Ein MORDs-Team - Band 11: 1984 (All-Age Krimi) - Andreas Suchanek - E-Book

Ein MORDs-Team - Band 11: 1984 (All-Age Krimi) E-Book

Andreas Suchanek

4,8

Beschreibung

Sie war das Mädchen mit den traurigen Augen, die Freundin, die fast immer lächelte, und die Schülerin, deren Leben aus den Fugen geriet. Sie war der Auslöser einer Jagd, einer Suche, eines Kampfes, der zwei Generationen in Atem hielten. Verborgen zwischen Mythen und Legenden entspinnt sich die Lebensgeschichte eines Mädchens, das zwischen Freundschaft und Liebe die falsche Wahl traf. Dies ist die Geschichte von Marietta King. Dies ist der elfte Roman der Serie "Ein MORDs-Team"

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Table of Contents

»1984«

Was bisher geschah

Prolog, Gegenwart

Barrington Cove, Januar 1984

Ein Samstagmittag

März 1984,

An einem geheimen Ort

Barrington Cove, Gegenwart

Sunforest Cove, 1984

Monolog eines Mörders

Juni 1984

Barrington Cove

Sunforest Cove, im Waisenhaus

einen Monat später (Juli 1984)

Ende August 1984,

Monolog eines Mörders

Im Haus der Familie King

Monolog eines Mörders

Die Nacht, in der Marietta King starb

Monolog eines Mörders

Epilog – Der Sturm ist da

Vorschau

Nachwort

Impressum

Ein MORDs-Team

Band 11

»1984«

von Andreas Suchanek

 

 

 

Was bisher geschah

 

1984: Die fünf Jugendlichen Harrison, Marietta, Jamie, Shannon und Billy brechen in ihre Highschool ein, um die Prüfungsfragen eines landesweiten Tests zu stehlen, der am nächsten Tag stattfinden soll. Der Einbruch wird zur Katastrophe. Harrison, der in der Aula Wache hält, beobachtet einen Unbekannten, der mit einem Super-8-Film das Gebäude verlässt. Gleichzeitig werden Shannon und Jamie, die sich von der Gruppe trennen, in einem Putzraum eingeschlossen. Während Jamie dort einen klaustrophobischen Anfall erleidet, kann Shannon durch das Lüftungsrohr fliehen und die Tür wieder öffnen.

Als Billy das Vorzimmer des Direktorats verlässt, weil er etwas zu hören glaubt, bleibt Marietta alleine zurück. Da tritt ein Unbekannter aus dem Schatten. Er schlägt den Jungen bewusstlos und tötet Marietta King. Ein Mord, der in die Geschichte des kleinen Städtchens Barrington Cove eingeht und nie aufgeklärt werden kann.

Gegenwart: Nachdem die vier Jugendlichen Mason, Olivia, Randy und Danielle eine Reihe turbulenter Abenteuer bestanden haben, sind sie dem Mörder dicht auf den Fersen. Dieser beschließt, eine Person aus dem Team zu töten, um die Jagd zu beenden. Hierfür hat er sich Randy ausgesucht. Dieser kann endlich die letzte Spur aufdecken und erkennt, wer der Mörder von Marietta King ist. Doch er kann die Information nicht mehr weitergeben. Der Killer überfällt den Jungen, als dieser alleine zu Hause ist. Randy muss vier Tabletten schlucken – gefährliche Black Flashs –, während der Mörder ihm die wahre Geschichte von Marietta King erzählt. Die tödliche Dosis ist mit der vierten Tablette erreicht.

Während Randy in einer aussichtslosen Lage gefangen ist, beginnt der Mörder zu erzählen.

Prolog, Gegenwart

 

Der Regen prasselte gegen die Scheiben. Vor dem Fenster bog sich das Geäst des Baumes zur Seite, streifte über das Glas wie die knöchernen Finger eines Gerippes. Bisher waren es schon dichte Tropfen, doch erste Meldungen deuteten an, dass ein gewaltiger Sturm auf Barrington Cove zuhielt.

Seltsam, dachte Randy. Womit die Gedanken sich beschäftigen, wenn man dem Tod ins Auge blickt.

Er trug einfache Jogginghosen und ein altes Shirt. Die offene Dose mit dem angefangenen Energydrink stand auf seinem Nachttisch, daneben lag ein Beutel mit blauen Tabletten.

