Ein Weihnachtsmann fürs Leben & Luisas großer Weihnachtswunsch - Angela Ochel - E-Book
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Ein Weihnachtsmann fürs Leben & Luisas großer Weihnachtswunsch E-Book

Angela Ochel

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Beschreibung

Zwei berührende Weihnachtsromane in einem E-Book! Ein Weihnachtsmann fürs Leben: Ein Fest zum Verlieben. Luisa will ihrer Mama dieses Jahr etwas ganz Besonderes zu Weihnachten schenken: einen Mann. Schließlich fehlt ihr der noch zum Glück. Das sagt sie zumindest immer. Und weil Luisa schon weiß, dass die Weihnachtsgeschenke aus dem Kaufhaus kommen, sucht sie hier nach einem Mann für Mama. Bloß, woher weiß man, wer der Weihnachtsmann fürs Leben ist? Berührend und wunderschön erzählt: Ein modernes Weihnachtsmärchen. Luisas großer Weihnachtswunsch: Luisa ist sechs und kennt sich aus mit Weihnachtswünschen, schließlich hat sie selber immer ganz viele. Aber diesmal ist es etwas anderes, denn Daniel, der neue Freund ihrer Mutter und ihr großer Held, wünscht sich etwas ganz Besonderes von Mama: Er will ein Baby von ihr haben. Für Luisa steht fest, dass das der beste Wunsch seit Langem ist, schließlich will sie unbedingt ein Geschwisterchen. Nur ihre Mama ist alles andere als begeistert. Plötzlich hört Luisa sie und Daniel abends immer streiten. Ob es dennoch fröhliche Weihnachten werden? Luisa hofft fest darauf, denn sie weiß, wenn man sich etwas richtig sehnlich wünscht, geht es auch in Erfüllung …

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Zwei berührende Weihnachtsromane in einem E-Book!

Ein Weihnachtsmann fürs Leben: Ein Fest zum Verlieben. Luisa will ihrer Mama dieses Jahr etwas ganz Besonderes zu Weihnachten schenken: einen Mann. Schließlich fehlt ihr der noch zum Glück. Das sagt sie zumindest immer. Und weil Luisa schon weiß, dass die Weihnachtsgeschenke aus dem Kaufhaus kommen, sucht sie hier nach einem Mann für Mama. Bloß, woher weiß man, wer der Weihnachtsmann fürs Leben ist? Berührend und wunderschön erzählt: Ein modernes Weihnachtsmärchen.

Luisas großer Weihnachtswunsch: Luisa ist sechs und kennt sich aus mit Weihnachtswünschen, schließlich hat sie selber immer ganz viele. Aber diesmal ist es etwas anderes, denn Daniel, der neue Freund ihrer Mutter und ihr großer Held, wünscht sich etwas ganz Besonderes von Mama: Er will ein Baby von ihr haben. Für Luisa steht fest, dass das der beste Wunsch seit Langem ist, schließlich will sie unbedingt ein Geschwisterchen. Nur ihre Mama ist alles andere als begeistert. Plötzlich hört Luisa sie und Daniel abends immer streiten. Ob es dennoch fröhliche Weihnachten werden? Luisa hofft fest darauf, denn sie weiß, wenn man sich etwas richtig sehnlich wünscht, geht es auch in Erfüllung …

Über Angela Ochel

Angela Ochel, 1970 in Bielefeld geboren arbeitete lange Zeit als Projektleiterin. Den Stoff für ihre Romane findet sie in ihrer eigenen Familie. Ochel lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen bei Frankfurt am Main. Im Aufbau Taschenbuch liegen bisher ihre Romane „Ein Baby und zwei Opas“ und „Ein Weihnachtsmann fürs Leben“ vor.Mehr zur Autorin unter www.angelaochel.de.

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Angela Ochel

Ein Weihnachtsmann fürs Leben

Roman

Für meine Geschwister

Kurz vor Weihnachten …

Luisa war, wie alle kleinen Mädchen mit fünf Jahren, etwas ganz Besonderes. Sie war ausgestattet mit dieser bezaubernden Entschlossenheit, einen Wunsch erst dann aufzugeben, wenn er sich erfüllte.

Und Luisa hatte einen Wunsch.

Einen großen.

Sie wünschte sich einen Prinzen. Nicht für sich. Luisa hatte keinen Bedarf an Prinzen, nicht mal an normalen Jungs.

Noch nicht, betonte ihre Großmutter schmunzelnd, wenn das Gespräch darauf kam.

Aber die Jungen in Luisas Kindergarten, genauer in der Regenbogengruppe, eigneten sich nun wirklich nicht zu einem guten Prinzen. Sie waren albern, spielten nicht ordentlich, aßen nicht ordentlich, wuschen sich nicht die Hände und hatten ganz sicher kein Pferd zu Hause. Und zum Reden brauchte Luisa sowieso keine Jungs. Sie hatte ja Lelah, ihre beste Freundin. Mit der konnte man wunderbar reden, aber was noch wichtiger war, man konnte mit ihr einwandfrei Barbie spielen oder Haare flechten. Oder beides. Luisa hatte langes, blondes, lockiges Haar und Lelah langes, glattes, dunkles Haar. Und natürlich fanden die Mädchen die Haare des anderen schöner.

Gestern hatte Luisa jedoch ihre Meinung bezüglich des Prinzen unerwartet ändern müssen, und jetzt wünschte sich Luisa mit aller Entschlossenheit einen herbei – und zwar für ihre Mutter.

Am gestrigen Morgen hatte Luisa gehört, wie ihre Mutter mit Luisas Großmutter am Telefon gesprochen hatte. Das taten die beiden eigentlich ständig, sofern nicht Luisas Oma ohnehin bei ihnen, in der kleinen gemütlichen Dachgeschosswohnung, war. Luisas Mutter hatte gesagt: »Ach, lass doch das mit den Geschenken, Mutti. Was ich mir wirklich wünsche, ist, dass ich mit euch beiden schön Heiligabend feiern kann. Und wir alle gesund sind, und so. Ja, Mutti. Ja, das sagt man so, ich weiß. Ich wünsche mir wirklich nichts. Ja, ein Schlafanzug wäre schon schön.« Luisas Mutter hatte gespielt genervt die Augen verdreht und Luisa sofort lachen müssen.

Und dann fügte ihre Mutter hinzu: »Mutti, wenn man mir wirklich was schenken wollte, dann, ach, du weißt schon. Ja. Nein. Das geht nicht. Das ist alles zu kompliziert. Und wie soll das gehen. In dieser kleinen Wohnung und noch ein Mann am Tisch. Ja. Schön wäre es. Aber das ist zu kompliziert. Ja, gern habe ich ihn, aber er ist ein Träumer. Du weißt schon, ich bräuchte einen, keine Ahnung, einen mit einem richtigen Job, der sich um so Sachen kümmert wie Krankenversicherung und Altersvorsorge. So vorausschauend halt. Mit einem Plan. Ja, Vater, Mutter, Kind (sie lachte). Genau und Oma. (Lachte noch einmal) Und Kartoffelsalat.« Aber das Lachen klang ein bisschen traurig.

Luisa hatte nicht lange nachrechnen müssen, es fehlte ihrer Mutter offensichtlich ein Vater. Den Kartoffelsalat machte nämlich Oma.

