Ein Jahr in Dublin - Jeannette Villachica - E-Book

Ein Jahr in Dublin E-Book

Jeannette Villachica

4,5

Beschreibung

Warum Dublin? Was wusste ich schon von Irland? Und wer spricht hier eigentlich Irisch? Erste Expeditionen zeigen: Guinness is good for me - wo Malzschwaden wehen, da liegt meine neue Heimat. Nicht zu vergessen: St. Patrick's Day, der vom stillen Nationalfeiertag zum schrillen Festival mutiert ist. Irisches Fernsehen jedoch bleibt unerträglich - und irische Herzlichkeit unwiderstehlich. Und eines zeigt sich als unerreichbar: "How to speak like a real Dub."

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Jeannette Villachica

Ein Jahr in Dublin

Reise in den Alltag

Impressum

Originalausgabe

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2008

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book): 978-3-451-80259-1

ISBN (Buch): 978-3-451-05971-1

Inhalt

Warum Dublin?

August O du, mein Reihenhaus

September Wissenschaft Busfahren

Oktober Multikulti und real Dublin

November Freundschaftsfrust

Dezember Im Kauf- und Partyrausch

Januar Guinness is good for me

Februar Frühlingsluft und Freiheitskampf

März Besuch aus Deutschland

April Der unbekannte Norden

Mai Männer, Frauen und der Papst

Juni Summerfeeling

Juli Wir bleiben noch

Sei du selbst! Alle anderen sind bereits vergeben.

(Oscar Wilde)

Warum Dublin?

Eines Tages spürte ich: Jetzt ist es wieder so weit. Ich war 27, arbeitete in einem Straßburger Übersetzungsbüro, war verliebt in Alex, einen französischen Kollegen, und eigentlich ganz glücklich. Ich mochte Straßburg: die idyllischen Gassen der Altstadt, die Nähe zu Deutschland und meine schnuckelige Wohnung, von der aus ich alle wichtigen Orte – meine Lieblingscafés, das Büro, den Rhein – mit dem Fahrrad erreichen konnte. Alles in allem ein anheimelndes Nest. Aber ich brauchte einen Wechsel.

Ich stellte mir eine Stadt vor, die lebendiger war, aber auch nicht zu anstrengend. Eine Stadt, in der man leicht Kontakt bekam und in der ich vielleicht den Rest meines Lebens verbringen wollte. Welche das sein sollte, wusste ich noch nicht, aber Alex wusste es, als ich ihm von meiner Unruhe erzählte.

„Wir könnten nach Dublin gehen“, sagte er sofort.

Alex war in Straßburg aufgewachsen, seine Eltern und die meisten seiner Freunde lebten dort. Ich hatte nicht gewusst, dass er auch weg wollte. Wir kannten uns erst seit ein paar Monaten und hatten – wen wundert’s – noch nie übers gemeinsame Weggehen gesprochen. Dennoch war es nicht völlig abwegig: Wir waren unzertrennlich und beide ziemlich genervt von der Weltuntergangsstimmung in Deutschland und Frankreich. In beiden Ländern herrschte die Krise. Auch Alex und ich würden in Kürze unsere Jobs verlieren, und die Aussichten, als Informatiker (Alex) und Übersetzerin (ich) mit wenig Berufserfahrung in Straßburg eine neue Stelle zu finden, waren alles andere als rosig. Und dann war da natürlich der Kick des Neuen, das Abenteuer. Mir ging es zudem um etwas, das man hätte Heimatsuche nennen können. Die Suche nach einem Ort, an dem ich mich zugehörig fühlte, war für mich längst nicht abgeschlossen.

Aber warum Dublin? Frédéric, ein Ex-Kommilitone von Alex, der seit zwei Jahren in Dublin arbeitete, hatte uns erzählt, es gebe dort jetzt jede Menge Jobs, nicht nur in der Informationstechnologie. Die Iren seien so glücklich über den wirtschaftlichen Aufschwung, dass sie sich in einer Art Dauerhoch befänden. Auch deutsche Zeitungen hatten den Celtic Tiger entdeckt und schrieben über die gute Stimmung im ehemaligen „Armenhaus Europas“. Internationale Konzerne, allen voran amerikanische, ließen sich im Dubliner Großraum nieder, um von dort aus den europäischen Markt zu bedienen. Sie suchten händeringend junge, flexible Arbeitskräfte, die möglichst viele Sprachen beherrschten. Leute wie Alex und mich.