Auf der Kante des Schreibtischs, gegenüber dem Bett, saß er. Der Mörder von Marietta King wirkte beherrscht, als sei das alles nur ein netter Plausch. Gleichzeitig erkannte Randy aber das Funkeln in seinen Augen. Die Gier.

Der Mistkerl brannte darauf, mit der Mordtat zu prahlen. Er wollte es erzählen, seine meisterhafte Täuschung einem Publikum mitteilen. Auch wenn besagtes Publikum lediglich aus Randy bestand, der bald sterben sollte.

»Du wirst doch keinen Rückzieher machen?«, fragte der Mörder.

»Wie käme ich denn dazu? Ist ja nicht so, als hätte ich eine Wahl, oder?«

»Falls du willst, dass ich zuerst dich, dann deine Freunde, deine Tante und am Ende Vince erschieße, musst du es nur sagen.«

Randy biss die Zähne zusammen. Kurz nachdem er durch einen Suchalgorithmus auf das Bild aufmerksam geworden war, das die Wahrheit enthüllte, war der Dreckskerl hier hereingeschneit. Mit einer Waffe im Anschlag hatte er ihn vor die Wahl gestellt. Entweder Randy hörte sich die Geschichte an, die er ihm erzählen würde – und schluckte in deren Verlauf Black Flashs –, oder er bekam eine Kugel ab. Das Gleiche geschah dann mit jeder Person, die ihm wichtig war. Er würde in der Gewissheit sterben, aus Feigheit alle anderen mit sich in den Tod gerissen zu haben.

Was also sollte er tun?

Die blauen Tabletten lagen mittlerweile verstreut auf dem Nachttisch, einige wenige befanden sich noch in dem Tütchen. Er wusste, am Ende würde man seinen Tod Mason anlasten, der den Ruf des stadtbekannten Drogenjungen innehatte. Da spielte es keine Rolle, dass er nie verurteilt worden und obendrein völlig unschuldig war. Die Menschen sahen doch niemals hinter die Dinge, sie nahmen die einfachen Erklärungen problemlos hin.

»Ich würde ja wirklich gerne anfangen«, sagte der Mörder, »es ist sehr unhöflich von dir, mich warten zu lassen. Sobald du die erste Black Flash geschluckt hast, beginne ich. Also bitte!«

Eine von vier, dachte Randy.

Die erste Tablette würde nur einen leichten Rauschzustand auslösen, nach der zweiten wäre er high. Die dritte verursachte einen heftigen Trip, der in Angstzustände übergehen konnte (Gut, genau genommen war das auch schon nach der ersten möglich.). Die vierte Tablette war der Punkt ohne Wiederkehr. Sobald sie im Darm ankam und sich zersetzte, war es vorbei.

Seine Finger zitterten, als er die erste Tablette zum Mund führte. Am liebsten hätte er sich direkt wieder übergeben. Doch hier ging es um seine Freunde!

Er schluckte.

»Gut so«, sagte der Mörder. »Du darfst gerne nachspülen.«

Natürlich, er wollte auf Nummer sicher gehen. Randy griff nach dem Energydrink und nahm einen großen Schluck. »Zufrieden?«

»Aber ja. Einen Teil der Geschichte habe ich selbst erlebt – logisch –, andere Teile wurden mir erzählt, habe ich belauscht oder wurden mir zugetragen. Am Ende ergibt sich eine vollständige Geschichte. Letztlich begann wohl alles im Sommer 1983.« Die Augen des Mörders leuchteten. »Dies ist die Geschichte von Marietta King.«

Prolog, Sommer 1983

 

Das Zwitschern der Vögel hallte zwischen den Baumwipfeln hindurch, vermischte sich mit dem Lachen der anderen. Die Jungs tollten im Wasser herum, tunkten sich gegenseitig unter oder überprüften, wer länger die Luft anhalten konnte. Die Sonnenstrahlen kitzelten Mariettas Haut, umfingen sie wie ein wohliger Schleier.

Sie hatte ein wenig gedöst, fand nur langsam in die Wirklichkeit zurück. Sie tastete mit der linken Hand umher. Beinahe hätte sie die Glasflasche umgeworfen. Die Cola war lauwarm und abgestanden. Nach einem Schluck stellte sie sie wieder ab.

»Na, hat Dornröschen ausgeschlafen?«, kam es von rechts.

Marietta grinste. »Das hat Dornröschen tatsächlich. Und dabei ist es sogar braun geworden.«

Sie kicherten beide.

