Haben Sie Hitler gesehen? Haben Sie davon gewußt? - Walter Kempowski - E-Book

Haben Sie Hitler gesehen? Haben Sie davon gewußt? E-Book

Walter Kempowski

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Beschreibung

Zwei Bücher, die Geschichte machten

Mit einem Vorwort von Joachim Gauck, Freund und Weggefährte Kempowskis


Die "politischen Befragungsbücher" Walter Kempowskis gehören zum Grundbestand der Auseinandersetzung der Deutschen mit dem Nationalsozialismus. Jetzt werden sie wieder aufgelegt.

Ende der 1950er Jahre begann Walter Kempowski, seine Verwandten nach ihren Erinnerungen an Kindheit, Jugend und die Zeit des Dritten Reichs zu befragen. Sorgfältig notierte der angehende Schriftsteller alles in den "roten Bänden", Grundstock für sein Romanprojekt der "Deutschen Chronik", das ihn berühmt machte. Parallel dazu fing er an, Nachbarn, Bekannten und Passanten zwei Fragen zu stellen: "Haben Sie Hitler gesehen?" und "Haben Sie davon gewusst?" (nämlich von den KZs). Kempowski betrat mit dieser systematischen Befragung Neuland und brach damit im Wirtschaftswunderland Deutschland ein Tabu. Denn Vergessen und Verdrängen war das Gebot der Stunde.

1973 veröffentlichte Kempowski den Frageband um Hitler; er wurde (auch international) ein Bestseller. 1979 folgte der zweite Band. Die beiden Bücher haben ihren festen Platz im Kempowskischen Kosmos und waren wichtige Schritte hin zum "Echolot", "einer der größten Leistungen der Literatur unseres Jahrhunderts" (Frank Schirrmacher).

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Walter Kempowski

Haben Sie Hitler gesehen?

Haben Sie davon gewußt?

Deutsche Antworten

Mit einem Vorwort von Joachim Gauck

Knaus

1. Auflage

Copyright © 1973 bzw. 1979, 1999, 2012

by Albrecht Knaus Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Gesetzt aus der Stempel Garamondvon Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-07342-3

www.knaus-verlag.de

Vorwort

Das war schon eine merkwürdige Begegnung, damals in den siebziger Jahren, als ich zum ersten Mal einen Roman von Walter Kempowski las. Als Rostocker hat mich natürlich das Personal von Tadellöser & Wolff interessiert, aber auch die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, die mir als etwas Jüngerem kaum bewusst geworden ist.

Ich war magisch angezogen vom Sujet und hatte doch eine Abwehr wegen des Sprachstils. Eine innere Stimme sagte mir: Mein Gott, kann– darf– man seine Figuren so über Nazizeit und Krieg plappern, banalisieren, räsonieren lassen? Irritation. Später, belesener, vermochte ich Absichten, Komposition und eine Begabung zu erkennen, die den Leser dem Eigentlichen gleichsam magisch hinter dem Jargon des Uneigentlichen begegnen ließen.

Als der Band Haben Sie Hitler gesehen? 1973 erschien, schrieb die ZEIT, Kempowski habe als »Bauchredner des Volkes« agiert. Es war absolut ungewöhnlich, dass ein Schriftsteller die Realität ganz allein für sich sprechen ließ, ohne Deutung und literarische Bearbeitung. Wieder Irritation. Aber auch Überraschung: Wie aus den wörtlichen Zitaten von über zweihundert Bundesbürgern ein Bild des Diktators und seines Krieges entstand, das komplexer und vielschichtiger war als manche Analyse. Schrecklich und witzig, komisch und tragisch, zum Fürchten und zum Lachen. Manchmal auch zum Ekeln.

Und ich, Jahrgang 1940, erkannte Sprüche, die ich ähnlich von meinem Vater, meiner Mutter oder im Bekanntenkreis aufgeschnappt hatte, Sprüche über Hitler und die Konzentrationslager, denen Kempowski wenig später einen eigenen Band widmete: Haben Sie davon gewusst? (1979). Meist verharmlosende Redensarten und Floskeln, gegen die ich angelaufen war, als ich, ein Jugendlicher nach dem Krieg, anfing, Fragen zu stellen.

