Ein Haus für die Saison - Liebe und Eifersucht - Marion Chesney - E-Book
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Ein Haus für die Saison - Liebe und Eifersucht E-Book

Marion Chesney

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Beschreibung

Die hübsche, aber mittellose Harriet Metcalf ist entsetzt, als sie im Testament eines Adligen zum Vormund für dessen versnobte Zwillingstöchter benannt wird. Um die beiden Mädchen in die Gesellschaft einzuführen, mietet sie das Haus in der 69 Clarges Street, im vornehmen Londoner Stadtteil Mayfair. Schon bald finden sich die ersten Verehrer ein - doch deren Interesse gilt nicht Harriets Mündeln, sondern ihr selbst!

Harriet ist schon bald auf die Hilfe der Dienerschaft angewiesen, um ihre Ehre und vor allem ihr Herz zu schützen ...

"Liebe und Eifersucht" ist der dritte Band der zauberhaften Regency-Romanreihe "Ein Haus für die Saison", der ursprünglich unter dem Titel "Saison der Eifersucht" erschienen ist. Marion Chesney, die als M.C. Beaton vor allem für ihre Cosy-Krimis bekannt ist, erweckt in ihren Liebesromanen die Zeit des englischen Biedermeier zum Leben. Für Fans von Georgette Heyer, DOWNTON ABBEY und der Netflix-Serie BRIDGERTON.

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Seitenzahl: 254

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Weitere Titel der Autorin

EIN HAUS FÜR DIE SAISON:

Tage der Sehnsucht

Die ungleichen Schwestern

Der galante Herzensbrecher

Spiel der Intrigen

Ein gute Partie

Über dieses Buch

Die hübsche, aber mittellose Harriet Metcalf ist entsetzt, als sie im Testament eines Adligen zum Vormund für dessen versnobte Zwillingstöchter benannt wird. Um die beiden Mädchen in die Gesellschaft einzuführen, mietet sie das Haus in der 69 Clarges Street, im vornehmen Londoner Stadtteil Mayfair. Schon bald finden sich die ersten Verehrer ein – doch deren Interesse gilt nicht Harriets Mündeln, sondern ihr selbst! Harriet ist schon bald auf die Hilfe der Dienerschaft angewiesen, um ihre Ehre und vor allem ihr Herz zu schützen ...

Über die Autorin

Marion Chesney war eine schottische Schriftstellerin, die sich vor allem durch ihre zahlreichen historischen Liebesromane und Krimis einen Namen gemacht hat. Als M.C. Beaton feierte sie mit ihrer Krimi-Reihe um die Detektivin Agatha Raisin ihren größten Erfolg. Die Autorin starb im Alter von 83 Jahren in Gloucester.

Marion Chesney

Ein Haus für die Saison

Liebe und Eifersucht

Ein Regency-Liebesroman

Aus dem Englischen von Claudia Rackwitz

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1987 by Marion Chesney

Titel der Originalausgabe: »The Wicked Godmother«

Originalverlag: St. Martin’s Press, New York

Für die deutschsprachige Erstausgabe:

Copyright © der deutschen Übersetzung 1989 by Wilhelm Goldmann Verlag, München

Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: »Saison der Eifersucht«

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Guter Punkt GmbH Co. KG

unter Verwendung von Motiven © krugli / AdobeStock; Boonyachoat / iStock / Getty Images Plus; VJ Dunraven / AdobeStock;

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-1744-1

www.be-heartbeat.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

Solch einen pikanten Skandal hatte das kleine verschlafene Dorf Upper Marcham noch nie erlebt.

Der Witwer Sir Benjamin Hayner, einer der Honoratioren des Ortes, war gestorben und hatte die Verwaltung seiner ausgedehnten Güter und seines gesamten Vermögens einer verarmten Dame aus gutem Hause, Harriet Metcalf, anvertraut. Miss Metcalf sollte die besagten Güter und das Vermögen verwalten, bis Sir Benjamins Zwillingstöchter, Sarah und Annabelle, einundzwanzig Jahre alt wurden. Die Zwillinge waren nämlich erst achtzehn. Harriet Metcalf war allerdings selbst auch nicht älter als gerade fünfundzwanzig.

Sir Benjamin war mit Harriets Eltern eng befreundet gewesen, und nach deren Tod hatte er Harriet oftmals nach ›Chorley Hall‹, seinem stattlichen Wohnsitz, zum Dinner eingeladen.

Aber kein Mensch – und am wenigsten seine zahlreichen Verwandten – hätte erwartet, dass er die Kontrolle über seine Hinterlassenschaft einem jungen Mädchen wie Harriet anvertrauen würde.

Die Tatsache, dass die Zwillinge an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag selbst über alles verfügen konnten und Harriet dann von einem winzigen Einkommen aus einer Familienstiftung leben musste, machte den Ärger nicht geringer.

Schließlich war Harriet Metcalf eine Abenteurerin und eine Dirne, man brauchte sie doch nur anzuschauen.

