Sandy, das späte Wunschkind - Edna Meare - E-Book

Sandy, das späte Wunschkind E-Book

Edna Meare

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Kopfschüttelnd sah Nelly zu, wie ihr Vater, auf einer altersschwachen Leiter herumbalancierend, versuchte, das Schild über der Haustür anzubringen. Werner war ein toller Mann, der alles konnte. Alles, bloß nichts Handwerkliches. Hammer und Werner, das paßte ungefähr so gut zusammen wie Erdbeerkuchen mit Sardellenpaste. Und richtig: Schon ertönte ein markerschütternder Schrei, und die Leiter geriet gefährlich ins Schwanken. Nur Nellys Geistesgegenwart war es zu verdanken, daß Werner nicht herabstürzte. Sie sprang rasch hinzu und hielt die Leiter fest, so daß ihr Vater gefahrlos herunterklettern konnte. »Ssssss – tut das weh!« Unten angekommen steckte er den Daumen in den Mund und begann auf einem Bein auf dem Gartenweg herumzuhopsen. »Aua, aua, aua!« Himmel, war das peinlich! Die Nachbarn würden denken, daß Werner jetzt vollkommen übergeschnappt war. Hastig, bevor ihr Vater sich endgültig blamieren konnte, fiel Nelly ihn ein und zerrte ihn ins Haus. Dort angekommen, schob sie ihn erst einmal ins Bad. Als das kalte Wasser über seine Hand lief, seufzte Werner wie befreit auf. »Ah, das tut gut!« Er schielte zu seiner Tochter hinüber, die ans Waschbecken gelehnt zusah, wie er seinen lädierten Daumen pflegte. »Könntest du das Schild festmachen?« Werner lächelte sein schiefes Lausbubenlächeln, das Nelly so an ihm liebte und dem sie nie widerstehen konnte. »Du bist immer so geschickt und kannst das viel besser als ich.« »Schmeichler.« Nelly versetzte ihrem Vater einen liebevollen Klaps und ging nach draußen. »Ich komme gleich wieder. So lange laß die Hand im Wasser, ja?« »Mache ich.« Werner nahm auf dem Wannenrand Platz und steckte die Hand beinahe bis zum

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Seitenzahl: 116

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Mami – 1831 –Sandy, das späte Wunschkind

Edna Meare

Kopfschüttelnd sah Nelly zu, wie ihr Vater, auf einer altersschwachen Leiter herumbalancierend, versuchte, das Schild über der Haustür anzubringen.

Werner war ein toller Mann, der alles konnte. Alles, bloß nichts Handwerkliches. Hammer und Werner, das paßte ungefähr so gut zusammen wie Erdbeerkuchen mit Sardellenpaste. Und richtig: Schon ertönte ein markerschütternder Schrei, und die Leiter geriet gefährlich ins Schwanken.

Nur Nellys Geistesgegenwart war es zu verdanken, daß Werner nicht herabstürzte. Sie sprang rasch hinzu und hielt die Leiter fest, so daß ihr Vater gefahrlos herunterklettern konnte.

»Ssssss – tut das weh!« Unten angekommen steckte er den Daumen in den Mund und begann auf einem Bein auf dem Gartenweg herumzuhopsen. »Aua, aua, aua!«

Himmel, war das peinlich! Die Nachbarn würden denken, daß Werner jetzt vollkommen übergeschnappt war. Hastig, bevor ihr Vater sich endgültig blamieren konnte, fiel Nelly ihn ein und zerrte ihn ins Haus.

Dort angekommen, schob sie ihn erst einmal ins Bad. Als das kalte Wasser über seine Hand lief, seufzte Werner wie befreit auf.

»Ah, das tut gut!« Er schielte zu seiner Tochter hinüber, die ans Waschbecken gelehnt zusah, wie er seinen lädierten Daumen pflegte. »Könntest du das Schild festmachen?« Werner lächelte sein schiefes Lausbubenlächeln, das Nelly so an ihm liebte und dem sie nie widerstehen konnte. »Du bist immer so geschickt und kannst das viel besser als ich.«

»Schmeichler.« Nelly versetzte ihrem Vater einen liebevollen Klaps und ging nach draußen. »Ich komme gleich wieder. So lange laß die Hand im Wasser, ja?«

»Mache ich.« Werner nahm auf dem Wannenrand Platz und steckte die Hand beinahe bis zum Ellbogen ins Wasser.

