sie hat Sara nach dem frühen Tod meiner Frau großgezogen«, erklärt Opa leise in Richtung meines schwer beeindruckten Papas.

Diese Ninfa ist riesig. Mindestens so groß wie mein Opa. Und sie ist überall schokobraun. Das ist meine Lieblingsfarbe! Toll. Außerdem hat sie meine Mama offenbar unfassbar lieb!

Mama tuschelt mit ihr und zeigt dann auf mich. Schnell den Daumen aus dem Mund und hinter den Rücken! Sonst wird mir wieder ein Vortrag gehalten, dass Daumenlutschen schrecklich ungesund sei.

»Aai!«, quiekt jetzt Ninfa und ist ratzfatz bei mir. Ob sie das mit dem Daumen gesehen hat? Zwei riesige Hände packen mich und heben mich hoch. »Ein Prinz!«

Das muss man der Frau lassen, die hat einen guten, festen Griff. Die weiß, wie man mich hochhebt. Ich stelle ihr schnell mal Hasi vor. Hier.

»Und einen Hasi hast du?«

Volltreffer. Die Frau kennt sogar Hasi. Sie setzt mich mit aller Leichtigkeit in ihren Arm. Man thront geradezu auf ihren mächtigen Unterarmen. Ich finde sie augenblicklich klasse und schenke ihr mein charmantestes Stirn-an-Stirn-Legen.

»Aai!«, quiekt Ninfa wieder. Das scheint Ausdruck großer Begeisterung zu sein, die Kommunikation zwischen uns läuft.

»Stell dir bloß vor, Ninfa. Mein Vater will Finn nicht nehmen, er hält ihn für ein FREMDES Kind, und er meint, hier sei kein Platz für so einen FREMDEN!«, petzt Mama, und beide Frauen drehen sich gleichzeitig mit vorwurfsvollem Blick zu meinem Opa um.

Ninfa reißt die Augen auf, sie werden riesengroß. Genau wie ihre phantastischen Zähne sind sie herrlich weiß. Opa geht vorsichtshalber einen Schritt zurück. Papa auch. Ninfa grollt wie der große Tiger im Zoo. Ich lege ihr meine Hand auf die schokobraune Wange. Sie ist sofort abgelenkt.

»Mein Prinz heißt Finn?«

»Finn.« Mama nickt sanft.

»Und doctor Semmelmann ist nicht glücklich, dass Finn hier ist?«

»Ich fürchte nein. Im Gegenteil.« Mama kann andere Leute ganz schön in die Patsche reiten. Ninfa grollt Opa wieder so sehr an, dass er noch ein klitzekleines bisschen weiter zurückweicht; jetzt tut er mir richtig leid, und ich versuche, die Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken, indem ich Ninfa auf die Nase stupse.

»Aai!« Klar, dass ich die mag, diese Frau! »Du bist also Finn? Ja? Finn? Willst du mein Prinz sein? Du siehst aus, wie deine Mama ausgesehen hat! Sara, sieht er nicht aus wie du?«

Mama nickt mit einem Lächeln und beginnt anschließend eifrig mit ihr zu tuscheln. Zuerst wirkt Ninfa nachdenklich, dann geht sie einen weiteren, bedrohlichen Schritt auf den Opa zu.

»Finn kann hierbleiben, nicht wahr, doctor Semmelmann? Sie wollen nicht, dass der Herrgott böse wird, weil sie dieses liebe Kind mit dem goldenen Haar abgewiesen haben, wie man Maria und Josef abgewiesen hat? Wollen Sie? Wollen Sie?« Kampfbereit hebt sie das Kinn.

»Äh.« Opa fehlen die Worte.

»Ja? Bitte? Was sagen Sie zur armen Ninfa? Darf die arme Ninfa den Prinzen hier behalten und verwöhnen?« Ninfa macht sich noch ein Stück größer.

»Nun. Äh. Meinetwegen für ein paar Tage. Aber ich hätte es vorgezogen, wenn man mich vorher fragte.«

»Ach, Ninfa, du bist ein Schatz! Ein Schatz!« Mama hüpft auf und ab, so habe ich sie noch nie gesehen, aber es ist süß. Ich lasse Hasi auch etwas hüpfen.

»Und das ist Greg.« Mama zieht meinen Papa am Arm herbei. Der mag das nicht, das sehe ich ihm an.

»Ah, der Ehemann?« Ninfa lächelt und zeigt die tollen Zähne. Solche will ich auch mal haben, wenn ich groß bin.