Shannon legte ihren Walkman beiseite. »Es ist so wunderbar friedlich hier.«

Die Hütte im Wald lag versteckt vor neugierigen Blicken und gehörte Harrisons Dad. Er versuchte seit Jahren, sie zu verkaufen, fand aber keinen Interessenten. Daher fiel es auch nicht auf, wenn Harrison die Schlüssel immer mal wieder »auslieh«. Es war quasi ihre geheime Hütte.

Vor allem im Sommer war es hier herrlich. Sie hatten Liegestühle auf der Veranda aufgestellt, hinter der der See begann. Auf der anderen Seite gab es einen kleinen Abhang. Ein mächtiger Baum wuchs dort in die Höhe, an den jemand ein Seil mit einem Reifen geknüpft hatte.

Das lud regelrecht dazu ein, sich vom Abhang nach vorne zu schwingen und ins Wasser zu springen. Gerade stiegen die Jungs hinauf, winkten herüber und machten sich bereit.

»Jamie hat wohl gesehen, dass du wieder wach bist«, sagte Shannon zuckersüß. »Er will zeigen, was er kann.«

Marietta winkte ihrem Freund zu, worauf der prompt strahlte wie ein Atomreaktor. Kurz darauf schwang er wie Tarzan über den See, verlor allerdings den Halt und purzelte seitlich ins Wasser.

»Über die Haltungsnote sprechen wir besser nicht«, murmelte Shannon. »Aber hey, er hat es versucht.«

Sie kicherten wieder, obgleich Marietta gar nicht danach zumute war. Jamie war bis über beide Ohren in sie verliebt. Sie gingen erst kurz miteinander, doch der Funke war längst zu einem Brand geworden – bei ihm. Sie allerdings …

»Was ist?«, fragte Shannon.

»Hm?«

»Du hast geseufzt.«

»Habe ich nicht«, erwiderte Marietta.

»Dann waren das vermutlich die Fische, die Jamie beobachtet haben.«

Man konnte der Freundin einfach nichts vormachen. Sie vermutete es wohl bereits. »Jamie und ich … das funktioniert nicht.«

»Verdammt, ich hab es dir doch gesagt!«

»Jaja. Aber er hat so süß geschaut. Und küssen kann er auch gut.«

Shannon stöhnte. »Wenn unsere Clique deshalb kaputt geht … Das nehme ich dir echt übel!«

»Das passiert schon nicht. Ich werde es ihm leicht machen.«

»Leicht!« Sie deutete auf die andere Seite, wo Jamie sich gerade dazu anschickte, wieder auf den Reifen zu klettern. »Der arme Kerl würde sich in die nächste Rakete setzen, um dir einen Stern vom Himmel zu holen. Er mag ja ein kleiner Macho sein, aber du bist ihm wirklich wichtig.«

»Jaaa. Trotzdem. Weißt du, ich habe da jemanden kennengelernt.«

Shannon legte den Kopf schief. »Du betrügst ihn doch nicht?«

»Nein«, versicherte Marietta schnell. »Und damit das so bleibt, muss ich Schluss machen. Jamie ist ein super Freund, aber ich glaube, es kann nicht mehr sein.«

Shannon schwieg. Sie blickte hinaus auf den See. Billy und Harrison schauten vom Ufer aus zu, wie Alpha-Äffchen-Jamie einen eleganten Salto vollführte und ins Wasser eintauchte. Prustend kam er wieder an die Oberfläche. Er war schon süß.

»Vielleicht solltest du es trotzdem noch versuchen«, sagte Shannon. »Eurer Freundschaft wegen.«

»Freundschaft ist nicht genug«, sagte Marietta. »Ich will Liebe.«

Kurz darauf gesellten sich die beiden zu den Jungs, tollten mit ihnen im Wasser herum. Erst am Abend, als Marietta und Jamie alleine waren, überbrachte sie ihm die traurige Nachricht.

Und so traf Marietta King eine Entscheidung, die ihr Leben verändern und ihr Ende besiegeln sollte.

Barrington Cove, Januar 1984

Ein Samstagabend, im Haus der Familie King

 

Ihr Dad stand am Fenster und schaute in die Ferne. »Ich bin so froh, dass du nicht dort draußen bist.«

Sein dunkles Haar war an den Schläfen ergraut. Er lächelte ihr liebevoll zu, was seine Lachfalten betonte, und kam zu ihr ans Bett. »Ich weiß, du bist mittlerweile sechzehn, aber das heißt nicht, dass du dich diesen betrunkenen Idioten anschließen musst. Oder – Gott bewahre – zum Crest Point gehst.«

»Würde ich doch nie tun, Daddy.« Sie erwiderte sein Lächeln.