Während Nelly die wacklige Leiter erklomm, um dem Wunsch ihres Vaters nachzukommen, ärgerte sie sich schon wieder über sich selbst. Wieso hatte sie sich dazu breitschlagen lassen? Es war schließlich Papas Idee gewesen, das Schild anzubringen, nicht ihre!

Sie fand das ganze nur blöde. Jawohl, richtig blöde sogar! Und peinlich obendrein!

Herzlich willkommen!!!! stand auf dem Schild. In dicken Schnörkelbuchstaben geschrieben und schreiend rot, damit es wirklich jeder sah. Und dann diese albernen Herzchen, die Werner noch draufgemalt hatte! Himmel, Mutti und er waren doch schon alte Leute. Dicke in den Dreißigern! Da waren Herzchen und andere gemalten oder geschriebenen Liebeserklärungen vollkommen fehl am Platze.

Überhaupt, die beiden Alten spannen ganz schön. Klar, einerseits war Nelly stolz auf ihre Eltern, weil diese eben nicht so stockkonservativ und langweilig waren wie die Eltern ihrer Klassenkameraden. Aber andererseits schämte sich Nelly auch für die beiden.

Liane, ihre Mutter, malte verrückte Bilder und schrieb bösartige Bücher, in denen sie sich über die Macken ihrer Mitbürger lustig machte. Und Werner – na ja, er hatte wenigstens einen normalen Beruf, Architekt – aber seine Vorlieben für schrecklich bunte Hemden und karierte Hosen waren doch zu schrill!

Das schrillste aber hatten sich Nellys Eltern jetzt geleistet. Das heißt, wenn man es genau nehmen wollte, bereits vor exakt neun Monaten. Drei Monate hatten sie ihr Geheimnis dann für sich behalten, aber am Ostersonntag, zwischen Eierlikörsahnetorte und Schokostreuselkuchen, hatten sie es dann der ganzen Familie verkündet: Ein Baby war unterwegs!

Ein Baby! Nelly wäre in den kommenden Wochen und Monaten am liebsten unsichtbar gewesen, so sehr schämte sie sich für ihre Eltern. Zärtlichkeit, Sex und Babys, das waren Sachen, die nur junge Leute betrafen. Altgediente Ehepaare wie die Kronbergs waren einfach nur noch Eltern und hatten ganz andere Interessen.

Das zumindest hatte Nelly geglaubt. Nein, sie war davon überzeugt gewesen, felsenfest. Deshalb hatte sie ihren Klassenkameraden und Freundinnen auch nichts von dem Baby erzählt, bis sie es irgendwann selbst gesehen hatten.

Die letzten Monate bis zur Geburt waren wirklich ungemütlich gewesen – für Nelly, nicht für ihre Mutter, die sich während der gesamten Schwangerschaft pudelwohl fühlte. Aber es hatte oft Zoff gegeben, zwischen Nelly und ihr, und Werner hatte sich dann auch noch total auf Lianes Seite geschlagen. Da war es dann wirklich schwierig geworden.

Vor fünf Tagen war die kleine Schwester auf die Welt gekommen. Zugegeben, süß sah sie ja aus. Nelly war ganz entzückt gewesen, als sie das kleine, rosige Bündel zum ersten Mal auf den Arm nehmen durfte. Und die Jungs und Mädchen in ihrer Klasse schienen sie mittlerweile richtig um die Kleine zu beneiden.

Ständig fragten sie Nelly, wie es dem Schwesterchen ging und wann es denn nun nach Hause kam. Das war ja nun ganz nett, aber es nervte auch irgendwie, weil sich mittlerweile alles nur noch um das Baby drehte. Dabei war das Kleine noch nicht einmal zu Hause!