»Sie sind NICHT verheiratet!«, wirft mein Opa eilig ein.

»Nicht?« Ninfa hebt beide Augenbrauen.

»Äh, nein.« Mama wird ihrerseits kleinlaut. Und raunt Ninfa etwas ins Ohr. Die wirft meinem Vater einen nachdenklichen Blick zu und nickt schließlich energisch mit dem Kopf. »Nun gut. Ich mache oben die Zimmer der Prinzessin für den Prinzen fertig. Das eine oder andere müssten wir dann in den nächsten Tagen noch kaufen, doctor Semmelmann.«

Mein Opa hebt kurz beide Hände, dann nickt er und sagt leise: »Wie Sie meinen, Frau Ninfa. Sie haben natürlich freie Hand.«

Ninfa sieht aus, als hätte sie eigentlich immer freie Hand. Mama wirkt nun deutlich erleichtert. »Danke, Ninfa! Danke, du bist ein Engel!«

Finde ich auch. Ich bin total froh. Jetzt macht es mir gar nichts mehr aus, dass meine Eltern mal kurz weg sind. Und da ich ganz fest und doll und riesig weiß, wie lieb sie mich haben, weiß ich auch, dass sie wiederkommen. Trotzdem hatte ich vorher auch ein bisschen Angst. Ich hab nämlich gehört, wie leise der Name von Chrystel-Paris’ doofer Mutter geflüstert wurde. Überall, aber bloß nicht dahin. Es muss echt ein Notfall sein, sonst hätten meine Eltern niemals darüber nachgedacht.

Mein Opa sieht irgendwie drollig aus. Total überrumpelt. Komisch, kennt der denn Mama nicht besser? Und jetzt, da Mama sich so freut und ihr vor Erleichterung ein bisschen die Augen glitzern, da kratzt sich Opa am Kopf. Ich glaube, er findet es ein klitzekleines bisschen nicht so schlecht, dass ich bei ihm in diesem riesigen, leeren Haus bleibe. Wenn wir uns besser kennen. Nach der Eingewöhnungswoche sozusagen. Klar, ist ja wohl auch nix los in dieser Bude.

»Ich kann ja noch meinen Vater anrufen, ob der Finn nimmt.« Oh, nö, ne? Mein Papa ist zwar wirklich toll, aber er hat es einfach nicht raus, wann man besser den Mund hält. In den unpassendsten Momenten gibt er noch nach!

Ninfa sieht so aus, als würde sie meinen Papa gleich erwürgen. Meine Mama auch.

Da bin ich wieder gefragt. Schnell, ablenken! Ich halte Opa meinen Hasi hin, damit er schon mal ein bisschen Tuchfühlung aufnimmt. Wer mich will, muss auch meinen blauen Kumpel nehmen. Klare Sache.

»Oh, das Kind zeigt mir seinen Teddy!«

»Das ist ein Ha-se!«, kommt es von Ninfa und Mama genervt.

Dann bricht plötzlich geschäftige Hektik aus. Ninfa lässt mich nicht mehr aus ihren starken Armen, es ist, als schwebe man mit großer Geschwindigkeit und höchstem Komfort durch das riesige Haus. Es wird mit Mama zusammen in ein paar Taschen geschaut und in der Küche meine super schöne Hasenflasche und mein Hasen-Babygeschirr ausgepackt, und dann müssen Mama und Papa auch schon gehen.

Wir stehen an der Tür und gucken zu, wie sie ins Auto steigen. Das ist immer so traurig. Mein Hals wird ganz eng, und die Augen brennen, und bevor ich nichts mehr sehen kann, hilft Hasi mir, die Tränchen wegzuwischen.

»Wir müssen jetzt tapfer sein, Finn. Mama muss vor allem tapfer sein. Aber du bist hier ja gut aufgehoben!« Ganz sanft küsst sie mich auf den Kopf. Sie ist ganz traurig, ihre Augen sagen das.

»Vielleicht sollten wir doch lieber hierbleiben.« Mamas Augen glitzern noch mehr.

»Du weißt, dass das nicht geht, Sara. Finn geht es gut hier. Und außerdem würdest du das gar nicht aushalten, wenn du anderswo gebraucht wirst. Komm. Gib Finn auch noch einen Kuss«, sagt Papa pragmatisch, aber seine Stimme klingt komisch belegt.

Mama küsst mich wieder. Wieder und wieder und wieder und wieder. Ich merke, wie mein Kopf nass wird.

Dann gibt sie mich zurück zu Ninfa.