Er blieb noch kurz auf der Bettkante sitzen, als wolle er etwas hinzufügen, schwieg jedoch.

Sie hatte ihr Zimmer extra aufgeräumt. Die Bücher im Regal waren alphabetisch sortiert, ihr Schreibtisch blitzblank, die Kissen auf der Couch genau ausgerichtet. Nur die Poster an der Wand hatte sie nicht abgehängt. Mit den Jungs, die auf sie herabsahen, musste er leben.

Ihr Dad hätte es vermutlich lieber gesehen, wenn sie dem Kirchenchor gelauscht hätte als Alphaville oder den B-52s. Er war liebenswert, aber so konservativ, dass es ihr die Fußnägel hochrollte.

»Deine Mum und ich lesen unten noch ein wenig. Schlaf gut.«

Es klackte, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.

»Boah, ich dachte, er geht nie«, ächzte Jamie. Zuerst tauchte sein rechter Fuß unter dem Sofa auf, denn folgte der Rest.

»Ein Wunder, dass ich hier nicht erstickt bin«, brummte Shannon. Sie hatte den relativ komfortablen Platz unter dem Bett ergattert. Elegant rollte sie sich darunter hervor.

Harrison schob sich aus der Nische zwischen Regal und Wand in die Freiheit.

Marietta schlug die Decke zurück. Sie war vollständig angezogen. Nur das Parfüm hatte sie noch nicht aufgelegt. Sie runzelte die Stirn. »Billy?«

»Oh, Mist.« Shannon hetzte zum Fenster. Die Strickleiter war an zwei Ösen des Fensterrahmens festgemacht. Auf der obersten Sprosse kauerte der zitternde Billy. Draußen war es eisig kalt.

Shannon half ihm herein.

»Wir hätten lieber unseren Hairy-Boy hier nach draußen schicken sollen«, sagte Jamie grinsend und machte sich damit – wie mindestens dreimal pro Tag – über Harrisons Rückenbehaarung lustig.

»Vermutlich wirst du irgendwann auch ein paar neue Witze entdecken. Solche, die lustig sind.« Etwas leiser fügte er hinzu: »In dreißig Jahren oder so.«

Billy polterte ins Zimmer.

Sofort gefroren alle in ihren Bewegungen. Doch es waren keine Schritte zu hören. Mariettas Eltern hatten nichts bemerkt.

»Elegant wie ein Superflummi«, kommentierte Jamie. »Was soll nur aus dir werden, Billy-Boy?« Er nahm ihn in den Schwitzkasten und rubbelte seine Haare.

Das wiederum sorgte für heftige Proteste, immerhin hatte Billy sich bereits für die Disco gestylt. Prompt rammte er seine Ferse auf Jamies Fuß, der wie ein wild gewordenes Känguru durchs Zimmer hüpfte.

»Wer ist jetzt der Flummi?«, kommentierte Billy grinsend.

»Jungs«, stöhnte Marietta, »ich schwör‘ dir, Shan, ohne uns wären sie nicht überlebensfähig. Wenn ihr dann alle soweit seid, könnten wir vielleicht abhauen. Und bitte leise.«

Erst als sie den Garten hinter sich gelassen hatten, atmete Marietta auf. Der Abstieg war schwerer gewesen als angenommen.

»Alles okay?«, fragte Shannon. »Du bist so außer Atem.« Sie betrachtete Marietta von oben bis unten. »Hast du zugenommen?«

»Wa… sag mal, geht‘s noch?«

»Sorry.«

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, reihten sie sich in die Ströme aus anderen Jugendlichen ein, die auf die Partymeile zuhielten. Da die Stadt wenig Interesse daran hatte, das Viertel mit den Discos und Bars zu renovieren – der Bürgermeister kümmerte sich lieber um Neubaugebiete und den Ausbau der Villengegend –, war fast alles baufällig. Nächste Woche sollte eines der Häuser am Stadtrand abgerissen werden.

Damit stand heute eine Goodbye-Party an. Man durfte in der Disco nicht nur auf der Tanzfläche abzappeln, nein, außerdem gab es Extra-Räume, die mit alten Möbeln vollgestellt worden waren. Helfer hatten sie aus anderen Abrisshäusern der Stadt herbeigekarrt. Natürlich im Geheimen, denn die Stadtoberen hätten niemals eine Lizenz erteilt. Es war eine illegale Underground-Disco. Am Ende der Nacht ging es ans Zerschlagen der Möbel.

