Ein MORDs-Team - Band 13: Die fünfte Dynastie (All-Age Krimi) - Andreas Suchanek - E-Book

Ein MORDs-Team - Band 13: Die fünfte Dynastie (All-Age Krimi) E-Book

Andreas Suchanek

4,9

Beschreibung

Sonja Walker erinnert sich zurück an ihre Kindheit, als die Katastrophe auf Angel Island ihr einen Teil der Familie nahm. Hierzu möchte sie einen Blick in die Vergangenheit werfen, um eine Reportage zu drehen. Zusammen mit einem Teil des MORDs-Teams macht sie eine schreckliche Entdeckung, die die damaligen Ereignisse in einem anderen Licht erscheinen lässt. Im Jahr 1985 betreten Jamie, Shannon, Harrison und Billy den Zirkusrummel, um einen unbeschwerten Tag zu verbringen. Stattdessen geraten sie mitten in die Katastrophe. Dies ist der 13. Roman aus der Reihe "Ein MORDs-Team", der Auftakt zum 2. Fall.

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Ein MORDs-Team

Band 13

»Die fünfte Dynastie«

von Andreas Suchanek

 

 

 

So beginnt der erste Fall

 

1985: Die vier Jugendlichen Harrison, Jamie, Shannon und Billy besuchen den Zirkusrummel auf Angel Island. Ein entspannter Tag verwandelt sich in ein Inferno. Zwischen Feuer und Rauch, Trümmern und Panik treffen die Mächtigen von Barrington Cove aufeinander. Pläne werden zunichtegemacht, geheime Identitäten enthüllt – ein Mord geschieht. Doch es soll dreißig Jahre dauern, bis endlich jemand die Frage stellt: Wer tötete …?

Gegenwart: Sonja Walker erinnert sich zurück an ihre Kindheit, als die Katastrophe auf Angel Island ihr einen Teil der Familie raubte. Sie möchte einen Blick in die Vergangenheit werfen, um eine Reportage zu drehen.

Dabei macht sie mit einem Teil des MORDs-Teams eine schreckliche Entdeckung, die die damaligen Ereignisse in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Prolog

 

1985

 

Der Geruch gerösteter Mandeln kitzelte Jamies Nase. Drei Mädchen gingen an ihnen vorbei, sahen herüber und kicherten, während sie Zuckerwattefetzen abrissen und aßen. Sicherheitshalber spannte er die Brustmuskeln ein wenig an, damit sie sich unter seinem Polo abzeichneten.

Gemeinsam mit Shannon, Billy und Harrison drang er tiefer in die Menge ein. Wie jeden Sonntag war der Zirkusrummel auf Angel Island gut besucht, die Straßen Barrington Coves dagegen waren nahezu ausgestorben.

In der Ferne rotierte das gewaltige Riesenrad. Ein »Ha, ha, ha« drang von der Geisterbahn herüber, vermengte sich mit einem hohen Kreischen aus Richtung der Achterbahn. Soeben ratterte ein Wagen den Abgrund hinunter.

Billy starrte gebannt auf das Treiben ringsum. Da er kaum Geld besaß, war er erst ein Mal hier gewesen, und da hatte es prompt geregnet.

Jamie legte einen Arm um den Freund. »Sonne, eine frische Brise vom Meer, Zuckerwatte und süße Mädchen. Perfekt, oder?«

Als ihm bewusst wurde, was er da gerade gesagt hatte, riskierte er einen kurzen Seitenblick zu Shannon. Er atmete auf. Scheinbar hatte seine Freundin nichts gehört. In letzter Zeit war sie ziemlich reizbar. »Alles okay, Shan?«

Sie nickte. Vielleicht hatte sie es heute etwas mit dem Haarspray übertrieben. Und die Jeansjacke passte keinesfalls zu den Chucks. Seltsam. Sie legte normalerweise großen Wert auf ihr Äußeres, predigte ihm ständig was von Farben, die zusammenpassen mussten.