Es hatte eine Zeit gegeben, in der meine Begeisterung für die Grüne Insel meine eher bewundernde Liebe zu Frankreich völlig verdrängt hatte. Nach dem Abitur war ich mit einer Freundin zwei Sommer lang durch Irland gereist. In Dublin waren wir nur kurz gewesen. Als echte Ökos auf dem Naturtrip konnte uns die Stadt wenig bieten. Ganz im Gegensatz zur rauen, unbezähmbaren Landschaft Connemaras und Donegals. Die war mir nicht nur im Gedächtnis, sondern – ja, wirklich! – im Herzen geblieben. Und ich war bezaubert von den kontaktfreudigen, herzlichen Menschen, die uns staubige Tramper zum nächsten Hostel fuhren, obwohl es nicht auf ihrem Weg lag. Ich mochte ihren Galgenhumor und ihre wehmütig-fröhliche Musik. Ich mochte sogar ihre Pubs, obwohl ich damals überhaupt keine Kneipengängerin war. Es waren zwei lustige und besinnliche Sommer mit den Pogues und Fiddler’s Green, mit Bölls Irischem Tagebuch, unseren Skizzenbüchern, Brombeerhecken und Crunchy-Nut-Müsli. Die einzige brenzlige Situation auf der Reise war, dass uns eine Kuhherde attackierte, als wir ihre saftige Wiese überquerten.

Eine Menge Klischees, denke ich heute. Eine beglückende Illusion vom Eins-Sein mit der Natur. Ich fühlte mich willkommen und gut aufgehoben, musste nichts beweisen. Natürlich war das Urlaub. Und nicht Dublin. Aber die menschliche Wärme und Geborgenheit, die ich mit Irland verband, fand ich auch in anderen Dingen: Ich liebte Filme von Jim Sheridan und Neil Jordan, Texte von Roddy Doyle und Oscar Wilde und Songs von U2, Sinéad O’Connor und Van Morrison. In einigen ihrer Werke spürte ich das pralle Leben, das man auskostet, egal, ob es gerade leicht oder schwer ist: den Kampf mit sich und der Außenwelt; Melancholie, aber auch eine tiefe Lebenslust und ein Vertrauen in das Gute im Menschen; verquerer, manchmal derber Humor und scharfer Witz als Lebenselixier. Nicht zuletzt standen die oben genannten Meister in meinem Kopf für das rechte Maß an Verrücktheit und Bodenständigkeit, für Familiensinn und Solidarität, gepaart mit der unspektakulären Unterwanderung von Autoritäten.

Nur leider war Irland nicht gleich um die Ecke. Mir kamen immer wieder Szenen wie aus einem Bollywood-Film in den Sinn: meine Familie und Freunde in Deutschland auf der einen Seite des Wassers, ich auf der anderen. Wir recken voller Sehnsucht die Arme, aber die Irische See erweist sich als unüberwindbar. Und dann das Wetter. Ich bekam, gelinde gesagt, ein mulmiges Gefühl, als ich mich daran erinnerte, wie sehr mir der irische Regen und die erschöpfenden, schnellen Wetterwechsel auf die Stimmung geschlagen hatten. Aber in einer Großstadt wie Dublin wäre man ja bestimmt nicht so vom Wetter abhängig. Oder?

Kurz darauf fing Alex in Dublin als Technical Support Specialist an. Ich musste noch drei Wochen lang auch abends Anleitungen für medizinische Geräte und Broschüren fürs Tourismusbüro der Region Rhône-Alpes übersetzen. Woher die viele Arbeit plötzlich kam, war mir ein Rätsel, schließlich sollte das Büro wegen Auftragsmangel geschlossen werden. Jedenfalls hatte ich kaum Zeit, mich nach Stellen in Dublin umzusehen. Alex erklärte am Telefon, ich könne die Jobsuche ruhig auf meine ersten Tage in Dublin verschieben. Dort laufe alles über Recruitment Agencies, die meist sehr kurzfristig Leute suchten. Eine Stelle würde ich mit meinen Sprachkenntnissen auf jeden Fall schnell finden, wenn auch vielleicht nicht gleich als Übersetzerin.

Die Tatsache, dass ich ohne Job nach Irland übersiedeln würde, beruhigte mich nicht sonderlich. Ich konnte das natürlich schlecht zugeben, weder meinen Eltern gegenüber, die vor Sorge um ihre rastlose Tochter sowieso kaum schlafen konnten, noch in Gesprächen mit meinen Freunden, von denen mich einige für verrückt erklärten. „Was willst du denn als Übersetzerin für Französisch und Spanisch in Irland?“, fragte Katja. Plötzlich wusste ich das auch nicht mehr, und mir kam nur ein „Die Arbeit ist ja nicht alles, oder?“ über die Lippen. Andere Freunde beneideten mich oder fanden es grundsätzlich mutig, ins Ausland zu gehen. Ich kam mir wenig heldenhaft vor. Was, wenn ich keinen Job fände? Je näher der Zeitpunkt meiner Abreise rückte, desto mehr schnürten mir düstere Gedanken den Hals zu.