Luisa hatte keinen Vater, was sie persönlich nicht schlimm fand. Bislang hatte sie ihn nie vermisst oder ihre Mutter gebeten, dass sie ihr einen Vater besorgen solle.

Daher war sie jetzt umso erstaunter: Offenbar wollte ihre Mutter selber einen haben. Also keinen Vater für sich, sondern einen Mann, der da war und den Eindruck machte, dass er in diese kleine Familie gehöre. Und falls er diesen Eindruck richtig gut machte, wäre er automatisch ein Vater für Luisa. Was sie kurz hatte aufhorchen lassen, war die Formulierung »wie eine echte Familie«. Offenbar war man ohne Mann nicht echt. Aber warum? Erwachsene waren immer so kompliziert!

Eins war auf jeden Fall nach diesem erhellenden Oma-Mama-Gespräch klar: Mama fehlte was. Sonst würde sie nicht zusätzlich zu ihr und Oma noch jemand um sich haben wollen.

Daraus ergab sich die entscheidende Frage: Wozu sollte dieser Mann gut sein?

Zum Reden brauchte man die ja nun wirklich nicht. Dafür hatte sie ja Oma. Und zum Liebhaben hatte sie schließlich sie, Luisa.

Wozu also einen Mann?

* * *

Da Luisa einfach keine Antwort einfallen wollte, obwohl sie lange darüber nachgedacht und dabei ihr langes Haar vorschriftsmäßig hundertmal mit ihrer pinken Bürste gekämmt hatte, versuchte sie diese Frage nun anders zu klären. Es war Dienstag vor Weihnachten und sie war auf dem Nachhauseweg vom Kindergarten. Ihre Großmutter hatte sie abgeholt. Das tat sie immer dann, wenn ihre Mutter Spätschicht hatte. Heute war das perfekt, denn Oma wusste alles, und man konnte sie auch so ziemlich alles fragen.

»Oma!«, begann Luisa ernst, genau in dem Moment, als sie das Backsteingebäude, in dem sich der Kindergarten befand, verlassen hatten. Es schien die Sonne, und es war kalt und trocken. Ein paar säuberlich zusammengekehrte Schneehäufchen säumten die Straßen und Bürgersteige.

»Ja, Schatz? Wie war es heute im Kindergarten?«

»Ja, war prima heute. Aber wir haben wieder diese langweiligen Weihnachtssterne gebastelt. Oma, ich hab da mal eine Frage: Warum will Mama einen Mann?«

»Wie kommst du denn darauf?« Ihre Oma nahm scheinbar unbeeindruckt Luisas kleinen Rucksack auf ihren Gepäckträger und schloss das große Damenrad auf, während Luisa ihren Roller holte.

»Ach, Oma. Du weißt schon. Gestern am Telefon, da hat sie das gesagt. Nur, was ich nicht verstehe ist, wozu Mama einen Mann braucht. Sie hat doch uns.«

»Oje.« Ihre Oma schaute kurz auf ihren Sattel, dann die Straße entlang und schob das Rad langsam neben sich her.

»Wieso ›oje‹, Oma?«

»Komm, wir gehen ein Stück.«

»Ist gut.«

Luisa wusste, dass ihre Oma immer gute Antworten gab, daher ging sie geduldig neben ihr her und wartete.

»Ach, Süße. Jetzt bin ich so alt geworden und merke gerade, dass ich manche Sachen immer noch nicht erklären kann. Also hör mal zu, Liebchen. Das ist jetzt etwas kompliziert, aber wenn du gut zuhörst, dann verstehst du das schon.«

Luisa nickte eifrig. Dass es kompliziert würde, hatte sie bereits geahnt.

»Also gut. Ich bin dagegen, irgendeinen Unsinn zu erzählen, den du dann doch nicht verstehst. Also. Liebhaben ist nicht gleich Liebhaben. Man hat seine Mutter völlig anders lieb als seine Tochter, und einen Mann hat man noch ganz anders lieb. Es reicht einfach nicht, eine Mutter und eine Tochter zu haben. Das ist so vorgegeben. Dagegen kann man nichts machen. Und sollte man auch nicht. Man sollte möglichst viele Menschen liebhaben.«

Die Oma schwieg einen Moment, während Luisa angestrengt darüber nachdachte. Es war wirklich nicht leicht zu verstehen. Und da ihre Großmutter das sicher besser erklärte als alle anderen auf der Welt, musste Luisa sich wohl mit diesen verwirrenden Worten zufriedengeben.

»Okay, Oma«, sagte sie. »Dann weiß ich das jetzt auch.« Und das war nur ein kleines bisschen gelogen.

Sie stiegen beide auf und fuhren das letzte Stück bis zur Wohnung ihre Großmutter. Als beide das Fahrrad und den Roller in die Garage schoben, hatte Luisa eine Erleuchtung.

»Oma, ist es so wie beim Rommé?«

»Was sagst du?« Ihre Oma hantierte unwirsch mit dem Garagentorgriff. Außerdem schien ihr Hörgerät einen kurzen Moment gepiepst zu haben.

»Rommé, Oma, ist es wie beim Rommé?« rief Luisa nun energisch.

»Wieso brüllst du so? Und warum willst du jetzt Rommé spielen. Aber gut, meinetwegen.«

»Nein, ob Männerliebhaben so wie beim Rommé ist?«

»Wie?« Ihre Oma strich sich nachdenklich über das Kinn. Dann hob sie ein welkes Blatt in ihrem Vorgarten auf. »Wie meinst du das jetzt, Liebchen?«

»Immer drei Karten, sonst darf man sie nicht rauslegen.«

»Ach, du bist ein cleveres Kind.« Sie lachte und klatschte einmal fest ihre eleganten Hände zusammen. »Ja, wie bei dem Kartenspiel, das ich dir letztens beigebracht habe. Ach, was werden dich mein Freundinnen lieben, wenn ich dich das nächste Mal mitnehme! Ja, beim Rommé braucht man mindestens drei Karten, bis man rauskommen kann.«

»Und wer nicht rauskommt, kann auch nicht gewinnen.«

»So ist es. Liebe ist wie Rommé. Dass ich da selber nie drauf gekommen bin! Und deine Mama ist die Herzdame und braucht einen König. Und du bist ihr Ass!«

»Könige sind wie Prinzen, nur in alt, stimmt’s?«

»Stimmt genau. Ach, ich muss unbedingt sofort Renate anrufen, dass du das nächste Mal zu unserem Rommé-Nachmittag mitkommst. Die wird sich freuen!«

Trotz der guten Laune ihrer Oma merkte Luisa, dass es ihr doch ein kleines bisschen was ausmachte, dass ihre Mutter noch zusätzlich jemanden in der Wohnung haben wollte, um ihn liebzuhaben. Aber so ist das.

Manchmal schenkte Luisa Lelah auch etwas zum Geburtstag, das sie selber doof fand. Aber wenn es nun einmal so gewünscht wurde, musste man da durch.

Und wenn der Mann nett wäre, wäre doch eigentlich alles gut. Dann hätte ihre Mutter auch endlich jemanden, der ihr die Gurkengläser aufmachte, ohne dass sie gleich ein Loch in den Deckel hauen musste.