»Klar«, erwiderte sie mit etwas Verzögerung fahrig.

»Ey, hier sind ja heute echt alle auf den Beinen«, kam es von Harrison. »Schon drei Leute aus unserer Klasse gesehen.«

»Das ist in ein paar Monaten vorbei.« Jamie grinste. »Bald heißt es: College.«

Auch das hob seine Laune. Entgegen jeder Wahrscheinlichkeit waren sie alle auf dem Pinehearst College untergekommen. Sogar Billy würde dort studieren können, dank eines Stipendiums.

Sie ließen sich von der Menge treiben. Jamie schoss Shannon einen Stoffhasen, den diese aber einstweilen am Stand deponierte, um ihn später abzuholen.

Billy fuhr zum ersten Mal Achterbahn. Danach leuchteten seine Augen, das Gesicht war puterrot. »Na, Adrenalinkick?«, fragte Jamie.

Der Freund nickte nur.

Es wurde Nachmittag, schließlich Abend.

Harrison wollte unbedingt in die Geisterbahn und bekam seinen Willen. Billy und Shannon fuhren mit.

Jamie wartete lieber draußen, bevor die Klaustrophobie erneut zuschlug. Es war der einzige Moment an diesem Tag, an dem die Erinnerung an Marietta ihn überfiel. Doch er drängte sie zurück. Heute wollten sie abschalten, den Sonntag genießen, sich freuen.

Während die anderen durch das Dunkel fuhren, schlenderte er über das Gelände. Er überlegte, worauf er mehr Lust hatte, Zuckerwatte oder gebrannte Mandeln. Beides.

In der Ferne sah er Martha Williams, die, von Freundinnen umringt, über den Zirkusrummel spazierte. Hübsch war sie geworden.

Am Horizont versank die Sonne.

Mittlerweile mussten die anderen auf dem Weg zu ihm sein, so lange dauerte eine Fahrt nämlich kaum. Vermutlich saß Billy direkt noch einmal in der Achterbahn.

Jamie konnte hinterher nicht mehr sagen, wann er den ersten angsterfüllten Schrei gehört hatte, doch es war nur der Auftakt. Es ratterte, krachte, Holz splitterte. Eine Explosion folgte. Rauch stieg in den Himmel.

Das Inferno begann.

 

 

Angel Island, vor der Küste von Barrington Cove

Ein Samstagmorgen

 

Gegenwart

 

Neugierig betrachtete Randy die Lautsprecher. Sie waren angesengt, ein Teil der Elektronik verschmort. Beim Aufprall auf den Boden war ein Segment der Verschalung abgebrochen.

»Da kommen Erinnerungen hoch«, sagte Olivia leise. Die Freundin stemmte die Fäuste in die Hüften, blickte hinüber zum Riesenrad. Sie trug eines ihrer geliebten ärmellosen Shirts, darüber eine Jacke. Bei jeder Handbewegung klimperten ihre zahlreichen Armreifen.

Normalerweise hielt Olivia an einem solchen Ort wie dem verlassenen, heruntergekommenen Zirkusrummel auf Angel Island stets eine Kamera in den Händen. Heute waren sie jedoch nur als moralische Unterstützung dabei, das Fotografieren übernahm Sonja selbst.

Er nickte. »Kaum zu glauben, dass Danielle und ich da vor ein paar Wochen heruntergeklettert sind.«

Der Mörder von Marietta King – Bürgermeister Tyler – hatte erneut seinen makabren Sinn für Mordlust bewiesen, als er ein weiteres kleines Chaos veranstaltet hatte. Marek, der frühere Freund Mariettas, war dabei gestorben.

»Alles okay bei euch?« Sonja kam herbeigeeilt. Die sechsunddreißigjährige Reporterin musterte sie mit einem abschätzenden Blick. Um ihren Hals hing an einem Band die Kamera. Das dunkle Haar war keck zu einem Pferdeschwanz gebunden, sie trug eine Jeans und eine weiße Bluse, darüber eine Jeansjacke. »Kommen Erinnerungen hoch?«

Randy zuckte mit den Schultern. »Ein bisschen.« Dass er manchmal schweißgebadet aufwachte, weil er glaubte, eine Tablette verschluckt zu haben, erwähnte er besser nicht.