Abends redete Alex beruhigend auf mich ein: „Es wird schon alles gut für uns laufen, Chérie. Warte doch, bis du hier bist, bevor du dich aufregst.“ Ich versuchte es. Schließlich wollte ich weder vor Alex noch vor den Iren als hysterisches Nervenbündel dastehen. Ich nahm mir vor, mich an den legendären irischen Optimismus zu halten. Schon Böll wusste, dass für einen Iren nie der schlimmste Fall eintreten kann. Im „Irischen Tagebuch“ hatte ich gelesen: „Stirbt einem die geliebte und hochverehrte Großmutter, so hätte ja auch noch der geliebte und verehrte Großvater sterben können; brennt der Hof ab, die Hühner aber werden gerettet, so hätten ja auch noch die Hühner verbrennen können, und verbrennen sie gar: nun – das Schlimmere: dass man selbst gestorben wäre, ist ja nicht passiert. Stirbt man gar, nun, so ist man aller Sorgen ledig, denn jedem reuigen Sünder steht der Himmel offen, das Ziel mühseliger irdischer Pilgerschaft.“ Ich besaß zwar weder Hof noch Hühner, meine Großväter lagen auch schon im Grab, aber deswegen glaubte ich noch lange nicht, mir könne nichts Schlimmes mehr passieren. Vielleicht würde mir das Gottvertrauen fehlen, dennoch wollte ich versuchen, in Irland ein bisschen gelassener zu werden. In ein, zwei Jahren würde ich dann, von Selbstzweifeln befreit und von Optimismus durchdrungen, zurückkehren. Oder ich würde für immer dort bleiben, einen Bauern in Mayo heiraten und sieben Kinder kriegen. Möglicherweise wäre ich nach der siebten Geburt auch froh, überhaupt noch zu leben. Nun ja, vorsorglich erzählte ich niemandem davon. Schon gar nicht Alex, der sich und mich vermutlich wieder einmal gefragt hätte, warum Deutsche sich das Leben so gerne schwer machten. Natürlich war das ein plattes Vorurteil. Eigentlich war ich die Unbeschwertheit in Person. Ich musste nur den richtigen Ort, die richtigen Menschen, das richtige Leben finden, um diese Seite an mir ausleben zu können. Straßburg war kuschelig, aber in Sachen Witz und Leichtigkeit hatten mir die Elsässer wenig voraus. Vielleicht wäre ja Dublin die Stadt, in der sich mein wahres Ich voll entfalten würde. Es war einen Versuch wert.

August O du, mein Reihenhaus

Meine Sitznachbarin verrenkte sich, um einen Blick auf die Bucht zu erhaschen. Bis dahin hatten wir den Flug fast schweigend verbracht, sie in einen englischsprachigen Schmöker mit rosafarbenem Einband vertieft, ich in meine Gedanken. In der Woche davor war ich kaum zu mir gekommen: packen, die Wohnung auflösen, mich von Kollegen und Freunden verabschieden, meine Sachen zu meinen Eltern nach Nürnberg fahren. Gut bepackt machte ich mich auf den Weg. Am Flughafen ein paar Tränen vergossen, Küsse, Umarmungen und Segnungen aller Art ausgetauscht. Irgendwann saß ich wirklich im Flugzeug und war wie in Trance. Ob vor Glück oder vor Erschöpfung, keine Ahnung. Jedenfalls zogen die zwei Stunden, die die Maschine nach Dublin brauchte, an mir vorbei. Erst als die Stewardess die Landung ankündigte und ich aus dem Fenster sah, kam mein Kreislauf wieder in Gang. Unter uns lagen grüne Wiesen und Felder, die in der Sonne leuchteten. Dazwischen Baumreihen und kleine Siedlungen. Links in der Ferne lag Dublin. Das Wasser glitzerte in der Bucht. Ein paar Wolken und offenbar starker Wind sorgten für ein schnelles Schattenspiel.

„Great weather we’re having.“ Meine Sitznachbarin lächelte mich an und steckte ihr Buch ein. „Machen Sie Urlaub in Irland?“, fragte sie mit einem harten Akzent. Ich bejahte der Einfachheit halber. Was hätte ich ihr von meinem Leben in Dublin erzählen können? Ich wusste ja selbst noch nichts darüber. „Da haben Sie Glück“, meinte sie. Sie sei nur für ein paar Tage in Irland, weil ihr Bruder heiratete. „Ich arbeite seit zwei Jahren in Osnabrück.“

Neben dem Flughafengelände waren ein paar Kühe, Schafe und Pferde wie Spielzeug auf den Wiesen verteilt. Mir war ganz heiß vor Aufregung, als ich irischen Boden betrat. Auf den Rollbahnen standen ein paar grün-weiße Aer-Lingus-Maschinen mit dem dreiblättrigen Kleeblatt drauf. Gleich würde ich Alex wiedersehen und kurz darauf unser Haus betreten. Mein Herz klopfte, die Sonne schien weiter, und zum ersten Mal seit drei Wochen dachte ich, ohne dass Alex es mir ins Ohr flüsterte: „Es wird schon alles gut für uns laufen.“

