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Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Das Läuten des Telefons zerriß gnadenlos die herrliche Traum-Kulisse eines silberweißen Karibikstrands, an dem sich Palmen sanft im Winde wiegten und bunte Surfsegel auf schaumgekrönten Wellen tanzten. Mit einem unwilligen Knurren, die Augen noch geschlossen, tappten Simones Finger nach dem Hörer, der auf dem Nachttisch lag. Sie drückte die Emp-fangstaste und meldete sich mit heiserer Stimme. »Doktor Ruthland, Gott sei Dank, daß ich Sie erreiche!« Schwester Brunhilde klang erleichtert. »Tut mir leid, daß ich Sie stören muß, aber der Personalmangel, Sie wissen ja. Und das ist wirklich ein komplizierter Fall. Vierzehn Monate alter Säugling mit schweren Krampfanfällen…« »Ich komme.« Simone unterbrach das Gespräch, bevor Schwester Brunhilde zu einem ausführlichen Bericht ansetzen konnte und öffnete endlich die Augen. Der dunkle Schopf neben ihr in den Kissen bewegte sich leicht. Dann tauchte ein sonnengebräuntes Gesicht auf, blaue Augen blinzelten in den hellen Morgen. Albert schaffte es, nach nur drei Stunden Schlaf und unsanft geweckt, noch umwerfend gut auszusehen! Simone beugte sich über ihn, um ihm einen Kuß auf das schlafwarme, leicht zerknitterte Gesicht zu hauchen. »Schlaf nur weiter, Schatz. Der Anruf war für mich.« Alberts Miene verfinsterte sich. »Heißt das, daß du schon wieder fortmußt?« Entgegen Simones Rat war er jetzt hellwach. Er richtete sich auf und sah sie an. »Du hast einen Achtundvierzig-Stunden-Dienst hinter dir. Verdammt, Simone, das ist pure Ausbeutung.« Sie hatte bereits die schlanken Beine aus dem Bett geschwungen und schlüpfte in ihren Bademantel. »Da gebe ich dir recht, mein Schatz«, schmunzelte sie dabei, als mache ihr diese Arbeitsregelung überhaupt nichts aus. »Aber so ist es eben in
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Seitenzahl: 117
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Das Läuten des Telefons zerriß gnadenlos die herrliche Traum-Kulisse eines silberweißen Karibikstrands, an dem sich Palmen sanft im Winde wiegten und bunte Surfsegel auf schaumgekrönten Wellen tanzten. Mit einem unwilligen Knurren, die Augen noch geschlossen, tappten Simones Finger nach dem Hörer, der auf dem Nachttisch lag. Sie drückte die Emp-fangstaste und meldete sich mit heiserer Stimme.
»Doktor Ruthland, Gott sei Dank, daß ich Sie erreiche!« Schwester Brunhilde klang erleichtert. »Tut mir leid, daß ich Sie stören muß, aber der Personalmangel, Sie wissen ja. Und das ist wirklich ein komplizierter Fall. Vierzehn Monate alter Säugling mit schweren Krampfanfällen…«
»Ich komme.« Simone unterbrach das Gespräch, bevor Schwester Brunhilde zu einem ausführlichen Bericht ansetzen konnte und öffnete endlich die Augen.
Der dunkle Schopf neben ihr in den Kissen bewegte sich leicht. Dann tauchte ein sonnengebräuntes Gesicht auf, blaue Augen blinzelten in den hellen Morgen.
Albert schaffte es, nach nur drei Stunden Schlaf und unsanft geweckt, noch umwerfend gut auszusehen! Simone beugte sich über ihn, um ihm einen Kuß auf das schlafwarme, leicht zerknitterte Gesicht zu hauchen.
»Schlaf nur weiter, Schatz. Der Anruf war für mich.«
Alberts Miene verfinsterte sich.
»Heißt das, daß du schon wieder fortmußt?« Entgegen Simones Rat war er jetzt hellwach. Er richtete sich auf und sah sie an. »Du hast einen Achtundvierzig-Stunden-Dienst hinter dir. Verdammt, Simone, das ist pure Ausbeutung.«
Sie hatte bereits die schlanken Beine aus dem Bett geschwungen und schlüpfte in ihren Bademantel.