Ihr fülliges blondes Haar türmte sich wie eine dicke Wolke auf ihrem Kopf, und sie hatte riesige tiefblaue Augen. Ihre dunklen Augenbrauen waren schmal und geschwungen und ihre Wimpern lang und pechschwarz. Blonde waren nicht in Mode. Aber das war es nicht, was sie verdächtig machte.

Ihre Figur war geschmeidig und verführerisch. Sie hatte ein liebevolles Gemüt, aber die Leute im Dorf und die Verwandten behaupteten, dass jemand mit einer solchen Aura von Sinnlichkeit gar nichts anderes sein konnte als moralisch verwerflich. Sir Benjamin war ein gut aussehender Mann gewesen. Der Klatsch blühte und gedieh, als die Dorfbewohner ihre Vermutungen über die Beschaffenheit von Miss Metcalfs Beziehungen zu dem verstorbenen Sir Benjamin Hayner anstellten. (Lady Hayner war bei der Geburt der Zwillinge gestorben.)

Bisher war Harriet respektiert und sehr beliebt gewesen.

Dass den Verwandten die Trauben zu sauer waren, war zu erwarten gewesen, aber mit den Verdächtigungen und Feindseligkeiten der Dorfbewohner hatte Harriet nicht gerechnet, und sie verletzten und verwirrten sie.

All die Gerüchte stammten von den Zwillingen selbst. Sie waren eifersüchtig auf Harriet und so überzeugt davon, dass ihre Geschichten wahr seien, dass ihre üblen Nachreden durchaus glaubwürdig klangen. Sarah und Annabelle gingen bei der Verbreitung des Klatsches sehr umsichtig zu Werke, und niemand kannte die Quelle der Verleumdungen – am wenigstens Harriet, die die Zwillinge vergötterte und es als große Ehre betrachtete, dass sie ihr anvertraut waren, wenn auch nur für wenige Jahre.

Sir Benjamin hatte in seinem Testament verfügt, dass Harriet mit den Zwillingen nach London reisen sollte, um sie dort in die Gesellschaft einzuführen, und wenn sie während ihrer ersten Saison keinen Mann »abbekämen«, dann sollte sie sie ein zweites Mal präsentieren.

Die Beerdigung Sir Benjamins fand an einem bitterkalten Dezembertag statt. Harriet hatte danach mindestens zwei Wochen lang geweint, doch der Wunsch, das Beste für ihren alten Freund zu tun, hatte sie bewogen, ihre Tränen zu trocknen und darüber nachzudenken, wie sie die Mädchen in London groß herausbringen könnte.

Harriet lebte in einem Cottage am Rande des Dorfes. Es war klein, malerisch, Tudor und feucht. Bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr hatte sie mit ihren Eltern in ›The Grange‹, einem hübschen Haus im Queen-Anne-Stil, westlich des Dorfes gelebt. Das Leben war angenehm und ihre Zukunft gesichert. Es verstand sich von selbst, dass man Harriet in einen vornehmen Kurort mitnehmen würde, um sie dort in die Gesellschaft einzuführen und einen Gatten für sie zu finden, der mehr Wert auf Lebensstil als auf Geld legte. Mr und Mrs Metcalf bildeten sich viel auf ihren eleganten Stil ein. Mr Metcalf pflegte oft zu sagen, die Metcalfs könnten ohne Weiteres Herzöge oder Grafen sein, wenn sie Titel nicht für vulgär hielten. Harriet fand den Snobismus ihrer Eltern nie auch nur im Geringsten sonderbar. Da sie ohnehin nicht besonders zu Kritik neigte, liebte und gehorchte sie ihren Eltern und konnte gar nicht verstehen, warum ihre Gespräche, Kleider und Umgangsformen für Sir Benjamin eine nie versiegende Quelle der Belustigung waren. »Die Metcalfs sind unterhaltsamer als das Amphitheater von Astley«, pflegte er mit seinem fröhlichen Lachen zu sagen.

Dass seine Zwillingstöchter sie nicht mochten und eifersüchtig auf sie waren, wäre Harriet nie in den Sinn gekommen. Sie bewunderte viel zu sehr ihre vollendeten Manieren und ihre elegante Kleidung, als dass sie den Hass hinter der korrekten Fassade bemerkt hätte.

Nach dem Tod ihrer Eltern war sich Harriet ihrer beschränkten Verhältnisse nur allzu bewusst geworden. Ihre Eltern hatten ihr viele Schulden hinterlassen, und so mussten das Haus und die Möbel verkauft werden. Es blieb nur so viel übrig, dass sich Harriet das kleine Cottage kaufen konnte, in dem sie nun mit Beauty, einem großen, ewig sabbernden Bastard von reizbarem Charakter, lebte. Harriet liebte Beauty; sie fand menschliche Wesen oft unberechenbar und verwirrend, fühlte sich aber geborgen in der sicheren Ergebenheit dieses schwarz-braun gefleckten Hundes, der ihre Liebe erwiderte, während er jeden anderen auf der ganzen weiten Welt hasste.