Aber nur irgendeinen Mann?

Nein. Auf gar keinen Fall!

Luisa fand, ein gewöhnlicher Mann durfte es nicht sein. Ihre Mama brauchte was Besonderes. Einen ganz tollen Mann. So einen, der die Welt rettet! Den hatte ihre Mutter letztens noch im Kino gesehen und dann drei Tage von ihm geschwärmt. Wie hieß er noch gleich?

Oder noch besser einen Prinzen. König ist zu alt. Ganz genau! Sie würde Mama einen Mann schenken, und der konnte nur ein Prinz sein. Ihre Mutter war nämlich die schönste Frau des Uniwir-, des Uniwär-, also die Schönste auf der ganzen Welt. Weniger als Prinz ging also nicht. Später durfte der natürlich gerne König werden, aber erst, wenn er alt war.

* * *

Und so kam es, dass sich Luisa am nächsten Morgen, auf dem Weg zum Kindergarten, nichts sehnlicher wünschte als einen Prinzen.

Und zwar schnell.

Heute war schließlich der letzte Tag im Kindergarten und damit die einzige Möglichkeit, sich unbemerkt ins Kaufhaus zu schleichen. Denn dass die Geschenke nicht vom Weihnachtsmann kamen, wusste sie schon.

Sie hatte sich schon seit dem Aufwachen den Kopf zerbrochen, wie sie am besten alleine einkaufen gehen könnte, und dann, während sie ihr Karamell-Erdbeer-Schoko-Müsli in der kleinen Küche knusperte und ihre Mutter hektisch durch die Wohnung rannte, hatte sie auf einmal die Idee! Ganz klar, sie musste einfach vor dem Mittagessen im Kindergarten abgeholt werden. Und zwar – ohne abgeholt zu werden. Details dieses Plans lagen allerdings noch gänzlich im Dunkeln.

Das Kaufhaus, in dem ihre Mutter arbeitete, das vor allem aber der Ort war, an dem Luisa vermutete, einen geeigneten Prinzen für einen guten Preis zu bekommen, lag nicht weit vom Kindergarten entfernt. Zu Fuß schnell zu erreichen, im Grunde nur ein Stückchen die Straße entlang. Den Weg kannte Luisa natürlich auswendig. Das war nicht das Problem. Die eigentliche Schwierigkeit lag darin, Heike, ihre Kindergärtnerin, zu überlisten. Heike ließ die Kinder nämlich nur gehen, wenn sie auch tatsächlich abgeholt wurden. Und damit war heute leider nicht zu rechnen. Luisas Mutter musste bis zum späten Nachmittag arbeiten, damit sie morgen, an Heiligabend, frei bekam.

Luisa stand mit allen anderen Kindern am Fenster und sah in den Garten hinaus, wo etwas Schnee lag. Ein paar Jungs quengelten, sie wollten unbedingt noch einen Schneemann bauen.

»Kurz bevor ihr abgeholt werdet, dürft ihr raus. Okay? Ihr macht euch sonst zu nass und dann erkältet ihr euch«, sagte Heike lächelnd und klapperte mit der Autokiste, womit sich die Jungs schnell ablenken ließen. Jungen konnte man immer mit der Autokiste ablenken.

»Luisa, hilfst du der kleinen Leonie-Zwei?« Heike und Luisa waren sozusagen die einzigen richtig großen Mädchen hier in der Gruppe. Und Lelah natürlich …

Luisa war fünf und kam nächstes Jahr in die Schule. Und Luisa kümmerte sich gerne um LeonieZwei, die erst drei Jahre alt war, also quasi noch ein Baby.

Im ganzen Kindergarten gab es drei Leonies, überhaupt fingen viele Namen in ihrer Gruppe mit L an: Lasse, Lara, zweimal Laura, Lilli, Lana, Laleh. Und natürlich gab es auch den Namen Luisa zweimal. Erst war sie ziemlich ärgerlich darüber gewesen, als KleinLuisa kam. Die war auch erst drei und wirklich noch ein Baby (sie heulte, wenn ihre Mutter zur Arbeit gehen musste). Aber Kleinluisa hatte schöne Haare, die sie sich bereitwillig kämmen und flechten ließ. Das hatte Luisa schnell besänftigt. LeonieZwei hopste vor Luisa aufgeregt auf und ab. Sie bekam den Knopf ihrer Hose nicht auf und musste auf die Toilette. »Nun hops nicht so rum, sonst findest du nie einen Mann!«, sagte Luisa und versucht ebenso streng zu gucken wie ihre Oma, obwohl sie sich selbst davon auch nie beeindrucken ließ.

»Soll ich mitgehen?«, fragte Luisa, einer Eingebung folgend, denn sie hatte Laleh im Waschraum gesehen. Dort konnten sie ungestört miteinander flüstern.

»Oh ja, wenn du das machen könntest, wäre das wunderbar.«, seufzte die Erzieherin dankbar, die gerade einen Jungen verarzten musste, weil der sich an einem der Autos geklemmt hatte.

»Klar, mache ich! Ach, Heike! Ich werde heute übrigens mittags abgeholt. Mama braucht noch ein Geschenk!«

»Gut zu wissen. Hoffentlich schaffe ich den Nachmittag ohne dich!«, sagte Heike mit einem Zwinkern.

Luisa war froh, dass sie Heike helfen konnte, denn sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie sie angelogen hatte. Zumindest ein bisschen. Das mit dem Geschenk stimmte ja.

Leon ließ sich gerade von Laleh die Hände abtrocknen. Laleh hatte schönes, langes Haar. Sie trug es heute offen und wenn sie den Kopf bewegte, schwang es hin und her. Sie war allerdings nicht nur deshalb Luisas beste Freundin. Natürlich nicht. Die beiden Mädchen waren beste Freundinnen, weil ihre Mütter auch beste Freundinnen waren. Gab es einen besseren Grund?

Die beiden Mädchen ließen Leon schließlich gut abgetrocknet zurück in die Gruppe laufen.

»Ich muss meiner Mama einen Prinzen kaufen«, eröffnete Luisa schließlich ihrer Freundin ihren Plan.

Laleh nickte. »Prinzen sind gut. Aber wo bekommst du einen her?«

»Ich dachte, ich gehe heute ins Kaufhaus.«

»Hat deine Mama nicht Spätschicht? Und deine Oma einen Friseurtermin?«

»Ja.«

»Oh. Problem.«

Das Gute an Laleh war, dass man ihr nicht viel erklären musste, sie wusste immer sofort, was los war.

»Du musst mir nachher helfen, damit Heike nicht merkt, dass ich gar nicht abgeholt werde.«

»Hm.« Lelah grübelte.

»Hm.« Luisa nickte.

Sie setzten sich an den Rand des hübschen Waschbeckens, als Lionel reinkam und sie mit großen Augen ansah.

»Lionel, dein Schuh ist offen, komm her, ich mache ihn zu«, Lelah beugte sich zu dem Fuß. Lionel wurde rot. Luisa kannte das schon. »Jungs!«, seufzte sie.

Lionel verdrückte sich nur widerwillig, er war gerne in der Nähe von Lelah. Jeder wusste das. Zumindest jedes Mädchen. Jungs merken das ja eigentlich nie. Nicht mal die betroffenen.