»Da gebe ich dir recht, mein Schatz«, schmunzelte sie dabei, als mache ihr diese Arbeitsregelung überhaupt nichts aus. »Aber so ist es eben in meinem Beruf. In allen Krankenhäusern werden die Ärzte ausgebeutet. Ich kann ja froh sein, daß ich meine Assistentenzeit hinter mir habe. Sonst käme ich wahrscheinlich überhaupt nicht mehr zum Schlafen.«
»Ach, kommst du etwa dazu?« Alberts Stimme klang bitter.
»Ein paar Stunden hatte ich ja«, versuchte Simone zu scherzen, was allerdings danebenging, denn Alberts Miene heiterte sich keineswegs auf.
In Windeseile suchte sich Simone frische Kleidung aus dem Schrank und ging ins Badezimmer hinüber.
»Hier kommt die Uhrzeit, die Uhrzeit, die Uhrzeit, hurra!« säuselte der Rundfunkchor, als Simone das Radio einschaltete. »Es ist genau sechs Uhr und dreißig Minuten.«
Gähnend stieg Simone unter die Dusche und drehte den Wasserhahn auf.
»Wie stellst du dir eigentlich unser Eheleben vor?« Albert war ihr ins Badezimmer gefolgt. Er drehte das Radio leiser und ließ sich auf dem Wannenrand nieder. »Normalerweise heiratet man ja wohl, um den weiteren Lebensweg gemeinsam zurückzulegen. Aber so wie ich es sehe, werde ich mein Junggesellendasein weiterführen, weil meine Frau eigentlich mit ihrem Krankenhaus verheiratet ist.«
Simone seufzte. Sie hatte absolut keine Lust, jetzt eine Grundsatzdiskussion zu führen. Natürlich hatte Albert recht. Sie hatte kaum Freizeit und war wirklich mehr im Krankenhaus anzutreffen als zu Hause. Aber das brachte ihr Beruf nun mal mit sich. Auch, wenn sie sich eines Tages mit einer eigenen Praxis selbständig machen sollte, würde sich an ihrer Arbeitszeit wohl kaum etwas ändern. Jedenfalls nicht, wenn sie ihrem Beruf weiterhin engagiert und verantwortungsvoll nachgehen wollte.
»Laß uns ein anderes Mal dar-über streiten«, versuchte sie, den Disput zu ersticken. »Schatz, es tut mir leid, aber ich muß mich beeilen. Reichst du mir bitte mal das große blaue Handtuch?«
Jetzt war es Albert, der seufzte, aber er kam Simones Bitte nach und reichte ihr das Gewünschte.
Simone war eine schöne Frau. Ihre schlanke Gestalt mit den langen Beinen zog, zu Alberts Stolz aber auch Leidwesen, die Blicke der Männerwelt auf sich, während ihr langes honigblondes Haar bei den Frauen blanken Neid hervorrief.
Sie wirkte so jugendlich frisch, daß sie von den Eltern ihrer kleinen Patienten immer wieder mißtrauisch gefragt wurde, ob sie wohl noch Studentin sei. Dabei arbeitete sie bereits seit drei Jahren als Stationsärztin im St. Joseph-Krankenhaus und wurde, noch hinter vorgehaltener Hand, bereits als neue Oberärztin der Kinderstation gehandelt, sobald Dr. Lauterbach seinen Professorenposten an der Heidelberger Universitätsklinik antreten würde.
Albert graute es vor dieser Zeit. Denn wenn Simone erst einmal als Oberärztin für die Geschicke der kleinen Patienten und der gesamten Station verantwortlich zeichnete, würde sie wahrscheinlich noch viel weniger Freizeit haben als jetzt.
Nach Alberts Meinung aber gehörte eine Frau, sobald sie einen festen Partner mit ehrlichen Absichten gefunden hatte, nicht mehr in die ersten Reihen der Berufsfront. Dann sollte sie nur noch arbeiten, um sich zu Hause nicht zu langweilen, und die Karriere den Häßlichen und Verschmähten überlassen, deren Leben sonst sowieso keine Höhepunkte bot.