Schon von Weitem wurde klar, dass sie den Andrang unterschätzt hatten.

»Mist«, fluchte Jamie. »Wir hätten doch früher kommen sollen.«

»Sorry«, sagte Marietta.

Er lächelte ihr nur zu. Im gleichen Atemzug zog er Shannon an sich und begann eine heftige Knutscherei. »Passt schon. Es gibt immer einen Weg.«

»Ach ja?«, fragte Harrison. »Na, da bin ich aber mal gespannt. Das sind locker fünfzig, die hier anstehen.«

Jamie zwinkerte ihm nur zu. Als sie sich anstellen wollten, ging er einfach weiter und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Neben den Türstehern, die ein grimmiges Gesicht zur Schau trugen, stand ein Mädchen in ihrem Alter. Sie wirkte unscheinbar, trug ihr dunkles Haar offen, eine Hornbrille schrie »Streber«. Außerdem hatte die Akne böse zugeschlagen.

Jamie trat auf das Mädchen zu. Marietta und sie konnten sich nicht ausstehen. Seit dem ersten Tag an der Highschool waren sie zu Feindinnen geworden, als beide den gleichen Sitzplatz hatten ergattern wollen. Marietta hatte sich durchgesetzt, war beliebt und hatte Freunde. Die Andere war zur Außenseiterin geworden.

»Hey, Martha«, sagte Jamie. »Wie geht‘s?«

»Collister«, kam es trocken zurück. Die Stimme klang feindselig.

Überkompensation, dachte Marietta. Eigentlich steht sie auf ihn.

Der feindselige Blick von Martha Williams traf zuerst Marietta, dann Shannon. Nach dem Ende der Beziehung zwischen Jamie und ihr – er hatte sich mittlerweile wieder gefangen – hatte Martha sich wohl mehr erhofft. Marietta schüttelte sich. Im Geiste sah sie die beiden heiraten, in ein spießiges kleines Reihenhaus ziehen, und neun Monate später sprang ein kleiner, hyperaktiver Jamie Junior herum, der seinem Dad, was das freche Mundwerk anging, in nichts nachstand.

Stattdessen hatten sich Shannon und Jamie gefunden. Marietta hatte die Befürchtung, dass ihre beste Freundin als Trostpflaster herhalten musste, doch die wollte nichts davon hören.

»Sieht wohl so aus, als müssten wir wieder gehen«, sagte Jamie.

»Was?« Das brachte Martha aus dem Konzept. Vermutlich hatte sie damit gerechnet, dass er sie um Einlass bat. »Aber die Party ist toll.«

»Das sehen alle anderen wohl genauso.« Er zuckte mit den Schultern. In seinen Jeans, dem Hoodie und den verschlissenen Converse sah er schon sexy aus, das musste Marietta zugeben. Durch den ständigen Sport zeichneten sich breite Schultern ab, das dunkle Haar war mit Wet-Gel durchgestylt.

»Ja, also … Na gut, bevor ihr das verpasst, geht halt rein. Ausnahmsweise.«

»Echt jetzt? Das ist so cool von dir.« Er lächelte sie gerade lange genug an, dass sich ein zarter Rotton auf ihren Wangen abzeichnen konnte. Dann winkte er die anderen herbei. Gemeinsam betraten sie die Underground-Disco, während die Anstehenden wütende Protestrufe ausstießen.

»Was für Loser«, kommentierte Jamie.

Hinter den heruntergekommenen Eingangstüren erwartete sie eine noch heruntergekommenere Halle. An der Decke hing eine Discokugel, die ihren glitzernden Schein zu Boden warf. Verschwitzte Leiber bewegten sich zum Takt der Musik. Überall standen Jungen und Mädchen, die an Gläsern nippten.

Jamie warf seine Jacke den Typen in der Garderobe zu. Was genau genommen ein einfacher Holztisch war, hinter dem jemand alte Schaufensterpuppen aufgestellt hatte. Vermutlich stammten die aus einem anderen Abbruchhaus, hier hatte es auch mal Läden gegeben. Auf die Stirn der Puppen hatten die Jungs mit Filzstift eine Zahl geschrieben. Jamies Jacke und Hoodie wanderten zur Puppe mit der Nummer dreizehn.