Walter Kempowskis Vater ist noch Ende April 1945 auf der Frischen Nehrung umgekommen, mein Vater verbrachte die meiste Zeit des Krieges in einer Marineschule in Gdingen, das damals Gotenhafen hieß. Kempowski kam in eine Strafeinheit der Hitlerjugend und musste im Frühjahr 1945 als Kurier zur Luftwaffe. Er hat noch selbst und weit einschneidender erlebt, was ich mir fast nur durch Lesen und Fragen an die Älteren erschließen konnte: Was hatten die Männer und Frauen im Krieg erlebt? Und warum erinnerten sie sich fast nur an das Schlimme in der eigenen Familie? Wieso haben sie nicht auch das Verschwinden der geistig Behinderten, der Juden in der Stadt registriert? Wieso nicht mit Empörung auf die Entrechtung der vielen polnischen, ukrainischen, russischen Zwangsarbeiter reagiert, die in deutschen Betrieben und auf deutschen Bauernhöfen schuften mussten? Hatten sie wirklich nichts gewusst von den Gräueln, die im sowjetischen Hinterland geschahen, und erst recht von den Massenmorden in den Konzentrationslagern?

Die Gunst des Schicksals hatte meinen Vater vor der Front bewahrt. Wie er sich verhalten hätte, weiß ich nicht. Aber ich verhielt mich, als hätte die individuelle Differenz sowieso keine Rolle gespielt. Für mich, für meine Generation war die Elterngeneration a priori schuldig.

Es stimmte: Reue und innere Krise blieben in den fünfziger und sechziger Jahren nicht nur bei jenen aus, die Verbrechen begangen hatten oder sie noch im Nachhinein als Pflichterfüllung rechtfertigten. Es schwiegen und verdrängten auch jene, die die Auseinandersetzung mit der eigenen Verstrickung und ihrem schlechten Gewissen fürchteten. Vielleicht hatten sie als mittelständische Unternehmen einen jüdischen Betrieb unter Wert übernommen, als Offizier eine jüdische Familie ausgewiesen, hatten Hilfe verweigert, jemanden denunziert oder »Untermenschen« verächtlich behandelt. Es schwiegen sogar jene, die als Individuen schuldlos waren, aber auch von allem nichts hatten wissen wollen.

Ihnen allen kam in den fünfziger und sechziger Jahren zugute, dass– wie Alexander und Margarete Mitscherlich es formulierten– »die Abwehr kollektiv entstandener Schuld einfach ist, wenn sie wieder im Kollektiv geschehen kann«.

Ihnen allen kam auch zugute, dass die Trümmerlandschaft nach dem Krieg eine einfache Kompensation anbot. Es musste wiederaufgebaut werden, Häuser, Betriebe, politische und kulturelle Werte. Besonders im Westen Deutschlands rettete sich die Bevölkerung in ein »gieriges Verlangen«, pausenlos beschäftigt zu sein. »Beobachtet man die Deutschen«, schrieb Hannah Arendt 1950 nach einem Besuch in Deutschland, »wie sie geschäftig durch die Ruinen ihrer tausendjährigen Geschichte stolpern und für die zerstörten Wahrzeichen ein Achselzucken übrig haben oder wie sie es einem verübeln, wenn man sie an die Schreckenstaten erinnert, welche die ganze übrige Welt nicht loslassen, dann begreift man, dass die Geschäftigkeit ihre Hauptwaffe bei der Abwehr der Wirklichkeit geworden ist.«

Ja, viele meiner Generation verurteilten die Eltern dafür, dass sie sich der Vergangenheit nicht stellten. Dass sie den Blick abwandten und in Selbstmitleid verharrten, anstatt sich auch in die Opfer der Deutschen hineinzufühlen. Meine Generation schuf ein dichotomisches Bild der Moral, um das angeblich eindeutig Böse eindeutig verurteilen zu können.

Liest man die Aussagen, die Kempowski von Durchschnittsbürgern über Hitler und die Konzentrationslager zusammengetragen hat, wird alles komplizierter. Da zeigt sich Menschliches auch im Opportunistischen und sogar im Bösen. Kempowski hat hier wie ein Buchhalter der Zeitgeschichte mit Hunderten von Originaltönen festgehalten, dass die Wirklichkeit vielschichtiger war als mein, als unser damaliges Denkkonstrukt über sie.