Ich versuche zu zeigen, dass ich ganz besonders tapfer bin, das geht aber nur mit Hilfe von Hasi, den ich mir vor die Augen halte. Es ist so traurig.

Traurigkeit tut mir immer im Hals weh. Dann kann ich nicht schlucken. Mama geht es genauso. Sie schluckt ganz schwer und macht die Augen ganz weit auf, damit die Tränen nicht herunterfallen können.

»Na, na. Sara. Das ist doch alles gut geregelt von dir! Prinzessin, nun los mit dir, das Flugzeug wartet nicht!« Ninfa umarmt Mama, und das tut ihr offensichtlich gut.

»Deine Mama und Papa machen das Richtige. Sie sind gute Menschen!«, sagt Ninfa zu mir und streicht meinen Kopf trocken.

Ich mag es nicht, wenn Mama weint. Papa weint auch nicht so oft. Tränchen seien aber nichts Schlimmes, sagt er immer. Wenn der liebe Gott was gegen das Heulen hätte, hätte er keine Papiertaschentücher erschaffen. Oder so ähnlich.

»Ach, mein Baby!« Jetzt ist Mama wieder aus dem Auto ausgestiegen, und Papa muss sie am Arm festhalten und sagen, dass ich ja wohl bei der Ninfa in absoluter Sicherheit sei. Kleinlaut stimmt sie zu, winkt noch mal etwas eckig und schon sind sie hupend um die Ecke gefahren. Ninfa gibt mir einen dicken, langen Kuss und wirft mich in die Luft.

»Aai!«, quiekt sie.

Die ist echt lieb. Das machen Erwachsene immer. Ablenken beim Abschied. Sie tun dann so, als wäre Abschied okay, aber dass er nicht okay ist, hört man in ihren Stimmen, die dann immer einen Hauch höher und quietschiger werden. Sogar mein Opa steht etwas bedröppelt herum.

»Frau Ninfa, werden Sie mir jetzt bloß nicht so gefühlsdusselig. Das ist kein Weltuntergang. Im Gegenteil. Meine Tochter rettet jetzt irgendwen vor irgendwas. So, rein jetzt in die gute Stube und Ruhe. Das Kind soll sich anständig benehmen, ist das klar, Frau Ninfa?« Der ist wohl genauso traurig wie ich, dass meine Mama und mein Papa wegfahren. Die Stimme von ihm ist nämlich ziemlich hoch und ziemlich quietschig. Aber darum kümmere ich mich später. Jetzt ist Zeit für mein Mittagsschläfchen. Ich bin total müde und will nur noch eine warme Milch und ein nettes Plätzchen zum Liegen.

Ist das ein Stress hier.

2Ilsebilse, niemand willse

Es ist immer ein bisschen traurig, wenn ich nach meinem Mittagsschläfchen aufwache, und mein Papa ist nicht da. Aber jetzt höre ich ein Quieken, und das tröstet ungemein. Ninfa.

»Aai!, ist mein Prinz aufgewacht? Und Hasi auch?« Ninfa hebt mich mit aller Leichtigkeit hoch, und ich schwebe quasi zu einem alten Wickeltisch, der eben noch nicht da stand.

»Siehst du, Finn, Ninfa hat den alten Wickeltisch vom Dachboden holen lassen. Darauf hat Ninfa schon deine Mutter gewickelt! Aber keine Sorge, für dich besorgen wir alles neu!«

Diese Frau hat Humor! Auf diesen Wickeltisch passt meine Mama niemals! Und ganz ehrlich. Zu Hause hat die sich immer selber angezogen. Nur beim Ausziehen half ihr mein Papa manchmal. Da darf ich aber nicht dabei sein. Verstehe ich übrigens nicht, bei mir sind auch immer alle da, wenn ich ausgezogen werde. Dann kann man mir in den Bauch stupsen und mich am Fuß kitzeln. Na. Erwachsene sind vielleicht nicht kitzelig und wollen das nicht so zeigen.

Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so schnell gewickelt worden! Papa braucht immer eine Ewigkeit dafür. Allerdings nimmt der dazu auch seltsame Stoffdinger, jetzt hingegen werde ich in knisternde Tüten gepackt. Oh, Hasi ist da, und ich mühe mich, noch kurz am Daumen zu lutschen, aber Ninfa merkt es sofort.

»Nicht am Daumen lutschen! Nein, das machen wir nicht, wir wollen schöne Zähne bekommen.« Ninfa grinst mich an, und mir wird wieder klar, wie schön Zähne sein können.