Das heißt, ab heute würde es nun endgültig in das Familienleben der Kronbergs einbrechen und sich darin breit machen. Deshalb drehte Papa auch schon den ganzen Vormittag »am Rad«, will heißen, er überschlug sich geradezu in seinen Bemühungen, alles für den Empfang seiner Frau und seiner Tochter vorzubereiten.

Überall im ganzen Hause hatte er riesige Blumensträuße verteilt. Ein Braten schmorte in der Röhre vor sich hin, der Tisch im Eßzimmer war festlich gedeckt, und über der Haustür prangte dieses alberne Herzlich-Willkommen-Schild, verziert mit Herzchen und einer Schleifengirlande, deren Enden Nelly noch befestigte, bevor sie wieder von der Leiter herunterstieg, um ins Haus zurückzukehren.

Sie hatte den Fuß gerade auf die Erde gesetzt, da ertönte hinter ihr Frau Gersters ewig schrill klingende Stimme:

»Huhu, Nelly! Sind die beiden schon zu Hause?«

Nelly drehte sich betont langsam herum und maß die Nachbarin mit einem Blick, der Langeweile ausdrücken sollte.

»Nein, Papa fährt erst so gegen zehn los, um sie zu holen.«

»Ah!« Frau Gerster nickte eifrig. »Dann warte ich noch mit meiner Überraschung. Tschüs!«

Damit verschwand sie wieder in ihrem Haus.

Na, das konnte ja heiter werden! Heute nachmittag würde es hier wahrscheinlich von Leuten wimmeln: Familienangehörigen, Freunden und Nachbarn! Brrr, scheußliche Vorstellung! Und sie alle würden sich wahrscheinlich mit Entzückensschreiben auf den Babykorb stürzen und das Kleine abknutschen!

Mißgelaunt ging Nelly ins Haus zurück. Gerade rechtzeitig, um sich von ihrem Vater noch ein paar gute Ratschläge abzuholen, bevor dieser ins Krankenhaus fuhr.

»Paß auf den Braten auf, ja? Und denke an die Wärmflasche. Du mußt sie ans Fußende des Stubenwagens legen. Aber wickle vorsichtshalber ein Handtuch drum, damit sich deine kleine Schwester nicht die Füße verbrennt. Und…«

»Ja, Paps!« Nelly schob ihren Vater in Richtung Haustür. »Ich weiß Bescheid. Du hast mir das alles heute schon hundert Mal erklärt. Sieh du lieber zu, daß du rechtzeitig im Krankenhaus ankommst. Nicht, daß Mutti und das Baby warten müssen.«

»Bin schon unterwegs.« Werner Kronberg grinste sein Lausbubengrinsen, drückte seiner Tochter einen Kuß auf die Wange und verließ endlich das Haus.

Gleich darauf hörte Nelly den Motor der Familienkutsche, die Werner wie immer unter großem Getöse und heftigen Manövern aus der Garage bugsierte.

Er war ein erbärmlicher Autofahrer, weil er das Fahren eigentlich haßte. Als überzeugter Ökofreak schwor er aufs Fahrrad. Aber da seine Baustellen nicht alle in der Nähe gelegen waren, mußte er noch häufiger auf den Benzinstinker zurückgreifen, als ihm lieb war. Trotzdem verbesserte sich sein Fahrstil keineswegs.

Wahrscheinlich würde Liane den Wagen zurückkutschieren. Na egal! Jetzt kehrte erst einmal Ruhe in das gemütliche Haus ein. Nelly konnte sich endlich die letzte Folge von »Young Love« ansehen, die sie gestern versäumt hatte, weil ihr Vater partout darauf bestanden hatte, mit ihr in den Großmarkt zu fahren, um Babysachen einzukaufen.

Sie holte sich eine Tüte Chips aus dem Vorratsschrank, kuschelte sich in Werners Lieblingssessel und schaltete den Videorecorder ein.

Schon tauchten die Gesichter ihrer Lieblingsserienstars auf dem Bildschirm auf. Begeistert versank Nelly in die Handlung der ganz auf jugendliche Sehgewohnheiten zugeschnittenen Sendung. Doch als sich die ersten Nebelschwaden vor das Bild schoben, erwachte Nelly aus ihrer Versunkenheit.