Ein paar Tage zuvor klang Alex geradezu euphorisch. „Wir haben endlich ein Haus gefunden“, platzte er heraus. „Ein Reihenhaus in Artane, einem nordöstlichen Stadtteil. Die Gegend ist nicht besonders schön, aber mit dem Bus nur eine Viertelstunde vom Zentrum entfernt. Und vor dem Haus steht eine Palme!“ Das Haus war die einzige Unterkunft, die Alex passabel und bezahlbar fand. Und das, obwohl er seine Ansprüche jeden Tag weiter runtergeschraubt hatte. In der Firma hatten sie den Neuankömmlingen geraten, sich zusammenzutun und zu dritt oder viert ein Haus zu mieten. Eine freie Ein- oder Zweizimmerwohnung würden sie nicht so schnell finden, und teurer sei das im Verhältnis allemal. Ich hatte jahrelang in Wohngemeinschaften gelebt und kein Problem damit. Alex schon. Ihn entsetzte der Gedanke, mit Fremden unter einem Dach zu wohnen. Da das Bed & Breakfast, in dem er schlief, jedoch langsam unbezahlbar wurde, tat er sich schließlich mit seinem deutschen Kollegen Till zusammen und mietete das voll möblierte Prachtstück in Artane. Schon am nächsten Tag zogen sie ein. Einen Mietvertrag gab es nicht, nur einen warmen Händedruck vom Vermieter und eine Quittung für die Kaution.

Da stand ich nun an einem Samstagnachmittag vor eben diesem Haus. Im Vorgarten war sie, die Palme. Nicht die prächtigste Vertreterin ihrer Art, eher klein und hager, die untersten Blätter waren braun, aber sonst gab es in der Tat nicht viel, das man hätte positiv erwähnen können. Die ehemals weißen Reihenhäuser konnte man allenfalls an den Autos unterscheiden, die davor standen. Wie war das mit den bunten Türen in Irland? Hier war fast jede Tür braun oder aus braunem Holz, kombiniert mit Glas. Es gab auch keine Balkone oder Blumenkästen, die man hätte bepflanzen und so ein bisschen Farbe ins Spiel bringen können. Auch in den Vorgärten schien sich die Leidenschaft fürs gardening nicht durchgesetzt zu haben. Alles nicht sehr anheimelnd.

„Der Anblick haut dich um, was?“ Alex schaute besorgt. Ich riss mich zusammen. „Zum Glück ist unser Haus das letzte in der Straße, da finden wir es auch nachts.“ Ein Mann, der vor dem Nachbarhaus geparkt hatte, stieg aus und warf uns zusammen mit einem Lächeln ein „How’s it goin’?“ entgegen. Äh. „Fine thanks“, antwortete ich brav. Spätestens nach ein paar Tagen war mir klar, dass auf diese und ähnliche Fragen niemand durchdachte Ausführungen zu meinem Befinden erwartete. Dennoch dauerte es ewig, bis mir auf ein „How’re you?“ oder ein breiteres „Howaya?“ ein gedehntes „Grand!“ oder „Very well, thanks a million. An’ yourself?“ wie automatisch über die Lippen kam. Geht’s mal nicht so „brilliant“ und will man das auch wirklich kundtun (das will man in Irland viel seltener als in Deutschland), erwidert man: „Not too bad“ (mittelmäßig), „Not too good“ (nicht so gut) oder „Useless!“. Für Letzteres muss man aber schon mit einem Bein im Grab stehen.

Till guckte einen Actionfilm, als wir reinkamen. Sein Auto mit Hannoveraner Kennzeichen hatte er, wie viele unserer Nachbarn, im Vorgarten, direkt vor der Fensterfront des Wohnzimmers geparkt. Alex hatte mir erzählt, wie froh er war, dass Till ein Auto besaß. Die Wohnungsbesichtigungen nach der Arbeit und am Wochenende seien auch mit Auto anstrengend genug gewesen. Ich sah mich um. Till saß aufrecht auf einer riesigen Couch, das eine Bein übers andere geschlagen. Das Wohnzimmer war nicht übel. Klar, in Deutschland hätte ich mich geweigert, mit solch pseudorustikalen Möbeln zu leben, aber immerhin waren die Farben nicht völlig abartig, und es gab einen echten Kamin! Davor stand eine Kiste mit Feuerholz. Die Küche war relativ groß und, von einer Einbauküche abgesehen, leer. Hinter Esszimmer und Küche lag der Garten. Zwei Stufen runter, und ich stand auf einem Rasen, der wie der im Vorgarten schon etwas verwildert war. Einen Rasenmäher an der Hauswand und eine Reihe von Fuchsien hinten an der grauen Mauer, die den Garten rundum abschirmte, gab es auch noch. Hinter der Mauer raschelten Baumkronen im Wind.

