Ein Kapitel für sich - Walter Kempowski - E-Book

Ein Kapitel für sich E-Book

Walter Kempowski

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Beschreibung

Walter Kempowskis Haftbericht über seine Jahre in Bautzen

In seiner sogenannten Deutschen Chronik erzählt Walter Kempowski die Geschichte seiner Familie vom Kaiserreich bis in die 1960er-Jahre der Bundesrepublik. In »Ein Kapitel für sich« wird der junge Walter im März 1948 verhaftet, der Spionage angeklagt und zu einer langjährigen Strafe im Zuchthaus Bautzen verurteilt. Auch seine Mutter Margarete und sein Bruder Robert landen im Gefängnis. Bis zur Wiedervereinigung in Freiheit werden Jahre vergehen.

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Seitenzahl: 504

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Über das Buch:

Acht Jahre verbrachte der Ich-Erzähler Walter im Zuchthaus in Bautzen, und das alles wegen ein paar Frachtbriefen, mit denen er den Amerikanern die Ausplünderung der „Zone“ durch die Russen demonstrieren wollte. Bei einem Besuch der Familie in Rostock wurde er festgenommen. Spionage hieß die Anklage. Neben Walter wurde Bruder Robert verhaftet und schliesslich sogar die Mutter. Mutter und Söhne machen mit Haft und Häftlingen ihre ganz eigenen Erfahrungen, und so erzählt jeder kapitelweise aus seiner Perspektive und in seiner Ausdrucksweise, was ihm in der Welt der Eingeschlossenen widerfahren ist. Diese Zeit war in der Ausdrucksweise der Familie „Ein Kapitel für sich“.

Der Roman „Ein Kapitel für sich“ ist Teil der sogenannten „Deutschen Chronik“ von Walter Kempowski.

Über den Autor:

Walter Kempowski, geboren am 29. April 1929 in Rostock, starb am 5. Oktober 2007 in Rotenburg an der Wümme. Er gehört zu den bedeutendsten deutschen Autoren der Nachkriegszeit. Einem breiten Publikum bekannt wurde er durch seinen Roman „Tadellöser & Wolff“, der auch verfilmt wurde. Seine monumentale Collage „Das Echolot“ war 1993 eine literarische Sensation und fand zwölf Jahre später mit der Veröffentlichung des zehnten Bandes, der die Bestsellerliste stürmte, ihren krönenden Abschluss. Der letzte zu Lebzeiten des Autors veröffentlichte Roman „Alles umsonst“ brachte Walter Kempowski auch internationale Anerkennung. 

Im Knaus Verlag erschienen in über dreißig Jahren zahlreiche Romane, Erzählungen, mehrere Tagebücher und Befragungsbücher. Eine Übersicht über Walter Kempowskis Gesamtwerk befindet sich am Ende des vorliegenden Romans.      

Walter Kempowksi

                                                               

Ein Kapitel für sich

Roman

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Copyright © 1978, 2016 beim Albrecht Knaus Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Der Roman erschien erstmals 1975 Covergestaltung: www.buerosued.de Covermotiv: GettyImages/Luis Diaz Devesa ISBN 978-3-641-05924-8 V003
www.knaus-verlag.de www.penguinrandomhouse.de

Für Karl-Heinz Walter und Hans-Joachim Mund

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.

Inhaltsverzeichnis

Über den AutorCopyrightWidmungI. Teil
1 - DIE MUTTER2 - WALTER3 - DIE MUTTER4 - WALTER5 - DIE MUTTER6 - WALTER7 - DIE MUTTER8 - ROBERT
II. Teil
9 - WALTER10 - DIE MUTTER11 - EIN BRIEF12 - WALTER13 - EIN BRIEF14 - DIE MUTTER15 - WALTER16 - EIN BRIEF17 - WALTER18 - DIE MUTTER19 - WALTER20 - DIE MUTTER
III. Teil
21 - ROBERT22 - EIN BRIEF23 - WALTER24 - DIE MUTTER25 - WALTER26 - DIE MUTTER27 - EIN BRIEF28 - WALTER29 - DIE MUTTER30 - WALTER31 - EIN BRIEF32 - WALTER33 - ROBERT34 - DIE MUTTER
IV. Teil
35 - ROBERT36 - DIE MUTTER37 - EIN BRIEF38 - ROBERT39 - WALTER40 - DIE MUTTER41 - WALTER42 - EIN BRIEF43 - WALTER44 - DIE MUTTER45 - ROBERT46 - EIN BRIEF47 - WALTER48 - EIN BRIEF
V. Teil
49 - DIE MUTTER50 - EIN BRIEF51 - WALTER52 - DIE MUTTER53 - ROBERT54 - WALTER55 - DIE MUTTER56 - WALTER
Epilog
Werkverzeichnis

I. Teil

Ich hatte einen Fotoapparat in der Hand und stand genau vor dem Schild: FOTOGRAFIEREN VERBOTEN! – Auf dem Polizeirevier wurde ich nur kurz verhört, und dann wurde ich in Handschellen zum Russen gebracht. Wie in einem Rausch erlebte ich das, von der Wirklichkeit total abgeschnitten und nur noch automatisch funktionierend …

J. S.

 

Ich bin in der Schule verhaftet worden, mitten in der Mathe-Stunde: mechanischer Ablauf: Mappe liegenlassen. »Jetzt mußt du mitgehen«, dachte man. Aus, fertig, Schluß ...

K. Sch.

 

Sie kamen vorne rein, ich hinten durch die Milchküche raus und von da aus auf die Weide. Die Russen kriegten mich am Zaun. Was mir noch erinnerlich ist: die Dolmetscherin kniete auf dem Schreibtisch, als ich wieder reingebracht wurde …

H. A.

 

Ich hab in Potsdam Panzer fotografiert, zwanzig, dreißig Stück; sie kamen gerade aus einer Kaserne heraus. Plötzlich springt einer vom Panzer und ruft: »Spion! Spion!« – Ich hätte mir fast in die Hose gemacht, das prickelte schon. »Jetzt bist du weg vom Fenster«, dachte ich …

R. D.

 

Sie klopften und bummerten, aber ich hab erst mal abgewartet. »Eigentlich können sie dir ja gar nichts nachweisen«, hab ich gedacht.

Sie klopften immer stärker, und da hab ich dann gedacht: »Hätt’st du doch den Rucksack gepackt, so wie du’s immer vorgehabt hast.« – Dann hab ich mir’n Lodenmantel übers Nachthemd gezogen und hab geöffnet. Meine Mutter nebenan im Bett, die stöhnte: »Das hast du nun davon!« ...

W. B.

 

1

DIE MUTTER

Ich bin Margarethe Kempowski und berichte hier von den Ereignissen des Jahres 1948 und danach.

Am Morgen des 8. März, so gegen halb sechs, wurde furchtbar an die Tür geklopft. Die Hauswartsfrau stand mit drei Männern draußen und sagte, ich solle schnell machen, es wär Paßkontrolle, die Herren wollten unsere Ausweise sehen.

Mir war das nicht verdächtig, denn von nächtlichen Ausweiskontrollen hatte ich schon öfter gehört. Wenige Tage vorher war zum Beispiel eine solche Kontrolle bei Frau Kapellmeister Reichwein in der Ludwigstraße gewesen, und im Grünen Weg war bei demselben Ereignis ein Mann am Herzschlag gestorben.

Ich sagte: »Bitte. Treten Sie näher«, und ließ sie herein. Nun standen sie auf dem Vorplatz, zwei sehr unterirdische Typen und ein Dolmetscher. Der Dolmetscher sah aus wie ein kleiner Franzose, schmales Gesicht, schmächtig, dunkel; gut gekleidet. Die andern beiden waren wie so zwei Arbeiter, die bekuckten sich die Stiche von Rostock, die an der Wand hingen, und grinsten.

»Wer wohnt alles in Ihrer Wohnung?« fragte der Dolmetscher.

»Vorn ein junges Ehepaar«, antwortete ich, »dies ist unser Wohnzimmer, hier schlafe ich und dort mein ältester Sohn.«

»Wo ist der?«

»Der ist nicht da, der schläft heut bei Bekannten.«

(Robert hatte eine kleine Freundin in Warnemünde – das ist dann ja auch in die Brüche gegangen.)

»Ist das wahr?«

»Ja. Er muß jeden Moment zurückkommen; er geht dann gleich ins Büro.«

Und dann war ja Walter aus Wiesbaden da, der gute Junge. Wir hatten uns so auf ihn gefreut. Es sollte nicht zu unserm Segen sein!

Wir gingen nach hinten, und ich sagte zu Walter: »Mein Junge, du mußt eben mal deinen Ausweis zeigen.«

Walter fuhr auf und wurde ganz blaß. Er gab dem Dolmetscher seinen Interzonenpaß.

Die andern beiden Russen kuckten unterdessen in den Kleiderschrank und auf den Nachttisch, wo allerlei Bücher lagen.

Dann sagte der Dolmetscher zu Walter: »Ziehen Sie sich an, Sie müssen eben mal mitkommen.«

Walter war sehr aufgeregt. Er mag schon gewußt haben, was ihm drohte: diese Frachtbriefgeschichte ... Jede Kupferplatte, die in den Osten ging, hat er gemeldet und jeden Zentner Kartoffeln. »Wenn ein Friedensvertrag kommt, dann müssen wir womöglich alles noch einmal bezahlen«, sagte er immer. (Es war ja auch’n bißchen doll, was die Russen alles rausschafften aus der ausgepowerten Ostzone.)