Ob das beim Prinzen auch so wäre?

»Ich weiß, wie wir es machen, Lu.«

»Was meinst du, Le?« Luisa schreckte aus ihren Prinzenkaufträumen hoch.

»Dass du hier wegkommst, Lu.«

»Ach ja?«

›Lu‹ und ›Le‹ waren ihre geheimen Heldinnennamen. Später wollten sie sich damit T-Shirts bedrucken lassen. Oder Barbie-Puppen erfinden, die so hießen.

»Lass mich nur machen, Lu!«

Auf ihre Ko-Heldin war Verlass, das wusste Luisa, und erleichtert schlenderte sie in die Gruppe zurück. Mittlerweile wurden Weihnachtssterne gebastelt, mal wieder. Sie hatten die ganze, lange, lange Zeit (eine vierfache Ewigkeit, wie Oma zu sagen pflegte), seit dem ersten Advent und damit seit der ersten Kerze am Kranz, langweilige Weihnachtssterne gebastelt. Sie war froh, wenn das vorbei war.

Heike packte schon die kleinen Tüten zusammen, die die Kinder an diesem Tag mit nach Hause nehmen würden, um sie ihren Familien zu schenken.

»Luisa, kannst du bitte Lasse helfen, er hat sich die Finger verklebt.« Heike kicherte fröhlich. Sie ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen und hatte jeden und alles im Blick. Also ging Luisa mit Lasse zum Klo und wusch ihm die Finger.

»Immer diese Jungs, ob sie so einen dauerhaft an ihrem Tisch haben wollte, wusste Luisa nicht. Aber wenn Mama ihn sich wünschte …

Endlich war es Mittag, die ersten Kinder wurden abgeholt.

Es war immer das Gleiche: Die abgeholten Kinder ließen sich nur mühsam von ihren Spielgefährten, die noch bis zum Nachmittag blieben, trennen.

Lelah flitzte auf Luisa zu. »Sag Heike noch mal, dass du heute früher abgeholt wirst. Und zieh dir schon die Schuhe an, Lu!« Sie wirkte sehr entschlossen.

»Gut. Mach ich.«

»Wo ist Lionel, den brauch ich.« Lelah ging zur Spielecke und zog ihren kleinen Bewunderer von der Autokiste weg.

»Ich wollte schon mal Tschüss sagen!«, sagte Luisa mit leicht piepsiger Stimme, als sie neben Heike stand, die seelenruhig zum hundertsten Mal verkündete, dass nur derjenige Essen bekam, der sich auch die Hände gewaschen hatte.

»Wirst du denn schon abgeholt, Luisa?«

»Äh.« Luisa wurde unsicher. Ihr kroch das Blut in den Kopf. Sie konnte unmöglich Heike anlügen, Heike war doch ihr großes Vorbild. »Nein, aber gleich. Wir haben es eilig, wir müssen noch ein Geschenk kaufen.«

»Die LeonieZwei wird abgeholt!«, brüllte in genau diesem Augenblick Lelah von draußen. Die Genannte hüpfte erschrocken hoch. »Oh nööö!«

»Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch! Wir sehen uns dann im neuen Jahr!«, rief die Mama von LeonieZwei in den Raum.

»Ja, alles Gute! Bis im neuen Jahr!« Heike nickte.

»Carlo wird abgeholt!«, brüllte jetzt Lelah in den Raum und Lionel, der es nicht fassen konnte, dass Lelah seine Hand hielt, quiekte fröhlich mit: »Carlo wird abgeholt!«, und dann riefen es auch andere: »Carlo wird abgeholt!«

»Ich hab es schon gehört!«, lachte Heike, als Carlo noch einmal kam, um sich von Heike zu verabschieden.

»Mach es gut. Und schöne Ferien!«

»Ciao, Heike!«, sagte der Kleine ernst und ging.

Und genauso ging es weiter. Lelah rief einen der Namen und alle stimmten mit ein.

»Ornella wird abgeholt!«

»Emre wird abgeholt!«

Und dann endlich:

»Luisa wird abgeholt!« Und alle stimmten mit ein, ohne dass auch nur ein Kind bemerkte, dass Luisa gar nicht abgeholt wurde.

»Luisa wird abgeholt! Luisa wird abgeholt!«, rief Lionel begeistert und sah nur auf Lelah, die ihm dafür lobend zunickte.

»Mach es gut, Luisa. Bis zum nächsten Jahr!« Heike reichte ihr die kleine Tüte mit dem Selbstgebastelten. Luisa grinste etwas unsicher und lief aus dem Zimmer, vorbei an Lelah, die ihr zuzwinkerte, und an Lionel (der überhaupt nichts anderes sah als Lelah neben sich).

* * *

Endlich stand Luisa auf dem Gehweg vor dem Kindergarten. Alleine.

Wie aufregend war das denn!

Es war überhaupt nicht weit bis zum Kaufhaus. Sie musste nur die große Straße ein Stückchen entlanglaufen und dann kam ein Platz. Dort standen fünf große Häuser und in der Mitte ein alter Springbrunnen, der aber heute nicht sprang, da Schnee drauf lag. Das größte Haus war das Kaufhaus Wunder. So hieß es nämlich wirklich: Kaufhaus Wunder.

Die Leute nannten es nur das Wunderkaufhaus.

Na, wenn es da keinen Prinzen zu kaufen gab, dann wusste Luisa auch nicht, was mit der Welt nicht stimmte.

Sie stopfte sich ihre kleine Tüte in die Jackentasche und überprüfte, ob ihr langes, blondes Haar ordentlich lag. Das Kaufhaus war nämlich vornehm.

Oma sagte das. Es wäre das vornehmste Haus am Platze gewesen, früher. Und »vornehm«, das konnte man hören, wenn Oma das Wort aussprach, war was Gutes.

Luisas Mutter arbeitete im Wunderkaufhaus. Und zwar in der ersten Etage in einer Ecke, wo man schöne Bilder von sich und seinen Kindern machen lassen konnte. Sie war Fotografin. Jetzt, so kurz vor Weihnachten, hatte sie sehr viel zu tun, weshalb es unmöglich gewesen war, am Heiligabend, also morgen früh, frei zu bekommen.

Aber von solchen Schwierigkeiten erzählte Mama Luisa nie. Mama sagte zu ihr immer nur, alles wäre gut und prima und dass sie die glücklichste Frau auf der ganzen Welt wäre, weil sie Luisa hätte und die Großmutter. Ohne Luisa und ohne Oma ginge nichts. Aber mit wäre alles bestens.

Wenn die Mutter überhaupt mal von Problemen redete, dann nur am Telefon zu Oma oder in der kleinen Küche. Dann musste Luisa es ziemlich clever anstellen, um das Gespräch zu belauschen.

Luisa war immer noch etwas schockiert, seit Mama gesagt hatte, ihre fehle ein Mann, also ein Vater für Luisa. Einen Vater, das wusste Luisa, hatten manche Kinder und manche nicht. Und Maximilian aus einer anderen Kindergartengruppe, der hatte nur einen Vater, gar keine Mutter. Das stellte sich Luisa fürchterlich vor. Wahrscheinlich standen bei den beiden zu Hause überall nur Autokisten rum.