»Wenigstens lässt der Presserummel langsam nach«, sagte Olivia. »Anfangs konnten wir ja kaum noch aus dem Haus. Aber die Interviews haben geholfen. Das Interesse geht zurück.«

Randy kickte einen Stein davon. »Leider hat das auch dafür gesorgt, dass das Verfahren gegen Bruker junior eingestellt wurde. Sein Dad muss da irgendwas gedreht haben. Mason war verdammt sauer.«

»Gedreht hat wohl eher seine Mum etwas«, kam es von Sonja.

»Was?« Er sah auf.

»Wieso Mum?«, fragte Olivia.

»Oh, richtig, ihr hattet bisher ja nur das Vergnügen mit den Männern der Familie. Macht euch auf etwas gefasst, die Mutter ist nicht viel besser.« Sie schüttelte den Kopf, die Lippen abschätzig verzogen. »Hoffen wir, dass Bruker senior bei der kommenden Wahl des Sheriffs die Quittung für seine Inkompetenz bekommt. Zeit dafür wäre es ja.«

Gemeinsam schlenderten sie in Richtung Geisterbahn.

»Schade, dass Mason und Danielle nicht dabei sind«, sagte Sonja.

»Ha!« Randy lachte auf. »Es ist Samstag und vor zehn. Wenn du keinen Bagger durch das Haus der Collisters fahren lässt, schläft er noch. Glaub mir, nichts bekommt ihn wach.«

»Und Danielle …« Olivia zögerte. »Na ja, ihre Mum arbeitet wohl auf eine Scheidung hin. Es herrscht Rosenkrieg.«

»Du liebe Güte.« An Sonjas Blick war leicht abzulesen, dass sie die richtigen Schlüsse zog.

Danielles Dad, Richard Holt, war einer der furchtbarsten, Frauen hassenden Männer, die Randy je kennengelernt hatte. Shannon stand der Kampf ihres Lebens bevor. Da er obendrein Anwalt war, würde er jeden nur erdenklichen Gesetzestrick anwenden.

Gemeinsam erreichten sie die Geisterbahn.

Die Zirkusleute hatten ihnen freundlicherweise erlaubt, hier Aufnahmen zu machen. Nachdem sie Marek aus dem alten Gefängnis der Dynastien befreit hatten, hatten sie alle einen Stein bei der Sippe im Brett. Insbesondere Dorian und sein Bruder Luka freuten sich über jeden Besuch der Freunde. In den letzten Wochen war das öfter geschehen, da es nicht viele Plätze gab, wo die Reporter sie in Ruhe ließen.

Sie gingen an dem alten Karussel vorbei, das sich im Zentrum des Rummels erhob. Ein Teil der Holzpferde war verbrannt, der Rest vom Zahn der Zeit zerfressen, der Lack längst abgeblättert. Etwas seitlich versetzt stand ein alter Waggon, der damals als Imbissbude gedient hatte. Hier hatten die Zirkusleute auch Bilder von ihren Auftritten im ganzen Land ausgestellt. Ein Boxauto lag am Rand des Fahrbereichs, zerdellt, bedeckt von Unkraut.

Sie gingen zielstrebig auf jenen Ort zu, der ihnen allen in böser Erinnerung war.

Die Geisterbahn war nicht mehr als eine schief stehende Baracke. Schon die Katastrophe von 1985 hatte die Buden, Geschäfte und Häuser in Mitleidenschaft gezogen, teilweise zerstört. Nun war es noch schlimmer.