Das sagte er ihr auch, als sie ihrem Blutdruck in der Küche hastig mit einer Tasse Pulverkaffee den nötigen Kick verabreichte.
»Ich mag jetzt nicht mit dir darüber diskutieren«, wiederholte sie gereizt. »Tut mir leid, aber ich habe wirklich keine Zeit mehr. Tschüs.« Sie beugte sich vor, um Albert einen Kuß zu geben, aber er wandte das Gesicht ab, so daß ihre Lippen nur seine Wange berührten. »Mach’s gut.« Sie wirkte plötzlich unterkühlt. »Ich weiß nicht, wann ich nach Hause komme. Rufe mich einfach auf dem Handy an.«
Albert verharrte in beleidigtem Schweigen, doch Simone ließ sich davon nicht von ihren Pflichten abhalten. Schon lief sie aus dem Haus, um gleich darauf in ihren Wagen zu steigen, der wie immer in der Einfahrt parkte.
Gerade, als sie den Wagen rückwärts auf die Straße setzen wollte, flog im Nachbarhaus die Tür auf und ein braunhaariger Wirbelwind fegte in den Garten. Ohne nach rechts oder links zu schauen rannte der Kleine auf die Fahrbahn und wäre beinahe unter die Räder des Wagens geraten, wenn Simone nicht reaktionsschnell eine Vollbremsung hingelegt hätte.
Der Knabe störte sich nicht an dem Kreischen der Reifen auf trockenem Asphalt. Ebensowenig kümmerte er sich um die junge Frau, die in Bademantel, eine Zahnbürste über dem aufgelösten Haar schwenkend, hinter ihm her stürzte.
»Darius, Liebling!« Die Frau wedelte im Laufen aufgeregt mit den Händen. »Bleib stehen, mein Süßer. Ich will dir doch bloß was sagen.«
»Laß mich!« schrie das liebenswerte Bürschchen und rannte weiter, wobei es mit einem für Simone in der Eile nicht zu definierenden Gegenstand an ihrem Wagen entlangschrabte, was erstens ein häßliches Geräusch verursachte und zweitens einen unschönen Kratzer im Lack hinterließ.
Simone war mit einem Satz aus ihrem Wagen gesprungen.
»Eh, spinnst du?« schrie sie dem Knirps hinterher, der fröhlich lachte und wie ein Gummiball auf der Straße herumzuhüpfen begann.
»Darius, Liebling!« rief die junge Frau im Bademantel, die inzwischen von der wilden Jagd total außer Atem war. »Jetzt hör doch mal mit diesem Spiel auf. Ich find’ das gar nicht lustig.«
»Aber ich!« freute sich der Knirps und setzte sich erneut in Bewegung. Diesmal suchte er sich die Blumenrabatte eines weiteren Anliegers aus. All die schönen Blüten, die freundlich über den weißlackierten Gartenzaun nickten, wurden Opfer der zwei wütenden Kinderfäuste, die sie rücksichtslos zerpflückten.
Staunend sah Simone dem Wüten des Kindes zu. Sie kannte solche Aggressionsfälle. Manche der Kinder, die sie in ihrer Klinik behandeln mußte, zeigten ähnliche Verhaltensmuster, aber sie waren meistens wesentlich älter als dieser Knabe und hatten allen Grund, die Welt und die Erwachsenen zu hassen.
Andererseits, revidierte Simone ihre Gedanken, hatte dieser Junge sicherlich auch allen Grund, sich zu wehren und seinen Zorn zur Schau zu stellen. Aber momentan war sie zu wütend, um Mitleid mit dem Jungen empfinden zu können.
Die aufgelöste Mutter hatte den Irrwisch inzwischen eingefangen. Er wehrte sich durch grelle Schreie, mit Tränen, Beißen und Boxen gegen den Zugriff der Frau, die ihn jedoch eisern festhielt.
»Jetzt sei vernünftig, mein Schatz«, versuchte sie, auf das Kind einzureden. »Schau mal, du mußt dir ja nicht die Zähne putzen, wenn du nicht willst. Ich denke nur, daß es besser wäre, wenn du es tun würdest.«
Während sie sprach, versuchte sie, das sich heftig sträubende Kind in Richtung Haus zu dirigieren.