Walter zog sich an – zwei Pullover übereinander und den dicken Pelzmantel meines Mannes, das war wie so ein siebter Sinn – und dann gingen sie weg mit ihm. Ich seh ihn noch die Treppe hinuntergehn, er blickte sich nicht mehr um. Der kleine schwarzhaarige Dolmetscher blieb bei mir. Er setzte sich aufs Sofa und sagte: »Ihre Söhne haben etwas aufgeschrieben, ich verlange, daß Sie mir das geben.«

»Ich wüßte nicht, was das sein sollte …«

»Wenn Sie mir das nicht geben, kommt eine Haussuchung. Was das bedeutet, können Sie sich denken.«

Darauf sagte ich: »Ich weiß, daß meine Söhne da solche Papiere hatten. Was das war, hab ich nicht gesehen. Dort auf der Notenetagere liegen diese Zettel.«

Er kam hinter dem Tisch vor, stieß dabei noch die Blumenvase um und nahm die Zettel an sich; war dann aber sehr enttäuscht und sagte: »Das ist alles?«

»Ja«, sagte ich, »das ist alles.«

Nun war er sehr unruhig, stand alle Augenblick auf, ging ans Fenster und kuckte auf die Straße, vorsichtig, hinter der Gardine.

»Es ist kalt hier bei Ihnen«, sagte er, »eisig kalt.«

»Ja«, sagte ich, »wir haben keine Feuerung. Soll ich Ihnen eine Tasse Tee machen?«

»Nein«, sagte er, »danke.«

»Aber Sie gestatten wohl, daß ich mir rasch was Ordentliches überziehe?« Ich war ja noch im Morgenrock und so wie ich aus dem Bett gestiegen war.

»Bitte«, sagte er, »ziehen Sie sich was an.«

Mit einemmal klopft es an die Tür – die Glocke ging ja nicht – er wutschte raus.

»Auf Ihren ältesten Sohn brauchen Sie nicht mehr zu warten«, sagte er, als er wieder reinkam, »der kommt nicht wieder.« Den hatten sie also unterwegs abgefaßt.

Dann fragte er, ob ich noch Briefe von Walter hätte. Ich suchte sie heraus, sie waren ganz belanglos: wie er Fuß gefaßt hatte in Wiesbaden, und diese Geschichten aus dem amerikanischen Lebensmittellager, in dem er da gearbeitet hat. Zum Teil ganz drollig.

Auch sonst schnüffelte er noch herum. In der Schreibmaschine steckte ein Brief, den Walter an Fritz Legeune hatte schreiben wollen, seinen Freund. »Lieber Fritz«, stand da drauf.

»Aha!« sagte der Russe. »Fritz Legeune in Wiesbaden.« Der wußte ganz genau Bescheid.

Schließlich kam ein Offizier mit einem deutschen Kriminalbeamten. Der Offizier nahm ein Blatt Papier und schrieb was drauf.

»Hier steht, daß wir Sie in keiner Weise belästigt haben, keine Haussuchung durchführten und anständig waren zu Ihnen. Bitte unterschreiben Sie das.«

2

WALTER

In der Nacht brachten sie mich nach Schwerin.

Merci, mon ami, es war wunderschön, tausend Worte möcht ich dir noch sagen …

Eine dunkle Toreinfahrt in weißbeworfener Wand. Auf der Mauer zerbrochenes Glas, dahinter erleuchtete Zellen. Durch eine Seitenpforte ging’s hinein, an einem Hund vorbei, der mich ankuckte, und an einem Bottich mit schmutziger Wäsche.

(Bilder aus deutscher Geschichte. Von der Trenck: Sogar um den Hals hat er ein Eisen, und die Hände kann er nicht zusammenkriegen, weil eine Stange dazwischen ist.)

Ich wurde an die Wand gestellt, unter die große elektrische Uhr. Einer knöpfte mir die Jacke auf, der wollte wissen, ob ich Waffen bei mir hätte.

Er öffnete das Gitter, die Uhr klickte, und trieb mich durch Gänge, treppauf, treppab: hundert Zellen links und rechts.

»Soll ich laufen?« fragte ich.

Die Nummer 54 schloß er auf. (»Dies Zimmer nehme ich.«) Hier mal eine Bronzetafel anbringen, eines Tages, wenn alles vorüber ist:

Zum Gedenken an Walter Kempowski 8. März 1948 bis …

Ja wann: bis.

Ein eisernes Bett, ein Krug mit Wasser und in der Ecke der Kübel. Das Fenster mit Brettern vernagelt.

Ich stellte mich an die Heizung und wärmte mir die Füße. Irgendwo klopfte es.

In den Wasserkrug hatte man hineingespuckt.

 

Der Untersuchungsrichter trug einen eleganten Vorkriegsanzug. Er ließ sein Kreuzworträtsel im Stich, nahm die Brille ab und kam hinter dem Tisch hervor. Klein, »drahtig«, den Kopf papageienhaft gereckt: Witebsk, Charkow und Smolensk: Tausende von Panzern, ein einziger gewaltiger Schlag: »Das ist also der Kempowski.«

Gardinen und Übergardinen; Deckenlampen wie umgedrehte Puddingschüsseln: mein Stuhl stand, wie kein Stuhl in der Welt, am äußersten Rand des Zimmers.

Er schritt über die Ankerteppiche, auf und ab, die Hände auf dem Rücken. (»Wieder so ein junger Mensch, der sich gegen die Sowjetunion vergangen hat, oh, was sind das bloß für Zeiten.«) Dann blieb er vor mir stehen und sah mir in die Augen: der Vaterländische Krieg, die glorreiche Sowjetunion! Jede kleine Hütte haben die Deutschen angezündet und jeden Telegrafenmast gesprengt.

Wollte er mich schlagen? Nein, er lächelte, er holte ein Zigarettenetui aus der Tasche und klopfte seine Papyrossa fest. Dann kniffte er sie und setzte sich an den Schreibtisch: Brille auf und das Papier richtig hinlegen. Hat man noch was vergessen? Den Federhalter eintunken – lila Tinte – dreimal neu anfangen: Kempowski sagt aus: wann geboren, wo, und die Frachtbriefgeschichte. Alles der Reihe nach, immer wieder von vorn, von Kindesbeinen an. Die Kastanien im Feuer, der Schinken im Salz, Gesellschaft, Kameradschaft, Freundschaft. Der Genosse Petrow sitzt im Klub und hört Radio. Seite um Seite.

(Eine sonderbare Schrift – kyrillisch: ab und zu ein richtiger Buchstabe dazwischen.)

 

Am dritten Tag fragte er mich nach meiner Mutter. Ob sie davon gewußt hat, daß wir Frachtbriefe mit Angaben über Demontagegüter in den Westen geschafft haben. Das wollte er wissen. Das interessierte ihn.

Brille wieder abnehmen, aufstehen, Zigarette ausdrücken, aus dem Nebenzimmer welche reinholen.

»Nun wollen wir mal über deine Mutter sprechen. – Schwöre, daß deine Mutter nichts von der spionischen Tätigkeit gewußt hat.«

Das sei mir zum Schwören zu nichtig, sagte ich nach zu langem Zögern.

Da lachten sie und kuckten sich an: »Willst du oder soll ich?« Und dann alle gleichzeitig.

Ich besaß es doch einmal, was so köstlich ist, was man doch zu seiner Qual nimmermehr vergißt.

Am Haar zog mich einer vom Stuhl und stellte sich auf mein Gesicht, daß es krachte.

»Wir hören, wenn du sprechen willst …«

 

Dann wurde der Karzer aufgeschlossen, im Keller, eine Zelle mit besonders dicken, schalldichten Mauern. Ja, sie hatten die Genehmigung dazu. Brille aufsetzen, nochmal draufkucken auf den Wisch, ja, ein Stempel ist vorhanden. Alles rechtens. Slawnaja sowjetzkaja armia.

»Halt! Doch noch ein letztes Mal fragen, ob seine Mutter davon gewußt hat. – Nein? Nicht gewußt? – Na, dann los.« In der Karzerzelle war noch eine zweite Tür, eine Gittertür, die teilte den Raum in zwei Hälften. Ich mußte mich ausziehen und wurde da hineingesteckt.

Fenster öffnen und Wasser auf den Fußboden gießen. Dnepropetrowsk.

Ich griff in die Stäbe und sagte, mir fielen grade eben noch ’ne Menge Agenten ein, lauter ganz gefährliche Leute! Schlüssel auf die Finger hauen: »Schon gut, schon gut. – Hat Mutter gewußt, oder hat sie nicht gewußt?«

Minsk, Kursk und das Donezbecken.

Wein nicht, mein Kind, die Tränen, sie sind vergebens …

Alles haben die Deutschen angezündet und verwüstet. Keinen Stein haben sie auf dem andern gelassen, und unsere Väter und Mütter haben sie getötet.

 

Sie gingen fort, und ich stand im Wasser allein. Wenn wenigstens das Fenster zu gewesen wäre. Kein Schemel und nicht einmal ein Kübel, auf den man sich hätte setzen können.