Eine Mutter, so sah das Luisa, war unverzichtbar. Und eine Großmutter. Und wenn man dann noch Zeit und Platz hatte, dann konnte man noch einen Vater dazu nehmen.

Der Unterschied von einem Mann zu einem Vater, das ahnte Luisa, hatte was damit zu tun, ob ein Mann auch nett zu Kindern war, und ob er gewillt war, diese Kinder morgens zum Kindergarten zu fahren (Väter haben immer Autos) und zu den Aufführungen zu kommen, um dort Fotos und Filme zu machen (Väter haben alle Handys). Väter halfen bei Kindergartenfesten am Grill (Väter grillen immer). Dafür waren Väter da.

Darauf musste sie also auch achten, wenn sie gleich den Prinzen aussuchte. Andererseits würde ein Prinz diese kleinen Aufgaben sicher spielend meistern.

Luisa stand jetzt etwas aufgeregt und ziemlich stolz vor dem Kaufhaus. Bis jetzt hatte alles super geklappt. Der Rest war sicher ein Kinderspiel. Wie jedes Mal, bevor sie das Kaufhaus betrat, blickte sie an der prächtigen Fassade hoch. Da war das große Bild von Herrn Wunder. Ein unfassbar netter Mann. Sicher ein wundervoller Vater. Leider hatte Luisa diesen Herrn Wunder, dem offenbar das ganze Kaufhaus gehörte, noch nie persönlich getroffen. Sie wünschte es sich jedes Mal, wenn sie zum Kaufhaus kam (meist mit Oma, um Mama abzuholen), dass sie ihm mal zufällig, vielleicht auf der Rolltreppe, begegnete.

Den Herrn Wunder gab es offenbar nur in Schwarzweiß, und Luisa war sicher, dass sie ihn dann schnell zwischen all den farbigen Kunden ausmachen konnte.

Herr Wunder hatte dunkles, glänzendes Haar, das streng nach hinten gekämmt war. So wie bei Opa auf dem großen Bild in Omas Wohnung. Herr Wunder hatte eine gerade Nase und dunkle Augen. Keinen Bart, keine Brille. Er trug Anzug und Schlips. Sehr vornehm.

Das Wunderkaufhaus hatte vier große Türen mit vier großen, goldenen Griffen, die allesamt immer aufstanden. Das sah so wunderbar einladend aus. Und wenn man hindurchschritt, durchquerte man eine Wand warmen Windes. Das war einmalig.

Vor den Türen war der Schnee sorgfältig weggeschippt. Drei kleine Verkaufshäuschen standen im Kreis davor, von denen ein leckerer Duft nach Bratwürsten, gebrannten Mandeln und Waffeln herüberwehte. Aber davon durfte sich Luisa nun nicht ablenken lassen. Schließlich hatte sie eine Mission.

Sie schaute noch einmal zum Bild von Herrn Wunder hoch.

»Ich brauche einen Prinzen, Herr Wunder, bitte!«

Herr Wunder schien ein bisschen mehr zu lächeln.

Die Fassade des alten Kaufhauses, das wusste Luisa von ihrer Oma, war im Jungen-Stil geschmückt. Was das genau sein sollte, dieser Jungen-Stil, war Luisa nicht so recht klargeworden. Oma sagte dann aber immer: »Und unser Theater ist auch im Jungen-Stil gebaut worden.«

Eigentlich waren für einen echten Jungen-Stil zu wenig Autos auf der Fassade. Gar keins, um genau zu sein. Da waren nur vier schlanke, sehr ernste Damen mit sehr gerader Nase und edlen Blumen, die auf die ankommenden Besucher nachdenklich herunterschauten. Wahrscheinlich waren die Damen deshalb so ernst, weil sie wussten, wie schwer es war, etwas zu kaufen, was man auch wirklich gebrauchen konnte.

Oma sagte das oft: »Die Leute kaufen dummes Zeug, das sie gar nicht brauchen!« Oma kaufte nur richtig gute Sachen. Jacken und Töpfe. Und Schlafanzüge. Richtig, Luisas Oma kaufte am liebsten Schlafanzüge.

»Wer wirklich vornehm sein will, muss auch im Bett gut angezogen sein«, sagte ihre Großmutter dann recht entschlossen und keinen Widerspruch duldend, wenn sie wieder einen Schlafanzug überreichte. Luisas Mama schmunzelte dann und antwortete: »Liegt die Betonung auf ›vornehm‹ oder auf ›angezogen‹?« Und dann lachten die beiden wie kleine Mädchen.

Luisa mochte das Kaufhaus Wunder gern wie keinen anderen Ort auf dieser Welt. Da kannte sie jeden Angestellten, und alle waren nett zu ihr.

Na ja. Fast alle. Der Geschäftsführer, der war nicht so nett. Ihre Mutter sagte, der könne nichts dafür, er müsse sich ja darum kümmern, dass alles gut liefe in dem Kaufhaus, und außerdem hätte er eine ›schwierige Ehe‹ hinter sich.

Was das wohl war, eine schwierige Ehe? Vielleicht so was wie Zahnschmerzen?

»Na, dann mal los, Luisa. Einen Prinzen kaufen. Das wird schon klappen.«

Auf jeden Fall würde sie heute bei Frau Schmattke vorbeischauen, sollte sie nicht von selber den Prinzen ausfindig machen. Oder einfach noch ein paar Tipps benötigen. Frau Schmattke war fast so alt wie Oma und verkaufte Parfüm. Sie roch immer gut und daher würde sie einen netten Prinzen erkennen, wenn sie ihn sähe.

Luisa sammelte noch einmal Mut.

»Ob du heute endlich mal da bist?«, flüsterte Luisa verstohlen zu dem Bild von Herrn Wunder hoch und lief auf die Türen zu. Unter ihren Schuhen knirschte der Streusand.

»Huuuuuuu!«, machte der warme Wind und kam von unten, so dass Luisa, wie jedes Mal, kurz die Luft anhalten musste. Geschafft. Sie stand nun im lichtdurchfluteten, großzügigen Eingangsbereich des Kaufhauses. Nach oben hin öffnete sich die Halle, und man sah die Geländer der oberen Stockwerke, viel Licht und die Rolltreppen von der Seite.

Wunderbar.

Luisa liebte das Kaufhaus, weil es aussah wie ein Puppenhaus. Ein gewaltiges, glitzerndes, schön aufgeräumtes Puppenhaus. Sie liebte diese Ordnung und gleichzeitig dieses Gewusel von Menschen.

Luisa mochte es, dass jede Abteilung für sich ein kleines Reich ergab. Ganz ohne Wände. Die vielen bunten Waren und erstaunlichen Gerüche, die Farben und Geräusche schienen wie durch einen Zauber genau auf dem einen kleinen Karree zu bleiben, das ihnen die Platten auf dem Boden zuwiesen. Denn jede Abteilung hatte auf dem Boden andere Fliesen. Mal kariert (Herrenoberbekleidung), mal orange (Damenoberbekleidung), mal helllila (Schuhe), mal schwarz (Lederwaren), mal gelb (Zeitungen und Bücher), mal strahlend weiß (Parfümerie), mal grau (Uhren) und natürlich rot, für die Süßigkeiten.