Es gab wenige feine Leute im Dorf, und ganz sicher gab es kein Mädchen in Harriets Alter, das ihre Eltern als gesellschaftlich gleichwertig eingestuft hätten, und so spürte Harriet das Fehlen von Freunden bitter, als Sir Benjamin starb. Bevor das Testament verlesen wurde, war sie mit den meisten Dorfbewohnern immerhin flüchtig bekannt gewesen, aber jetzt mieden sie alle, und rätselhafterweise sahen sogar die Ladeninhaber sie scheel an.

Alle Männer, die um ihre Hand angehalten hatten, als ihre Eltern noch lebten, waren von diesen als »äußerst unpassend« abgewiesen worden, und jetzt schien es keinen Mann in der Gegend mehr zu geben, der eine alte Jungfer von fünfundzwanzig Jahren heiraten wollte, die nicht einmal eine Mitgift besaß.

Harriet war jedoch nicht ganz und gar allein. Eine seltsame Freundschaft war zwischen der sanften und lieblichen Harriet und einer Furcht einflößenden Jungfer namens Miss Josephine Spencer, die ebenfalls in der Gemeinde Upper Marcham lebte, aufgeblüht. Miss Spencer war seit zwei Monaten zu einem Kuraufenthalt in Bath; Harriet hatte ihr geschrieben, bis jetzt aber noch keine Antwort erhalten.

Harriet wollte die Zwillinge nicht mit ihren Sorgen belasten – sie hatten sicherlich genug damit zu tun, den Tod ihres Vaters zu verwinden. Sosehr Harriet Sarah und Annabelle auch bewunderte, im Grunde wünschte sie, Sir Benjamin hätte nicht ausgerechnet sie dazu ausersehen – in einem lächerlich jungen Alter –, Vormund der Zwillinge zu werden.

Eines Nachmittags, es schneite in großen Flocken, saß sie in dem kalten und spärlich möblierten Salon ihres Cottage und fragte sich, was in aller Welt sie als Nächstes tun sollte. Plötzlich hörte sie aus dem Vorgarten Wutschreie und lautes Gebell.

Das ist Beauty, dachte Harriet bestürzt.

Sie lief und öffnete die niedrige Haustür ihres Cottage. Auf der Schwelle stand eine erzürnte Miss Josephine Spencer, die mit ihrem Schirm auf Beautys dicht behaarten schmalen Kopf einschlug.

»Oh, Josephine!«, rief Harriet aus, die zu den wenigen Leuten gehörte, die Miss Spencer mit dem Vornamen anreden durften. »Komm herein. Sitz, Beauty! Böser Hund!«

Beauty rollte sich auf den Rücken und streckte alle viere von sich, sodass er es schaffte, nicht nur wie ein toter Hund auszusehen, sondern wie einer, bei dem die Leichenstarre bereits eingesetzt hat.

»Nun schau dir mein Cape an!«, wütete Miss Spencer. »Der Teufel soll das Vieh holen.«

»Es tut mir ja so leid«, sagte Harriet, während sie Josephine in den Salon bat. »Aber schau, dein Cape ist nur am Saum aufgerissen. Wenn du es mir gibst, habe ich es im Nu geflickt.«

Miss Spencer nahm ihr Cape ab. »Ich weiß nicht, warum du diesen Hund behältst. Er taugt nicht zum Jagen, er taugt nicht als Haustier, er ist böse, gierig und gemein. Wenn er mir gehörte, würde ich ihn erschießen. Du weißt, dass ich das Biest hasse. Habe ich das nicht immer gesagt? Weine nicht.«

Harriets blaue Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. »Es ist nicht deswegen, Josephine«, schluchzte sie. »Ich wünschte, ich wäre so stark wie du. Ich fühle mich so schwach und dumm.«

»Nimm dich zusammen«, forderte Josephine sie bärbeißig auf. »Du weißt, dass einem letzten Endes nichts etwas anhaben kann, wenn man mutig ist. Du brauchst nur mich anzuschauen.«

Harriet trocknete ihre Tränen und musterte ihre Freundin.

Schwäche konnte Miss Spencer bestimmt keiner vorwerfen. Sie war eine ledrige Person mit einem gelblichen, faltigen Gesicht und kleinen, funkelnden schwarzen Augen. Keiner wusste, wie alt Miss Spencer war, wenn man auch annahm, sie sei in den Fünfzigern. Sie trug einen abscheulichen steifen Hut und ein Kleid aus weinrotem Samt, das recht abgewetzt war. Harriet hatte sie vor drei Jahren auf einem Kirchenfest kennengelernt. Bis heute wusste Miss Spencer nicht, was sie an der jüngeren Frau so mochte. Sie fand Harriet zu sanft und nachgiebig, aber vielleicht übernahm sie deshalb die Rolle einer Ratgeberin, und Harriet schätzte ihre offene, wenn auch oft recht burschikose Art.

»Hast du meinen Brief bekommen?«, fragte Harriet und holte Nadel und Faden aus ihrem Nähkörbchen, nachdem sie den Schaden an Miss Spencers Cape begutachtet hatte. Ein jammervolles Heulen ertönte aus dem Garten. Beauty, der dachte, dass nun genug Zeit verstrichen und jetzt alles vergeben und vergessen sein müsste, begehrte Einlass.