»Warum interessiert dich das alles so sehr?«, fragte Olivia. »Willst du nicht langsam mit der Sprache herausrücken?«

Sonja zögerte. »Erinnerungen. Ich will einfach ein wenig Licht in das bringen, was damals hier geschehen ist. Immerhin liegt das jetzt etwa dreißig Jahre zurück, aber so richtig gekümmert hat sich noch niemand. Als Danielle und ich vor einigen Wochen in die Asservatenkammer des Sheriffs eingebrochen sind, habe ich dort einen riesigen Berg an Gegenständen gefunden, die alle von der Katastrophe stammen. Bruker hat den Familien nichts davon zurückgegeben.« Sie ballte die Fäuste.

Randy sah mit gerunzelter Stirn dabei zu, wie sie kurzerhand das Absperrband hob und darunter hindurchkroch. Er glaubte ihr kein Wort. Sobald die Zeit reif war, würde sie ihr Schweigen hoffentlich brechen. Er hatte da bereits eine düstere Ahnung.

»Ist doch mal schön, wenn Erwachsene die Regeln missachten«, sagte Olivia verschmitzt und folgte Sonja.

Randy bildete das Schlusslicht und sah sich noch einmal um. Es hätte ihn nicht gewundert, wäre Bruker hier aufgetaucht, um sie zu verhaften. Immerhin verdankte sein über alles geliebter Spross ihnen eine Menge Probleme.

Das Halbdunkel der Geisterbahn schlug über ihm zusammen.

Die Decke war an so vielen Stellen eingebrochen, dass genug Licht hereinfiel, sie benötigten keine Taschenlampe. Der Boden war von Erde, Asche und Staub bedeckt. Sonja bog nach rechts ab, durchschritt eine Tür und stieg Treppen empor.

»Das ist die Steuerzentrale«, hauchte Olivia. Eine Gänsehaut überzog ihre Arme.

Die gewölbten Monitore waren blind. Selbst mit Strom hätten sie vermutlich nicht mehr funktioniert. Von der Steuerkonsole ragten abgebrochene Kippschalter in die Höhe, verschmorte Kabel hingen seitlich heraus. Ein Stuhl, an dem ein Bein fehlte, lag am Boden.

»Du kennst dich hier gut aus«, bemerkte Randy leise.

»Ich habe mich schon herumführen lassen«, erwiderte Sonja. »Ist aber lange her.« Sie fotografierte alles sehr genau. »Später kommt noch mein Kameramann, dann machen wir ein paar Filmaufnahmen für den Youtube-Kanal.«

Sie verließen die Steuerzentrale über einen kleinen seitlichen Abgang. Da hier kaum Licht hereinfiel, tasteten sie sich voran. Eine schmale Treppe führte gerade nach unten. Der Ausgang brachte sie hinter einen einbeinigen Riesen aus Plastik.

Nun bekam Randy eine Gänsehaut.

Noch immer lagen überall persönliche Gegenstände von den Besuchern der Geisterbahn herum, die sie bei ihrer Flucht vor dreißig Jahren verloren hatten. Ein einzelner Converse, ein winziger Rubik's-Cube-Schlüsselanhänger, ein Walkman. Er fragte sich unweigerlich, was aus den Besitzern geworden war. Welcher von ihnen hatte es herausgeschafft, wer nicht?

»Oh, schaut mal.« Olivia ging neben einem Rucksack aus grünem Cordstoff in die Knie. »Den habe ich damals auf Tyler geworfen. Danach sind Mason und ich geflohen.«

Sie mussten nur wenige Schritte gehen, dann erreichten sie die Kulisse, von der die Freunde Randy erzählt hatten. Rechts und links ging es nach unten, wo alles aufgebaut war. Die Schienen verliefen in der Mitte, zwischen beiden Szenen hindurch, nach oben gewölbt. Einige Meter entfernt machten sie eine Biegung, verschwanden in einem Tor, vor dem Lammellenreste herabhingen.

Zur Linken war eine dralle blonde Jungfer in der Bewegung erstarrt, ein Vampir griff sie gerade an.

»Dort ist Tyler runtergefallen«, flüsterte Olivia heiser.