Mit einem Satz war sie aus dem Sessel und in die Küche gerast. Dicke Rauchwolken quollen aus dem Backofen. Mist! Wenn sie den Braten nicht mehr retten konnte, war sie verloren.

In fliegender Hast holte Nelly den Rost aus der Röhre und besah sich den Schaden. Werner hatte den Braten mit Tomaten und Zwiebelscheiben belegt. Die waren total verkohlt. Aber das Fleisch darunter sah noch eßbar aus. Glück gehabt!

Rasch schälte Nelly neue Zwiebeln, schnitt nochmals Tomaten, belegte den Braten wieder damit und schob ihn auf kleiner Flamme in den Ofen zurück.

Für ihre Serie war jetzt keine Zeit mehr. Die Familie konnte jeden Moment zurückkehren, und nichts von dem, was Werner ihr aufgetragen hatte, war erledigt worden. Also mußte sich Nelly nun sehr sputen, um noch alles so herzurichten, wie es ihr Vater gewünscht hatte.

Zum Glück dauerte es dann aber doch noch ein bißchen. Als die Kronbergsche Familienkutsche in die Einfahrt rollte, hatten sich die Rauchwolken verzogen, das Gemüse und die Kartoffeln waren gar, der Braten saftig und im Stubenwagen lag die Wärmflasche.

Puh! Nelly fuhr sich mit beiden Händen über die schweißnasse Stirn. Dann eilte sie an die Tür, um ihre Lieben einzulassen.

Und dann war nichts mehr so wie früher.

*

Fräulein Grunwald trug die gefürchteten Arbeitshefte unter dem Arm, als sie das Klassenzimmer in ihrem typischen Generalsschritt betrat. Kurz und zackig und kerzengerade aufgerichtet marschierte sie an den Schreibtisch, legte den Heftstapel darauf ab und wandte sich ihren Schülern zu.

Ein Blick aus ihren wasserblauen, leicht hervorquellenden Augen ließ auch das letzte Gespräch verstummen. Wiederwillig konzentrierten sich die Jugendlichen auf den vor ihnen liegenden Unterricht. Allein der Gesichtsausdruck der Mathematiklehrerin sagte ihnen schon, daß die letzte Klassenarbeit keine ihrer Glanzleistungen gewesen war.

Und da ging es auch schon los:

»Ich habe immer geglaubt, es mit halbwegs intelligenten Menschen zu tun zu haben«, begann Fräulein Grunwald streng. Ihre ewig hängenden Mundwinkel suchten die intime Bekanntschaft mit ihrem Kinn. »Aber bei euch, meine Lieben, scheine ich mich da gründlich getäuscht zu haben. Ja, bei manchen von euch fürchte ich sogar, daß ich noch einmal ganz von vorne anfangen müßte. Das heißt, bei dem kleinen Einmaleins. Ich frage mich wirklich, wie ihr euch euren weiteren Werdegang vorstellt.«

Sie griff nach dem ersten Heft.

»Absoluter Spitzenreiter in Sachen Unwissenheit ist mal wieder unsere Nelly.« Sie hob das Heft hoch, als sei es eine Trophäe. »Von neunzig zu erlangenden Punkten hast du gerade mal sechs geschafft, Nelly. Tut mir leid, aber damit ist deine Versetzung wirklich in weite Ferne gerückt.«

Alle Augen richteten sich auf die Angesprochene, die mit trotzig vor der Brust verschränken Armen auf ihrem Stuhl saß und an ihrer Unterlippe nagte.

»Hier!« Fräulein Grunwald kam im Stechschritt an Nellys Tisch und knallte ihr das Heft vor die Nase. »Die Sechs hast du dir wirklich redlich verdient.«

Nelly hörte auf, auf ihrer Unterlippe herumzukauen und schob das Heft in ihren Rucksack, ohne es eines Blickes zu würdigen.