»Und schau, Ninfa hat dem Prinzen schnell ein bisschen was zum Anziehen gekauft! Feine Sachen. Fühl mal hier und hier.« Sie hat einen Berg an Klamotten in den Händen. Ich schmuse mit einem Plüschhaufen in diversen Farben als Zeichen meiner Wertschätzung.

Oh, Schuhe. Ich hatte noch nie Schuhe an. Cool. Jetzt sehe ich aus wie Hagen, der coole Erzieher aus der Kita. Der sagt immer: »Jau, Baby, wir machen jetzt einen Wickeljob!«, wenn er uns trockenlegt. Und dann macht er so Singsang-Geräusche. Urkomisch, der Typ. Der hat auch solche Schuhe an.

Ninfa hebt mich lässig in die Höhe und stellt mich probeweise auf die Beine. Ich mag das nicht, aber ich will ihr unbedingt einen Gefallen tun, weil sie sich doch so bemüht und offenbar alles kauft, was in Berlin auf Lager ist. Während ich ein bisschen hin und her balanciere, schaue mich in dem Raum um. In einer Ecke stehen zwei bunte Pappkartons, aus denen Kleidung rausquillt.

»Das ist alles für meinen Prinzen. Der Opa hat alles für dich bezahlt.«

Opa dürfte ratzfatz pleite sein.

»Und er hat noch nicht einmal gemurrt. Ninfa mag das gar nicht, wenn el doctor murrt.«

Na, dann wird er das wohl schön bleibenlassen müssen. Mit Pleitesein kenne ich mich übrigens aus. Mama und Papa sind chronisch pleite. Das hat mir Frau Hammer erklärt. Irgendwie soll Frau Hammer eigentlich für meine Eltern arbeiten, aber offenbar ist es eher so, dass Frau Hammer immer was zu essen mitbringt. Und Mama sagt, sie könne sie leider nicht bezahlen, und dann nickt Frau Hammer und arbeitet trotzdem bei uns den Morgen über. Ich helfe ihr natürlich beim Aufräumen, wo ich nur kann. Und Hasi auch. Frau Hammer findet das klasse. Papa meint allerdings, dass ich nur Unfug mache. Egal. Solange Frau Hammer so herzlich lacht, kann es nicht verkehrt sein.

»Dein Opa meint das nicht so, Finn. Wenn er so tut, als wolle er dich nicht haben.« Ninfa überlegt kurz, wie sie das erklären soll. Ich bin gespannt, ich will nämlich zu gerne wissen, warum Erwachsene etwas tun, obwohl sie es doch ganz anders meinen.

»Ich glaube«, sagt sie nach einer Weile, »er ist etwas schüchtern. Ja, schüchtern. Oder so etwas in der Art. Du bist schließlich sein einziger Enkel. Und der erste. Das ist für ältere Herren wie el doctor Semmelmann was ganz Besonderes! Aber mach dir keine Sorgen, el doctor wird dich schon liebhaben.« Sie atmet schwer durch und guckt aus dem Fenster. Dann zuckt sie mit den Schultern. »Wir müssen da klug rangehen, dann klappt das. Ninfa hat sich schon was ausgedacht, und dann wird er meinen Prinzen nicht mehr hergeben! Ach, dich kann man ja nur lieb haben!« Dabei kitzelt sie mich leicht am Hals, und ich lache und lege meine Arme um sie.

»Aai!«, quiekt sie. Sie ist so toll. Und Hasi mag sie auch.

Kurze Zeit später schwebe ich auf ihrem Arm hinunter in das große Wohnzimmer, die riesigen Glasfenster sind zur Seite geschoben, und wir gehen hinaus in den Park.

»Nun schau, das ist der Garten von deinem Großvater. Das hier sind alles Rosen. Rosen waren die Lieblingsblumen von Frau Semmelmann, deiner Großmutter. Dein Opa hat nur Rosen in seinem Garten. Siehst du. Gelbe Rosen hier, rote dort, weiße dahinten. Und in der Mitte ein Teich. Siehst du? Mit Goldfischen.«

Goldfische? Fische aus Gold? Was soll das denn für ein Unsinn sein? Warum sagen die Erwachsenen immer so komplizierte Sachen? Fische sind doch nicht aus Stein! Was ich auch nie kapiere, sind Luftküsse. Küsse bestehen nicht aus Luft. Küsse sind doch aus Liebe!

Aber schon gut. Ich werde die Erwachsenen, obwohl sie so viel Unsinn reden, weiter unterstützen, wo ich nur kann. Sie haben es bitter nötig.