»Lass den grässlichen Bettvorleger noch ein Weilchen da, wo er ist«, sagte Miss Spencer. »Ja. Ich habe deinen Brief bekommen – letztendlich. Die Harrisons, bei denen ich wohnte, nehmen an, dass ihre gesamte Korrespondenz aus Rechnungen besteht, und so haben sie deinen Brief einfach mit all ihren unbezahlten Rechnungen weggelegt und ihn erst vor ein paar Tagen entdeckt. Ich bin so schnell ich konnte herbeigeeilt. Das ist ja wirklich ein großes Glück. Wirklich.«

»Wie kannst du das sagen?«, rief Harriet aus. »Die armen Zwillinge haben ihren Vater verloren. Ich soll die Verwaltung der Güter und des Vermögens übernehmen und die Mädchen in die Gesellschaft einführen, und ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll.«

»Das Glück besteht darin: Bis die Mädchen einundzwanzig sind, kannst du ein komfortables Leben führen, schöne Kleider tragen und in einem guten Londoner Viertel wohnen, und wenn du Glück hast, machst du selber eine gute Partie.«

»Aber ich kann mir Kleider, die fein genug sind, um während der Londoner Saison die Anstandsdame zu spielen, nicht leisten.«

»Mein liebes Kind«, meinte Miss Spencer, »du nimmst das Geld dafür selbstverständlich aus dem Vermögen.«

»Das könnte ich nicht«, entgegnete Harriet. »Mrs. Draycott – Sir Benjamins Schwester, wie du weißt – hat nach der Verlesung des Testaments ganz laut gesagt, sie sei überzeugt, dass ich meine Schäfchen schon ins Trockene brächte, bevor die Zwillinge mündig seien. Und auch die Dorfbewohner sind ganz seltsam und unfreundlich geworden. Ich habe mich schon gefragt, ob Mrs. Draycott sie gegen mich aufgebracht hat.«

»Mrs. Draycott lebt, wie du sehr wohl weißt, in der nächsten Grafschaft und spricht mit keinem Menschen hier im Dorf. Bist du sicher, dass es nicht die Mädchen sind, Sarah und Annabelle, die bösen Klatsch verbreitet haben?«

»Aber ja, ganz sicher!«, rief Harriet völlig schockiert aus. »Du kennst sie natürlich nicht besonders gut, sie sind in allem, was sie tun, vollendete Damen, reifer als ich und viel weltklüger. Sie würden sich niemals dazu herablassen, zu klatschen.«

Miss Spencer schnaubte sich ausgiebig die Nase. Draußen ließ Beauty erneut ein jammervolles Geheul ertönen. »Ich muss ihn hereinlassen, liebe Josephine«, sagte Harriet. »Er wird dich nicht anrühren, wenn du mit mir zusammen im Zimmer bist. Du bist so lange fort gewesen, dass er dich vergessen hat. Er ist kein sehr intelligentes Tier, aber so gutherzig und mein einziger Freund, abgesehen von dir, deshalb –«

»Lass ihn herein«, brummte Miss Spencer mürrisch, »und dann können wir vielleicht endlich zur Sache kommen.«

Harriet eilte aus dem Zimmer, und aus dem winzigen Flur war verzücktes Gejaule und hingerissenes Pfotenscharren zu hören. Beauty kam sabbernd hinter Harriet herein, wartete, bis sie sich mit ihrem Nähzeug auf dem Schoß zurechtgesetzt hatte und legte sich dann sofort über ihre Füße, nicht ohne Miss Spencer mit einem kleinen, braunen, bärenhaften, feindseligen Auge zu betrachten. Miss Spencer blickte sich im Salon um und dachte – keineswegs zum ersten Mal –, dass alle Männer Dummköpfe seien. Es war so typisch für einen Mann, so typisch für den verstorbenen Sir Benjamin, solch ein verrücktes Testament zu machen. Wie viel vernünftiger wäre es gewesen, der armen Harriet ein hübsches Sümmchen zu vererben und ihr damit eine gewisse Unabhängigkeit zu sichern.

Der Salon war so gemütlich, wie ihn Harriet mit ihren beschränkten Mitteln gestalten konnte. Ein dekorativer Herbstlaubzweig, in Glyzerin konserviert, glühte in einem Bronzekrug im Schatten des Kerzenlichts, in dem der Raum lag. Harriet besaß zwei elegante Sheraton-Stühle und einen Tisch mit Einlegearbeit, aber der unebene Boden war blank, und der Kamin mit all den verrußten Haken und Ketten verriet, dass er zum Kochen benutzt worden war, bevor man die winzige Küche angebaut hatte.

»Du wolltest zur Sache kommen«, forderte Harriet Miss Spencer sanft auf. Sie fühlte sich schon viel besser. Josephines Art, das Leben zu meistern, hatte etwas sehr Beruhigendes an sich.