»Vor der Frage steht das Nachdenken, und zum Nachdenken gehört Sympathie«, schrieb Kempowski einmal an einen Teilnehmer seines literarischen Sommerklubs für junge Leute. Er fragte die Menschen nicht, um sie auf die Anklagebank zu setzen, er fragte sie, um zu verstehen. Vor ihm mussten sie sich nicht trotzig verschließen und konnten Ambivalenzen zu erkennen geben, auch Scham, auch Uneinsichtigkeit.

Wurde das Böse dadurch verharmlost?

Das Gegenteil war der Fall. Mit Bestürzung erkannten und erkennen wir, die Leser damals wie heute, wie sich Böses aus Banalem entwickeln kann (nicht muss) und wie viel Aufmerksamkeit es braucht, um den Übergang vom Banalen zum Bösen zu erkennen.

Und noch etwas habe ich gelernt, als ich erneut über unseren Umgang mit dem Schweigen über das Vergangene nachdachte. Geschwiegen wurde nicht nur von den Tätern und Mitläufern. Geschwiegen wurde lange Zeit auch von den Opfern. Viele waren damals noch nicht imstande, sich mit einer Vergangenheit auseinanderzusetzen, in der große Teile ihrer Familien umgekommen waren und sie selbst nur nach großem, unsäglichem Leid oder durch glückliche Umstände überlebt hatten. Sie verschwiegen ihre Leiden, Ängste, ihre einstige Ohnmacht und Nichtigkeit; und sie entzogen sich der Auseinandersetzung mit den schweigenden deutschen Normalbürgern, bei denen sie auf keine Empathie gestoßen wären. Wahrhaftig, eine teuer erkaufte Integration.

Wenn jetzt eine Neuausgabe von Haben Sie Hitler gesehen? Deutsche Antworten zusammen mit dem wenige Jahre später veröffentlichten Buch Haben Sie davon gewusst? Deutsche Antworten erscheint, sollten wir uns in Erinnerung rufen, dass Kempowski diese beiden Bücher als integralen Bestandteil seiner »Deutschen Chronik« begriffen hat– wohl deshalb, weil er sein Erzählen der Familiengeschichte um die Perspektive auf die kollektive Mentalitätsgeschichte erweitern wollte. In Kempowskis Worten: »Dem Leser meiner Romane… wird durch die ›Befragungsbücher‹, wie man sie nennen könnte, eine allgemeinere, ja chorische Begleitung und Erklärung an die Hand gegeben. Mag er die Romane für zu privat oder die ›Befragungsbücher‹ für zu allgemein halten: In der Gegenüberstellung beider liegt die Wahrheit verborgen, ist die Antwort zu suchen auf die Frage: Wie konnte es geschehen?«

Mit einem für ihn nicht untypischen Understatement hat Walter Kempowski die beiden Bände an anderer Stelle als »demoskopisches Element« seiner Chronik bezeichnet. Sie sind weit mehr als das. Mit diesen beiden Bänden hat er uns ein kleines, aber kostbares Archiv von Stimmen hinterlassen, das die Bewusstseins- und Verdrängungslage der damaligen Generation deutlich beleuchtet. Es war seine, uns zur Verfügung gestellte »Möglichkeit, mit einer Sonde sich Zugang zu verschaffen zum gegenwärtigen Bewusstseinsstand unseres Volkes«.

Ein Archiv von Stimmen– Kempowski hat dieses Archiv in späteren Jahren gewaltig erweitert, hat ihm in den Bänden seines Echolots auf mehreren tausend Seiten eine unverwechselbare Gestalt gegeben. Nur eine Seite– »Statt eines Vorworts«– stammt darin von ihm selbst. Sein Motiv für das lebenslange Sammeln von Stimmen können wir durchaus als bleibende Aufforderung an uns lesen: »Wir sollten den Alten nicht den Mund zuhalten, wenn sie uns etwas erzählen wollen, und wir dürfen ihre Tagebücher nicht in den Sperrmüll geben, denn sie sind an uns gerichtet– die Erfahrungen ganzer Generationen zu vernichten, diese Verschwendung können wir uns nicht leisten. Wir müssen uns bücken und aufheben, was nicht vergessen werden darf: Es ist unsere Geschichte, die da verhandelt wird.«

Sie wird auch heute verhandelt, Tag für Tag. Die Diktatoren und ihre Gräueltaten sind aus der heutigen Welt nicht verschwunden. Aber es gibt Zeichen der Hoffnung, dass die Freiheitsliebe der Völker stärker ist als die ihnen durch Tyrannen auferlegte Knechtschaft.

