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Wenn ein Westerwälder Opa in Mundart das moderne Leben kommentiert, können heitere Momente entstehen. In diesem Buch erinnert sich der Journalist Thorsten Ferdinand aus Untershausen erneut an das Zusammenleben mit seinem Opa Gottfried. Für den dritten und letzten Band der Reihe "Wäller Weisheiten" hat er wiederum 50 Anekdoten und Kurzgeschichten zusammengetragen.
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Seitenzahl: 63
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Im Durcheinander der Verspätungen
Das Lob steckt zwischen den Zeilen
Die Grenzen der Mülltrennung
Die Hose aus dem Outletcenter
Gurgeln für den Zahnerhalt
Keine Chance auf Zerstörung Karthagos
Ein Mittagessen auf dem Dach
Süßigkeiten für die nächste Woche
Am Computer Munition gespart
Wenn Boxen für Ruhe sorgt
Autofahrten ohne bekannte Defizite
Auf dem Heiratsmarkt stets begehrt
Wenn Kranke zu empfindlich sind
Jeder Tropfen Bier ist kostbar
Bei Hektik schrillen die Alarmglocken
Die coolen Jungs sitzen hinten
Der alte Mann und das Klo
Bei Opa mussten Frauen stark sein
Ferngespräche für Vermögende
Vokabeln ohne Dudenbezug
Ausrangierte Mode für den Garten
Eine Ehe ohne Geschenke
Ein Rindvieh aus Schall und Rauch
Ein Hobbyrichter am Frühstückstisch
Ein Leben lang Selbstversorger
Ein Invalid ohne Versicherungsschutz
Ein Ring Fleischwurst für den Lehrer
Drecksäcke ohne Zinsbindung
Vertrocknetes Brot für eine Vogelscheuche
Pfeifend bei der Arbeit
Die Freude der Kevag über das Weihnachtshaus
Zweifelhafte Züchtigung
Die Heiden aus dem blauen Land
Verzicht und Minimalismus als Trends
Nur das Nötigste geschwätzt
Der Bürgermeister als Respektsperson
Im festen Glauben an die Post
Nach dem Erbfall nicht zerstritten
Dem Nachwuchs eigene Namen verpasst
Lästiges Problem in Endlosschleife
Der Wert des eigenen Autos
Wenn aus Wäller Platt Englisch wird
White Christmas sorgt für seltenes Lob
Neugierige Blicke auf den sauberen Rasen
Aus der Nachtschicht aufs Boot
Beichtgeheimnis schlägt Schweigepflicht
Dem Scheiterhaufen nur knapp entkommen
Ein Opa, die Alexa und das Gendern
Geschenke gibt es nur für Arme
Holzvorräte für entbehrungsreiche Zeiten
In den zwei Jahren seit der Veröffentlichung meines bislang letzten Opa-Buchs bin ich immer wieder einmal gefragt worden, ob es noch einen weiteren Band geben wird. Da ich nie damit aufgehört habe, mir Notizen zu machen, wenn ich mich im Alltag an Opas Sprüche erinnerte, kann ich nun tatsächlich ein drittes Buch vorlegen, das die kleine Reihe "Wäller Weisheiten" abrunden wird. Für besonders treue Opa-Fans wird es überdies zu seinem 100. Geburtstag einen Sammelband mit dem Titel "100 Jahre Opa - 100 Geschichten" geben, der die besten Anekdoten aus drei Büchern und ein Wörterbuch zum Nachschlagen der wichtigsten Mundart-Begriffe enthält.
Es ist zwar niemals alles erzählt, drei Jahre nach Opas Tod fangen die Erinnerungen jedoch allmählich an zu verblassen. Die Bücher sind deshalb auch eine sehr persönliche Erinnerungsstütze für mich selbst, und ich hoffe natürlich, dass auch wieder viele Leser ihre Freude daran haben. Es sei an dieser Stelle noch kurz darauf hingewiesen, dass auch dieser Band wieder einige Episoden enthält, die rüde oder auch unhöflich wirken mögen. Es war mir jedoch erneut ein Anliegen, Opas Eigenheiten nicht aufzupolieren oder zu verfälschen. Für viele (vor allem männliche) Vertreter seiner Generation galt bekanntlich: harte Schale, weicher Kern! Und diesen weichen Kern vermochte Opa oftmals zu verbergen. Wer jedoch lange genug mit einem derart "knurzige Kerl" zusammenlebte und ihn entsprechend gut kannte, konnte die Kommentare richtig einordnen. Opa war zeitlebens ein sehr aufrichtiger und ehrlicher Mensch, mit dem man gut auskommen konnte, so lange man keine Komplimente erwartete und "net empfindlisch wohr". So jedenfalls möchte ich ihn in Erinnerung behalten.
Pünktlichkeit ist eine Tugend! So lautet eine bekannte Redensart, der nach meiner Erfahrung vor allem Menschen aus deutschsprachigen Ländern zustimmen. Groß ist hierzulande die Aufregung, wenn ein Bus erst um 8.15 Uhr in die Haltestelle einfährt, obwohl auf dem Plan 8.13 Uhr angegeben war. Groß war auch meine Verwunderung, als ich bei meinem ersten Urlaub im Ausland lernen musste, dass Busfahrpläne dort offenbar nur einen groben Orientierungsrahmen darstellen.
