Ein Haus für die Saison - Der galante Herzensbrecher - Marion Chesney - E-Book
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Ein Haus für die Saison - Der galante Herzensbrecher E-Book

Marion Chesney

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Beschreibung

Das Haus in der Clarges Street 67 hat einen neuen Mieter: Lord Guy Carlton verbringt die Saison in London - aber nicht in der Absicht zu heiraten und sesshaft zu werden ... Er will sich einfach amüsieren! Doch dann lernt er die wohlhabende, aber ungemein schüchterne Miss Esther Jones kennen und ist von der jungen Frau verzaubert. Leider ist Carlton sein Ruf vorausgeeilt - denn Esther hält ihn für einen Schürzenjäger. Mit so jemandem will sie nichts zu tun haben! Es bedarf aller Künste von Butler Rainbird und des restlichen Personals, um Lord Carlton zu helfen, das Herz seiner Auserwählten zu erobern.

"Der galante Herzensbrecher" (ursprünglich unter dem Titel "Herzenspoker" erschienen) ist der vierte Band der zauberhaften Regency-Romanreihe "Ein Haus für die Saison" von Marion Chesney, die als M.C. Beaton vor allem für ihre Cosy-Krimis bekannt ist. In ihren Liebesromanen erweckt sie die Zeit des englischen Biedermeier zum Leben - perfektes Lesefutter für Fans von Georgette Heyer, DOWNTON ABBEY und BRIDGERTON.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Seitenzahl: 241

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Weitere Titel der Autorin

EIN HAUS FÜR DIE SAISON:

Tage der Sehnsucht

Die ungleichen Schwestern

Liebe und Eifersucht

Spiel der Intrigen

Ein gute Partie

Über dieses Buch

Das Haus in der Clarges Street 67 hat einen neuen Mieter: Lord Guy Carlton verbringt die Saison in London – aber nicht in der Absicht zu heiraten und sesshaft zu werden ... Er will sich einfach amüsieren! Doch dann lernt er die wohlhabende, aber ungemein schüchterne Miss Esther Jones kennen und ist von der jungen Frau verzaubert. Leider ist Carlton sein Ruf vorausgeeilt – denn Esther hält ihn für einen Schürzenjäger. Mit so jemandem will sie nichts zu tun haben! Es bedarf aller Künste von Butler Rainbird und des restlichen Personals, um Lord Carlton zu helfen, das Herz seiner Auserwählten zu erobern.

Über die Autorin

Marion Chesney war eine schottische Schriftstellerin, die sich vor allem durch ihre zahlreichen historischen Liebesromane und Krimis einen Namen gemacht hat. Als M.C. Beaton feierte sie mit ihrer Krimi-Reihe um die Detektivin Agatha Raisin ihren größten Erfolg. Die Autorin starb im Alter von 83 Jahren in Gloucester.

Marion Chesney

Ein Haus für die Saison

Der galante Herzensbrecher

Ein Regency-Liebesroman

Aus dem Englischen von Claudia Rackwitz

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1989 by Marion Chesney

Titel der Originalausgabe: » Rake’s Progress«

Originalverlag: St. Martin’s Press, New York

Für die deutschsprachige Erstausgabe:

Copyright © der deutschen Übersetzung 1989 by Wilhelm Goldmann Verlag, München

Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: »Herzenspoker«

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Guter Punkt GmbH Co. KG

unter Verwendung von Motiven © krugli / AdobeStock; Boonyachoat / iStock / Getty Images Plus; Tony Marturano / Shutterstock;

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-1745-8

www.be-heartbeat.de

www.lesejury.de

Für Ita Ali, Maria Browne und Jane Wibberley

Kapitel 1

Angeblich lag ein Fluch auf dem Haus Nr. 67 in der Clarges Street, und es galt als unheilbringende Adresse, doch an diesem Frühlingstag des Jahres 1810 sah das hohe schmale Haus im vornehmen Londoner Stadtteil Mayfair aus, als sei der Unstern, unter dem es so lange gestanden hatte, verschwunden und die Unglückssträhne beendet.

Es gehörte dem Duke of Pelham, der selbst nur einen ungefähren Überblick über seine zahlreichen Besitztümer hatte. Um die Vermietung des Hauses und die Personalangelegenheiten kümmerte sich Jonas Palmer, der Verwalter des Duke, ein schikanöser Betrüger und Lügner. Er zahlte den Dienern niedrige Löhne, berechnete seinem Herrn aber höhere und ließ die Differenz in seiner Tasche verschwinden.

Die Diener beteten vor jeder Saison um einen neuen Mieter. Ein Mieter bedeutete Feste, Gesellschaften und Abendessen, und diese gesellschaftlichen Ereignisse wiederum bedeuteten für sie gutes Essen und Trinkgelder. Sie alle steckten ihre Trinkgelder in eine Sparbüchse, um eines Tages ein Gasthaus kaufen zu können und so von dem schrecklichen Palmer unabhängig zu werden.