»Als Erstes müssen wir Sir Benjamins Anwalt aufsuchen«, sagte Miss Spencer. »Er wird es so einrichten, dass dir aus dem Vermögen eine ausreichende Summe gezahlt wird, damit du die Mädchen in entsprechend großzügigem Stil in die Gesellschaft einführen kannst. Er wird dir auch ein Haus für die Saison mieten können. Es wird nicht ganz leicht für ihn sein, eine Nobeladresse für dich zu finden, aber versuchen muss er es. Du darfst auch nicht hier wohnen bleiben. Als Vormund und Anstandsdame der Mädchen musst du in ›Chorley Hall‹ wohnen.«

»Ich hatte das Gefühl, das wäre ein bisschen anmaßend.«

»Unsinn. Du hättest gleich umziehen sollen«, meinte Miss Spencer. »Jetzt ist es zu spät, sich darüber Gedanken zu machen. In London musst du aber auf alle Fälle mit ihnen zusammen wohnen. Du musst so zeitig wie möglich vor Saisonbeginn dort sein. Du musst den Boden bereiten – das heißt, kleine Teegesellschaften geben, die tonangebenden Damen kennenlernen, vor allem alle Damen mit Söhnen im heiratsfähigen Alter.«

»Das flößt mir alles regelrecht Angst ein«, sagte Harriet. »Ich weiß nicht viel über die große Welt.«

»Nein, und über ihre Angehörigen auch nicht«, bemerkte Miss Spencer.

Sie sprach in scharfem Ton; Beauty wurde zu Harriets Füßen unruhig, zog die Lefzen zurück und fletschte die Zähne.

»Ich meine«, fuhr Miss Spencer fort, wobei sie Beauty aus den Augenwinkeln voller Abscheu betrachtete, aber ihren Ton vorsichtshalber mäßigte, »dass du die Hayner-Mädchen nicht sehr gut kennst. Ich weiß, dass du sagen willst, das sei lächerlich, aber denk einmal nach! Du hast nie wirklich mit ihnen gespielt, als ihr allesamt kleine Mädchen wart. Du hast sie nur in Sir Benjamins Gesellschaft gesehen. Ich habe die Leute sagen hören, dass sie ihrer Mutter nachgeraten, die ein gerissenes und boshaftes Weib war.«

»Josephine«, sagte Harriet, und eine feine Röte überzog ihr Gesicht, »ich bewundere Sarah und Annabelle schon seit langer Zeit. Sie haben etwas so Liebenswürdiges, Zartes und Feines an sich, das mir – ich muss es gestehen – fehlt. Ihr Benehmen in Gesellschaft ist tadellos. Ich bin schüchtern, und es fällt mir nie etwas ein, worüber ich mit den Leuten reden könnte. Sie haben mich immer willkommen geheißen und waren äußerst freundlich und mitfühlend, als meine Eltern starben.«

»Sie haben dich oft besucht, als du in ›The Grange‹ wohntest«, sagte Miss Spencer. »Wie oft waren sie da, seitdem du hierher gezogen bist?«

»Was ist über dich gekommen, Josephine?«, fragte Harriet vorwurfsvoll. Dann hellte sich ihre Miene wieder auf. »Ich weiß, warum du so reizbar bist. Du bist von der langen Reise müde, und außerdem haben wir nur über meine Sorgen gesprochen und kein Wort über deine Erlebnisse in Bath. Erzähl mir von all den Leuten, die da waren! Hat das Wasser dein Milzleiden kuriert?«

Miss Spencer, die zu ihrem Verdruss merkte, dass Harriets Loyalität gegenüber den Hayner-Zwillingen offenbar nicht zu erschüttern war, tröstete sich, indem sie ihre junge Gastgeberin mit einer beißend scharfen Beschreibung der Gesellschaft in Bath außerhalb der Saison unterhielt.

Harriet saß da und hörte zu, während sie den Riss in Miss Spencers Cape zu Ende flickte, froh darüber, dass ihre Freundin wenigstens nicht mehr an den Zwillingen Kritik übte.

Genau in diesem Augenblick betraten eine halbe Meile nördlich von Upper Marcham Sarah und Annabelle ihr Heim ›Chorley Hall‹, nachdem sie dem Anwalt ihres Vaters in der Bezirkshauptstadt einen vergeblichen Besuch abgestattet hatten.

Sie standen in der Eingangshalle, nahmen ihre Umhänge ab und lauschten auf das Geräusch der Unterhaltung, das aus dem kleinen Salon im Erdgeschoss drang. Sir Benjamins Schwägerin, Miss Giles, hatte sich nach dem Begräbnis eingenistet und zeigte keinerlei Anzeichen, abzureisen. Auch sein Bruder, Mr Peter Hayner, und dessen Frau, Mrs Amy Hayner, schienen hier bleiben zu wollen.

»Ich kann im Moment keinen von ihnen ertragen«, sagte Sarah. »Wir wollen in den oberen Salon gehen, Annabelle. Wir müssen Kriegsrat halten.« Sie wandte sich an den Butler. »Biggins, wagen Sie es ja nicht, irgendjemandem zu sagen, dass wir zurück sind.« Sie legte ihren Arm um die Taille ihrer Schwester, und zusammen stiegen sie die breite Eichentreppe hinauf.