»Schöne Geschichte, was?« sagte der Posten, der vor dem Gitter stand.

Pling-plong! Die Gitterstäbe: verschieden gestimmt, plöng! der dahinten noch wieder anders.

Er hockte sich hin, nahm die Arme um die Knie und sagte: »So mußt du das machen, Dummkopf.« – Wärmehaushalt: und sich selbst anhauchen.

 

In der Zellenhalle klingelte es zur Nachtruhe. Da fielen jetzt die vielen Braven, die dem guten Untersuchungsrichter keine Schwierigkeit gemacht hatten, in einen tiefen warmen Schlaf: wir haben uns zwar schwer vergangen, aber wir haben alles zugegeben und den Sowjetmenschen ihre Arbeit sehr erleichtert.

Ich hockte im Wasser, hauchte mich an und besah mir den Kot, der da wie Kork um mich herumschwamm.

Die Mutter war gewiß schon längst in Hamburg. Spätestens nach einer Woche haut man doch ab. In Wandsbek bei Onkel Richard und bei Onkel Karl.

Sonderbares Wort: Gänsehaut.

In Wandsbek, in der Bärenstraße, wo Großvater auf der Veranda gesessen hatte, mit seinen Zebrafischen und Karauschen. Bei den Gubbis nehmen die Mütter ihre Jungen ins Maul, wenn es gefährlich wird.

Dreihundert Päckchen mit Wäsche nach Hamburg geschafft und das ganze Silber. Aber die Uhr noch beim Uhrmacher, und die Stiefel beim Schuster. Das nicht vergessen. Und das letzte Gehalt beim Ami.

 

 

In der zweiten Nacht übergossen sie mich mit Wasser und ließen die Hoftür offen, damit’s tüchtig zieht: der will hier seine Mutter decken, das ist ja unerhört.

In der dritten Nacht bewachte mich ein alter Bauer. Der lernte Deutsch aus einem dicken Buch: »Die Blumen blühen in dem Garten.« Ob das richtig ist, fragte er mich. Er hatte sich den Mantel umgehängt.

 

Als ich wieder in der warmen Zelle saß, schnürte ich mir einen Finger ab: Tod durch Leichengift.

Aber am Abend machte ich die Schnur wieder ab. Den Brotkanten, am nächsten Tag, den duftenden, süßen, den mußte man doch noch mitnehmen.

 

Dann wurde ich nicht mehr geholt.

Stunde um Stunde marschierte ich auf und ab, fünfzehn Kilometer pro Tag.

Ich hab es getragen sieben Jahr, und ich kann es nicht tragen mehr …

Wer war Erasmus von Rotterdam? Wer Hieronymus im Gehäus?

Sechsundachtzig mal zweihundertundzehn.

Immer auf und ab. Von der Tür zum Fenster und vom Fenster zur Tür. Auch mit geschlossenen Augen. Vielleicht wird man ja mal blind: auf- und abgehen, das kann man dann schon.

Deux petits garçons trouvent une noix.

Hin und wieder einen Schluck aus der Kanne, gegen den Hunger. Erdig schmeckendes Wasser.

 

Nach der Entlassung sofort in den Westen gehn, keine Minute zögern. Nach Wiesbaden, unter die Platanen und ins Cafe Blum. Milde Luft und Dampf aus allen Gullis. Warm baden im »Pariser Hof«.

Wahrscheinlich würden die Amerikaner in Wiesbaden sofort eine Pressekonferenz einberufen, wenn man da wieder auftauchte. Wahrscheinlich doch. Sicher. Als Propaganda gegen die Sowjetunion? Das ließen sie sich doch bestimmt nicht entgehen: Ein Original-Gefangener aus einem sowjetischen GPU-Keller. Jetzt schon trainieren, daß man dann nicht dasteht wie ein Dummer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die wundern sich, daß man noch so flüssig spricht, nach vier Wochen Haft!

»Erzählen Sie uns bitte alles ganz genau.« (»Dieser Mensch sieht doch eigentlich ganz manierlich aus? Daß man so etwas nun einsperrt …«)

 

Immer auf und ab. Inschriften an den gekalkten Wänden:

ZUM TODE VERURTEILT! GRÜSST MEINE FRAU!

Und überall Kalender, die verschiedensten Systeme.

Einer mit 170 Strichen. 170 Tage! Beinah ein halbes Jahr. Saß man denn hier so lange?

Ich legte mir gleich drei Kalender an: überm Bett einen, wenn man aufwacht, an der Tür einen und einen großen unter dem Fenster, mit Symbolen für die Verhör-Tage – daß man da mal ein System rein kriegt – und für verschiedene Wachtposten, gute und böse.

Die Striche machte ich für eine Woche im voraus, so lange würde ich ja doch noch sitzen. (Mit einem Mittwoch begann meine Zeit: das war die Erschaffung der Welt.)

Und wie er winkt mit dem Finger, auftut sich der weite Zwinger, und hinein mit bedächtigem Schritt ein Löwe tritt …

Zum Waschen und Essen nur die linke Hand benutzen, fit halten, was mitbringen, wenns nach Hause geht.

»Hat man Sie sehr geschlagen?«

Oder mit dem Handfeger jonglieren: »Das hab ich im Knast gelernt.« Auf einem Bein stehen dabei, die linke Hand in der Tasche.

»Sie kommen erstmal in ein Sanatorium.«

 

Beim Kübelngehen, auf dem Gang, sorgsam alles registrieren: ein alter Koffer, feuchte Flecken (Blut?). Aber kaum den Kopf drehen, nur die Augen: »Dieser Gefangene verhält sich mustergültig, den können wir bald entlassen, der wird uns draußen zur Ehre gereichen.«

Aus den Zellen die Geräusche: halblaute Worte, Murmeln, Gurgeln, Schlurfen.

Husten. In einer Zelle, ganz hinten, kurz vorm Treppenhaus, wurde gehustet und auf wohlbekannte Weise geschnurkst. »Die Uhr aufziehen«, hatten wir das genannt: es war mein Bruder, der da saß, der alte Übelmann. Den hatten sie also auch.

»Was? Und Ihr Herr Bruder hat auch gesessen?«

Nun war man nicht mehr so allein.

Einmal begegnete mir eine gefangene Frau. Roter Pullover, schwarzer Rock. In den Händen hielt sie eine Kaffeekanne.

Mutter, mater, mother, mor, mere. Matj. Job twaju matj.

Sie lächelte mich an.

In der Nacht schrie ich auf. Der Posten deckte mich zu und sagte: »Ruhig, Waltera.«

 

Der lang-lange Tag.

Wie schnell fahren Schiffe? Kann man zu Fuß nebenhergehen? Keine Möglichkeit, das zu erfahren. Einen Brockhaus auf jede Zelle als Akt der Barmherzigkeit.

Frachter, Tanker, Fähre, Prahm, Schute …

»Frachter« hatten wir nicht sagen dürfen und nicht »Käpt’n« oder »Pott«. Zu einem Haus sage man ja auch nicht »Bude« oder »Schuppen«, so hatte es geheißen. »Pott«, so sagten nur die Kriegsberichterstatter von der Propaganda-Kompagnie.

Yacht, Jacht, Jagd.

Mit Bedauern nebigen Betreffs.

Immer was zum Denken haben. Die verschiedenen Kriegsschiffe auch mal alle aufzählen, jetzt noch nicht, erst später, wenn man nicht mehr weiß, an was man denken soll.

Die Kreuzer »Karlsruhe« und »Leipzig« und »Nürnberg«.

Das Meer, das ist das Tor zur Welt, ein Narr, der sich’s nicht offenhält.

Wiking-Modelle. Die »Rostock« und die »Wiesbaden«, die hatte es doch auch gegeben, im Weltkrieg, als man noch Netze gegen Torpedos ausspannte; vorn, am Bug, einen Rammsporn ... 14/18, als Schiffe noch Orden bekamen. Das Eiserne Kreuz dafür, daß sie sich mit letzter Kraft in den Hafen geschleppt hatten.

Der letzte Mann der »Köln«. Wie der da in den schmutziggrauen Fluten treibt, an einen Balken gekrampft, stundenlang. Und als ein Engländer kommt, ein Minensucher oder was weiß ich, sich duckt! Nur nicht in englische Gefangenschaft geraten! – Diese rührende Geschichte.

(Hätte ich nicht gemacht, mich da geduckt. Aber die Tränen kommen einem doch, wenn man’s liest.)

Ring-ring! Beide Maschinen volle Kraft voraus!

»Denen werden wir’s zeigen ...«: Vater mit seinen hängenden Hosen. Kaiser Borax und Sparta Creme. »Der Säbel wird dann angeschliffen, mein Junge.« – Und die Mutter dreht sich nochmal um im Bett, die Kissenzipfel wie bei Wilhelm Busch, und die Schlaftränen rollen die Backen hinunter.

»Ach Gott, mein Junge, und ich wollte doch so recht noch etwas schlafen.«

Unter der Pritsche – von hier bis hier – ein Schapp anbringen für Zwieback und Dauerwurst. Und unter das Fenster einen Sessel stellen, eine Wärmflasche auf dem Bauch und lesen. (Is dat noog?)