Die Dienerschaft war wie eine große Familie, eng miteinander verbunden durch die gemeinsamen Sorgen und die Abneigung gegen Palmer. Das Oberhaupt der Familie war der Butler, Rainbird. Nach ihm kamen in der Rangfolge die Haushälterin, Mrs Middleton, der Koch, Angus MacGregor, dann der etwas verweichlichte Lakai, Joseph. Außerdem waren da noch ein Stubenmädchen, Jenny, und ein Hausmädchen, Alice, und die kleine Lizzie, das Spülmädchen. Dave, den Rainbird vor dem jämmerlichen Leben eines Kaminkehrergehilfen, der in den Kaminen auf- und abklettern musste, bewahrt hatte, war der Küchenjunge.

An diesem schönen sonnigen Frühlingstag war die gesamte Dienerschaft in der Eingangshalle versammelt – die Frauen mit gestärkten weißen Schürzen, die Männer in ihren besten Livreen. Sie erwarteten die Ankunft eines neuen Mieters, noch dazu eines Mieters, von dem sie hoffen durften, dass er sich als großzügig erwies.

Es handelte sich um Lord Guy Carlton, den jüngeren Sohn des Earl of Cramworth. Er hatte lange Zeit am Krieg gegen Napoleon teilgenommen und war krank heimgekehrt. Palmer hatte auf seine mürrische Art bemerkt, seinen Briefen könne man entnehmen, dass Mylord die Absicht habe, über die Stränge zu schlagen. Er habe nämlich angekündigt, dass er zahlreiche Feste veranstalten wolle.

Der Optimismus der Diener schien sich dem Haus mitgeteilt und die bösen Geister verbannt zu haben. In diesem Haus hatte sich der neunte Duke of Pelham erhängt, und über einige Familien, die das Haus für eine Saison gemietet hatten, war großes Unglück gekommen. Aber heute sah das Stadthaus frisch und neu aus. Selbst die zwei Eisenhunde auf den Eingangsstufen vor der Haustür waren von Dave so blank poliert worden, dass das Sonnenlicht auf ihren metallenen Flanken glänzte.

Frühlingsblumen verschönten die Zimmer, in denen es angenehm nach Bienenwachs und Rosenwasser duftete.

Als die Diener sich in der Halle versammelten, um ihren neuen Mieter, der eine Saison lang ihr Herr sein sollte, zu begrüßen, sprachen sie freundlich miteinander, ohne die sonst übliche strenge Rangordnung zu beachten. Sobald Lord Guy da war, würden sie sich wieder an ihren Platz in der Hackordnung erinnern.

Mrs Middleton, die unverheiratete Tochter eines Vikars, der schwere Zeiten durchgemacht hatte – das »Mrs« war nur ein Höflichkeitstitel –, strich ihr bestes schwarzes Seidenkleid immer wieder mit nervösen Bewegungen glatt.

»Ich möchte wissen, was für ein Mensch Lord Guy ist«, sagte sie wohl zum hundertsten Male.

»Er muss schon einigermaßen gesetzt sein, auch wenn er noch keinen Hausstand gegründet hat«, meinte Rainbird, der Butler, und seine funkelnden grauen Augen in dem Komödiantengesicht schossen hierhin und dahin, um sich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war. »Ich habe in der Adelsliste nachgeschaut. Er ist fünfunddreißig, da muss er sich längst die Hörner abgestoßen haben.«

»Ich frage mich, ob er gut aussieht«, sagte Alice träumerisch. Alice, das Hausmädchen, war eine schöne Blondine mit langsamen, trägen Bewegungen.

»Mir wäre lieber, er würde nicht seinen eigenen Diener mitbringen«, sagte Joseph, der Lakai, in seiner affektierten Art zu sprechen. »Fremde Diener machen nur Scherereien, wenn ihr mich fragt.«

»Kein Mensch fragt dich, du dummer Kerl«, fuhr ihn Rainbird an, den vor zwei Jahren eine hoffnungslose Leidenschaft für die Kammerzofe der Mieter erfasst hatte und der immer noch nicht darüber hinweg war.

Uneingeschüchtert zupfte sich Joseph ein Fusselchen von seinem Samtärmel und fuhr fort: »Außerdem bin ich der Ansicht, dass es nicht ganz richtig ist, dass wir ihn alle begrüßen.« Er schaute verächtlich auf Lizzie und Dave, die ihren Platz am Ende der Empfangsreihe eingenommen hatten.