»Was in aller Welt sollen wir bloß mit diesem lästigen Wesen, dieser Harriet, anfangen?«, fragte Sarah, als sie die Tür zum Salon aufstieß. »Wirf ein frisches Scheit aufs Feuer, Annabelle, und klingle nicht dauernd nach den Dienern, sonst haben wir nie eine Chance, uns in Ruhe zu unterhalten.«

»Die Diener werden doch dafür bezahlt, dass sie was tun«, maulte Annabelle, aber sie war viel zu träge, um sich je mit ihrer durchsetzungsfähigeren Schwester zu streiten.

Die Hayner-Zwillinge hätten haargenau gleich ausgesehen, wenn ihr leicht unterschiedliches Naturell nicht ihr Aussehen geprägt hätte. Sarah war dünn und energiegeladen, während Annabelle eher mollig und lässig war. Sarah nahm immer alles sehr ernst, während Annabelle die Wechselfälle des Lebens meist hinnahm und nur gelegentlich murrte. Sie hatte sich daran gewöhnt, es Sarah zu überlassen, sämtliche Probleme in die Hand zu nehmen. In Gesellschaft war ihre Ähnlichkeit auffallender, da beide dasselbe Benehmen zur Schau trugen – eine Art wohlanständiger Weiblichkeit, mit der viel unterdrücktes Gekichere, Auf- und Zuklappen des Fächers, Rollen mit den Augen und Gespräche, die an der Oberfläche dahinplätscherten, verbunden waren. Kurz, sie verhielten sich so, wie man es von Debütantinnen aus gutem Hause nicht anders erwartete. Wäre ihre soziale Stellung niedriger gewesen, dann hätten sie als nicht besonders hübsch gegolten, aber eine Menge Geld verlieh ihrem Aussehen im Auge eines jeden Betrachters, der weniger zynisch als etwa Miss Josephine Spencer war, einen gewissen Glanz.

Beide hatten braunes Haar, das nach der neuesten Mode frisiert war; beide hatten eine gerade kleine Nase und ein kleines Schmollmündchen. Aber beide neigten zu einem etwas fahlen Teint. Sie trugen Pastellfarben, die ihnen nicht schmeichelten, und die Kleider mit den hoch angesetzten Taillen hingen lose um Sarahs dürre Gestalt und waren auch für Annabelles dickliche Figur unvorteilhaft, vor allem, weil sie es liebte, ihre Kleider zu eng nähen zu lassen.

Sie hatten von ihrem Anwalt, Mr Gladstone, noch einmal erfahren, dass an den Testamentsklauseln nicht zu rütteln war. Sie sollten von Miss Harriet Metcalf in London in die Gesellschaft eingeführt werden, und es gab keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Vergeblich hatte Sarah gewütet, dass Harriet eine Intrigantin sei, die ihren Vater verhext habe, und dass sie ihr Vermögen verschwenden und ihnen nichts übrig lassen werde. Mr Gladstone hatte entschlossen gesagt, dass Sir Benjamin der Meinung gewesen sei, Miss Metcalf sei die einzige anständige Frau, die es noch in Britannien gebe – eine Meinung, so sagte Mr Gladstone, die er mit ihm teile. Die Verwaltung und Leitung der Güter würde wie zu Lebzeiten Sir Benjamins durch dessen Verwalter, Robert Wyckoff, erfolgen. Mr Wyckoff würde selbstverständlich Miss Metcalf in allen Angelegenheiten zu Rate ziehen. Sarah sagte darauf, dass Miss Metcalf als Mädchen vom Land keinerlei Beziehungen habe und deshalb nicht dafür geeignet sei, sie während der Londoner Saison als ihre Anstandsdame zu begleiten. Mr Gladstone erwiderte ohne Mitgefühl, dass er überzeugt sei, dass Miss Metcalf ihr Bestes geben werde, und wenn die Misses Hayner meinten, sie könnten es besser, dann brauchten sie nur zu warten, bis sie einundzwanzig waren.

»Meinst du nicht, dass es gescheiter wäre«, wagte Annabelle zu sagen, »ihr zu erlauben, uns nach London zu bringen, da wir keine rechtlichen Möglichkeiten haben?«

»Und ihr dabei zusehen, wie sie uns schröpft?«, fragte Sarah.