Kopfschüttelnd wandte Fräulein Grunwald sich ihrem nächsten Opfer zu. Gerhard hieß der Arme, und bisher war er immer das Schlußlicht gewesen. Aber mit der heutigen Klassenarbeit hatte Nelly ihn überrundet und dufte sich als Versagerin fühlen.

»Mann, ich frage mich, was mit dir los ist«, meinte ihre Freundin Kathi Wach, als sie später gemeinsam in die Pause gingen. »Du warst doch früher so ein As in Mathe. Okay, die Arbeit war schwer. Die halbe Klasse hat überhaupt nicht verstanden, worum es ging. Aber bei dir hatte ich wirklich geglaubt, du würdest wenigstens eine drei hinlegen.«

Nelly hob nur desinteressiert die Schultern.

»Ist mir doch völlig wurscht, welche Note mir die blöde Grunwald gibt.« Ihre Miene drückte Trotz aus. »Ich hab sowieso keinen Bock mehr auf die Schule. Ehrlich, ich pfeif auf dieses doofe Abitur. Am liebsten würde ich die ganze Sache schmeißen und überhaupt nicht mehr in die Schule gehen.«

»Mann, da wär’ ich dabei«, seufzte Bea, Nellys beste Freundin, die bei Fräulein Grunwald gerade eine Fünf eingeheimst hatte. »Vor allem, wenn ich mir vorstelle, welchen Streß meine Eltern wieder machen werden, wenn ich ihnen die Fünf beichte. Die Fete am Wochenende kann ich vergessen.«

»Stubenarrest?« Kathi grinste. »Na, ich hab’s zum Glück noch mit einer Vier geschafft.« Sie wandte sich Nelly zu. »Wie bringst du das deinen Leuten bei?«

»Gar nicht!« Nelly hob scheinbar gleichgültig die Schultern. »Seit das Baby da ist, interessiert es meine Eltern sowieso nicht mehr, was ich in der Schule mache. Das kleine Monster hält die beiden so auf Trab, daß sie für nichts anderes Zeit haben.«

»Aber du mußt die Arbeit doch unterschreiben lassen!« rief Emma erstaunt, die weitere Klassenkameradin, die zur Clique gehörte, mit der Nelly sich umgab.

Nelly lachte unbekümmert.

»Meine Güte, das ist doch nun wirklich kein Problem!«

»Aber…« Emma sprach ihre Bedenken nicht aus. Ihr war das alles unverständlich. Da ihre Eltern sehr darauf achteten, was sie tat und welche Leistungen sie erbrachte, konnte sie sich gar nicht vorstellen, zu Hause etwas geheimzuhalten. Ihre Mutter kam sowieso hinter alles.

»Was willst du denn machen, wenn du vom Gymmi mußt?« wollte Kathi wissen. Sie hatte zwar auch keine Lust mehr, in die Schule zu gehen, aber die Vorstellung, heruntergestuft zu werden, verursachte ihr trotzdem kalte Schauder. Immerhin hatte man mit dem Abi weitaus bessere Aussichten, später mal einen Job zu bekommen, als ohne. Das sagten jedenfalls ihre Eltern und alle Erwachsenen, die Kathi kannte.

»Was ich machen will?« Nelly sah triumphierend in die Runde. »Ich will Schauspielerin werden!«

»Ach!« Die Mädchen sahen sich an. »In echt?« hauchte Kathi dann ehrfürchtig. »Und du bist sicher, daß du das schaffst?«

»Klar schaffe ich das!« Nelly nickte überzeugt. Sie war jung, das Leben und die ganze Welt warteten nur auf sie. »Mit der Schule verplempere ich doch nur meine Zeit. Während ihr Latein und Mathe paukt, kann ich schon die dicke Kohle verdienen und mit den größten Stars tolle Filme drehen. Nee, diesen Kinderkram hier, den mache ich nicht mehr lange mit.«

»Aber wie willst du denn an eine Rolle kommen?« fragte Kathi aufgeregt, und Emma wollte wissen, ob man als Schauspielerin nicht erst eine entsprechende Ausbildung machen mußte.