Ein Seemann erzählt von seiner Seefahrt in zwei deutschen Staaten - Herausgeber: Jürgen Ruszkowski - Knut Freiwald - E-Book

Ein Seemann erzählt von seiner Seefahrt in zwei deutschen Staaten - Herausgeber: Jürgen Ruszkowski E-Book

Knut Freiwald

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Beschreibung

"Junge was willst du einmal werden?" wurde er als Schuljunge gefragt. Der 1950 in der Lausitz geborenen Autor wuchs in der gerade gegründeten DDR auf. Sein Wunsch war es von Kindheit an, mal Matrose und später Kapitän zu werden. Von diesem ersten sozialistischen Staat auf deutschen Boden wurde sein Leben geprägt. Deshalb war es für ihn selbstverständlich, Mitglied in den sozialistischen Jugendorganisationen "Junge Pioniere" und "Freie Deutsche Jugend" (FDJ) zu sein. Nach Abschluss der 10. Schulklasse begann er eine Matrosen-Lehre bei der volkseigenen Deutschen See-Reederei in Rostock auf dem Ausbildungschiff "THEODOR KÖRNER". Als Vollmatrose fuhr er unter anderem auf dem Massengutfrachter "THALE" und dem Motortanker "ZEITZ". Anschließend erwarb er das Abitur und studierte an der Ingenieur-Hochschule für Seefahrt Warnemünde / Wustrow Nautik. Als vierter Nautischer Offizier begann er auf dem MS "ZWICKAU" seine Offizierslaufbahn. Da er sich den Werbungen der "Firma Horch und Guck" verschloss, blieb ihn trotzt fachlich guter Leistungen und SED-Parteizugehörigkeit die Beförderung zum Kapitän verwehrt. Dann überraschte ihn der Zusammenbruch der DDR. Nach der Wende bewarb er sich bei einer Hamburger Reederei und wurde als Nautiker auf einem Containerschiff eingesetzt. Trotz erheblicher Anfangsschwierigkeiten arbeitete er sich in die für ihn völlig neuen Arbeitsbedingungen ein und machte Karriere. Erst hier in der Bundesrepublik konnte er endlich seinen Kindheitstraum verwirklichen und Kapitän eines Schiffes werden. - Rezension zur maritimen gelben Reihe: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint.

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Knut Freiwald

Ein Seemann erzählt von seiner Seefahrt in zwei deutschen Staaten - Herausgeber: Jürgen Ruszkowski

Band 131e in der maritimen gelben Buchreihe

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Hamburg, 2020 Jürgen Ruszkowski

Vorwort des Autors

Krönung meiner Seefahrtzeit – 2005 – Kapitän MS „CIMBRA“

Herkunft, Kindheit, Jugend

Matrosenlehrling bei der DSR - Fracht- und Lehrschiff „THEODOR KÖRNER”

Das zweite Lehrjahr auf MS „FRITZ REUTER“

Vollmatrose auf Massengutfrachter „THALE“

Motortanker „ZEITZ“

Abiturlehrgang in Königswusterhausen

Studium an der Ingenieurhochschule in Wustrow

Fortsetzung des Studiums in Warnemünde

Bemerkungen

Eine Charter-Reise Rostock – Bahia Blanca – Oslo mit dem MS „FREILIGRATH“

Grundwehrdienst

Vierter Nautischer Offizier auf MS „ZWICKAU“

MS „ZWICKAU“ Werftzeit 1979 in Varna in Bulgarien

Unfälle auf See

Arbeit in der Inspektion, Reserveoffizierslehrgang, Probleme bei der Rückkehr an Bord

Fahrten im Eis mit MS „SENFTENBERG“

Durchsetzung von Ordnung und Sicherheit auf DDR Schiffen

Gewährleistung der Gangway Wache.

Nachwort dazu:

Die Wende – Ende der DDR

Probleme nach der Wende

Wasserschutzpolizei Mecklenburg-Vorpommern

Wieder Seemann

Erster Offizier, Vertreter des Kapitäns

Unfall

Grundberührung im Suezkanal

1. Offizier auf dem Containerschiff „FRANCONIA“

Im Taifun

Mit MS „CAPE MORETON“ von Singapur-Port Moresby-Lae nach Brisbane in Australien

Kapitän

Eine Charter nach West-Afrika

Landjob in der Crewing Abteilung

Ruhestand – Reflektion

Nachwort

Die maritime gelbe Buchreihe

Weitere Informationen

Band 131e in der gelben Buchreihe

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers

Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.

Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den See­leuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzu­tragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leserreaktio­nen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.

Inzwischen habe ich gut 130 Buchbände gestaltet, überwiegend mit maritimem Hintergrund.