Graf Draculas Sarg stand noch da. Früher hatte sich der Deckel immer ein Stück gehoben, um die Figur nach oben zu schieben. Doch dann war der Bürgermeister hineingekracht. Neben dem endgültigen Ende Draculas, das er heraufbeschworen hatte, hatte ihr Feind auch gegen ein brennendes Shirt kämpfen müssen. Vermutlich rettete das Mason und Olivia das Leben.

Randy begutachtete die Szenerie mit Argusaugen. Sonja machte Bilder, während Olivia näherging. Viel war nicht geblieben. Das Feuer nach Tylers Attacke hatte einen weiten Teil der Decke zerstört, auch zahlreiche Kulissen. Dass überhaupt noch etwas stand, verdankten sie dem schnellen Eingreifen der Zirkusleute und der Tatsache, dass kaum mehr Brennbares existiert hatte.

Vor dem Sarg blieb Randy stehen. Fröstelnd schlang er die Arme um den Oberkörper. Das zerbrochene Gesicht Draculas lugte unter dem Plastik des Deckels heraus. Dazwischen erkannte Randy die Hand, die in seltsamem Winkel abstand. Fetzen hingen daran herab, die Finger …

Mit zusammengekniffenen Augen ging er in die Hocke.

»Sonja, Olivia!«

Sekunden später standen beide neben ihm.

Er schluckte. »Sorry, wenn meine Nerven etwas blank liegen, aber … ist das da die Hand der Figur - oder …?«

Alle drei starrten auf die Reste des Sarges. Vorsichtig, mit zitternden Fingern, griff Sonja nach einem der Buchstücke und zog es fort.

Was darunter zum Vorschein kam, war weder Pappmaschee noch Plastik.

»Oh Gott«, hauchte Olivia.

»Ich fürchte«, flüsterte Sonja mit rauer Stimme, »wir werden den Sheriff rufen müssen.«

 

*

 

Barrington Cove, im Café Covediver

Ein Samstagmorgen

 

Mason schob den Rest des Sandwiches in seinen Mund, schluckte ihn hinunter und bemerkte dann, dass er das Kauen vergessen hatte. Er zuckte mit den Schultern. Ein großer Schluck Cola löste das Problem.

Er sog die kalte Luft in die Lunge und sah sich um.

Das Covediver hatte erst vor wenigen Tagen eröffnet. Doch dank leckerer Sandwiches, Eis, Kuchen, tollen Cocktails und netten Bedienungen verwandelte es sich zunehmend in ein In-Treff.

Das Café befand sich in einer kleinen Seitengasse, ein paar Meter vom Strand entfernt. Neben dem großen Hauptraum gab es zwei weitere Ebenen mit umlaufender Galerie, von wo aus man hinunter auf die übrigen Gäste schauen konnte. Die Vorderfront war verglast, nach hinten ging es in eine gewaltige Terrasse über. Vor dieser war ein künstlicher Sandstrand errichtet worden. Alle paar Meter standen Strandkörbe, davor Tischchen. Am Rand waren Wärmestrahler aufgestellt, um den Außenbereich in jeder Jahreszeit zu beheizen.

In einem der Strandkörbe saß Mason.

Der Herbst ging seinem Ende entgegen, der Winter stand vor der Tür. Trotz der Kälte hatte er sich nach hier draußen verkrochen. Wenigstens blieb er so ungestört. Niemand richtete heimlich die Kameralinse auf ihn, machte Fotos oder wollte unbedingt von ihm wissen, wie es war, beinahe zu ertrinken. Und Epilepsie zu haben. Oder Drogen untergeschoben zu bekommen.

Kümmert euch um euer eigenes Leben.

Bisher hielt sich der Herbst noch recht nachdrücklich. Doch er kannte das. Bald würde der Winter ohne Erbarmen hereinbrechen.

Neben ihm auf der Sitzfläche lag sein Skateboard. Schließlich sollte es nicht schmutzig werden.

Als er aufblickte, eilte gerade Danielle herbei. Sie wirkte alles andere als vergnügt. »Hey.« Sie nahm das Board, warf es auf den Boden und sank in den Stuhl.