»Wenn man uns wenigstens ein Buch gegeben hätte, meine sehr verehrten Damen und Herrn, oder Papier und Bleistift, daß man hätte aufschreiben können, was einem so alles durch den Kopf geht …«

Die Zelle mit Mahagoni täfeln und Pfeife rauchen. Preßtabak: ein Eckchen abschneiden, zwischen den Händen rubbeln, bis er wolkig aufblüht.

Wie schnell sie wohl fahren, die Schiffe. 20 Knoten vielleicht? Aber wieviel ist ein Knoten? – Gleichgültig, ob schnell oder langsam, Hauptsache vorwärts, der Nase entlang, bis nach New York, bis ans Ende der Welt.

Vielleicht hätte man bei Kriegsende doch lieber »flüchten« sollen? Dann säße man jetzt in Dänemark, hielte einen kleinen Handel ingang, ganz bescheiden, in irgendeinem Keller: Brötchen, Milch und Käse?

»Hier wird gefragt, Herr Kempowski, ob Ihre dänische Schwester etwas für Sie unternommen hat? Hat sie sich gewendet an die dänische Botschaft in der Sowjetunion?«

Das konnte man doch nicht riskieren. Da hätte man ja dem Bruder Schwierigkeiten gemacht … Wenn man an die Botschaft einen Brief schreibt, dann wird er womöglich verprügelt? (»Was? Der Kerl hat Verwandte im Ausland? Und wir, wir Dussel, wir wollten ihn rauslassen!?«)

 

Drei-drei-drei, bei Issos Keilerei. Schiffe hatte man gehabt, aber kein Auto. Das alte Fahrrad mit Dorn zum Hintenaufsteigen: »Nehmen Sie mich mit, Herr Kempowski!« Vor Ypern trommelt der Tod.

 

Eine plattdeutsche Grammatik entwerfen. Ob es die schon gab? Auf dem Titelblatt: »Plattdeutsche Grammatik von Walter Kempowski« und eine ländliche Vignette. Ich bün, du büst, he/se/dat is … Vielleicht bekäme man dann den Doktor ehrenhalber?

»Dr. Kempowski«, das wär doch auch nicht schlecht?

Lieber keine Vignette. Keinerlei schmückendes Beiwerk. Ohne Zierat sieht’s seriöser aus.

Die Reihe der plattdeutschen Publikationen am besten mit Erlebnisberichten beginnen.

In Rostock kloppten se an een Morgen ganz gewaltig an de Dör ...

Immer was zum Denken haben. Vormittags die Schiffssachen – Windjammer stirbt! – und nachmittags die Verhaftungsgeschichte auf Platt.

 

Wie Länder auf der Landkarte aussehen. Dänemark: die alte Frau mit Holz auf dem Rücken. Und Italien: ein Stulpenstiefel mit Fußball. Im Hacken die Stadt Tarent. Tarent? Gab es da nicht eine Münze? Talent oder wie? So und so viele Talente?

Man ist galant, man macht Präsente.

Länder und deren Physiognomie. – Südamerika: wie ein Faustkeil, und Griechenland wie eine schlaff herunter hängende Hand. Grönland: gehört das zu Europa?

Immer auf und ab.

Als Polarforscher im Ewigen Eis. Wissen, daß man nicht mehr weiterkann. Mit schwarzgefrorenen Fingern, letzte Zeilen schreiben. Seine eigene Frau mit »Witwe« anreden. »Liebe Witwe« statt »liebe Frau«.

Liebe Mutter.

Immer auf und ab. Und an der Wand sich umdrehen wie die Bären das im Zwinger tun.

 

Die Kreissäge auf dem Hof. Mit der konnte man zweistimmig singen. Zum schrillen Sägeton die kleine oder die große Sekunde: dicht rangehen und wieder lösen. Wenn sich das so reibt.

Klosterquinten. Der Brunnen im Hof des Kreuzganges. Mit dem Klosterbruder auf und ab, Gebete murmeln. Jahrelange Exerzitien. Ein Opferleben führen, stellvertretend leiden. Im kostbar geschnitzten Gestühl: knien! Und die Pfeiler, die so aussehen, als kämen sie von oben herab. Frühling, Sommer, Herbst und Winter: den Kreuzgang immer auf und ab. Die Mandelbäumchen, wenn sie wie ein Strauß im Garten stehn, stramm, und auch die schneebedeckten Tannen. Krächzend läßt ein Wintervogel sich drauf nieder.

Die vollständige Lebensgeschichte mal vor sich hinsprechen, wie alles so gekommen ist: »Mein Vater hatte eine kleine Reederei …« Damit ging’s ja eigentlich schon los. Pingel-Topp. Sonntags das Schließfach leeren, das Schließfach Nr. 210. Courtage, Tons und Dividenden.

Über den Wall gehen, an den Kanonen der Fischerbastion vorüber und zum Hafen hinunter, ob noch Schiffe eingetroffen sind. Den »befreundeten« einen kurzen Besuch abstatten, die »feindlichen« nur eben flüchtig mustern (die clarierten bei verhaßten Konkurrenten). Brennevin und Bu-re-au.

 

Auf und abgehn. Die Hände in den Taschen oder auf dem Rücken. »Wie so’n Alter.« (»Was hat er nur für einen schönen Kopf.«) Prinz Walther von Aquitanien. Unter dem Fenster tief einatmen, das bißchen frische Luft, das durch die Ritzen dringt. Wie kleine gläserne Kugeln im Blut, kleine Bläschen im staatl. Fachinger, auf weißem Gartentisch, Kies, und der Ober im Eingang des weißen Hotels: er wartet, bis man in Ruhe gewählt hat. Ihm ist bekannt, wie lange das dauert, keine Sekunde zu früh tritt er an den Tisch.

»Sehen Sie nicht, daß wir noch lange nicht fertig sind?« Alles braucht seine Zeit.

Dwa malinkij maltschika naidut arech …1

An der Zellentür durch den kleinen Spalt schielen, den da einer eingekratzt hat, einer der vielen Vorgänger, vielleicht schon in der Nazizeit: huschende Schatten, ein alter Mann, den sie stoßen. – Oder eine Frau?

Harmlos tun, wenn sie dich entlassen wollen, und natürlich alles unterschreiben. Daß du im Westen nur Gutes sagen willst über diese wunderbare Sowjetunion und deren ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Dies edle Menschenpotential. Und daß du nie wieder was gegen sie unternehmen willst, aus Überzeugung nicht und sowieso. Und dann sofort nach Wiesbaden, zu den Amerikanern, ohne jeden Umweg. Und die Presse wartet schon. »Gedulden Sie sich bitte noch ein wenig, unser Mann ist außerordentlich erschöpft.« (Fleischbrühe flößen sie dir ein, weil sie denken, du kannst es nicht vertragen, das überquellend-raffinierte West-Essen: Steaks und resche Pasteten.)

Oder nach New York zur UNO-Vollversammlung? Ja. Lieber gleich nach New York.

Und in New York eine Rede halten, die sich gewaschen hat: Behutsam und leise beginnen – (erstmal Ruhe einkehren lassen und das Mikrophon runterbiegen, sich’s gemütlich machen am Rednerpult: es sind ja alles nur Menschen). Behutsam und leise ein einzelnes Wort fallen lassen von äußerstem Gewicht, dann noch ein Wort, größer und größer werden, höher hinauf!

Immer drücken sich noch Delegierte von draußen herein: »Was ist los? Spricht da einer über erschütternde Dinge?« Sie sitzen starr und können’s kaum fassen.

Der sowjetische Delegierte telegrafiert dann blitzfernschreibend nach Moskau: »Ich glaube, wir müssen diese Leute nun entlassen.«

Die Rede für New York schon jetzt ausarbeiten.

My father was a shipsowner and my mother was always friendly ...

Etwas Privates mit einflechten, dann hören sie besser zu:

 ... in the evening she stood at the Fußende of my bed and said: ›And now put your nose into the pillow‹ ...

Schlicht, so daß sie schon denken: Was soll das? – Dann eine Definition des Leides geben, die sich gewaschen hat, und auch eine des Glücks: daß das Glück mit dem norwegischen »lukka« verwandt ist und mit »Gelingen« was zu tun hat: Jeder ist seines Glückes Schmied. Klar, einfach und ohne weiteres einleuchtend. (Die Definition des Leides fällt einem dann schon ein.) Und dann langsam Zunder geben, von unten herauf, schneidend ...

Vielleicht werden aufgrund dieser Rede dann sämtliche Gefangenen der ganzen Welt nach Hause geschickt. Auf einen Schlag! »Wem haben wir das zu verdanken?« fragen sie und kommen und wollen einem die Hand drücken. – Längst ist man dann fortgegangen, liegt in einer Dachkammer, den Blick zur Decke gewandt, weitab vom Getriebe der Welt oder steht am Fenster und sieht: »Über die winkligen Dächer der Stadt in den sinkenden Abend hinein.«

Oder: Begnadigt zu lebenslanger Ehrenhaft, abzumachen auf einer Festung. Den Wallgraben auf und ab schreiten als Walther von Aquitanien mit einem ergebenen Freund, dem »Grafen von Einem« vielleicht, dem letzten der Freunde, dem einzigen, der treu geblieben ist. Den Mantel hat man umgenommen, und der Blick schweift ins weite Land. Auf jeglichen Luxus verzichten, einfach und schlicht gekleidet, auf einem Feldbett schlafen. Kartoffelsuppe essen mit angebratenem Speck. Schnittlauch darin und zerfaserndes Rindfleisch.