Joachim Gauck

Berlin, im Januar 2012

Walter Kempowski

Haben Sie Hitler gesehen?

Deutsche Antworten

Mit einem Nachwort von Sebastian Haffner

Vom Autor überarbeitete und erweiterte Fassung aus dem Jahr 1999

Die Jahreszahlen verweisen auf das Geburtsjahr der jeweiligen befragten Person.

Editorische Notiz

»Haben Sie Hitler gesehen?«– diese Frage legte ich etwa fünfhundert Bundesbürgern vor, Freunden, Verwandten, Kollegen, Museumswärtern, Kaufleuten und Rentnern. Anfangs stellte ich die Frage lediglich, um Hintergrundmaterial für meinen Roman Tadellöser & Wolff zu gewinnen. Dann merkte ich, daß die Antworten von allgemeinerem Interesse sein könnten. Die erste Ausgabe dieses Buches erschien 1973. Die jetzt vorliegende Ausgabe wurde von mir um etwa ein Drittel erweitert. Geordnet wurden die einzelnen Aussagen so, daß sie Hitlers Auftritte chronologisch projizieren.

Walter Kempowski

1

Kfm. Angestellter, 1921

Nein, Hitler hab ich nicht gesehen. Ich war immer an der Front.

Hausfrau, 1928

Da gingen wir nicht hin. Mein Vater wollt’ ihn gar nicht sehen, und deshalb kamen wir da gar nicht hin.

Schriftsteller, 1906

Ich habe Hitler nie gesehen. Mir genügten schon seine Plakate– er war mir sehr unsympathisch.

Kaufmann, 1913

Ich war im Felde, vier Jahre mitgemacht, Hitler hab’ ich nicht gesehen.

Kfm. Angestellte, 1914

Nein, ich weiß, daß er oft da war. Aber das ist doch genauso wie heute, ich würde doch auch nicht auf die Straße gehen, um mir die Queen anzusehen. Ich bin darin, glaube ich, ein typischer Steinbock: So was imponiert mir nicht. Ich hab’ gar nichts gegen die Queen, aber ich würde niemals hingehen und mir die ansehen. Ich würde auch nicht hingehen, wenn Brandt kommt, aber abgesehen davon, hab’ ich den schon gesehen in der Oper, da brauchte ich gar nicht hinzulaufen.

Österreicher, 1908

Nee, nee, Hitler habe ich nie gesehen. Keinen von diesen Herren. Doch, Himmler habe ich mal gesehen. Das war 1938, wir wurden gerade annektiert. Wir waren ja so begeistert, an Deutschland angeschlossen zu sein. Da kam Himmler, um zu sehen, was da war, wollte sich vielleicht die Gegend ansehen. Ich habe keine große Ahnung mehr, wie er war. Aber die Bilder, die man von ihm sah, trafen zu, auch wenn sie verschönt waren. Ich habe ihn ja nur im Halbdunkel gesehen, abends, als er die Truppen inspizierte.

Krankenschwester, 1931

Hitler selbst hab’ ich nie gesehen.

Schade, daß sie das alles gesprengt haben. Aus dem Berghof hätte man ein schönes Sanatorium machen können. Das Haus selbst war ja sehr bescheiden, aber die Anlagen drum herum und im Felsen drin. Was heute so für Häuser gebaut werden, so feudal war das Haus da nicht.

Musikwissenschaftler

Ich habe Hitler persönlich nie gesehen, aber ich war einmal Unter den Linden bei irgendeiner Gelegenheit, wo er sprach, und die Stimme wurde ja durch Lautsprecher übertragen, aber er blieb meinen Augen verborgen, ich weiß nicht, wo er eigentlich stand, es war, glaube ich, auf dem Platz neben der Staatsoper oder so, es war überfüllt von Menschen, so daß ich sein Gesicht nicht habe wahrnehmen können. Mich drängte es auch nicht danach.