»Moment«, vertrat ihr Simone den Weg, als das ungleiche Paar sie erreicht hatte. »Was ist mit meinem Wagen?« Anklagend deutete sie auf die dicke Schramme in ihrem Wagen, die sich vom hinteren Kotflügel bis zur Hälfte der Fahrertür zog.
Die Frau starrte Simone an, als sähe sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine Frau.
»Das weiß ich doch nicht«, keuchte die Bademanteldame. »Tut mir wirklich leid, Frau Doktor Ruthland, aber darum kann ich mich jetzt nicht auch noch kümmern. Sie sehen ja, daß Darius mich braucht.«
Simone wollte aufbegehren, der Frau all die Dinge an den Kopf werfen, die sie schon seit Jahren in ihrem Herzen bewegte, aber dann preßte sie die Lippen fest aufeinander. Es war höchste Zeit, daß sie ins Krankenhaus kam!
»Ich will, daß Sie mir den Schaden ersetzen«, erklärte Simone deshalb kurz angebunden, wäh-rend sie bereits wieder hinters Steuer rutschte. »Sicherlich haben Sie ja eine Haftpflichtversicherung. Setzen Sie sich am besten gleich damit in Verbindung.«
Damit fuhr sie los, während die Bademanteldame ihren aufgeregten, wild um sich schlagenden und tretenden Sohn mühsam ins Haus schleifte.
*
Amelia mußte sich erst einmal erschöpft gegen die Haustür lehnen, nachdem sie ihren Filuis endlich in die Diele bugsiert hatte.
Darius war jetzt richtig wütend. Er hatte sich auf den Boden geworfen und schrie wie am Spieß, wobei er auch noch mit den Fäusten auf den Teppich einhämmerte und mit den Füßen strampelte, als wollte er sich wie einst Rumpelstilzchen selbst zerreißen.
Das waren die Momente, in denen Amelia ihn am liebsten windelweich geprügelt hätte. Himmel, sie gab sich doch wirklich alle Mühe, ihn mit Güte und Nachsicht zu erziehen. Dem Jungen wurden keine beengenden Schranken auferlegt, so wie sie andere Eltern für ihre Kinder aufbauten.
Im Hause Möwig gab es kein lautes Wort, keine Strafen, keine Ge- oder Verbote. Darius durfte sich frei entfalten. Und womit dankte er seinen Eltern diese Güte? Mit ständigen Wutanfällen!
Dabei war er doch ein so intelligentes Kerlchen. In vielen Dingen war Darius seinen Altersgenossen schon so weit voraus, daß er bestimmt die erste Klasse überspringen konnte, wenn er nächstes Jahr in die Schule kam.
Amelia gab sich einen Ruck und löste den Rücken von der Haustür. Mit einem mühsamen Lächeln trat sie zu ihrem Sohn, der inzwischen aufgehört hatte, den Fußboden zu bearbeiten. Allerdings nicht aus Einsicht, sondern wegen akuter Erschöpfung.
»Du möchtest dir also wirklich nicht die Zähne putzen?« vergewisserte sich Amelia mit sanfter Geduld. »Nun gut, das ist deine Entscheidung, denn es sind deine Zähne. Aber ich muß dich darauf aufmerksam machen, daß es äu-ßerst schädlich ist, wenn man seine Zähne nicht pflegt. Du weißt doch, die Kariesteufel kommen dann und…«
»Es gibt keine Kariesteufel«, gnatschte Darius unfreundlich. »Das ist bloß Kindergartenquatsch, den die Tanten den Babys erzählen, um ihnen Angst zu machen. Ich weiß das, weil ich es ja merken müßte, wenn sich diese kleinen Dinger in meinem Mund herumtreiben würden.«
Amelia konnte sich ein stolzes Lächeln nicht verkneifen. Ihr kleiner Einstein! Dem konnte man kein X für ein U vormachen. Der durchschaute sofort diesen Kleinkinderkram, den die Erzieherinnen im Kindergarten den Kleinen und weniger intelligenten Kindern vorsetzten.