Oder: Auf einem Gut! Ehrenhaft, abzumachen auf einem Gut.

Das weiße Schloß: Auffahrt und Freitreppe; Säulen am Portal. (»Liebe Mutter, ein richtiges Schloß …«) Alte Bäume und ein achteckiger Pavillon.

Nach Tisch – vielleicht gebratene Leber mit gedünsteten Mohrrüben und Kartoffelmus – die weitgeschwungene Treppe hinunterschlendern, ein Buch zwischen den Fingern, eingebunden in rotes Saffian. Sich auf die weiße Parkbank setzen (umgestürzte Putten!) unter dem bewegten Blätterberg der riesigen Blutbuche: Wind spielt im Haar.

Was wirst du tun, Gott, wenn ich sterbe?

Eine Schale mit Obst neben sich, wächserne Äpfel, grießige Birnen. Und Trauben, deren Schale man ausspuckt.

Von der Tochter des Gutsbesitzers wird man beobachtet. »Der arme Mensch hat lebenslänglich«, sagt sie und zeigt mit dem Knauf der Reitgerte herüber (ihr guter Brauner): »Bewunderungswürdig, wie der sein Schicksal trägt.«

 

Stampfkartoffeln oder Quetschkartoffeln? Wo liegt da der Unterschied; Brühkartoffeln.

Mal aufzählen, was man mit Kartoffeln alles machen kann. The House of Potatoes. Ein Gasthaus eröffnen, in dem es nur Kartoffeln gibt. »Erdäpfel« (die Kartoffeln »Erdäpfel« nennen, dann schmecken sie besser ...). Die mehligen: weißlich zerfallend und die kleinen, strammen, speckigen.

Bilder an die Wände hängen von der Entdeckung der neuen Welt. Francis Drake, wie der da grade die ersten Kartoffeln an Bord tragen läßt. Sir Francis Drake oder Sir Walter Raleigh, wer das nun gewesen ist, je nachdem. Mit der linken Hand weist er auf den Union Jack und mit der rechten auf den von einem Priester geleiteten Matrosen, der das zarte Pflänzchen in den groben Händen hält. (Ein Kartoffel-Pflänzchen statt einer Knolle, aus heraldischen Gründen.)

Und Friedrich der Große, auch ein Bild von dem, wie er den friedlichen Bauern das Kartoffelpflanzen erklärt und daß man nicht die Früchte ißt, sondern das, was unter der Erde sich ansammelt, die Knollen, daß da die Stärke sitzt.

 

Gesellschaft, Kameradschaft, Freundschaft.

Liebe.

Die Tochter des Gutsbesitzers mit dem sowjetischen Botschafter am Kamin. Sie starren in die Flammen. Jaja, die Deutschen. Wie haben sie gehaust in Mütterchen Rußland. »Aber der Kempowski, das ist ein ganz besonderer Mensch, ein Idealist vom Scheitel bis zur Sohle, besessen von patriotischer Liebe zu seinem Heimatland. Der meinte das nicht bös.« (»Fügte sie hinzu.«)

Aber, weil sie »Rußland« statt »Sowjetunion« sagt, wendet sich der Botschafter brüsk ab. Die Begnadigung wird um Jahre hinausgeschoben!

Und sie? Sie wirft sich auf das Bett und schluchzt. Alles hat sie verpatzt. Und in der Nacht sitzt sie am Fluß, das weiße Kleid schimmert durch die Dunkelheit und: »Nachtvögel streichen krächzend über sie hin.«

 

Die Uhr beim Uhrmacher. Nach 20 Jahren hingehen und sagen: »Ich möchte meine Uhr abholen. Ich bin der und der.« Der Uhrmacher ist dann schon weißhaarig und fast erblindet: »All die Jahre hab ich sie verwahrt«, sagt er und wischt sich Tränen aus den Augen, »ich wußte es, Sie kommen wieder.« Er nimmt die Uhr aus dem Schrank, in dem sie so lange schon gelegen hat, und zögert einen Augenblick.

»Ich gebe Ihnen Ihre Zeit zurück«, sagt er (um ihn herum das Ticken und das Tacken). »Hier, nehmen Sie«, und die Uhr schlägt wie ein Herz in meiner Hand. –

Der Uhrmacher stirbt, sein Leben ist erfüllt. Man steht am Grab und ist vielleicht der einzige, der die Treue dieses als wunderlich oder ungut verschrienen Menschen kennt. Man drückt sich den Hut in die Stirn: »Und geht durch den Nebel davon ...«

 

Nachts Gitterschatten an der Wand. Immer auf und ab. Als Billardkugel sich schräg von einer Wand zur andern stoßen, schwerelos, und erst nach langem Hin und Her exakt in der Tür zur Ruhe kommen.

Horchen: Das Aufschließen der Zellen, das Wegziehen der Riegel: »Rass-Rass!« Das Klappern der Gittertüren.

»Man lauscht, meine Damen und Herrn, und denkt: kommen sie zu dir?«

Schritte der Posten und Schritte der Gefangenen. Grobe Schuhe, weiche Schuhe. Mann oder Frau?

Wie hab ich das gefühlt, was Abschied heißt!

Der Posten in Pantoffeln, leise, leise, damit man das Anschleichen nicht hört. Wenn er den Spion zur Seite schiebt (dies feine, quietschende Geräusch!), sich auf die Pritsche setzen und so tun, als brütete man vor sich hin.

»An Mutter denken?«

Ja.

 

Auch mal über Effekthascherei nachdenken: mit einer Harfe Wasserfall nachahmen und mit den Geigen Sturm.

»Erwachen heiterer Gefühle bei Ankunft auf dem Lande«. Gefühle mischen, mal so und mal so. Mal säuseln wie ein Kräuselwind am Boden und sich dann steigern: Auftürmen die Klänge, strahlen. Wenn endlich ruhige Gewißheit Platz greift, emporgedrungen aus verwirrender Vielfalt, dann sitzen sie da, die Zuhörer, im Parkett und auf dem Rang, und sie können es nicht fassen, dieses Schöne. Die Tränen schießen ihnen in die Augen, und sie begreifen, daß es noch was anderes gibt als tägliches Einerlei.

 

(Die Fingernägel wachsen lassen wie ein Chinese. Auch die Haare. Die Zelle bis zum Bersten mit Körper anfüllen: Samson zwischen den Säulen.)

 

Der Globus: Fünf Hände Wasser und vier Hände Land, und daß Deutschland eigentlich verdammt klein ist: Was soll einem einfallen, wenn man alles durchhat?

Italien als Stiefel und Afrika als Totenkopf. Und die Ostsee: eine betende Frau. Der russische Bär und die betende Frau.

Mal alles beiseite lassen, mal probeweise an nichts denken. Sich einen schwarzen Sack vorstellen oder einen Vorhang, der geschlossen ist.

Oder das Weltall.

Den Hohlraum durchqueren, bis in das unerforschte Reich. Da sieht man schon den Berg, den Turm zu Babel, mit seinen tausend Kammern, die man aufschließen und betrachten kann.

3

DIE MUTTER

Ich saß in meiner leeren Bude und war wie gebannt. Gegen Mittag raffte ich mich endlich auf, lief zum Polizeirevier und fragte nach dem Polizeibeamten Schneider oder Schröder, oder wie er hieß.

»Is’n Mord passiert?«

»Nein«, sagte ich, »einen Mord will ich nicht anmelden. Meine Söhne sind heute morgen abgeholt worden, und ich möchte den Kriminalbeamten sprechen, der dabei war.«

»Der kommt erst dann und dann zurück, der ist überhaupt noch nicht wieder da.«

So, sagte ich zu mir: Jetzt läufst du zu Cornelli und erzählst ihm alles.

Cornelli war rührend. »Nun setzen Sie sich erstmal«, sagte er und flößte mir eine Tasse guten echten Bohnenkaffee ein, dieser rührende Mann, selbst zittrig und elend und einsam, aber immer zur Stelle, wenn man ihn brauchte. (Er wohnte ja in einem winzigen Zimmer, püttcherte da herum und kochte sich seine kümmerlichen paar Kartoffeln.)

Cornelli erzählte mir dann, daß auch die Freunde der beiden Jungen »abgeholt« worden seien, eine richtige Verhaftungswelle: Subjella und auch der Sohn von Bahnrat Ewers, dieser nette Bengel, Schulkamerad von Walter.

»Das Rad dreht sich«, sagte Cornelli, »die Jungen sind gewiß, eh Sie sich’s versehen, wieder da.« Eine solche Verhaftungswelle mache viel zu viel Aufhebens, das zahle sich für den Russen absolut nicht aus, der wär ja auch drauf angewiesen, sich die Deutschen zu Freunden zu machen. »Ich meine, wenn Ihre Söhne Schwerverbrecher wären, dann könnt ich das schon eher verstehen.«

Und dann lenkte er mich ab von der ganzen Geschichte und kam auf früher zu sprechen, auf die Hausmusikabende bei Kröhls, die schöne Zeit und die Wanderungen mit dem ganzen Kreis, Picknick und die Dampferfahrten. Und dann sagte er, wir müßten nun ordentlich zusammenhalten und diese schlimmen Erfahrungen als eine Gnade betrachten, die, wenn man sie nur annehme, auch Lehren in sich berge.