Oben waren vier Zimmer, den vierten Mieter mussten wir erst noch finden. Das Bad war mit seinem hellblausonnengelben Komplettanstrich der freundlichste Raum im Haus. Alex und ich teilten uns einen single room und einen double room. Ersteres war eine 8-Quadratmeter-Kammer mit einem Bett, einem kleinen Schreibtisch und einem Kleiderschrank. Im double room befand sich dasselbe, nur größer, und zusätzlich ein Regal. Die Miete lag um ein Drittel höher als im deutschen Durchschnitt.

Ein paar Tage später stand unser Vermieter vor mir. Mr. Donoghue (gesprochen Donohuh) kam einmal im Monat von der kleinen Stadt Wicklow „up to Dublin“. Unser landlord, ein Mann um die sechzig, meinte sofort, er habe es eilig. Er steckte unser Geld ungezählt in die Hosentasche, ließ sich dann doch im Wohnzimmer nieder und versuchte, uns über die Mieter seiner anderen Häuser in der Straße auszufragen. Die Nachbarn hätten sich beschwert: Die Jungs aus Nummer 17 würden ständig Partys feiern. Pech nur, dass auch Alex und Till „die Jungs“ aus dem übernächsten Haus praktisch nicht kannten. Zwei waren Franzosen, ein Engländer und ein Holländer waren dabei – alle schon mindestens ein Jahr in Dublin. Sie schienen kein Interesse an uns Neuankömmlingen zu haben. Aber das wollte Mr. Donoghue nicht glauben. In den nächsten Monaten fragte er Till und mich immer wieder nach ihnen. Einmal wollte er wissen, wie sich die Franzosen und der Engländer denn verständigten. „Jeder weiß doch, dass Franzosen sich weigern, Englisch zu sprechen. Wenn ich drüben bin, sagen sie kein Wort“, beschwerte er sich. Dass Alex auch Franzose war, hatte er wohl vergessen. Oder er ignorierte es, wie er Alex aus einem mir unerfindlichen Grund meist ignorierte.

Mr. Donoghue ließ uns wissen, mit den Deutschen hätten die Iren ja nie Probleme gehabt. Die Deutschen seien ordentlich, zerstörten nichts mutwillig und ihre Miete würden sie immer pünktlich zahlen. Deutsche Mieter habe er noch lieber – ach was: viel lieber als Iren. Kürzlich habe er erst wieder einer Gruppe „young Irish fellas“ kündigen müssen. „Ihr hättet sehen sollen, was diese Mistkerle aus der Wohnung gemacht haben. ’Twas bloody hell!“ Was so höllisch war, konnte ich mir einige Monate später vorstellen, als ich die Wohngemeinschaft meines Arbeitskollegen Johnny und seiner Kumpel sah. Mr. Donoghue wollte an diesem Tag nicht weiter drauf eingehen. Er hievte sich von unserem wild gemusterten und schon reichlich durchgesessenen Sofa hoch und meinte: „Also, Leute, ich bin dann weg. See yese next month.“

Einen Monat zuvor hatte ich meine Englischkenntnisse noch für einigermaßen solide gehalten. Was ich nun um mich herum hörte, war mir jedoch ziemlich fremd. Im irischen Englisch gibt es oft schnalzende Laute, das R wird hart gerollt, und die Aussprache erinnert auch sonst eher an das kaugummiartig gedehnte Amerikanisch – allerdings rauer, behäbiger und weniger draufgängerisch – als an ein schmallippiges Englisch. Hinzu kommen die Unterschiede je nach Gesellschaftsschicht. Nach und nach erschlossen sich mir ein paar Gesetzmäßigkeiten, ich verstand die ersten speziell irischen Redewendungen und konnte irgendwann selbst ein paar der fantasievollen Kreationen der Dubliner Alltagssprache anwenden. In den ersten Monaten war ich jedoch nicht selten damit beschäftigt, das, was in meinen Ohren wie Genuschel, Lautdehnungen und Lautverschiebungen klang, zu enträtseln.

Das fing schon am Tag nach meiner Ankunft an. Ich war begeistert, als Alex mir erzählte, dass die Supermärkte und größeren Geschäfte in Einkaufszentren und in der Innenstadt auch sonntags geöffnet waren. Da unser Kühlschrank leer war, ließ Alex sich überreden, mit Till und mir zum nahe gelegenen Shopping Centre zu spazieren. Wir gingen an identischen Reihenhausketten und einem großen Rasenfeld mit zwei schmalen, weißen Torrahmen entlang. Jungs in Trikots spielten Fußball. Auf einer hohen grauen Mauer waren Stacheldraht-Knäuel um Metallstangen gewickelt. Durch ein eisernes Tor schauten wir auf ein düsteres, gefängnisartiges Gebäude. Till zufolge gehörte es zu einer Secondary School for Boys, die kürzlich wegen Missbrauchsfällen in den Sechzigerjahren in die Schlagzeilen geraten war. Genaueres wusste er nicht – zum Glück. Mein Bedarf an rauem Artaner Lokalkolorit war erstmal gedeckt.