Mason starrte sie entsetzt an. »Mein …«

»Jaja«, sie tätschelte seinen Arm, »es wird überleben, keine Sorge. Außerdem hast du doch so viele davon.«

Danielle streckte beide Beine von sich. Ihr Gesicht war feuerrot, bedeckt von einem dünnen Schweißfilm. Nur weil sie so fertig aussah, verzichtete er auf eine Schimpftirade. Stattdessen nahm er das Skateboard und legte es auf die Decke des Strandkorbs. »Was ist denn passiert?«

»Wollt ihr nicht lieber reinkommen?«, erklang eine Stimme.

Ein Mann trat an den Korb. Er war irgendwas um die dreißig, hatte dunkles Haar und einen gepflegten Vollbart. Seine Jeans waren verschlissen, die Füße steckten in Boots, die obersten Knöpfe des karierten Hemdes standen offen.

»Wir bleiben lieber hier«, sagte Mason. »Weniger los.«

»D… Danke«, kam es von Danielle.

Innerlich verdrehte Mason die Augen. Wenigstens waren Randy und Olivia nicht da, sonst hätten jetzt gleich drei seiner Freunde synchron gesabbert.

»Ich bin Twain«, stellte der Typ sich vor. »Twain Sanders. Aber wir können uns gerne duzen.«

»Oh«, entfuhr es Danielle.

»Sie sind der Besitzer vom Covediver?«, fragte Mason. Sonja hatte vor einigen Tagen einen Artikel über ihn geschrieben, allerdings hatte er auf den Bildern keinen Bart getragen. »Sie sehen so anders aus.«

Danielle rempelte ihm daraufhin aus irgendeinem Grund den Ellbogen in die Seite.

Doch Twain lachte nur. »Ja, ich mag das Rampenlicht nicht so sehr. Daher der Bart. Seitdem erkennt mich niemand mehr. Es reicht schließlich, wenn alle wissen, dass es hier ein neues Café gibt. Der Besitzer sollte da doch keine Rolle spielen.«

Mason strich sich über die Wange. »Sollte ich mir vielleicht auch wachsen lassen.«

»Immer noch so schlimm? Ich habe mitbekommen, dass ihr vier euch jedes Mal nach draußen verzieht. Ich weiß natürlich, wer ihr seid.«

»Genau wie alle anderen«, erwiderte Danielle.

Twain nickte langsam. »Also, ich schicke euch einen Kellner raus. Und für die Zukunft lass ich mir was einfallen. Will schließlich meine Stammkunden nicht verlieren.«

Er verabschiedete sich.

»Netter Kerl«, sagte Mason.

»Ja«, seufzte Danielle.

»Wolltest du nicht was sagen?«

»Wie, was denn?«

Er schnaubte. »Das weiß ich doch nicht.«

»Ach so, richtig. Meine Eltern drehen gerade total durch. Dad.«

Beim Gedanken an Richard Holt kam Ekel in Mason auf. »Lass mich raten, er willigt nicht in die Scheidung ein.«

»Genau! Und jetzt ist Mum verdammt sauer.«

Sie wurden von Randy und Olivia unterbrochen, die völlig außer Atem ankamen.

»Ihr werdet nicht glauben, was gerade passiert ist.« Masons bester Freund stützte japsend die Hände auf die Oberschenkel.

»Wir haben eine Leiche gefunden!«, nahm Olivia die Antwort vorweg.

 

*

 

Im alten Leuchtturm

 

Sie saßen gemeinsam in ihrem neuen Hauptquartier, dem alten Leuchtturm von Barrington Cove. Nachdem der Geheime Raum im Tarnowski-Haus wieder von Billy annektiert worden war und Sonja mit der Redaktion der Freie Stimme die Räume am Pinehearst bezogen hatte, durften sie einstweilen hierbleiben.

»… kam der Sheriff und hat alles abgesperrt«, berichtete Olivia. »Er hat auch Sonjas Kamera beschlagnahmt.«