Ein Mann

Nein. Jemand der mit Unrecht anfängt, endet mit Unrecht, wurde gesagt.

Berlinerin, 1910

Nein. Aber ein guter Bekannter, ein Chirurg, hat ihn gesehen, ein Mann, der nun ja wirklich von seiner Intelligenz her es hätte wissen müssen, ich hör ihn noch, wie er sagt: Hitler kann doch nicht heiraten! Der ist doch für uns alle da.

Lehrer, 1937

Nein, ich habe Hitler nicht gesehen, ich war ja noch zu klein. Aber mein Onkel. Der war krasser Hitlergegner, und dann ist er Hitlerfanatiker geworden, weil über dem Stadion, wo er sprach, die Sonne plötzlich so durch die Wolken gebrochen sei. Und dann all die Massen.

Krankenschwester, 1931

Ich habe ihn nicht gesehen, aber mein Vater. Es muß irgend etwas an ihm gewesen sein. Mein Vater sagte, er habe so etwas Durchbohrendes in seinem Blick gehabt, so, als ob er durch ihn hindurchsähe. Man war wie gebannt.

Förster, 1926

Auf Frauen hat er ja einen unwahrscheinlichen Eindruck gemacht. Meine Tante hat ihn mal gesehen, die sagte, er habe so wunderschöne Hände gehabt und sonderbarerweise einen natürlichen Charme.

Kaufmann, 1929

Nein, aber die Nachbarsfrau hatte ein Hitlerbild neben dem andern hängen. Und wenn Hitler sprach, sagte sie: »Ich könnte geradezu das Radio streicheln.«

Lehrer, 1937

Nein, ich war ja noch zu klein. Aber neulich bin ich mit meiner Frau in Braunau gewesen. Da ist meiner Frau ganz komisch geworden. Sie hat immer dran denken müssen, daß dort mal der kleine Adolf mit einem Reifen gespielt hat.

Landwirt, 1910

Nein, ich bin ihm immer aus dem Wege gegangen. Ich hätte ihn sehen können, 1932 in Ostpreußen. Aber ich hab’ gedacht, ach, laß man. Ich hätte bloß rüberzugehen brauchen.

Monteur, 1893

Ich wollt’ ihn anschauen, in der Max-Eyth-Halle drunten. Dann ist einer, so ein Brauner, zu mir gekommen und hat gesagt: Sie haben hier nichts zu suchen: Sie gehn weg. Da hab ich ihn nicht gesehen, deswegen leb’ ich trotzdem.

Rentner, 1903

Nee, der war nicht hier. Aber der könnt’ ruhig kommen, daß die Sauerei aufhört. Man traut sich ja abends nicht mehr fort. Ich war net für ihn. Aber Ordnung war.

Putzfrau, 1933

Hitler? Nee, der war nicht in Ostpreußen. Da war ja Koch.

Architekt, 1928

Ne, Röhm habe ich gesehen. Vorstellung, ich möchte Hitler mal die Hand drücken und mal von ihm ausgezeichnet werden. Das war meine Vorstellung als kleiner Junge.

Pensionär, 1929

Wissentlich habe ich ihn nicht gesehen, ich habe keinen Eindruck. Wir wurden als Pimpfe ja oft zum Spalierbilden eingesetzt, kann sein, daß er dabei war, aber, wie gesagt, ich weiß es nicht, ich habe nur noch einen Schatten in der Erinnerung, keinen Eindruck.

Zollbeamter, 1930

Nee, den hab ich nicht gesehen. Ich weiß bloß die sogenannten Mussolini-Hocker, das waren ganz einfache Klapphocker, die wurden mitgenommen, damit die Leute nicht so lange stehen mußten. Jeder kam ja möglichst früh, um was sehen zu können, und dann hatte er so einen Mussolini-Hocker bei sich.

Später sind wir damit in den Bunker gegangen.

Museumsdirektor, 1906

Ich hab’ mal gewartet, da war’s mir zu lang, da bin ich gegangen.