»Ich mag sie auch nicht, Schwesterchen«, entgegnete Annabelle. »Trotzdem wäre es vielleicht gut, nachzugeben. Sie ist nicht die süße Unschuld, die wir ihr alle abnehmen sollen. Sie hat sich in Papas Herz geschlichen und –«

»Und dafür soll sie uns büßen«, unterbrach Sarah sie und hielt die dünnen Hände über die Feuerglut. »Du hast manchmal wirklich gute Ideen, Annabelle. Wir wollen nach London gehen. Wir sind beide hübsch genug, um es mit den Gunter-Schwestern aufzunehmen. Am Ende der Saison sind wir wahrscheinlich beide verlobt.«

»Vergleich uns nicht mit den Gunter-Schwestern«, kicherte Annabelle. Die Gunter-Schwestern waren im Jahrhundert zuvor berühmt gewesen für die blendenden Partien, die sie gemacht hatten. »Weißt du, was eine von ihnen zu George II. gesagt haben soll? Der alte König beklagte sich, dass ihm Staatsakte zuwider seien, und eine der Schwestern sagte fröhlich: ›Ich mag sie auch nicht, Eure Majestät. Der einzige Staatsakt, den ich sehen möchte, ist die nächste Krönung!‹«

Sarah schnappte nach Luft vor hilflosem Gekichere. Schließlich trocknete sie sich die Tränen, die sie gelacht hatte, und sagte: »Wir müssen dafür sorgen, dass Harriet uns nicht auf ihre hinterhältige Art die Schau bei den Gentlemen stiehlt. Sie hat es schließlich geschafft, dass Papa sie wie eine Tochter geliebt hat. Das kann ich ihr nie verzeihen. Wenn sie mit ihm kokettiert und er sie als Mätresse in Betracht gezogen hätte, wäre es leichter zu ertragen gewesen. Aber wenn sie so dasaß mit ihren blauen Augen und tat, als könnte sie kein Wässerchen trüben, habe ich mich jedes Mal krank geärgert.«

»Und Papa wollte nicht ein Wort gegen sie hören.«

»Aber warte nur, bis wir in London sind, Miss Harriet Metcalf, da wirst du sehen, dass du nicht durchkommst, wenn du die Unschuld vom Lande spielst.« Sie tat so, als klemme sie sich ein Monokel ins Auge und starrte Annabelle hochmütig an. »Meiner Seel«, spottete sie mit tiefer Stimme, »wer ist denn dieses dümmliche Milchmädchen bei den schönen Hayner-Zwillingen?«

»Es ist wirklich zu köstlich«, sagte Annabelle und begann von neuem zu kichern. Sarah knuffte sie liebevoll, und dann rollten beide Schwestern auf dem Sofa herum und konnten sich nicht halten vor Lachen bei dem Gedanken an die wohlverdiente Strafe, die Miss Metcalf treffen würde.

Harriet und Miss Spencer wollten am folgenden Tag gerade Harriets Cottage verlassen, um dem Anwalt, Mr Gladstone, einen Besuch abzustatten, als dieser Herr sie durch sein Auftauchen am Gartentor überraschte. Froh darüber, sich die Fahrt nach Barminster ersparen zu können, baten ihn die Damen in den Salon, wo Harriet all ihre Sorgen heraussprudelte. Mr Gladstone konnte sie beruhigen. Die geschäftlichen Angelegenheiten der Güter würden wie bisher geregelt werden; er selbst würde die Verwaltung des Vermögens übernehmen. Harriet sollte so lange eine Unterstützung ausbezahlt werden, bis die Zwillinge mündig waren. Und was die Suche nach einem Haus für die Saison anging – Mr Gladstone lächelte triumphierend und brachte aus einer seiner geräumigen Taschen ein zerknittertes Exemplar der Morning Post zum Vorschein.

»Ich habe mir die Freiheit genommen, auf eine Anzeige in dieser Zeitung zu schreiben«, sagte er. »Das annoncierte Haus liegt in einer guten Gegend, und der Preis ist sehr mäßig.«

Er zeigte auf eine Anzeige in der Zeitung.

Harriet und Miss Spencer beugten sich vor. Sie lasen:

EIN HAUS FÜR DIE SAISON

Herrenhaus, Clarges Street 67,

Mayfair. Möbliertes Stadthaus.

Gut geschultes Personal.

Miete: 80 Pfund Sterling.

Näheres bei Mr Palmer, Holborn 25.

»Wunderbar!«, sagte Harriet.

»Zu billig für solch eine Nobeladresse«, meinte Miss Spencer mit besorgtem Stirnrunzeln. »Ich frage mich, ob da nicht irgendetwas faul an der Sache ist.«

Kapitel 2

Es regnete schon seit Wochen ohne Unterlass. Der Regen gluckste in den Dachrinnen und lief in Strömen die Rinnsteine in der Mitte der Londoner Straßen hinab. Der Regen trommelte ebenso erbarmungslos in den Slums von Seven Dials wie in den ruhigen Straßen von Mayfair.

Durch die Clarges Street arbeitete sich ein Pferdefuhrwerk und pflügte die Wellen des Sturzbachs, der sich durch die Straße ergoss, dass sie die Außentreppe von Clarges Street Nummer 67 wie ein Niagarafall im Kleinformat hinabstürzten und einen Schwall Schmutzwasser über die weißen Seidenstrümpfe des Lakaien Joseph gossen, der die Tür gerade in diesem Augenblick geöffnet hatte. Er stieß einen heiseren Schrei aus wie ein empörter Papagei und lief durch die Küche in die Gesindestube zurück.