Auf dem Platz vor dem Artane Castle Shopping Centre gab es weder Burg noch Schloss, nur einen großen Parkplatz mit Dublinern, die Einkaufswagen voller Riesenpackungen zu ihren Autos schoben. Im Einkaufszentrum waren rund fünfzehn Geschäfte und Geschäftchen, ein Schnellrestaurant und eine Bank kreisförmig angelegt. Vom Kreisverkehr hielten die Iren viel, das hatte ich schon gemerkt. Der Publikumsmagnet war eindeutig Tesco, zumindest trugen fast alle Leute weiße Plastiktüten mit dem Schriftzug der englischen Supermarktkette nach draußen. Ähnliche Tüten hatten übrigens bei uns in der Nähe in den Bäumen gehangen.

Der Supermarkt war riesig und voller Menschen. Auffallend viele trugen Jogginganzüge: Frauen, auch mittleren Alters, in Weiß, Rosa oder Blau, männliche Teenager meist in Dunkelblau oder Grautönen. Andere Kunden waren unauffällig – casual – gekleidet. Bleiche Jungs hatten ihre Haare im Military-Look ganz kurz rasiert, andere ihre geringfügig längeren Haare vom Haaransatz mit Gel strähnig nach vorne gekämmt. Oft war auch ein Teil des Oberkopfes blondiert oder sonstwie gefärbt. Die Mädels waren sportlich-sexy gestylt, meist bauchfrei oder mit weitem Ausschnitt, mit großen Ohrringen und Turn- oder Plateauschuhen. Es waren vor allem Gruppen unterwegs: Jugendliche, Frauen mit ihren Kindern oder Enkeln und Kleinfamilien. Nur ältere Männer waren kaum darunter.

Wir steuerten unseren Einkaufswagen vorbei an Regalen mit bestimmt zwanzig Sorten abgepackter Burger, gefüllter rolls (Brötchen) und sonstiger deli snacks. Es folgten fünf Meter mit Milchkanistern, zwei Meter mit Lachs, Kabeljau, Thunfisch und anderem Meeresgetier, viel geräuchert oder gegrillt. In den Kühltruhen lagen unzählige Fertiggerichte, die mich an einen Urlaub in den USA erinnerten. Aber vor allem für Liebhaber von Milchprodukten und Süßem war dieser Supermarkt das Paradies: So viele Sorten an abgepackten desserts, cakes, pies, cookies und tarts mit oder ohne farbigen Zuckerguss hatte ich noch nie gesehen.

Alex suchte nach Camembert. Dazu mussten wir an vier Metern Cheddar- und Margarinesorten vorbei. Es gab auch eine Reihe gut aussehender Irish farmhouse cheeses, aber der Cheddar war unvermeidlich: roter Cheddar, „cremig weißer“, „extra reifer“, „halb reifer“ und „vintage“ Cheddar (zwei Jahre gereift). Weiter hinten waren die Weichkäse, unter anderem „echter Camembert aus Frankreich“. Der kostete mindestens das Anderthalbfache, wenn nicht das Doppelte von dem, was man in Deutschland dafür bezahlt hätte, allerdings war auch der heimische Cheddar nicht gerade günstig.

Beim Brot trafen wir Paul und Mary. „Hallo, Nachbarn!“, rief der Mann, der uns am Tag zuvor mit „How’s it goin’?“ begrüßt hatte. „Doin’ some shopping?“ Er stellte sich und seine Frau vor. Mary war zwei Köpfe kleiner als Paul und hatte lange, glatte braune Haare, die durch ihren Porzellanteint wohl dunkler wirkten, als sie waren. Beide mussten Anfang dreißig sein und wohnten, wie ich nun erfuhr, mit ihren „drei kleinen Gören“ direkt neben uns. Nachdem Mary sich erkundigt hatte, woher ich käme und ob Alex und Till sich schon eingelebt hätten, forderten sie uns auf, einmal mittwochs in ihren local pub zum Film- und Musik-Quiz zu kommen. Die Veranstaltung sei kostenlos und „it’s great craic“ (das war anscheinend so etwas wie eine Riesengaudi), obwohl die Fragen nicht gerade einfach seien. „Man teilt sich in Gruppen ein und die Gewinner bekommen ein paar kostenlose Pints oder einen Restaurant-Gutschein“, erklärte Paul.

