Ein paar letzte Wäller Weisheiten - Thorsten Ferdinand - E-Book

Ein paar letzte Wäller Weisheiten E-Book

Thorsten Ferdinand

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Beschreibung

Wenn ein Westerwälder Opa in Mundart das moderne Leben kommentiert, können heitere Momente entstehen. In diesem Buch erinnert sich der Journalist Thorsten Ferdinand aus Untershausen erneut an das Zusammenleben mit seinem Opa Gottfried. Für den dritten und letzten Band der Reihe "Wäller Weisheiten" hat er wiederum 50 Anekdoten und Kurzgeschichten zusammengetragen.

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Inhaltsverzeichnis

Im Durcheinander der Verspätungen

Das Lob steckt zwischen den Zeilen

Die Grenzen der Mülltrennung

Die Hose aus dem Outletcenter

Gurgeln für den Zahnerhalt

Keine Chance auf Zerstörung Karthagos

Ein Mittagessen auf dem Dach

Süßigkeiten für die nächste Woche

Am Computer Munition gespart

Wenn Boxen für Ruhe sorgt

Autofahrten ohne bekannte Defizite

Auf dem Heiratsmarkt stets begehrt

Wenn Kranke zu empfindlich sind

Jeder Tropfen Bier ist kostbar

Bei Hektik schrillen die Alarmglocken

Die coolen Jungs sitzen hinten

Der alte Mann und das Klo

Bei Opa mussten Frauen stark sein

Ferngespräche für Vermögende

Vokabeln ohne Dudenbezug

Ausrangierte Mode für den Garten

Eine Ehe ohne Geschenke

Ein Rindvieh aus Schall und Rauch

Ein Hobbyrichter am Frühstückstisch

Ein Leben lang Selbstversorger

Ein Invalid ohne Versicherungsschutz

Ein Ring Fleischwurst für den Lehrer

Drecksäcke ohne Zinsbindung

Vertrocknetes Brot für eine Vogelscheuche

Pfeifend bei der Arbeit

Die Freude der Kevag über das Weihnachtshaus

Zweifelhafte Züchtigung

Die Heiden aus dem blauen Land

Verzicht und Minimalismus als Trends

Nur das Nötigste geschwätzt

Der Bürgermeister als Respektsperson

Im festen Glauben an die Post

Nach dem Erbfall nicht zerstritten

Dem Nachwuchs eigene Namen verpasst

Lästiges Problem in Endlosschleife

Der Wert des eigenen Autos

Wenn aus Wäller Platt Englisch wird

White Christmas sorgt für seltenes Lob

Neugierige Blicke auf den sauberen Rasen

Aus der Nachtschicht aufs Boot

Beichtgeheimnis schlägt Schweigepflicht

Dem Scheiterhaufen nur knapp entkommen

Ein Opa, die Alexa und das Gendern

Geschenke gibt es nur für Arme

Holzvorräte für entbehrungsreiche Zeiten

Vorwort

In den zwei Jahren seit der Veröffentlichung meines bislang letzten Opa-Buchs bin ich immer wieder einmal gefragt worden, ob es noch einen weiteren Band geben wird. Da ich nie damit aufgehört habe, mir Notizen zu machen, wenn ich mich im Alltag an Opas Sprüche erinnerte, kann ich nun tatsächlich ein drittes Buch vorlegen, das die kleine Reihe "Wäller Weisheiten" abrunden wird. Für besonders treue Opa-Fans wird es überdies zu seinem 100. Geburtstag einen Sammelband mit dem Titel "100 Jahre Opa - 100 Geschichten" geben, der die besten Anekdoten aus drei Büchern und ein Wörterbuch zum Nachschlagen der wichtigsten Mundart-Begriffe enthält.

Es ist zwar niemals alles erzählt, drei Jahre nach Opas Tod fangen die Erinnerungen jedoch allmählich an zu verblassen. Die Bücher sind deshalb auch eine sehr persönliche Erinnerungsstütze für mich selbst, und ich hoffe natürlich, dass auch wieder viele Leser ihre Freude daran haben. Es sei an dieser Stelle noch kurz darauf hingewiesen, dass auch dieser Band wieder einige Episoden enthält, die rüde oder auch unhöflich wirken mögen. Es war mir jedoch erneut ein Anliegen, Opas Eigenheiten nicht aufzupolieren oder zu verfälschen. Für viele (vor allem männliche) Vertreter seiner Generation galt bekanntlich: harte Schale, weicher Kern! Und diesen weichen Kern vermochte Opa oftmals zu verbergen. Wer jedoch lange genug mit einem derart "knurzige Kerl" zusammenlebte und ihn entsprechend gut kannte, konnte die Kommentare richtig einordnen. Opa war zeitlebens ein sehr aufrichtiger und ehrlicher Mensch, mit dem man gut auskommen konnte, so lange man keine Komplimente erwartete und "net empfindlisch wohr". So jedenfalls möchte ich ihn in Erinnerung behalten.

Im Durcheinander der Verspätungen

Pünktlichkeit ist eine Tugend! So lautet eine bekannte Redensart, der nach meiner Erfahrung vor allem Menschen aus deutschsprachigen Ländern zustimmen. Groß ist hierzulande die Aufregung, wenn ein Bus erst um 8.15 Uhr in die Haltestelle einfährt, obwohl auf dem Plan 8.13 Uhr angegeben war. Groß war auch meine Verwunderung, als ich bei meinem ersten Urlaub im Ausland lernen musste, dass Busfahrpläne dort offenbar nur einen groben Orientierungsrahmen darstellen.