 

Am Abend ging ich zu dem Kriminalbeamten Schneider oder Schröder. Als der mich sah, sackte er direkt zusammen. Ich sagte: »Erkennen Sie mich wieder?«

»Ja«, sagte er, »bitte – gehn Sie. Ich stehe mit einem Fuß genau da, wo Ihre Söhne jetzt sind. Ich darf Ihnen nichts sagen, und ich kann Ihnen nichts sagen, so leid wie’s mir tut. – Tun Sie mir den einzigen Gefallen, ich habe Frau und Kind.«

»Ich weiß Bescheid«, sagte ich. »Wo mögen sie denn sein?« »Ich darf Ihnen nichts sagen.«

 

Am nächsten Tag ging ich zum Kriminalamt.

»Was wollen Sie denn hier?« sagte der Beamte, ein widerlicher Kerl, schwarze Haare und unrasiert und schrecklich, so’n richtiger Schubjack.

»Ich möchte eine Vermißtenmeldung abgeben«, sagte ich,

»meine beiden Söhne sind verschwunden.«

»Das gibt’s ja gar nicht. In der Sowjetischen Besatzungszone verschwindet kein Mensch.«

Da hab ich auf’n Tisch geschlagen und hab gesagt: »Nun wird’s Tag! Ich bin doch nicht blind! Ich war doch selbst dabei, wie sie weggeholt wurden! – Ich gehe hier nicht eher wieder weg, als bis ich weiß, wo meine Söhne sind.«

Richtig fünsch bin ich geworden. Dieser ekelhafte Kerl. Und dann hab ich mich da auf die Treppe gesetzt, und zwar auf die Haupttreppe, wo der ganze Verkehr durchgeht. Und jeden Tag bin ich wieder hingegangen, hab mir’n Stück Brot mitgenommen und hab da gesessen und gewartet, und alle Leute, die was erledigen wollten, mußten an mir vorbei. Die sahen mich da sitzen.

Am dritten Tag kam der Beamte und sagte: »Sie sitzen ja immer noch hier.« (Das war ihm wohl peinlich.) » ... will Ihnen mal sagen, Ihre Söhne sind beim Russen.«

Ich sag: »Das ist doch keine Art und Weise. Ich sitz hier wie Pik sieben … konnten Sie mir das nicht schon viel eher sagen? Das ist ja unerhört!«

Ich ging also zur John-Brinckmann-Straße, da war das GPU-Gefängnis, und sagte zu dem Posten: »Ich möchte einen Dolmetscher sprechen.«

(Das Haus, in dem das Gefängnis war, gehörte früher mal Prof. Woltersen, diesem Wagner-Enthusiasten. Oft sind wir bei ihm gewesen, in unserer jungen Ehe. Der hatte die herrlichsten Platten, die spielte er uns vor und dirigierte dabei wie doll und verrückt.)

Der Posten ging in sein Schilderhäuschen und telefonierte. Kurz darauf öffnete sich oben in der Villa ein Fenster (das war das Zimmer von Erich gewesen), und da kuckte einer raus. Der Posten rief ihm auf Russisch was zu, der andere rief was zurück, der Schlagbaum ging hoch, ich durfte passieren. – Dann stand ein Kerl vor mir, ich dachte, das ist so einer, der die Jungen prügelt. Ein widerlicher Kerl.

»Kempowski ist mein Name«, sagte ich, »meine Söhne sind abgeholt worden. Ich wollte nur mal fragen, ob ich ihnen Decken bringen darf oder was zu essen. Sie haben doch nichts mitgenommen.«

Der Kerl kuckte mich an … also, ich dachte: jetzt schlägt er dir eine runter.

»Wenn Ihre Söhne was brauchen – dann wir holen! Rrraus!«

O Himmel! Ich ging richtig mit hohlem Rücken weg. Widerlich! Ohne jedes Herz. Aber ich wußte doch nun wenigstens, wo die Jungen sind, und, so komisch es klingt: das beruhigte mich. Wenn mir die Phantasie auch natürlich keine Ruhe ließ – man stellt sich dann ja alles mögliche vor –, aber ich war bedeutend ruhiger, wie abgeklärt.

 

Nach etwa zwei Monaten kam dann ein deutscher Polizist

4

WALTER

Mitte April bekam ich ein Bündel Wäsche von Zuhause. Ein herrliches Kopfkissen, Taschentücher, die noch etwas nach Bügeleisen rochen, den Pullover, den wir immer das »Rebhuhn« genannt hatten, ein Stück gute Seife und sogar eine Zahnbürste.

Die Sachen waren in das italienische Plaid gewickelt, in das Plaid meines Großvaters, 1936, damals, als die Geschäfte mit den Italienern losgingen und Hitler noch auf dem Wörther See herumfuhr. (»Ein fabelhafter Mann.«)

Ich wusch mich mit der parfümierten Seife, putzte meine vermehlten Zähne und zog frische Wäsche an. Tief durchatmen: so würde man es noch ne Zeitlang aushalten können. (Nun vielleicht noch was zu lesen oder ab und zu ein Paket mit Brot und Wurst und Schmalz und Zucker. Vielleicht auch mit Liliput-Wörterbüchern, die nehmen ja nicht viel Platz weg, und dann wundern sich die Leute später, woher man die verrücktesten Wörter auf englisch oder auf französisch kennt.)

Aber – warum ging die Mutter nicht nach Hamburg? Das wurde doch allmählich Zeit?

 

Eine Woche später wurde ich verlegt. Der Posten brachte mich auf die andere Seite, kuckte auf den Zettel und schloß eine Tür auf: »Los, rein da.«

Ich quetschte mein Riesenbündel durch die Tür und prallte zurück.

Das war ein Schlag, der ging durch alle Glieder.

Ein Mann hockte da in seinem Gestank: Mensch, Maschine, Puppe oder Automat, als Elendssilhouette gegen die Sonne, zerlumpt, mit grinsendem KZ-Gesicht, 22 Jahre alt, ein Greis.

Er hatte sich seinen Mantel umgelegt (weiß war der von der Wand) und betrachtete mich gelassen. Nickte: Komm man rein. Der kannte das, der wußte, daß irgendwann einmal die Einzelhaft zu Ende ist und daß man dann wieder unter Menschen gelassen wird.

Ich packte meine Sachen aus, die langen Unterhosen und die Bleyleweste meines Großvaters, und Manfred, so hieß der Mensch, kuckte zu, was ich da so alles hab.

Mein Pelzmantel machte Eindruck: »Mein lieber Scholli!« Zitternd öffnete er seinen Mantel und zeigte mir seine Brust, knochig und kaum verhüllt durch ein russisches, mit Bändchen zusammengetütertes Leinenhemd: hier, ich sollt mal kucken, er habe so gut wie nichts. Er sei kein so’n Jüngelchen, dem’s die Eltern hinten und vorne reinsteckten.

Seine Eltern wären geschieden, der Vater irgendwo in Mexiko und die Mutter in Bremen.

Er sei auch drüben gewesen, gleich nach Kriegsende, habe leider dummerweise ... »Aber was geht dich das an.«

 

Zwei Jahre Untersuchungshaft: er wollte wissen, was es Neues gäb. Zeitung, Radio.

Nichts?

Es müsse doch was Neues geben, zum Teufel nochmal, ich müßte doch noch irgendwas wissen, von der hohen Politik, ob die Außenminister sich wieder mal getroffen haben, Molotow, dieser Neinsager, oder Bidault, das Schwein. Und wann die Amis endlich kämen und uns rausholten – irgendeine Kleinigkeit!

»Spricht man über uns?«

Daß Indien selbständig ist, davon hatte er schon gehört, das habe so einen Bart. – Nylon, ob das im Vormarschieren wär, das interessierte ihn, und was die Aufstände in Griechenland machten, die kommunistischen, ob der Westen sich das bieten läßt.

Und was ich draußen für die politischen Häftlinge unternommen hätte, auch das wollte er wissen. Er sah mich höhnisch an: all die Jahre hätt’ ich wohl im Bett gelegen und die Zimmerdecke angekuckt, was?

Er nahm den Mantel wieder fester um und lehnte sich an die Wand. Im Grunde ja auch ganz egal. So oder so kaputt. Aber: dann müßte ich mich auch nicht wundern, wenn wir hier noch ewig säßen. Ewig und drei Tage.

Als ich ihm dann erzählte, was ich für ein Held gewesen sei, daß ich all die »Reparations«-Lieferungen in den Westen gemeldet hätte, damit die Amerikaner das mal stoppen oder aufschreiben für einen späteren Friedensvertrag, hörte er gar nicht mehr richtig zu. Er lächelte ein wenig und sagte, den Rat gäb er mir, das auf keinen Fall noch einmal irgendjemandem in irgendeiner Zelle zu erzählen. »Wenn ich nun ein Spitzel bin?«

 

Am Abend kam noch ein Dritter zu uns, Günther Pagels, ein blasses Armeleutekind mit ungesunder Gesichtsfarbe, Drogistenlehrling, 16 Jahre alt.

Wenn bei Capri die Rote Flotte im Meer versinkt …

hatte er gesungen, das war sein Vergehen gewesen.