»Du widerst mich an, du Waschlappen«, fuhr ihn Angus MacGregor, der heißblütige Koch vom schottischen Hochland, knurrend an. »Lizzie hat mehr von einer Lady an sich, als du je von einem Gentleman an dir haben wirst.«

Lizzie, das Spülmädchen, sah bekümmert aus. Sie hatte sich am Tage ihrer Ankunft in den Lakaien verliebt, und sie liebte ihn immer noch, auch wenn sie seine Unzulänglichkeiten inzwischen recht gut erkannte.

»Vielleicht ist sein Diener ein großer, grausamer Soldat«, meinte Dave fröhlich, »der nichts gegen eine kleine Rauferei mit einem Lakaien einzuwenden hat.«

»Bitte nicht«, sagte Lizzie voller Kummer. »Wir haben den ganzen Winter fast nie miteinander gestritten. Wir wollen nicht jetzt damit anfangen.«

»Dumme Lizzie«, sagte die flinke, dunkelhaarige Jenny, das Stubenmädchen. »Wir sind doch alle so aufgeregt. Und das war der erste Winter, in dem wir genug zu essen hatten und genug Kohlen, um uns zu wärmen. Ich weiß, dass wir eine wunderbare Saison vor uns haben. Was ist jetzt wieder los, Liz?«, fragte sie ärgerlich, als sie sah, dass ein Schatten über das Gesicht des Spülmädchens flog. »Du wirst doch nicht eine deiner Vorahnungen haben.«

»Ich habe nur das Gefühl«, sagte Lizzie vorsichtig, »dass ein Gentleman, der seine ganze Jugend auf dem Schlachtfeld verbracht hat, kein ruhiges Leben führen will.«

»Man hätte ihr nicht Lesen und Schreiben beibringen sollen«, spottete Joseph. »Erziehung verwirrt den Kopf.« Er fand in letzter Zeit wieder Gefallen daran, auf Lizzie herumzuhacken, eine hässliche Angewohnheit, von der alle geglaubt hatten, er hätte sie abgelegt.

»Also«, sagte Angus MacGregor, »der größte Wirrkopf hier bist du, und du bist kaum imstande, ein Buch zu lesen.«

»Pschscht!«, machte Rainbird. »Ich höre eine Kutsche kommen!«

Er riss die Haustür auf. Aber die Kutsche fuhr vorbei.

»Noch nicht«, sagte er enttäuscht. »Ich frage mich, was Seine Lordschaft aufhält!«

»Ich glaube, wir sollten uns allmählich auf den Weg machen«, sagte Lord Guy Carlton mit Bedauern und stellte sein leeres Glas auf den Tisch. Er und sein Freund, Mr Tommy Roger – mit Spitznamen Jolly Roger –, hatten unterwegs eine Pause eingelegt, um etwas zu sich zu nehmen.

»Nur keine Eile«, meinte Mr Roger. »Lass uns noch ein Fläschchen trinken. Du siehst gesund und munter wie ein Fisch im Wasser aus. Wenn dich der Colonel jetzt sehen könnte, würde er dich mit dem nächsten Schiff zurück auf deinen Posten schicken.«

»Ich gehe zurück, wenn ich bereit dazu bin«, sagte Lord Guy gedehnt. »Noch eine Flasche, das ist die Idee. Dieses Fieber war das Beste, was uns seit einer Ewigkeit zugestoßen ist. Ich weiß nicht, wie’s dir ergeht, aber mir ist seitdem klar, was ich will.«

»Und ich hätte gedacht, du würdest nie auf das Schlachtfeld verzichten, du altes Streitross«, meinte Mr Roger liebevoll. »Du hast geschworen weiterzukämpfen, bis Napoleon am Ende ist. Ich weiß nicht, wie du es all die Jahre durchstehen konntest.«

»Das weiß ich auch nicht«, stimmte Lord Guy freundlich zu. Er zog ein hübsches Serviermädchen auf seinen Schoß, küsste es auf den Mund und trug ihm auf, noch eine Flasche vom besten Wein zu bringen. Das Mädchen ging kichernd ins Haus.

»Verschwende deine Energie nicht auf Serviermädchen«, sagte Mr Roger. »Ich habe vor, mich in London mit der Allerschönsten zu verwöhnen.«

»Nur mit einer?«, spottete Lord Guy. »Ich will sie dutzendweise.«

Die beiden Männer, die etwa im selben Alter waren, waren ein seltsam gegensätzliches Paar. Mr Roger war untersetzt und dunkelhäutig, er hatte kräftiges schwarzes Haar. Er steckte immer noch in seiner scharlachroten Regimentsuniform, und ohne sein Pferd sah er so merkwürdig aus wie ein auf dem trockenen Land schwankender Seemann ohne sein Schiff, denn er hatte ausgeprägte O-Beine.