Hausfrau, 1926

Nein, gesehen habe ich ihn nicht. Aber ich weiß noch, wir waren damals im Landeinsatz. Da sagten wir Mädels: Also entweder ist er der Teufel selbst oder ein Supermensch.

Hausfrau

Nein.

Unsereiner kam da nicht ran. Wir haben nur die Schuld dafür gekriegt.

Schriftsteller, 1928

Nein, aber Ulbricht hab’ ich mal gesehn.

Eine Frau, 1936

Ja, oft habe ich den Hitler gesehen. Und Göring auch. Oft. Wie dicht ich ran war? Wieso? Im Fernsehen hab’ ich ihn gesehen. Doch nicht richtig!

Bibliothekarin, 1930

Ich habe ihn bloß im Kino gesehen, auf dem Obersalzberg wurde er gezeigt, wie ein kleines Mädchen ihm da Blumen überreicht, und dann saß ich da und weinte und weinte.

Hausfrau, 1930

Ich wohnte damals in Plau. Es hieß immer, Hitler kommt, Hitler kommt; und wir sind die Straßen auf und ab promeniert, und da ist auch ein Auto mit Leuten vorbeigefahren, die hatten weiße Fliegerkappen auf. Kann sein, daß sie das gewesen sind. Zu erkennen haben sie sich jedenfalls nicht gegeben.

Lehrerin, 1936

Nein, ich hab’ Hitler nicht gesehen. Aber es tut mir leid. Ich hätte ihn gern gesehen. Es hat doch was für sich, berühmte Leute zu sehen. Als normaler Mensch hat man doch den Eindruck, daß man nichts ausrichtet. Aber einen zu sehen, der die Möglichkeit hat, in die Geschicke der Menschen einzugreifen.– So wie zum Beispiel das Mittelmeer zu sehen, auf dem Odysseus gefahren ist. Etwas gesehen zu haben, was wichtig ist. Das bringt einen zum Nachdenken. Einen Einstieg zu bekommen für das Nachdenken, das meine ich.

2

Volkswirt, 1894

Ja, ich hab’ ihn gesehn. Beschreiben, nein, das möcht ich nicht. Ich kann mir schon vorstellen, wie Sie das machen wollen– die verschiedenen Eindrücke schildern. Nein, da bin ich nicht dabei. Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann, aber… ist nun mal so.

Parkwächter, 1910

Ja, aber fragen Sie lieber einen andern.

Unternehmer, 1897

Als ich studierte in den ersten Jahren, 1920/21,da hat mich die Idee, da war der Versailler Vertrag, die Schuldfrage usw.… Das empfand man damals als eine Knechtung, und der Ruf Hitlers, das abzuschütteln, hatte etwas Bestechendes.

Aus war’s dann 1923.

1921 hab ich ihn auch mal gesehn, diese Unmenschlichkeiten waren damals noch nicht drin. Ein ungewöhnlich geschickter Redner. Wer da nicht auf festem Boden stand, der war geliefert. Die alten Frauen waren doch alle besessen, die sind ihm doch alle nachgelaufen.

Urologe, 1923

Mein Vater war politisch inaktiv. Als Doktor auf dem Lande war er in jeder Partei sozusagen und in jedem Verein, aber er ging nirgends hin. Und die ließen ihn denn auch zufrieden.

Wenn Wahl war, zockelte ich mit meinen Eltern zur Schule. Da waren die Wände beschmiert, viel Rot. Und die Kommunisten fielen auf durch leuchtende rote Reklamefarbe auf ihren Plakaten.

In unserer kleinen Stadt gab es ja viele Kommunisten, das waren arme Leute. Ich hatte gute Freunde darunter.

Und diese Schalmeienkapellen. Dann zogen die abends bei Dämmerung durch das Städtchen, und es waren auch viele Frauen dabei. Und wenn die Musik vorbei war, dann schrien sie: »Hunger!« Das ging einem durch Mark und Knochen.

Hausfrau

An Plakate erinnere ich mich und an eine wilde Prügelei meiner Brüder mit Kommunistenjungs.

Wir haben uns immer furchtbar gefürchtet.

Prokurist, 1924

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