Ich strahlte. Eine Verabredung mit sympathischen Iren in einer Eckkneipe war doch grandios für den ersten Tag! Ich sah uns schon vor mir, wie wir in Kürze als Stammgäste vom Barkeeper und unseren zahlreichen neuen Bekannten mit großem Hallo begrüßt werden würden. Wir wären eingebunden in das Gelächter und plapperten drauflos, als ob wir immer in Dublin gelebt hätten. Dafür müsste ich allerdings auch mal den Mund aufmachen. Jetzt war der beste Zeitpunkt, um damit anzufangen. Ich nahm in Gedanken Anlauf und …

„Aber sicher kommen wir, sehr gerne sogar.“ Alex kam mir zuvor. „Aber beschwert euch nicht, wenn euer Team dann verliert.“ Alle lachten.

„Wait a minute. Sei dir nicht so sicher, Kumpel.“ Klar, Paul konnte das nicht auf sich sitzen lassen. Wir bräuchten uns gar keine Hoffnungen zu machen. Mary sei nämlich der Pubquiz-Champion. „Sie kennt sich in allen Bereichen aus. Stimmt’s, Liebling?“

Mary: „Glaubt ihm kein Wort.“

Alex und Till hatten schon ein paar Brotsorten ausprobiert. Ihr Urteil fiel vernichtend aus: „Alles wabbelig und ohne Geschmack“ (Till). Daher überließen sie mir die Entscheidung. Dunkles Brot, Toastbrot, Brötchen, scones (eine Art süßes Brötchen), Früchtebrot, Knäckebrot …? Ich griff nach einer Toastpackung und einer Tüte mit wholewheat bread, Vollkornweizenbrot, das relativ dunkel aussah, sich aber zu Hause als bröselig und trocken entpuppte.

Ich kann mich noch genau an diesen Abend erinnern. Die untergehende Sonne fand im Flussbett wenig Wasser, um sich darin zu spiegeln. Entweder war gerade Ebbe oder der Klimawandel hatte der Grünen Insel bereits ihre erste Trockenzeit beschert. Aus dem Morast unter der alten steinernen O’Connell Bridge lugten ein Einkaufswagen, ein Mülleimer und andere, nicht identifizierbare Teile hervor. Wir gingen auf der Südseite am Trinity College vorbei. Die Straßen quollen über vor lachenden, jungen Menschen. Da war sie, die elektrisierende Stimmung, die ich mir erhofft hatte. Vielleicht würde ich mich auch irgendwann so ungezwungen bewegen wie die Irinnen, die in Gruppen an uns vorbeizogen. Viele trugen High Heels, kurze Röcke oder enge Jeans und Tops mit Spaghettiträgern, die meisten zeigten viel Haut. Einigen stand das nicht so gut, die Sache mit dem Schlankheitskult hatte in Irland erst begonnen. Heute gibt es Muckibuden an jeder Ecke und in jeder Preisklasse. Und fish & chips sind zumindest unter den neuen, gesundheitsbewussten Mittelschichts-Dublinern so was von out. Diese Dubliner erkennt man eher daran, dass sie auch im Business-Outfit ihre natürliche Ausstrahlung behalten und nicht glauben, sie müssten damit über den Dingen stehen oder geschäftig dreinblicken. Andererseits gibt es mehr Übergewichtige als früher, besonders in der Unterschicht. Seit Irland eines der reichsten Länder der Welt ist, haben sich die Verhältnisse umgekehrt: Früher war die Mehrheit spindeldürr, nur die schmale Oberschicht hatte was auf den Knochen. Heute ist die Mehrheit finanziell gut gepolstert und mehr oder weniger schlank. Dafür sieht man Menschen mit wenig Geld oft an, dass Fast Food unterwegs die günstigste Art ist, satt zu werden.

Es war noch früh am Abend, vielleicht 7 pm. Frischer Wind war aufgekommen, und die Wolkendecke über uns wurde immer dichter und dunkler. Wir spazierten durch die Shoppingmeile Grafton Street, die Teil einer Fußgängerzone ist, vorbei am Park St. Stephen’s Green, und bogen links in die Dawson Street ein, als die ersten Tropfen fielen. Außer uns schien sich keiner darum zu kümmern. Eine Jacke oder einen Schirm trugen nur ein paar ältere Leute. In der Dawson Street lagen traditionelle Pubs neben schicken neuen Bars. Wir betraten das Café en Seine und damit eine ganz eigene Welt.

„Wow“, raunte ich. So etwas Mondänes hatte ich in Dublin nicht erwartet. Ich war überwältigt von der pompösen Schönheit, der opulenten Dekadenz dieser Bar, die exotische Pariser Etablissements der Jahrhundertwende imitierte. Dunkles Holz, Skulpturen, geschnitzte Tiere und Pflanzen, Schnörkel in Emaille und Gold. Spiegel an den Wänden, riesige Kronleuchter und Deckenglasfenster im Art-déco-Stil, durch die gedämpftes Licht fiel. Eine geheimnisvolle Atmosphäre. Halb Kolonialzeit, halb Moderne. In den hallenartigen Räumen gab es mehrere Bars, oben zwei weitere Ebenen, der Zugang dazu war versperrt. Ein Kellner, der mich staunen sah, meinte, sie würden oben erst später öffnen. All right. Ich wollte sowieso lieber unten diese unglaubliche Atmosphäre tanken.