Lord Guy war hochgewachsen, schlank und blond. Sein unternehmungslustiges Gesicht mit der schmalen geraden Nase war leicht von der Sonne gebräunt, und der Ausdruck seiner fröhlichen blauen Augen unter den schweren Lidern war gewohnheitsmäßig verwegen. Er trug Zivilkleidung, einen blauen Tagesrock mit geflochtenen Knöpfen, Lederkniehosen und hohe Stiefel. Sein Halstuch war raffiniert gewickelt und frisch gestärkt. Einen überraschenden Kontrast zu dieser schlichten Eleganz bildete seine Weste, auf der sich gestickte goldene und rote Paradiesvögel tummelten. Als die beiden Freunde die neue Flasche angebrochen hatten, trat zwischen ihnen ein einvernehmliches Schweigen ein.

Sie saßen im Garten eines Wirtshauses in Croydon. Im Gras leuchteten die Krokusse, und die Bäume, deren Äste noch unbelaubt waren, ragten in den blassblauen Himmel hinein.

Eine riesige aufgeplusterte Wolke zog über ihren Köpfen hinweg und erinnerte Lord Guy an das Schiff, das ihn heimgebracht hatte. Heim! Wie seltsam das klang. Sein Heim war ein Haus, das er für ein paar Monate in der Hauptstadt gemietet hatte. Sein Gewissen befahl ihm, sobald die Saison vorbei war, an die Front zurückzukehren.

Im Grunde hätte er gleich dortbleiben können. Sein Fieber, so heftig es auch gewesen war, hatte sich schnell gelegt, ihn aber schwach und antriebslos gemacht. Die Heimreise war ruhig und erholsam gewesen, und er war sehr schnell wiederhergestellt. Doch im Moment hatte er den Krieg und das Blutvergießen gründlich satt. Er wollte sich mit den hübschesten Frauen der Hauptstadt umgeben und sich all den leichtsinnigen, dummen Freuden hingeben, die das Leben alleinstehenden Herren bot. Er hatte vor, keinem einzigen ernsthaften Gedanken Zutritt zu seinem Hirn zu gestatten, bis es Zeit war zurückzugehen.

Heiraten wollte er nicht. Frauen musste man wie guten Wein genießen und mit Hochachtung behandeln, und wie beim Wein gab es auch bei ihnen eine verführerische Vielfalt, auf die man – sich freuen durfte.

Eine Stunde und eine weitere Flasche später bemerkte Mr Roger beschaulich, dass die Sonne untergehe und es gar nicht mehr sehr warm sei.

»Das Haus, das ich für uns gemietet habe«, sagte Lord Guy und erhob sich, »steht unter einem unglücklichen Stern, hat mir einer erzählt.«

»Das muss ein Spieler gewesen sein«, sagte Mr Roger mit weisem Nicken und musste dann zu seiner Überraschung feststellen, dass er nicht mehr mit Nicken aufhören konnte. »Sie sind eine abergläub... abersche...«

»Abergläubisch«, sagte Lord Guy mit einem Lächeln. »Du hast einen Rausch, Tommy.«

»Bei Gott, das ist wahr! Wunderbar!«

»Wo ist mein Diener, Manuel?«

»Du brauchst dich nur umzusehen. Er liegt immer auf der Lauer. Mir verursacht er eine Gänsehaut.«

In der Clarges Street Nr. 67 war es mittlerweile dunkel geworden. Man hatte die Öllampen und Kerzen angezündet. Mrs Middleton, vom langen Warten müde, schlief in einem Sessel in der Halle; ihre große gestärkte Rüschenhaube warf einen Schatten auf ihr Gesicht, das selbst im Zustand der Ruhe verschreckt und ängstlich wirkte. Joseph manikürte seine Nägel. Der Schnorrer, der Küchenkater, war der Einzige im Haus, der die Haustür mit einem ebenso aufmerksamen wie komischen Ausdruck der Erwartung nicht aus den Augen ließ.

»Ich bin unten«, murmelte Angus MacGregor müde. »Ich glaube nicht, dass er jetzt noch kommt.« Er nahm seine weiße Kochmütze vom Kopf, sodass sein feuerrotes Haar sichtbar wurde, kramte in der Mütze herum, brachte einen Zigarrenstummel zum Vorschein und zündete ihn an einer Kerze an.

»Dann nimm dieses ekelhaft stinkende Ding mit, Angus«, sagte Rainbird schlecht gelaunt. »Jenny hat in allen Zimmern Rosenwasser versprengt, und was hat das für einen Sinn, wenn du die Luft so verpestest?«

»Es kommt jemand«, sagte Lizzie.

»Ich habe die Haustür heute schon hundertmal aufgemacht«, sagte Rainbird. »Es ist nur eine Kutsche, die von einer Abendgesellschaft zurückkommt.«

Angus ging gerade auf die Hintertreppe zu, als es an der Tür heftig klopfte. Türklopfen war in London eine Kunst, dem Trommeln vergleichbar. Die Anzahl der Klopfer, ihre Lautstärke und der Rhythmus, mit denen sie erfolgten, ließen auf die Bedeutung des Besuchers schließen. Dieses Klopfen war so energisch und schwungvoll wie das eines königlichen Lakaien.