Oben gab es auch einen Supermarkt und zu essen, aber da waren die Flächen alle blau-weiß kariert und der Weg dazwischen grau.

Luisa lief bis zu den Rolltreppen, die zu dieser Zeit leise surrend ältere Damen und Herren in Mänteln nach oben ins Restaurant beförderten. Neben den zwei eleganten, langen Rolltreppen war die große Kundentreppe, die mit dickem, rotem Teppich belegt war.

Alles war weihnachtlich geschmückt. Da standen Tannen mit dicken Kugeln, Rentiere (nein, leider keine echten), die vor einem reich bepackten Schlitten geduldig auf den Weihnachtsmann warteten. Es gab eine ganze Menge Weihnachtsmänner. Die kletterten aus unerfindlichen Gründen an Säulen hoch oder trugen Säcke herum. Sie waren auf Bildern und auf Plakaten und hielten Schilder mit Angeboten drauf. Zusätzlich waren da Frauenpuppen und Männerpuppen in Winterkleidung und Skiausrüstung oder sie trugen Wintermode und dazu kecke, rote Bommelmützen. Überall verstreut, aber doch irgendwie ordentlich, lagen Berge von Geschenken in Glitzerpapier.

Aus den Kaufhauslautsprechern klang die schöne, sanfte Stimme von einem Herren namens Bing Bong – oder so ähnlich. Den Namen konnte Luisa sich nicht merken, aber die Stimme war unfassbar weich. Er sang besonders gerne das Lied, das so klang wie »Eim-driemink-off-ä-weit-küs-mös«. Insgeheim hatte Luisa gehofft, dass diese vielen schönen Lieder zur Weihnachtszeit von Herrn Wunder persönlich gesungen wurden. Aber das war wahrscheinlich Unsinn. Herr Wunder hatte bestimmt Wichtigeres zu tun, als in einem Büro zu sitzen und in ein Mikro zu singen. Dafür hatte er sicher seine Leute. Sie würde Oma dazu befragen müssen.

Für einen Moment schaute Luisa noch dem bunten Treiben auf den Treppen zu und überlegte, wo sie anfangen sollte mit ihrer Suche nach dem perfekten Geschenk für ihre Mutter. So weit sie sehen konnte, gab es in den meisten Abteilungen nur Schaufensterpuppen.

Einer Eingebung folgend, entschied Luisa schließlich, dass die Herrenoberbekleidungsabteilung der richtige Ort war, um nach einem schönen Prinzen Ausschau zu halten. Sie kannte den zuständigen Verkäufer, Herrn Kleinhans, zwar nicht so gut wie Frau Schmattke, aber egal. Sie hatte schließlich eine Mission. Luisa lief also direkt in die Abteilung hinein. Das war immer ein bisschen so, wie in einen Wald zu gehen, da die Ständer mit den Anzügen, Hosen und Jacketts größer waren als sie selbst und gerade jetzt im Winter gedecktes Grau trugen und die engen Wege verdunkelten. Herr Kleinhans sortierte gerade Schlipse.

»Guten Tag, Herr Kleinhans!«, grüßte sie und bemühte sich so wunderbar deutlich zu sprechen wie Herr Kleinhans selber.

»Wen haben wir denn da? Die kleine Luisa. Willkommen.« Herr Kleinhans war groß und schlank und bewegte sich mit einer sanften Eleganz. Er trug ein groß kariertes Jackett. Er trug eigentlich immer wild gemusterte Sachen. Luisa fand, er war der einzige Mensch auf der Welt, der so etwas Albernes tragen konnte, ohne selbst albern auszusehen. Sie fand, das lag an der Art, wie er sprach.

»Ich brauche ein Geschenk für meine Mutter.«

»Aha. Mal sehen. Ich mag deine Mutter ja sehr, hm. Nein. Hier? Nein. Ich fürchte, ich muss passen, ich wüsste wirklich nicht, was aus meiner Abteilung der Lieblichkeit deiner Mutter zupasskäme.«

Die Hälfte der Worte, die Herr Kleinhans gewöhnlich benutzte, verstand sie nicht, aber Luisa ließ sich nicht irritieren.

»Sind das da Prinzen?« Luisa zeigte auf die großen Fotos an der Wand. Darauf waren junge Männer in eleganten Anzügen abgelichtet. Sie sahen sehr schick aus. Standen neben Pferden oder auf großen Booten.

»Nun ja. Ich kenne diese jungen Herren nicht persönlich. Aber ich, hm, fürchte, nun, nein. Das werden wohl keine Prinzen sein.«

»Haben Sie sonst wo welche?«

»Prinzen?« Er kniff die Augen leicht zusammen und schien scharf nachzudenken. »Nein. Kleine Luisa, hm, ich fürchte, ich habe keine Prinzen. Auch nicht im Lager.«

»Schade.«

In diesem Augenblick kam ein Kunde, und Luisa verschwand höflich winkend im Wald der Kleiderständer. Nachdenklich schlenderte sie zurück zu dem großen Lichtkasten mit dem Konterfei des Kaufhausgründers. Sie wollte diesem gerade mitteilen, dass sich die Suche schwieriger gestaltete, als erwartet, da rief jemand nach ihr.

»Huhu! Luisa!«, hörte Luisa eine bekannte Stimme. Es war Gisela Schmattke, aus der Parfümabteilung. Luisas Lieblingsabteilung. Frau Schmattke war eine elegante ältere Dame mit schlohweißem Haar und glattem Gesicht. Nur wenn sie lachte, hatte sie Falten. Aber es waren wirklich die nettesten Falten, die man sich vorstellen konnte.

Schnell lief Luisa zu ihr hinüber.

»Nanu? Was machst du denn schon hier? Deine Mutter hat doch heute Spätschicht!«

»Ich muss für meine Mama ein Geschenk besorgen.« Luisa lief um den Tresen herum, der wie eine quadratische Burg aufgebaut war, wartete, bis Frau Schmattke die kleine Tür geöffnet hatte und trat ein. Hier stand die Kasse, ein Stuhl und es gab viele Fächer für Leute, die ihre gekauften Sachen erst später abholten. Vieles war schon aufwendig verpackt.

»Du bist doch nicht ausgebüxt?« Frau Schmattke hatte bei dieser Frage eine Hand in die Hüfte gestemmt und mit der anderen Hand vollführte sie lauter kleine Luftrollen. »Na ja.« Luisa konnte schlecht ihre Lieblingsverkäuferin anlügen.

»Hinterher suchen die dich im Kindergarten? Luisa, Luisa, was muss ich da hören?«

»Nein. Lelah hat das gut hinbekommen.«

»Ach, dann.« Frau Schmattkes Hand hörte auf mit den Luftrollen und winkte knapp ab. Sie kannte alle und jeden. Und natürlich kannte sie auch Luisas beste Freundin Lelah.

»Ist viel los heute, Frau Schmattke?« Luisa wusste, wenn man schnell etwas Höfliches fragte, wurde meist höflich geantwortet und damit das Gesprächsthema gewechselt.

»Gerade nicht. Ich kann jetzt ein paar Sachen einpacken, komm hilf mir.« Frau Schmattke sprach mit Luisa immer wie mit einer jungen Frau, und das gefiel ihr besonders (Oma sagte, Frau Schmattke wäre eine vornehme Dame – das höchste Lob!). Sie schimpfte nie und ließ sie immer mithelfen. Luisa zog also den kleinen, alten Tritt aus einem der Fächer, rückte ihn zurecht, stieg hinauf und griff nach der Schere.