Auch mein Opa war in dieser Beziehung typisch deutsch und kam nie zu spät - "zu früh" gab es in seiner Welt nicht. Wer deutlich früher als vereinbart zu einem Termin erschien, war laut Opa "zeidisch", was aber keinesfalls als Kritik zu verstehen war. Bei Opa durfte man gerne eine halbe Stunde zu früh kommen, aber keine Minute zu spät. Besonders als Kind empfand ich diese Überpünktlichkeit als lästig. Als ich nach der Erstkommunion Messdiener wurde, waren es meistens meine Großeltern, die mich von Untershausen mit zur Kirche nach Holler nahmen. Für mich hätte es damals locker ausgereicht, eine Viertelstunde vor Gottesdienstbeginn loszufahren. Schließlich war man in nicht einmal 5 Minuten vor Ort. Für meine Großeltern kam das jedoch nicht infrage. Spätestens eine halbe Stunde vor Gottesdienstbeginn war Abfahrt. In Holler lauschte man dann noch eine gefühlte Ewigkeit dem Husten und Räuspern der anderen Gottesdienstbesucher, bevor es endlich losging. Diskussionen waren dennoch zwecklos, denn wenn sein Zeitplan nicht eingehalten wurde, war laut Opa "däh ganse Daach durschenanner" - und Durcheinander war für ihn noch schlimmer als Unpünktlichkeit.
Obwohl ich selbst Westerwälder bin und den Großteil meines bisherigen Lebens im Westerwald verbracht habe, tue ich mich gelegentlich schwer damit, Lob und Kritik meiner älteren Mitmenschen zu unterscheiden. Man muss die Eigenheiten der Mundart und der Wäller Kultur schon recht gut kennen, um zu verstehen, dass Schweigen mitunter bereits ein Kompliment ist. Der Spruch "Wenn eisch naut soohn, hott et geschmeckt" meines Opas wird noch heute in meiner Familie regelmäßig zitiert, wenn meine Mutter nachfragt, ob uns die Mahlzeit gemundet hat. Diese Eigenheit hatte Opa allerdings nicht exklusiv. Erst kürzlich berichtete mir eine Arbeitskollegin von einem ebenfalls über 90-jährigen Senior, der die Frage "Hat es geschmeckt?" in einem Restaurant mit dem Satz "Mah hott schon schleechter gäße" beantwortete.
Wohl wissend, dass das Ausbleiben von Kritik bei Opa schon mit Lob gleichzusetzen war, konnte ich auch seine Anmerkungen zu meiner Arbeit im Laufe der Zeit besser einordnen. Meine Ankündigung, dass ich demnächst einige Wochen Urlaub habe und deshalb keine Texte von mir in der Tageszeitung zu lesen sein werden, entlockte Menschen von seinem Kaliber allenfalls ein verstecktes Kompliment wie "Da stieht joh hoddisch noch mieh Mest in der Zäidung". Ein noch deutlicheres Lob wäre "unnuhtwinnisch" gewesen. Opa wollte schließlich nicht, dass sein Enkel "noch iwwerschnappt".
Einem Ausländer die Mülltrennung in Deutschland zu erklären, gehört zweifelsohne zu den größten kulturellen Herausforderungen unserer Zeit. Bei Papier und Glas ist es noch vergleichsweise einfach. Wenn es jedoch um die Frage "Gelber Sack" oder "Restmüll" geht, komme ich selbst als Einheimischer oft an meine Grenzen. Mein Lieblingsbeispiel ist das halb gefüllte Nutella-Glas, für dessen Entsorgung ich sogar drei Möglichkeiten benennen und allesamt begründen könnte.
Auch für meinen Opa war die Mülltrennung zeitlebens ein bewegendes Thema. Dabei war er stets darauf bedacht, die offiziellen Regeln penibel einzuhalten und seine Enkel entsprechend anzuweisen. Wenn es jedoch gar keine legale Entsorgungsmöglichkeit über die heimischen Mülltonnen gab, hörte auch für ihn der Spaß auf. Für die Beseitigung alter Asbestplatten noch einmal Gebühren zu bezahlen oder eine defekte Kaffeemaschine gar selbst auf die Müllkippe nach Meudt zu bringen, kam aus Kostengründen nämlich nicht infrage. Für die Entsorgung hatte Opa seiner Meinung nach schließlich schon "bezohlt"! In solchen Fällen wurde er erfinderisch. Legendär ist seine Beseitigung eines kompletten Fotokopiergeräts über die heimische Restmülltonne: Das große Elektrogerät aus dem Firmenbestand meines Vaters zerlegte er geduldig mit einem "Bejlsche" in winzige Einzelteile, damit es nicht mehr als Elektroschrott zu identifizieren war. "Isch honn Zeit", meinte er bei kritischen Rückfragen gelassen. Anschließend füllte der alte Fotokopierer mehrere Monate lange einen erheblichen Teil unserer "schwarzen Tonne" als undefinierbares Pulver. Wer weiß, was auf ähnlichen Wegen schon alles auf den heimischen Müllkippen gelandet ist?