»Schaut euch meine Strümpfe an«, kreischte er. »Schwarz wie Pech.«

»Zieh dir andere an«, sagte Rainbird, der Butler, gereizt. »Das ist doch kein Weltuntergang.«

Aber Joseph – groß, blond, verweichlicht und eitel – ließ sich nicht trösten. »Doch, es ist ein Weltuntergang«, sagte er trauernd, setzte sich neben Rainbird an den Tisch, zog einen Schnallenschuh aus und leerte das Wasser auf den Boden; dann zog er einen Strumpf aus und betrachtete seinen nackten Fuß so überrascht, als ob er ihn bisher nie richtig wahrgenommen hätte. »So was von Regen habe ich noch nie erlebt«, fuhr er in einem Tonfall gequälter Vornehmheit fort. »Regen, Regen, Regen, und kein Mieter für die Saison.«

»Was das betrifft«, sagte Rainbird bedachtsam, »so habe ich eine Mitteilung von Jonas Palmer bekommen, dass er uns heute aufsuchen will. Vielleicht hat er eine gute Nachricht für uns.«

Mehrere hoffnungsvolle Augen richteten sich auf ihn. Die Dienerschaft von Nummer 67 hatte gerade ihr Frühstück beendet. Außer Joseph und Rainbird saßen noch um den Tisch der Koch aus dem schottischen Hochland, Angus MacGregor; Mrs. Middleton, die Haushälterin; Jenny, das Zimmermädchen, und Dave, der Küchenjunge. Es war eine merkwürdig gemischte Runde, die durch besondere Umstände zu einer eng verbundenen Sippe, ja geradezu Familie, zusammengeschweißt war.

Clarges Street Nummer 67 galt immer noch als Unglück bringende Adresse. Der Besitzer des Hauses war der zehnte Duke of Pelham, nachdem sich der neunte Duke hier erhängt hatte. Obwohl es gelungen war, das Haus in den letzten zwei Jahren während der Saison zu vermieten, hatten die dramatischen Ereignisse, die den Mietern zugestoßen waren, die elegante Welt davor zurückschrecken lassen, es als Stadtresidenz zu wählen. Palmer, der Hausverwalter, zahlte den Dienern Hungerlöhne, während er seinem jungen Herrn höhere in Rechnung stellte. Er hatte anstößige Dinge über Rainbird und Joseph herausgefunden und drohte, sie zu ruinieren, wenn sie versuchen sollten, zu gehen. Die Macht, die er über die anderen ausübte, bestand schlicht und einfach darin, dass er ihnen keine Referenzen gab. Und ohne Referenzen war es unmöglich, eine Stellung in London zu finden, und auch dann war es noch schwierig genug. Die Tochter der letzten Mieter, die jetzige Lady Tregarthan, hatte die Dienerschaft zwar mit wärmsten Empfehlungen versehen, aber sie wussten, dass kein Haushalt sie allesamt aufnehmen würde; und sie waren einander so verbunden, dass es ihnen widerstrebte, sich zu trennen. Stattdessen träumten sie davon, genug Geld anzusparen, um sich ein Wirtshaus kaufen zu können, das sie gemeinsam betreiben wollten.

Rainbird war der »Vater« der Familie. Er war ein gestandenes Mannsbild in den Vierzigern mit dem drahtigen Körper eines Akrobaten und dem Gesicht eines Komödianten. Mrs Middleton – das »Mrs« war in ihrem Fall ein Höflichkeitstitel – war die Tochter eines Vikars, der sein Geld und seine Stellung verloren hatte. Sie war, wie die Franzosen das so feinfühlig ausdrücken, eine Frau in einem gewissen Alter, mit einem verschreckten Kaninchengesicht, das meist von den riesigen gestärkten Rüschenhauben, die sie so gerne trug, überschattet war. Der Koch, MacGregor, stammte vom schottischen Hochland und war leicht erregbar – kurz, er hatte ein Temperament, das seinem feuerroten Haar entsprach. Jenny war dunkelhaarig, flink, mit raschen, fast hastigen Bewegungen. Im Gegensatz zu dem Zimmermädchen war Alice, das Hausmädchen, blond und anmutig, mit langsamen, bedächtigen Bewegungen und einer klangvollen Stimme. Die kleine Lizzie, die nun nicht mehr so sehr einem verwahrlosten Kind glich wie bei ihrem Dienstantritt, hatte ein blasses Gesicht, dickes nussbraunes Haar und die großen, vertrauensvollen Augen eines jungen Hundes. Sie saß neben Joseph, und nicht am Tischende, an das sie eigentlich gehört hätte – aber die Diener hielten sich, wenn das Haus nicht vermietet war, nur gelegentlich an die Rangfolge. Obwohl sie bloß das Spülmädchen war, wurde sie von den anderen mit einer gewissen rauen Zuneigung behandelt. Dave, der Küchenjunge, war ein verhutzelter kleiner Cockney. Er war erst vierzehn, und seine Kinderjahre als Lehrling eines Kaminkehrers hatten sein Wachstum gehemmt und sein Gesicht früh altern lassen.