»Vorsicht, Luisa, dass du dir nicht in die Augen piekst!«

»Das sagen Sie immer, Frau Schmattke.«

»Ich will halt, dass du deine schönen, kleinen Augen noch lange behältst. Hier abschneiden.« Frau Schmattke hatte mit geübtem Griff ein schönes, goldfarbenes Papier um eine Kiste mit einem Parfümflakon geschlungen und ein dickes, rotes Band verknotet. Luisas Aufgabe war es, das Band nun zu kürzen. Sie hatte das schon oft gemacht, und die beiden waren ein eingespieltes Team. Besser als den hundertsten Weihnachtsstern zu basteln war es allemal.

»Und Luisa? Was ist es denn?«

»Was meinen Sie?«

»Das Geschenk für deine Mutti? Deine Omi und du, ihr habt ihr doch schon zum Nikolaus das Lieblingsparfüm geschenkt, was kann es nun noch werden?«

»Oh. Kein Parfüm.«

»Aha. Sieh an. Was dann?« Sie konnte offenbar nicht glauben, dass man etwas anderes als ein gutes Parfüm verschenken konnte. Ein zweites, viel kleineres Päckchen war mittlerweile hübsch eingepackt und in eine kleine Tüte geschoben worden, um dann fein säuberlich mit einem kleinen Klebeschild versehen zu werden, damit es beim Abholen keine Katastrophe gab.

Luisa musste erst einmal darüber nachdenken, ob sie die geheime Sache mit dem Prinzen für Mama jetzt mit Frau Schmattke besprechen wollte, also wechselte sie erst mal das Thema.

»Wie geht es Ihrem Mann?«

»Erwin? Gut. Wieso? Na ja. Er ist erkältet.«

Erwin Schmattke war ein großer, hagerer Mann mit einer leisen Stimme, der jeden Tag nach Dienstschluss erschien, um seine Frau nach Hause zu begleiten. Luisa hatte ihn schon häufig gesehen und sprach immer gerne ein bisschen mit ihm.

»Leider habe ich keinen Führerschein mehr«, sagte er dann beispielsweise und zeigte auf einen nassen Regenschirm. Er redete mit Luisa immer sehr höflich, als ob er verhindern wollte, dass Luisa sich zu sehr langweilte, während sie auf ihre Mutter wartete.

»Ich kann nicht mehr so gut sehen, weißt du? Aber meine Gisela und ihren Stand kann man ja auch so finden.« Dann stupste er sich an die Nase und machte ein lustiges, schnüffelndes Geräusch. Luisa mochte Erwins Späße und lachte immer.

»Wieso haben Sie Herrn Erwin geheiratet, Frau Schmattke? Er ist gar kein Prinz.« Luisa war ein bisschen stolz darauf, zu wissen, dass man ältere Menschen immer siezen und immer »Frau« oder »Herr« vor den Namen setzen musste.

»Weil Erwin der beste Mann von allen ist! Er muss doch kein Prinz sein!« Ihr weißes Haar, das in einer weichen Innenrolle knapp über den Schultern endete, schwang beim Lachen fröhlich hin und her.

»Wirklich?« Luisa war erstaunt.

»Glaubst du nicht?«

»Ja, schon. Ja, doch. Aber, aber – «

»Ja?«

»Er ist einfach kein Prinz!«

»Ach, wer braucht schon einen Prinzen?« Frau Schmattke lachte wieder und die Schleife, die sie band, wurde ein bisschen voluminös dadurch, aber das stand dem klitzekleinen Päckchen ganz gut.

»Ja, doch. Ein Prinz muss es schon sein«, nun wurde Luisa doch sehr eifrig: »Meine Mama wünscht sich ganz doll einen Mann, aber ich will, dass sie nur einen Prinzen bekommt.«

Frau Schmattke neigte nachdenklich ihren Kopf.

»Interessant.«

»Ja, nicht?«

»Und du glaubst, hier im Kaufhaus einen Prinzen zu finden?«

»Ja, wo sonst?«

»Richtig, richtig.« Frau Schmattke hatte das kleine Päckchen in eine Tüte gepackt und warf nun eine Handvoll kleiner Herzen hinein. Das tat sie nur bei jungen Käufern, was auch erklärte, warum das Geschenk so klein war. Ältere Herren kauften immer große Packungen. Jüngere nur kleine.

»Wo hast du denn schon nach einem Prinzen für deine Mutter gesucht?«

»Das ist ganz schön schwierig. In der Herrenabteilung, denke ich, werde ich keinen finden. Herr Kleinhans meinte, dass er wohl auch keinen im Lager hat.«

Frau Schmattke ließ einen leisen Kicherpiepser hören. Das tat sie nur dann, wenn sie ein Lachen nicht schnell genug unterdrücken konnte. Es war ein lustiges Geräusch. Luisa musste sofort mitkichern.

»Oh, Prinzen auf Lager. Was für ein wunderbarer Gedanke.«

Luisa wusste natürlich genau, was das war, ein Lager. Dahin führte eine geheime Tür hinten links. Luisa war mit Frau Schmattke schon zweimal im Lager gewesen und hatte all das gefunden, was in ihren Vitrinen gefehlt hatte.

Bevor sie aber weitersprechen konnte, kam ein Kunde.

Luisa setzte sich schnell auf den kleinen Stuhl und nahm sich ein Heft, das bereitlag für solche Fälle. Sie durfte keinesfalls stören. Sonst käme der Geschäftsführer. Der sah alles und duldete es nicht, wenn Luisa beim Verkaufen störte.

Luisa hatte große Angst vor dem Geschäftsführer.

Nachdem Frau Schmattke dem Kunden ein Parfüm für seine Frau herausgesucht hatte, packte sie es eilig ein und Luisa konnte sich wieder auf den Tritt neben Frau Schmattke stellen.

»Wo waren wir stehengeblieben, Luisa?«

»Prinzen.«

»Ach ja, und dass das Wunderkaufhaus sie wahrscheinlich nicht zwischen Herrenoberbekleidung auf Lager hat«, Frau Schmattke öffnete einen kleinen Schrank unter dem Tresen und zog genau jenes Parfüm heraus, das sie soeben verkauft hatte und brachte es zu dem schön dekorierten Tisch, um es an den Platz seines Vorgängers zu stellen.

»Schau mal da. Kannst du das wieder schön hinstellen?« Sie zeigte Luisa an einem weiteren schmalen Tisch die Seifen, die jemand offenbar auf der Suche nach ein bisschen Luxus durcheinandergebracht hatte.

»Sag mal, Luisa, wieso muss es denn überhaupt ein Prinz sein? Hat deine Mutter gesagt, dass sie nur einen Prinzen will?«

»Nein, das nicht. Aber Prinzen sind die besten Männer. Sie sehen gut aus und sind reich.«

»Ach, Kindchen. Gutes Aussehen vergeht. Na, und reich? Wann ist man schon reich? Wenn man zu viel Geld hat, fehlt es schnell mal an – «, Frau Schmattke hielt inne und machte eine kleine elegante Drehung mit ihrem Zeigefingers neben ihren grauen Haaren. »Geld vernebelt so manch einem den gesunden Menschenverstand. Weißt du, was ich meine? Geld macht manchmal ganz schön dumm.« Luisa fand das witzig.