Auch mein Opa war in dieser Beziehung typisch deutsch und kam nie zu spät - "zu früh" gab es in seiner Welt nicht. Wer deutlich früher als vereinbart zu einem Termin erschien, war laut Opa "zeidisch", was aber keinesfalls als Kritik zu verstehen war. Bei Opa durfte man gerne eine halbe Stunde zu früh kommen, aber keine Minute zu spät. Besonders als Kind empfand ich diese Überpünktlichkeit als lästig. Als ich nach der Erstkommunion Messdiener wurde, waren es meistens meine Großeltern, die mich von Untershausen mit zur Kirche nach Holler nahmen. Für mich hätte es damals locker ausgereicht, eine Viertelstunde vor Gottesdienstbeginn loszufahren. Schließlich war man in nicht einmal 5 Minuten vor Ort. Für meine Großeltern kam das jedoch nicht infrage. Spätestens eine halbe Stunde vor Gottesdienstbeginn war Abfahrt. In Holler lauschte man dann noch eine gefühlte Ewigkeit dem Husten und Räuspern der anderen Gottesdienstbesucher, bevor es endlich losging. Diskussionen waren dennoch zwecklos, denn wenn sein Zeitplan nicht eingehalten wurde, war laut Opa "däh ganse Daach durschenanner" - und Durcheinander war für ihn noch schlimmer als Unpünktlichkeit.

Das Lob steckt zwischen den Zeilen

Obwohl ich selbst Westerwälder bin und den Großteil meines bisherigen Lebens im Westerwald verbracht habe, tue ich mich gelegentlich schwer damit, Lob und Kritik meiner älteren Mitmenschen zu unterscheiden. Man muss die Eigenheiten der Mundart und der Wäller Kultur schon recht gut kennen, um zu verstehen, dass Schweigen mitunter bereits ein Kompliment ist. Der Spruch "Wenn eisch naut soohn, hott et geschmeckt" meines Opas wird noch heute in meiner Familie regelmäßig zitiert, wenn meine Mutter nachfragt, ob uns die Mahlzeit gemundet hat. Diese Eigenheit hatte Opa allerdings nicht exklusiv. Erst kürzlich berichtete mir eine Arbeitskollegin von einem ebenfalls über 90-jährigen Senior, der die Frage "Hat es geschmeckt?" in einem Restaurant mit dem Satz "Mah hott schon schleechter gäße" beantwortete.

Wohl wissend, dass das Ausbleiben von Kritik bei Opa schon mit Lob gleichzusetzen war, konnte ich auch seine Anmerkungen zu meiner Arbeit im Laufe der Zeit besser einordnen. Meine Ankündigung, dass ich demnächst einige Wochen Urlaub habe und deshalb keine Texte von mir in der Tageszeitung zu lesen sein werden, entlockte Menschen von seinem Kaliber allenfalls ein verstecktes Kompliment wie "Da stieht joh hoddisch noch mieh Mest in der Zäidung". Ein noch deutlicheres Lob wäre "unnuhtwinnisch" gewesen. Opa wollte schließlich nicht, dass sein Enkel "noch iwwerschnappt".

Die Grenzen der Mülltrennung

Einem Ausländer die Mülltrennung in Deutschland zu erklären, gehört zweifelsohne zu den größten kulturellen Herausforderungen unserer Zeit. Bei Papier und Glas ist es noch vergleichsweise einfach. Wenn es jedoch um die Frage "Gelber Sack" oder "Restmüll" geht, komme ich selbst als Einheimischer oft an meine Grenzen. Mein Lieblingsbeispiel ist das halb gefüllte Nutella-Glas, für dessen Entsorgung ich sogar drei Möglichkeiten benennen und allesamt begründen könnte.

Auch für meinen Opa war die Mülltrennung zeitlebens ein bewegendes Thema. Dabei war er stets darauf bedacht, die offiziellen Regeln penibel einzuhalten und seine Enkel entsprechend anzuweisen. Wenn es jedoch gar keine legale Entsorgungsmöglichkeit über die heimischen Mülltonnen gab, hörte auch für ihn der Spaß auf. Für die Beseitigung alter Asbestplatten noch einmal Gebühren zu bezahlen oder eine defekte Kaffeemaschine gar selbst auf die Müllkippe nach Meudt zu bringen, kam aus Kostengründen nämlich nicht infrage. Für die Entsorgung hatte Opa seiner Meinung nach schließlich schon "bezohlt"! In solchen Fällen wurde er erfinderisch. Legendär ist seine Beseitigung eines kompletten Fotokopiergeräts über die heimische Restmülltonne: Das große Elektrogerät aus dem Firmenbestand meines Vaters zerlegte er geduldig mit einem "Bejlsche" in winzige Einzelteile, damit es nicht mehr als Elektroschrott zu identifizieren war. "Isch honn Zeit", meinte er bei kritischen Rückfragen gelassen. Anschließend füllte der alte Fotokopierer mehrere Monate lange einen erheblichen Teil unserer "schwarzen Tonne" als undefinierbares Pulver. Wer weiß, was auf ähnlichen Wegen schon alles auf den heimischen Müllkippen gelandet ist?

Die Hose aus dem Outletcenter