Manfred wollte auch von ihm wissen, was es Neues gibt. Und als da absolut nichts kam: woraus man Lakritze herstellt, ob er ihm das sagen könne, als »Droschistenlehrling« müsse er das doch wissen. »Aus Ochsenblut? Oder aus Süßholz?«

Dann sank er zurück: es hat ja alles keinen Zweck. Dumm geboren, nichts dazugelernt.

»Ihr werd’t schon sehen, was ihr davon habt.«

Als junger Mensch müsse man immer fragen, fragen, fragen. Wie so ein Fragezeichen müsse man herumlaufen, wißbegierig wie ein ausgedörrter Boden. Warum ich zum Beispiel noch nicht auf die Idee gekommen wär, ihn über das Gefängnis auszuquetschen, das wundere ihn, wer hier so alles sitzt und was die Posten für Menschen sind, daß ich das noch nicht gefragt hätte, das wundere ihn sehr. Er könnte ja Stunden um Stunden erzählen.

Als im Keller noch erschossen wurde (eine Zelle mit Bretterwänden, damit die Geschosse nicht in der Gegend rumfliegen, und Sägemehl auf dem Fußboden für das Blut), als nachts die Leute aus den Zellen geholt wurden (»Mit Handtuch und Seife!«) und nie wieder erschienen … Das seien noch Zeiten gewesen.

Er schreibe bestimmt nochmal ein Buch darüber, das habe er sich fest vorgenommen. Diese Verbrechen müsse die Welt doch mal erfahren! Sein gutes Fränzchen – kümmerlich verreckt, an Tbc. Hier auf der Pritsche, hier auf dieser Pritsche. Er sehe ihn noch vor sich. Der Posten, nachts, der habe die Zelle ganz vorsichtig aufgeschlossen, ob’s zu Ende geht.

Was hier für Leute saßen, darüber war er wirklich sehr genau im Bilde, ganz oben zum Beispiel der Fall Kramer, sechs Mann und eine Frau. Waffenbesitz. Die waren auf Jagd gegangen, um den Küchenzettel etwas aufzubessern, mit Pistole und Karabiner 98. Die Frau war in schwangerem Zustand verhaftet worden und hatte ihr Kind hier drinnen zur Welt gebracht.

»Seid mal still, vielleicht können wir es hören …«

Wir sollten ihn bloß nicht fragen, wie das ablaufe, wenn hier eine Frau ein Kind bekommt.

 

In die Wand waren Uhrzeitstriche eingeritzt. Man konnte die Sonnenstrahlen verfolgen, wie sie von Strich zu Strich glitten. Morgens langsam, mittags schnell. Der dicke Strich neben der Tür bedeutete Mittagsuppe, der »roch« nach Kohl und Kartoffeln. Wenn der erreicht war, hörten wir unten den Kübel aufschlagen. Dann erhoben wir uns und stellten uns in die Tür und horchten, wie sie ihn von Zelle zu Zelle schleiften.

»Ihr wascht eure Schüsseln doch nicht etwa aus?«, sagte Manfred. »Jede einzelne Kalorie ist kostbar.« Die Posten draußen, die schöpften sich erstmal das Fett von der Suppe und tränken das als Brühe, das schöne gelbe Fett.

»Diese Schweine.«

Das möcht er auch mal tun.

Schweine seien das, aber – wer weiß? – vielleicht seien es grade die größten Schweine, die alle Verbrechen, alles Unrecht, das uns hier zugefügt wird, haarklein nach drüben meldeten. Schikanierten uns hier nur zur Tarnung?

Denen mal zuzwinkern irgendwie?

Je schlechter es uns gehe, desto besser eigentlich: »Dann haben die jedenfalls was zu melden.« Der Ami drüben, der sammle gewiß jedes Schicksal einzeln auf einer Karteikarte und werte das aus.

»Wehe uns passiert was!«

Das brächten die dann sofort vor die UNO, und das wär dem Russen dann bestimmt sehr peinlich.

 

Nach dem Essen sackte Manfred zusammen. Er besabberte seinen Mantel.

Nicht mal zu wissen, woraus Lakritze gemacht wird! »Und sowas will nun Droschist sein …«

Der Kopf knickte herunter, und das grinsende Hungergesicht zuckte. Der kleine Günther stieß mich an: Kuck mal, furchtbar, nicht? Dies Knochengerippe?

Da fuhr er auf »Was ist?« rief er. So wär das ja nun nicht, wir sollten nicht denken, daß er hier schlappmacht. Zwei Jahre rumgekriegt, Prügel, Karzer und Hungerei, nun schaffe er den Rest bestimmt auch noch. Das sollten wir bloß nicht denken, daß er hier vor die Hunde geht!

Und fahrig griff er in das Mantelfutter und holte kleine bestickte Lappen heraus und warf sie uns hin wie Geldscheine. Sowas hätten wir bestimmt noch nie gesehen, was? Rosa Rosen, lila-gelbe Stiefmütterchen und ein blaues Vergißmeinnicht, mit Draht gestickt, so akkurat wie früher die Blumen in den Zigarettenschachteln.

»Da staunt ihr, was?«

Wir sollten bloß nicht denken, daß er hier am Ende wär! (Des Menschen Hoheit und des Menschen Elend.) Er wär noch lange nicht am Ende. Er halte noch Jahre um Jahre aus, oder ob wir dächten, er täte denen den Gefallen und verrecke hier? Nee! Alles still und ohne sich zu mucksen aushalten, was uns die Banditen hier zufügen, und sich rausheucheln und draußen dann dem Westen ins Ohr schreien: Ihr seid wohl blöd! Ihr seid wohl blind! Merkt ihr denn gar nicht, was das hier für Verbrechergesindel ist?

Und um uns zu beweisen, was noch für Spannkraft in ihm steckt und was er alles weiß und was wir für Greenhörner sind, schabte er Schlemmkreide von der Wand, machte einen Brei davon und schmierte den auf den Schüsselboden.

»Hier, kuckt mal! Darauf kann man schreiben!«

Das hätten wir wohl nicht gedacht, was? Noch wär er nicht im Eimer, noch nicht. Dieses Schreibenkönnen hätt’ ihm so ziemlich das Leben gerettet. Immer, wenn er gedacht habe: es geht nicht mehr weiter, dann habe er sich die Schüssel eingeweißt und irgendwas darauf geschrieben. Zum Beispiel Sätze, die man auch von hinten lesen kann, sogenannte Palindrome:

»Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.« Oder: »Leg in eine so helle Hose nie’n Igel.« (Den hätte er noch von seinem guten Fränzchen.)

Mit »Rentner« müsse doch was Ähnliches zu machen sein, denke er immer. »Ein Rentner nie.« Aber was: nie, das wäre hier die Frage …

Ich sagte: »Reliefpfeiler«, das wär auch so ein Wort, das könne man auch von hinten lesen. Das stamme von Lessing oder von Schopenhauer. Und: »Otto tenet mappam madidam madidam mappam tenet Otto.«

Da ließ er seine Schüssel sinken und lehnte sich zurück. Die Blumen ins Mantelfutter stecken: die Rosen, das Vergißmeinnicht.

Gemäht sind die Felder, der Stoppelwind weht.

»Daß man auf sowas nicht kommt ...« und raffte seinen Mantel und verstummte.

 

Mitte Mai hatte er endlich Tribunal. Er freute sich. Zwei Jahre Untersuchungshaft! Im Lager gäb’s auf jeden Fall besseres Essen. Dächt’ er. Ob wir das nicht auch dächten?

Was? Fischsuppe vielleicht?

»Was meint ihr?«

Mit satt Kartoffeln …

Na, wie dem auch sei, erstmal raus aus diesem Schuppen hier.

Er wusch sich die Ohren und band die Leinen-Schleifen seines Hemdes neu: Endlich raus aus diesem Schuppen. Mal wieder spazierengehen, unter hohen Bäumen, tief durchatmen: die schöne frische Luft. Er glaube, im Lager komme man schnell wieder hoch.

Er stand eine Weile an der Tür herum, dann setzte er sich und wartete, daß man ihn holt. Franz Röder, sein gutes Fränzchen, den Namen sollten wir uns merken, und wer zuerst rauskommt, meldet das, daß der hier abgenippelt ist. Franz Röder aus Parchim, Hagenweg 3, Vater Tierarzt. Elend verreckt …

»Und wenn wir uns im Lager treffen, dann helfen wir uns gegenseitig, nicht? Einer zieht den andern nach. Wie so eine Loge. Wie ein Bund.«

Er arbeite dann vielleicht in der Gärtnerei – da gäb’s sicher eine Gärtnerei: frischen Salat und Radieschen – und hole uns dann nach. Darauf könnten wir uns felsenfest verlassen. In einer Ecke des Treibhauses, oder wo man dann da arbeitet, sich einen kleinen Kanonenofen aufstellen und dann Kartoffeln braten. Einer steht Schmiere. Und das Fett besorgt man sich irgendwo. In einem Lager kann man sowas regeln, in einem Lager wird immer gehandelt und getauscht. Bratkartoffeln, wenn er nur noch ein einziges Mal Bratkartoffeln essen könnte …

»Ich besorg euch Arbeit, das ist so klar wie Kloßbrühe. Ich besorg euch was.« Und wenn wir den ganzen Tag Laub karren müßten – immer noch besser als nichts. (Er werde dann ein Auge zudrücken und elf Karren aufschreiben statt zehn.)