»Ach, Frau Schmattke. Ich sehe das so: Es muss halt der beste Prinz von allen sein. Der ist reich und klug.«

»Reich und klug? Hm? Nicht noch was anderes?«

»Na, vielleicht noch kräftig.«

»Ja, ein Prinz sollte zupacken können!« Frau Schmattke lachte. »Noch ein paar Auswahlkriterien? Was mag denn deine Mutter für Männer?«

»Mama guckt gerne Fernsehen, wo ein Polizist die Bösen verfolgt und ins Gefängnis steckt.«

»Aha! Da kommen wir der Sache schon mal näher! Magst du eigentlich unseren Kaufhausdetektiv? Der ist ja auch so was wie ein Polizist«, fragte Frau Schmattke nach einer Weile, in der sie beide, nach erfolgreicher Dekoration, wieder in ihre Tresenburg zurückgegangen waren.

»Wieso?«

»Wieso, wieso, wieso? Sag doch einfach, Luisa. Magst du den?«

»Daniel ist ganz okay. Der petzt nicht, wenn ich drüben bei Frau Bolduan meine Lieblingszeitung lese. Aber wenn er kommt, muss ich meist aufhören mit dem, was mir Spaß macht.«

»Aha.«

Sie schwiegen.

»Aber Daniel ist wohl kein Prinz. Polizist alleine reicht nicht«, sagte Luisa nach kurzer Grübelei.

»Daniel ein Prinz? Nein. Das fürchte ich auch. Nein, für einen Prinzen arbeitet er zu hart. Vielleicht eine Art Ritter?«

»Glaube ich auch nicht.« Luisa schüttelte den Kopf. Sie wollte schnell das Thema wechseln und endlich wieder über ihre Prinzensuche reden.

»Ach, Luisa, mach dir keine Gedanken darum. Mein Erwin ist, wie du schon bemerkt hast, auch kein Prinz«, seufzte sie schließlich.

»Schade. Er wäre sicher ein sehr vornehmer Prinz gewesen.«

»Da sagst du was, Kindchen, da sagst du was!« Frau Schmattke grüßte ein vorbeigehendes älteres Paar.

»Guten Tag, Frau von der Heide!«

»Hallo, Frau Schmattke! Gleich kommen wir zu Ihnen, aber erst wollen wir gemütlich mittagessen!«

»Etwas spät!«

»Besser spät als nie!«

»Ich wünsche guten Appetit!«

»Danke, Frau Schmattke!«

Das Kundenehepaar stellte sich winkend auf die Rolltreppe und entschwebte langsam nach oben. Luisa sah ihnen nach. Die Frau trug einen dicken Mantel. Der Mann trug Hut.

»Die sind zum Beispiel wirklich reich. Fast so was wie Prinz und Prinzessin«, murmelte Frau Schmattke nachdenklich. Luisa schaute dem Paar neugierig nach. So, wie Frau Schmattke das sagte, klang es aber nicht sonderlich fröhlich.

»Und?«

»Ach, Kindchen. Hat nichts genützt. Der Mann ist ein Filou!«

»Was ist ein Filou?«

»Ach. Möge dir das erspart bleiben, Kindchen!«

Luisa überlegte, ob das Filou-Sein was mit dem Hut von dem Mann zu tun hatte.

»Ist Erwin ein Filou?«, fragte Luisa nach reiflicher Überlegung. »Ich meine ja nur. Er trägt auch einen Hut.«

»Wie? Hut?« Erst war Frau Schmattke über die Frage regelrecht entsetzt, dann aber musste sie lachen. »Ich erzähl dir mal was über Erwin. Setz dich hierher.«

Neugierig rückte sich Luisa auf ihrem Hocker zurecht.

»Also Erwins Eltern waren feine Leute, aber nach dem Krieg – du weißt, was das ist, Krieg?«

»Was Doofes, wo alles danach kaputt ist und keiner will es gewesen sein.«

»Oh. Woher weißt du das?«

»Sagt Oma.«

»Du hast eine sehr kluge Großmutter!«

»Ja, ich weiß.«

»Und du hast eine tolle Mama. Also gut. Erwins Mutter war auch eine ganz feine Person, aber nach dem Krieg hatten sie kein Haus mehr, das war weggebombt. Und Erwins Großeltern waren tot. Erwins Großvater ist im Krieg geblieben. Du weißt, was das heißt?«

»Ja, mein Uropa ist da auch geblieben.«

»Also gut. Und Erwins Mutter musste irgendwo wohnen. Da hat man die dann zu uns in die Wohnung gebracht. Das machte man damals so. Dann durfte Erwins Mutter bei uns ein Zimmer bewohnen. Meine Mutter sagte immer, Erwins Mutter wäre eine so entzückende junge Frau gewesen. Dazu Vollwaise und auch schon junge Witwe. Ich fand das so schrecklich, als sie das erzählte! Und das tat meiner Mutter auch so leid. Die zwei jungen Frauen, meine Mutter und Erwins Mutter – ich nannte sie dann Tante Ulla, haben sich dann recht schnell angefreundet. Später hat Erwins Mutter Erwins Vater kennengelernt. Und wie das dann so ist, haben sie ein Kind bekommen. Und obwohl sie dann wieder aus unserer Wohnung, in der mittlerweile meine Mutter mich geboren hatte, ausgezogen ist, waren die beiden Frauen immer noch Freundinnen. Haben sich immer geholfen. So hab ich Erwin kennengelernt. Also quasi kannte ich ihn schon immer. Erst war er ein alberner Junge, aber dann wurde er älter. Oh, warte, ein Kunde.« Frau Schmattke stand auf.

Luisa dachte darüber nach. Jungen konnten also erst doof sein und später nett. Na, das gab ihr Hoffnung. Sie hatte sich schon oft gedacht, dass sie später auch mal allein mit einem Kind leben müsste, weil Jungens einfach doof waren und man unmöglich mit denen zusammen sein konnte.

»Da bin ich wieder. Wo war ich mit meiner Erzählung?«

»Wie haben Sie gemerkt, dass Erwin doch nett ist und nicht mehr doof?«

»Wie? Ach. Ja, natürlich. Es war so. Ich bekam meine Stelle genau hier. Beim Kaufhaus Wunder.«

»Oh, haben Sie Herrn Wunder mal kennengelernt?« Luisa war plötzlich ganz aufgeregt und hopste vom Stuhl.

»Herrn Wunder?«

»Ja, Herrn Wunder! Wie ist er so? Ist er nett?«

»Wen meinst du nur, mein Kind?«

»Aber Herrn Wunder! Unseren Herrn Wunder!« Luisa griff nach einer der Tüten, auf der das Konterfei des Kaufhausbesitzers zu sehen war. Sie zeigte darauf und noch mal zur Verdeutlichung auf das große Bild an der Wand hinter der Parfümerie.

»Ach, den Herrn Wunder«, Frau Schmattke dehnte die Worte ziemlich und schaute Luisa sehr lange an.