Angus warf seine Zigarre zurück in die Mütze und stülpte sie sich über den Kopf. Mrs Middleton schreckte zusammen und erwachte. Rainbird zog seine Weste straff und eilte zur Tür, während sich alle Diener hinter ihm in der Halle aufreihten.

Er riss die Tür auf. Ein schlanker, hochnäsiger Diener schaute ihn verächtlich an. »Du lässt dir Zeit, Bursche, hah?«, bemerkte er mit ausgesuchter Unverschämtheit. Er trat zur Seite und gab den Blick auf die beiden Herren frei, die die Treppe heraufkamen.

»Nun, es sieht nicht schlecht aus«, sagte Lord Guy, als er mit Mr Tommy Roger die Eingangshalle betreten hatte. »Ganz und gar nicht schlecht«, sagte er, und seine frechen blauen Augen richteten sich auf Alice.

Rainbird begann, die Diener der Reihe nach vorzustellen. Unter der Mütze des Kochs quollen zarte Rauchfahnen von der brennenden Zigarre hervor. Rainbird schlug MacGregor auf den Kopf, als er sich unbeobachtet fühlte, in der Hoffnung, sie zu löschen. Als Lord Guy bei den Frauen angelangt war, bezauberte er Mrs Middleton mit einem hinreißenden Lächeln; Jenny grinste er an, Lizzie blinzelte er zu, und Alice packte er um die Taille, zog sie an sich und gab ihr einen zärtlichen Kuss mitten auf den Mund.

Alice schaute völlig fassungslos zu ihm auf.

»Mylord«, sagte Rainbird, der an sich halten musste, »Sie werden Ihre Gemächer sehen wollen.«

Mrs Middleton nahm Alice, die immer noch mit offenem Mund dastand, fest an die Hand und führte sie nach unten. Dabei machte sie den anderen Frauen ein Zeichen, ihr zu folgen.

»Bereiten Sie mir ein Bad, ja?«, sagte Lord Guy. »Rainbird, das war doch Ihr Name, wenn ich richtig gehört habe. Das ist mein Diener, Manuel. Sorgen Sie gut für ihn. Er ist ein famoser Bursche.«

Es gab einen lauten Knall, als Mr Tommy Roger auf den Fliesenboden hinschlug und zu schnarchen begann.

»Und kochen Sie schwarzen Kaffee«, sagte Lord Guy. »Ich habe nicht vor, meinen ersten Abend in der Hauptstadt allein zu feiern. Sorgen Sie bitte dafür, dass Mr Roger wieder nüchtern wird, nachdem Sie mein Bad bereitet haben.«

»Ja, Mylord«, sagte Rainbird hölzern.

»Und schicken Sie mir die blonde Schönheit hinauf, damit sie mir den Rücken schrubbt.«

»Selbstverständlich, Mylord«, sagte Rainbird, der sich entschieden hatte, ihm zunächst seinen Willen zu lassen. Er war davon überzeugt, dass Lord Guy ebenso betrunken wie sein Freund war und wahrscheinlich in der Badewanne einschlafen würde. Er führte ihn nach oben.

Das Erdgeschoss des Hauses bestand aus dem vorderen und dem hinteren Salon, der erste Stock aus dem Speisezimmer und dem Schlafzimmer. Im Stockwerk darüber waren noch einmal zwei Schlafzimmer, und ganz oben befanden sich Dachstuben.

Mit Ausnahme der kleinen Lizzie, die sich regelmäßig unter der Pumpe wusch, runzelten die Diener über die Unsitte des Waschens die Stirn, da sie sie für eine gefährliche Angelegenheit hielten. Baden war gesundheitsschädlich. Das war schließlich allgemein bekannt.

Es dauerte deshalb auch geraume Zeit, bis man Mylords Bad bereitet hatte, da sich besagtes Bad im Keller befand und zur Aufbewahrung des Feuerholzes diente.

Schließlich trugen Joseph und Rainbird den sargartigen Zuber die Treppe hinauf. Rainbird befahl Angus und Dave, die Kannen mit heißem Wasser hinaufzuschleppen, da er nicht wollte, dass eines der Mädchen allein mit Lord Guy war, der offensichtlich – das hatte Rainbird schnell erkannt – ein Wüstling und Weiberheld war.

In der Zwischenzeit hatte sich Lord Guy eine Flasche Champagner zu Gemüte geführt. Sie hatte bewirkt, dass seine blauen Augen noch verruchter blickten und dass er munterer denn je war.