Eines noch, das hätt er doch beinah vergessen: wenn einer rauskommt, durch irgendeinen Zufall: alles melden, die ganze Scheiße hier, haarklein. Daß die da aufwachen im Westen, diese Schlafmützen. Und: Franz Röder, Parchim, Sohn des Tierarztes. Nicht vergessen. Elend verreckt.

Da schloß der Posten die Tür auf: »Dawei!« Manfred fuhr auf und schlug gegen den Türrahmen: »Bye, bye!« mit seinen schlaksigen Gliedern.

Alles Gute und auf Wiedersehn. (Hinscheiden, dieses schöne deutsche Wort.)

5

DIE MUTTER

Nachdem nun die Jungen fort waren, lief ich in den Straßen umher, alles war mir so unheimlich – ich mochte nicht in meine Wohnung.

»Wie so eine Falle«, dachte ich immer, »wie ’ne Mausefalle.«

Ich hätte weglaufen mögen, Augen und Ohren zuhalten. Aber man kommt ja doch um nichts herum, und alles muß durchgestanden sein.

Schließlich wurde ich ziemlich elend und konnte überhaupt nichts mehr essen. Wie zugeschnürt war mir die Kehle. Im Monat hab ich noch nicht einmal ein Brot gegessen. Meine ganzen Marken hab ich verschenkt. Frau Geheimrat Öhlschläger, die ich bei Max Müller traf, schlug die Hände überm Kopf zusammen: »O Gott, Frau Kempowski, wie sehen Sie bloß aus?«

Sonst hat sich ja keiner sehen lassen, man war ja wie verratzt. Daß nun mal einer gekommen wär und hätte sich erkundigt, nee, da luer up … Hatten alle eine Heidenangst, daß sie mit hineingezogen werden würden, mehr Schiß als Vaterlandsliebe.

 

Ende Juli kam ein Russe, der ging durch die Stuben und sah sich alles ganz genau an. Dann setzte er sich an den Tisch und notierte: Flügel, Sofa, Sessel, Bücherschrank, 1 Teppich, 2 Ölgemälde und 1 Bett. – Das wär beschlagnahmt, ich dürfte nichts davon verkaufen oder auch nur von der Stelle rücken. Wenn die Jungen vor ein Tribunal kämen und verurteilt würden, dann würden diese Sachen abgeholt werden. Andernfalls könne ich sie behalten.

Also schön. Da saß man dann in seinem eigenen Haus auf Pump und lauerte, was werden soll.

In meiner Naivität hab ich noch versucht, den Flügel zu retten, indem ich ihn dem Konservatorium anbot. Frl. Schnabel nämlich, die traf ich auf der Straße, und die sagte: »Ach – und wir haben nur so wenig Instrumente, könnten Sie da nicht mal mit den Russen sprechen …?«

Ich bin also zur Kommandantur gegangen und hab gesagt, das wär doch wundervoll, wenn das Konservatorium den Flügel kriegte, dann würde der doch benutzt und stände nicht herum. Vom Herumstehen würde er ja auch nicht besser …

Da lief ich aber auf! Wie ich dazu käm, hier solche Vorschläge zu machen, ich hätte gefälligst den Mund zu halten.

Ich kriegte gehörig was auf’n Deckel.

 

Eines Tages klopfte es – Lander saß wieder mal bei mir, ein Bekannter von Robert – und ein junger Mann stand vor der Tür. Er hatte einen Trenchcoat an und trug eine Brille mit Metallgestell. Sein Name wär Katzberger, ob er mich mal sprechen könnte.

Ich sagte: »Bitteschön.«

Er komme aus Wiesbaden, sagte der Mann – es war ein Amerikaner, man konnte es hören – und er habe den Auftrag, nachzufragen, was mit meinen beiden Söhnen wär. Sie hätten doch Nachrichten über die Plündereien der Russen liefern wollen, und nun habe man nichts mehr von ihnen gehört? – Die Amerikaner wären sehr interessiert zu erfahren, was die Russen alles rausschaffen aus der Ostzone, das wär nämlich gegen die Abmachungen.

Ich erzählte, was passiert war, und er hörte sich das an. Und dann sagte er: die da in Wiesbaden, die täten sicher alles, um meine beiden Jungen zu retten. Die hätten ja ganz andere Mittel, auf höchster Ebene. Eines Tages wären beide wieder da, Robert und Walter, ich sollt mal sehen.

All sowas hat er gesagt und dann: er müßt jetzt machen, daß er wegkommt.

Hat sich dann noch Brot von mir geben lassen und verschwand. Eine ganz mysteriöse Sache. Ich meine, wenn er wirklich vom amerikanischen Geheimdienst gewesen ist, wie er sagte, dann verstehe ich nicht, daß er dies Gespräch in Gegenwart eines Dritten geführt hat. Er kannte diesen Lander doch gar nicht.

Wenn er den Mund gehalten hätte – wer weiß, dann wär mir später sicher vieles erspart geblieben, denn Lander war ein sehr zwielichtiges Subjekt, der, wie ich später erfuhr, nur darauf lauerte, daß man sich verplappert.

 

Dieser Lander war wie eine Klette. Der klebte richtig, der kam schließlich jeden Tag. Ab und zu mit seiner »Gila«, einem an sich sehr netten Mädchen, das gar nicht zu ihm paßte. Wie die es bei ihm ausgehalten hat, ist mir ein Rätsel. Gisela Schomaker, Vater Wäschereibesitzer in der Altstadt. Walter mochte sie wohl mal ganz gern.

Dieser Lander fragte dauernd, ob er nicht unser Geschäft fortführen könnte. Der war vom Stamme Nimm. Er sei Roberts Freund …

Geschäft? Da war ja gar nichts mehr zu führen. Seine Spiköks wollte er da treiben, sonst nichts. Schwarzhandel und Durchstechereien. Ich bin gar nicht darauf eingegangen. Das war doch ein Schieber, wie er im Buche steht. Manchmal hatte er die ganze Tasche voll Geld, und dann wieder pumpte er mich an, mich mit meinen paar Kröten! Unten am Hafen wohnte er, Werftgegend, in einer Garage, einem finsteren Loch.

»Gila« hat mir eigentlich leid getan. Die hätte einen ganz anderen verdient gehabt. Hatte sich von ihren Eltern losgesagt, nur um bei diesem Kerl zu bleiben.

 

Und dann war Lander auf einmal verschwunden. Verhaftet, wie ich erfuhr, und zwar zusammen mit »Gila«, diesem armen Mädchen. Da wurde es mir aber mulmig!

Ich ging zu Cornelli und fragte ihn, ob er meinte, daß der mich wegen dieses Amerikaners anzeigt.

»Eh ein Mensch sowas macht«, sagte Cornelli, »da muß er tief gesunken sein.« Das traute er niemandem zu. »Seien Sie ganz ruhig, Frau Kempowski, ich stehe Ihnen bei.« Das sagte dieser rührende Mann.

Ich ging dann häufiger zu ihm, und wir hatten die schönsten Gespräche. Daß man sich zu wenig Zeit nimmt, um weiterzukommen, und daß man das Schöne, das es auf der Welt gibt, fast übersieht bei all den Sorgen. Man sollte doch versuchen, sich zu vervollkommnen, der Sonne entgegenzustreben, um einmal, vollendet, sich aufzulösen.

Manchmal haben wir auch über Gedichte gesprochen:

Solang du nach dem Glücke jagst, bist du nicht reif zum Glücklichsein ...

Ich hab nachher noch so oft daran denken müssen. Stunde um Stunde saßen wir beisammen, in seiner kleinen düsteren Stube, der gute Mann. Es ging so etwas Abgeklärtes von ihm aus. Er hatte es ja selbst nicht leicht: die Frau gestorben, die Kinder im Westen. Und sein Geschäft doch auch erledigt. – Einmal wanderten wir bei schönstem Wetter drei Stunden durch die Rostocker Heide, den alten Weg, den ich mit meinem Mann und den Kindern so oft gegangen war. Die Ostsee hörte man rauschen, und das Rauschen der Wellen mischte sich in das Rauschen der Bäume.

Wir saßen dann in den Dünen und kuckten über das Wasser. Es war mir recht wehmütig: da drüben irgendwo Ulla zu wissen und keine Möglichkeit, zu ihr zu kommen …

»Sie müssen ganz fest an Ihre Tochter denken«, sagte Cornelli, das wär dann eine Kraft, die ihr zugute käm. Die Christen nennten das Segen. Sowas übertrüge sich. Aber nicht gleichzeitig an die Tochter und an die Jungen denken, dann sei das wirkungslos. Abends, wenn alles still ist, ganz fest an den geliebten Menschen denken …

Schließlich bot er mir an, er wolle zu mir ziehen, damit ich nicht so einsam wär. Das wär auch sehr schön zu machen gewesen, hinten das große Zimmer, das war ja jetzt frei. Aber wenn die Jungen nun wiedergekommen wären, wo hätten sie wohnen sollen?

6

WALTER

In der Nacht ging ein starkes Gewitter nieder. Der Wind rüttelte an den Blenden, und die Blitze warfen die Striche des Gitters an die Wand.

Die Posten schlichen von einer Tür zur andern. Kalt Blut und warm Untergewand! Sie riefen sich unverständliche Worte zu, und einer, im Keller, sang klagend.