Wir schnappten uns zwei Hocker, die gerade frei wurden, und setzten uns an die Bar. Der Barkeeper unterhielt sich am anderen Ende des Tresens und machte keine Anstalten, uns zu bedienen. Alex erzählte, er sei am vorherigen Freitag mit Kollegen hier gewesen. Die Bar gab es erst seit kurzem, und die meisten seiner Kollegen, vor allem die Iren und Franzosen, hätten sie dekadent und völlig überteuert gefunden. Dennoch schien die Bar voller Iren zu sein. Es waren aber auch dunkelhäutige Schönheiten hier, glamourös gestylt, meist zwischen 25 und 40. Blanke Speckbäuche gab es hier nicht und keine strähnig-gegelten Haare. Die Stimmung um uns herum war gut, gelöst, heiter. Man guckte sich um, beäugte sich aber nicht. Man zeigte sich und flirtete offen. Wichtiger war es aber anscheinend, innerhalb des Freundeskreises für Stimmung zu sorgen. Hinter uns stand eine Gruppe von Freunden, die heftig über einen Priester und seine verkorksten Kollegen diskutierte. Später erfuhr ich, dass „Father Ted“ eine äußerst beliebte irische Fernsehserie war. Das Thema lieferte jede Menge Stoff für Lacher, Schimpftiraden, heftige Zustimmung und wieder Lacher.

Irgendwie hatte der Mann neben mir es geschafft, den Barkeeper anzulocken. Der schlenderte jetzt in unsere Richtung.

„You’re okay?“

„A pint of Carlsberg“, hörte ich es gedämpft neben mir.

Der Barmann hielt uns fragend sein Gesicht entgegen. „Für mich ein Pint Guinness und …“ Alex sah zu mir herüber. „I’ll take a glass of Bulmers.“ Ha! Der Satz kam mir wie Öl über die Lippen. Ich geb’s zu, ich hatte vorher ein bisschen geübt, in Gedanken natürlich. Bulmers war Cider, eine Art herber Cidre. Und weil Bulmers der bekannteste, wenn nicht sogar der einzige irische Cider-Produzent ist, ist Bulmers in der Pubsprache gleichbedeutend mit Cider.

„Pint o Guinness ana glass o Bulmers!“, rief der Barkeeper seinem Kollegen zu, der gerade hinter die Theke geschlüpft war. Während wir auf unsere Getränke warteten, erzählte Alex, wie er diese Bar entdeckt hatte. Seine Kollegin Sharon hatte ihn und andere Dublin-Anfänger hierher geführt. Sie sei öfter da, ihre Schwester bediene hier.

„Ist sie da – Sharon, meine ich?“

Alex schaute sich um und schüttelte den Kopf.

„Und sonst jemand aus deiner Firma?“

„Nope.“

Na ja, es wäre auch ein großer Zufall gewesen, wenn ich schon am zweiten Abend einen von Alex’ Kollegen kennengelernt hätte. Seit drei Wochen paukten sie nun die Grundregeln des telefonischen Kundendienstes, außerdem Warenkunde des Computerherstellers, der sie nach Irland geholt hatte. Vor ein paar Tagen hatten sie an den Telefonen angefangen. Acht Stunden am Tag versuchten sie nun Menschen zu helfen, die technische Probleme mit ihren Rechnern hatten. Und zwar in möglichst vielen Sprachen. Alex nahm Anrufe aus Frankreich, Belgien, der Schweiz, Luxemburg, England, Irland, Deutschland und Österreich an.

Unsere drinks kamen. Der Barkeeper wollte gleich kassieren. Ich fiel fast vom Hocker, als ich hörte, was er uns abknöpfen wollte. Mein Tresennachbar prostete uns mit einem „Cheers!“ zu und meinte dann mit freundlicher Miene, wir hätten vor zehn Jahren kommen sollen, da wäre ein Bier noch kein Luxus gewesen. Äh, guter Tipp, thanks a million.

In die cremefarbene Schaumkrone des schwarzbraunen Guinness war ein Kleeblatt gezeichnet. Mein glass of cider, das ein halbes Pint, also 0,28 Liter maß, machte sich dagegen eher bescheiden aus. Dafür war der dünnflüssige Cider süffig und leicht und legte mir nicht wie Wein oder Starkbier nach einem Glas die Zunge lahm.

Mr. Sie-hätten-vor-zehn-Jahren-kommen-Sollen begann das Gespräch mit einer Entschuldigung. „Hoffentlich habe ich Sie nicht mit meiner Bemerkung verärgert. Mir hätte mal