Da mußte man Fakten auffahren! Amelia gab den Gedanken an die Zubereitung des Frühstücks auf und ließ sich neben Darius auf dem Fußboden nieder.
»Du hast recht«, begann sie diplomatisch. »Es gibt keine Teufel, die mit winzigen Pickeln, Bohrern und Hämmern an deinen Zähnen herumfuhrwerken. Das erzählen die Erwachsenen den Kindern, um ihnen die Sache mit der Karies zu veranschaulichen. Denn in Wirklichkeit handelt es sich dabei um einen komplizierten, chemischen Vorgang, der sich da in deinem Mund abspielt. Aber Tatsache ist: Wenn du dir nicht die Zähne putzt, werden sie krank, und dann mußt du zum Zahnarzt. Das wollen Papa und ich dir gern ersparen, und deshalb bitten wir dich, dir regelmäßig die Zähne zu putzen. Hast du das verstanden?«
Amelia schwieg ermattet und wartete gespannt auf die Reaktion ihres Sohnes. Innerlich war sie stolz auf ihre Geduld und ihr pädagogisches Geschick. So mußte man mit einem intelligenten Kind sprechen. Kein Kinder-bla-bla-tutti-tutti, sondern einfache, aber vernünftige Erklärungen. Vielleicht sollte sie die medizinische Fibel holen, um Darius diese chemischen Vorgänge genauer zu erklären?
»Ich will mir aber nicht die Zähne putzen, basta!« Darius machte die wohlige Selbstweihräucherung seiner Mutter mit diesem einen einzigen Satz zunichte und holte Amelia auf den Boden der Tatsachen zurück. »Und ich gehe auch nicht zum Zahnarzt, und deine
doofe Karies kann der Kuckuck fressen. Kriege ich jetzt Smarties?«
Amelia stieß einen langen Seufzer aus. Der erste Kampf war noch nicht ausgefochten, da brach der Junge schon den nächsten vom Zaun. Himmel, wie sollte sie ihn nur auf den rechten Weg bringen?
Nein, nicht »auf den rechten Weg«, rief sich Amelie erschrokken zur Ordnung. Das waren Worte, die sie aus ihrem Repertoire streichen wollte. Sie wollte ihren Sohn ja nicht bevormunden oder gar beeinflussen. Schon gar nicht unterdrücken! Darius sollte frei und ohne Zwänge aufwachsen.
Also, Amelia, reiß dich zusammen! Dein Sohn ist eben kein pflegeleichter Befehlsempfänger.
»Darüber haben wir doch auch schon hundertmal gesprochen«, ließ sie sich also auch auf diese Diskussion ein. »Du kannst Smarties essen, soviel du möchtest. Aber zum Frühstück solltest du etwas anderes zu dir nehmen. Denk an deinen Organismus, der noch sehr viele gute Stoffe braucht, damit er wachsen kann. Oder willst du später mal als dürrer, kleiner Mann durchs Leben gehen?«
»Ich will Smarties essen, das ist alles!« kreischte Darius, dem die ewige Diskutiererei allmählich auf die Nerven ging. Anders als seine Mutter gab er sich keine Mühe, seinen Unmut zu verbergen, sondern tobte drauflos, wie ihm gerade zumute war. »Gib mir meine Smarties, meine Smarties, meine Smarties. Sofort!«
Amelia gab es auf. Sie war müde, und dabei fing der Tag erst an. Hoffentlich ging Darius nachher wenigstens in den Kindergarten, dann konnte sie sich vielleicht noch ein bißchen hinlegen.
»Dann komm.« Sie erhob sich und ging in die Küche. »Aber ich mache dich darauf aufmerksam, daß ich mit deinen Entscheidungen nicht einverstanden bin. Ich hoffe, du denkst daran, daß ich dich gewarnt habe, wenn wir demnächst zu Doktor Wendel müssen, weil du Zahnschmerzen hast.«
Darius hörte ihr schon gar nicht mehr zu. Er war aufgesprungen und in die Küche gerannt, um die große Blechdose zu holen, in der Amelia die Süßigkeiten aufbewahrte.