Mit Unterstützung von Manuel, seinem spanischen Diener, entkleidete er sich und sank in die Badewanne. »He, Manuel«, sagte er, »bring mir das wunderbare Geschöpf herauf.«

Manuel verbeugte sich, da er in dem »wunderbaren Geschöpf« auf Anhieb Alice erkannte.

Er ging die Treppen hinunter und in den Aufenthaltsraum der Diener, wo sich gerade alle angeregt über den neuen Mieter unterhielten. Ihre Stimmen verstummten, und sie musterten ihn schweigend. Manuel war klein von Statur, er trug eine schwarze Samtlivree, die mit pinkfarbenen Seidentressen verziert war. Sein Haar war glatt und schwarz wie glänzendes Leder und seine Haut olivfarben. Mit seinen feuchten dunklen Augen, der schmalen kleinen Nase und den leicht hervorstehenden Zähnen in seinem kleinen Mund erinnerte er an ein Kaninchen.

Er machte vor Alice einen Diener. »Mylord wünscht dich«, sagte er.

Alice errötete, wollte aber mitgehen.

»Nein«, sagte Rainbird. »Wenn Mylord etwas wünscht, dann bringe ich es ihm oder Joseph.«

Der Diener zuckte die Achseln. Dann ging er auf Alice zu, ergriff die Hand des Mädchens und wollte sie hinter sich herzerren. Rainbird sprang herzu, zog Alice weg und gab Manuel einen heftigen Stoß.

Manuel griff in seine Tasche und zog ein langes Messer hervor, das er Rainbird an die Kehle setzte. »Du«, sagte er zu Alice über die Schulter des Butlers hinweg, »gehst nach oben, oder ich schlitze ihm die Kehle auf.«

Eine unnatürliche Stille breitete sich unter den Dienern aus. Dann rollte Angus MacGregor einen Ärmel hoch, griff mit seinem behaarten Arm um Rainbird herum und packte den spanischen Diener an seinem Halstuch. Manuel versuchte, Rainbird einen Messerstich zu versetzen, aber Jenny, das Stubenmädchen, grub ihre starken Zähne in sein Handgelenk, und er ließ das Messer klappernd fallen. MacGregor stemmte den erschrockenen Spanier hoch und schüttelte ihn kräftig; Manuel schrie wie ein verwundetes Tier.

»Was, zum Teufel, geht hier vor?«, fragte eine kalte Stimme von der Tür her.

Die Frauen brachen in ebenso lautes Geschrei wie Manuel aus und schlugen die Hände vor die Augen; Mrs Middleton linste allerdings zwischen den Fingern hindurch. Es war ein Anblick, den sie noch nie gesehen hatte und wahrscheinlich auch nie wieder sehen würde.

Lord Guy stand da, tropfnass und splitterfasernackt.

»Ich möchte wissen«, fragte er noch einmal, »was Sie da mit meinem Diener machen?«

»Er hat versucht, Alice mit Gewalt nach oben zu zerren«, sagte Rainbird. »Und dann hat er ein Messer gezogen.«

»Oh«, machte Lord Guy verblüfft. »Willst du mir nicht den Rücken schrubben, Alice?«

»Nein«, murmelte Alice.

Er zuckte mit den Schultern. »Na, dann eben nicht«, meinte er fröhlich. »Manuel, komm mit mir. Dein Messer darfst du nie wieder benutzen. Ach, Rainbird, und Sie versuchen, Mr Roger den Kaffee einzuflößen. Der Abend ist gerade erst angebrochen, und ich habe Lust, mich zu amüsieren.«

Er schlenderte hinaus und präsentierte dabei den peinlich berührten Dienern sein unverschämtes muskulöses Hinterteil. Sein spanischer Schatten folgte ihm auf dem Fuß.

»Ach du liebe Zeit«, klagte Rainbird. »Was wird das für eine Saison werden! Joseph, du musst mir mit Mr Roger helfen. Und Angus, du bringst uns reichlich Kaffee.«

Sie führten Mr Roger etwa eine Stunde auf und ab und gossen ihm von Zeit zu Zeit heißen schwarzen Kaffee die Kehle hinab; schließlich gelang es ihnen, ihn nach oben in sein Schlafzimmer zu bringen. Lord Guy hatte das große Schlafzimmer hinter dem Speisezimmer gewählt, sodass sie Mr Roger in das vordere Schlafzimmer ein Stockwerk darüber schafften.

Rainbird gab Joseph ein Zeichen, er solle Mr Roger die Stiefel ausziehen.

»Was macht ihr da?«, fragte Mr Roger heftig.

»Wir wollen Ihnen beim Ankleiden helfen«, erklärte Rainbird.

»Ich brauche mich nicht anzuziehen. Ich bin schon angezogen. Oh, mein Kopf!« Mr Roger torkelte durch das Zimmer und erbrach sich in den Kamin. Joseph wurde grün und legte eine Hand auf seinen rebellierenden Magen.

»Bist du fertig, Jolly Roger?«, ertönte Lord Guys fröhliche Stimme von unten.

Mr Roger erholte sich erstaunlich schnell. »Ich komme«, brüllte er.

»Na, geht’s dir besser?«, rief Seine Lordschaft.

»Viel besser. Ich habe gerade in den Kamin gekotzt.«

»Das war genau das, was du gebraucht hast. Komm herunter.«

Rainbird und Joseph folgten Mr Roger hinaus. Auf dem ersten Treppenabsatz wartete Lord Guy, und in seinen Augen stand ein belustigtes Lächeln. Er sah makellos aus in seinem Abendanzug – schwarzer Überrock, rehbraune Seidenhosen und Pumps –, und unter dem Arm trug er einen flachen Zweispitz.

Er hob sein Monokel ans Auge und musterte Mr Roger. »Verdammt noch mal«, sagte er, »da kommt die Jammergestalt des Regiments.«

»Wollen Sie später zu Abend essen, Mylord?«, fragte Rainbird.

»Ich denke, wir werden außer Haus essen«, antwortete Lord Guy. Er hakte sich bei Mr Roger ein, und die beiden gingen die Treppe hinunter und auf die Straße hinaus.

Jenny brauchte, obwohl Alice ihr half, eine ganze Stunde, um Lord Guys Schlafzimmer, in dem die Kleider achtlos zusammen mit den nassen Handtüchern auf dem Boden lagen und lauter leere Gläser herumstanden, in Ordnung zu bringen, während Rainbird und Joseph das Badewasser in Kannen füllten und die Wanne wieder nach unten trugen. Rainbird bemerkte mit düsterer Miene, dass das Wasser so sauber wie zuvor war, was nur bewies, dass Mylord zu denen gehörte, die es mit dem Waschen übertrieben.

»In der Zeitung steht, dass sein Oberbefehlshaber jeden Morgen ein kaltes Bad nimmt«, sagte er.

Joseph stieß einen Schreckensschrei aus. »Was? Den Zuber sollen wir jeden Tag die Treppe raufschleppen?«

»Vielleicht geht er in die Hummums«, sagte Rainbird und meinte damit die Türkischen Bäder in der Jermyn Street.

»Ich hoffe, er fällt hinein und ersäuft«, sagte Joseph verdrießlich. »Wo ist eigentlich sein Diener? Er hätte ruhig auch beim Aufräumen helfen können.«

»Mit seinem Herrn weggegangen.«

»Das ist auch kein Unglück.«

Währenddessen machten sich die beiden Freunde, von Manuel beschattet, daran, in jedem bekannten Etablissement der Hauptstadt, angefangen von den Spielhöllen der Jermyn Street bis zum Royal Saloon am Piccadilly, ein Glas zu trinken und sich dabei nach Frauen umzuschauen. Und immer, wenn Lord Guy oder Mr Roger eine besonders hübsche Halbweltdame sahen, überreichten sie dieser ihre Karten und luden sie feierlich für den folgenden Abend zu einem Fest in die Clarges Street Nr. 67 ein. Als sie genug »Ware« beisammen hatten, ergaben sie sich ganz dem Trunk und Spiel, was schließlich damit endete, dass sie über den Berkeley Square schwankten, als die Sonne bereits rot über den vom Raureif bedeckten Dächern Londons hervorkam. Es war wieder kalt geworden. Mr Roger sank auf die grasbewachsene Fläche in der Mitte des Berkeley Square und schlief auf der Stelle ein. Lord Guy, der sich jetzt ebenfalls todmüde und erschöpft fühlte, rief Manuel über die Schulter zu, er solle zurück zu den Ställen gehen und die Kutsche holen, um Mr Roger heimzubringen.

Als er an den Häusern auf der Westseite des Platzes entlang weiterging, sah er plötzlich durch eine offen stehende Haustür eine Dame, die auf dem obersten Treppenabsatz stand.

Sie trug ein weich fließendes Nachthemd und ein hübsches Négligé. Ihre wunderbaren roten Haare hingen ihr auf die Schultern herab. Auf dem Treppenabsatz, auf dem sie stand, brannte auf einem Tisch eine Öllampe, die ihr ruhiges Gesicht und ihre göttliche Gestalt beleuchtete. Der Butler, der die Tür hatte offen stehen lassen, während er ein bisschen frische Luft schnappte, befand sich auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes und bemerkte Lord Guy nicht.

Lord Guy ging geradewegs in das Haus hinein und die Treppe hinauf. »Madam«, sagte er voller Ehrfurcht, »Sie sind das schönste Wesen, das ich je gesehen habe.«

Ihre Augen – er nahm es verschwommen wahr – waren eine seltsame Mischung aus Blau und Grün und Gold. Er hatte noch nie Augen wie diese gesehen. Völlig betrunken und wie im Traum bewegte er sich auf die Göttin zu und streckte die Arme nach ihr aus.

Sie sagte kein einziges Wort. Sie hob nur ihren schön geschwungenen Fuß, der in einem perlenbestickten Ballerinaslipper steckte, und stieß mit aller Kraft zu. Der Stoß traf ihn direkt in den Magen. Er taumelte und fiel die Stufen hinunter.

Da er sehr betrunken war, blieben seine Muskeln ganz locker, und er kam unverletzt am Fuß der Treppe an.

Aus weiter Entfernung hörte er Glocken klingeln und Füße laufen. Bevor ihn die Diener der Lady aufhoben, um ihn hinauszuwerfen, sah er in der Halle sein Spiegelbild in einem hohen Spiegel.

Zuerst erkannte er den verlebt aussehenden, betrunkenen Mann, der ihn da anstarrte, überhaupt nicht. Aber dann war sein Schock so groß, dass er sich ohne den geringsten Widerstand von den Dienern wie ein Bündel Kleider hinaus auf die Straße werfen ließ.

Er torkelte nach Hause und fiel der Länge nach auf sein Bett, ohne sich auszuziehen.

Rainbird, der Mr Roger hatte zurückkommen hören, weckte Joseph und meinte müde, sie müssten wohl nachsehen, ob sie helfen könnten.

Sie zogen sich langsam an, da sie beide nicht darauf brannten, ihrem Herrn allzu schnell gegenüberzustehen. Als sie in Mr Rogers Zimmer schauten, schlief dieser bereits friedlich, Manuel hatte ihn ausgekleidet.

Sie gingen die Treppe wieder hinunter. Auf der Schwelle zu Lord Guys Zimmer blieben sie wie angewurzelt stehen. Die Tür war offen, und sie sahen den Spanier vor dem Bett stehen und mit hassverzerrter Miene auf seinen Herrn hinunterblicken.

»Können wir dir helfen?«, fragte Rainbird.

Manuels Gesicht nahm sofort wieder seinen glatten, hochmütigen Ausdruck an.

»Nein, vielen Dank«, sagte er von oben herab. »Schließen Sie die Tür hinter sich, wenn Sie gehen.«

Kapitel 2

Es war ein typischer Frühlingstag – das heißt, der Wind, der direkt von Sibirien kam, pfiff um die Häuser, und der Boden bedeckte sich allmählich mit rußgeschwärzten Schneeflocken.

Miss Esther Jones vom Berkeley Square Nr. 120 schauerte, als sie aus dem Fenster blickte. Es war viel zu kalt, um mit den Kindern spazieren zu gehen.

Sie bürstete ihr üppiges rotes Haar und wand es auf dem Kopf zu einem strengen Knoten zusammen, der einem Türknopf nicht unähnlich war. Nur Dummköpfe trugen bei solchem Wetter Musselin oder Seide – jedenfalls war das die Meinung der vernünftigen Miss Jones; deshalb zog sie ein warmes Wollkleid in einer düsteren Schlammfarbe an.

Nebenbei fragte sie sich, wer der betrunkene Mann gewesen sein mochte, der da so ohne Weiteres in ihr Haus gekommen war, dachte aber nicht lange darüber nach. London war voll von Trunkenbolden. Man lernte schnell, wie man mit ihnen umgehen musste – und mit sorglosen Butlern, die draußen herumspazierten und die Haustür einfach offen stehen ließen.

Als sie ihre Toilette beendet hatte, sah Miss Jones einer Gouvernante ähnlicher als der überaus wohlhabenden Lady, die sie in Wirklichkeit war.

Aber die Umstände hatten viel dazu beigetragen, das sorgenfreie Mädchen, das sie einst gewesen war, zu verändern. Ihr Vater, der Squire Hugh Jones, hatte in seinem Haus auf dem Lande ein schändliches Leben geführt und alle möglichen Skandale in der Nachbarschaft heraufbeschworen, bevor er einen Schlaganfall erlitt und aus dieser Welt schied. Seine ängstliche und leidende Frau, Miss Jones’ Mutter, hatte ihn nur um ein Jahr überlebt. Der Tod der Eltern machte Miss Jones zur Alleinerbin. Sie trug nun auch die Verantwortung für ihren jüngeren Bruder, den neunjährigen Peter, und seine Zwillingsschwester Amy. Die verstorbene Mrs Jones war nämlich gleich mit zwei Kindern gesegnet worden, als sie am wenigsten damit rechnete, überhaupt noch welche haben zu können.

Esther Jones hatte nach dem Tod der Eltern herausgefunden, dass sie wirklich sehr reich war. Der Squire hatte erfolgreich an der Börse spekuliert, und das Vermögen, das er hinterließ, stellte sich als riesig heraus.