Hamburg, 2020 Jürgen Ruszkowski

Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

* * *

Vorwort des Autors

Vorwort des Autors

Das ist eine der größten Fragen die den Kindern oft gestellt werden, und zugleich eine der schwersten Bürde in jungen Jahren eine Antwort zu geben.

Viele haben keine Antwort auf diese Frage, aber einige wissen schon sehr früh und genau was sie einmal werden wollen. Erstaunlich dabei, dass gerade diese Kinder auch das werden, egal nun ob Polizist, Arzt, Schauspieler oder Sänger. Sie verfolgen diese Ziele beharrlich. Beispiele gibt es viele. Die Erzählung basiert auf der Autobiographie des Verfassers. Seit frühester Kindheit war es sein Wunsch gewesen, Matrose und später Kapitän zu werden. Geboren am 17. März 1950, in der Lausitz dem heutigen Land Brandenburg, ist sein Lebensweg verbunden mit dem gerade gegründeten Arbeiter- und Bauernstaat, der DDR, auf dem Territorium der 1945 geschaffenen sowjetischen Besatzungszone. Von diesem ersten sozialistischen Staat auf deutschen Boden wurde sein Leben geprägt und beeinflusst durch Kindergarten, Schule, Lehrzeit und im späteren Studium. Mit aller Offenheit werden Probleme, Verstrickungen und Rückschläge, die es auf diesem langen Weg gab, dargelegt. Es wird geschildert, wie er in der DDR Seemann geworden ist, wie er als Seemann in diesem Staat gelebt hat, mit welchen Problemen und Einflüssen er konfrontiert wurde. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung, sowohl mit der damaligen Gesellschaft und Politik der DDR als auch nach dem gesellschaftlichen Umbruch mit der heutigen Gesellschaft und Politik der Bundesrepublik Deutschland. Dies dabei immer aus seiner Sicht der Dinge. Sicher wird jeder dazu seine eigene, in vielen Fällen wahrscheinlich eine andere persönliche Meinung haben. Als DDR-Bürger wurde man entweder in diesem Staat geboren, so wie ich, lebte in der damaligen sowjetischen Besatzungszone oder fand sich als sogenannter Übersiedler in diesem Teil Deutschlands nach dem II. Weltkrieg wieder. Jeder musste sich mehr oder weniger mit diesem Staat arrangieren, insbesondere dann, wenn er in diesem Staat eine berufliche Karriere anstrebte. Eigentlich unterscheidet sich das Leben, ob nun in Ost oder West nicht, es wurde, wie woanders auch, gelebt, geliebt und gefeiert. Es gab zufriedene und unzufriedene Menschen bezüglich Staat, Politik und Lebensweise genau wie heute und in jedem anderen Staat der Welt. Es wird immer gesagt, die Rostocker Seeleute gehörten einer privilegierten Schicht an. Privilegiert nur insofern, weil sie ein Seefahrtsbuch besaßen mit dem sie die Seegrenze der Mecklenburger Küste per Schiff überschreiten durften. Die Auswahl für diesen exponierten Arbeitsplatz wurde von Seiten des Staates streng geregelt. Dieses Auswahlverfahren mussten vermutlich auch zukünftige Mitarbeiter von Botschaften oder Konsulaten als auch Mitarbeiter von Kombinaten und Betrieben, welche für einen Auslandeinsatz vorgesehen waren, über sich ergehen lassen. Mit der Bewerbung bei der Deutschen Seereederei, ob nun als Koch, Stewardess, Elektriker oder Matrose, wurde automatisch ein Verfahren in Gang gesetzt, auf das der Bewerber absolut keinen Einfluss besaß. Es handelte sich um die Prozedur, ein Seefahrtsbuch zu beantragen einschließlich des dazu gehörigen Sichtvermerkes. Er selbst konnte weder Einfluss auf diesen Vorgang nehmen, noch hatte er bei einer Ablehnung irgendein Einspruchsrecht oder bekam Gründe für einen abschlägigen Bescheid genannt.

Das Leben eines Seemannes nach der Wende, sofern er sein Berufsleben bei der Seefahrt fortsetzte, ist von Interesse, um nun das Leben eines Seemannes unter bundesdeutschen Bedingungen kennen zu lernen. Wie jeder Bürger der ehemaligen DDR musste auch ein Seemann sich von heute auf morgen mit einem völlig anderen Staat kapitalistischer Prägung und mit einer auf maximalen Gewinn ausgerichteten Seefahrt auseinandersetzen. Der Verfasser kann natürlich nur seine Seite darstellen. Alle in der Erzählung aufgeführten Örtlichkeiten existieren tatsächlich. Werden Namen genannt, handelt es sich um Persönlichkeiten aus dem Bereich der Seefahrt in der DDR oder um Namen der Schiffe, auf denen er unter der DDR-Flagge oder später unter der bundesdeutschen Flagge Dienst tat. Nur die Namen von Freunden und Beteiligten sind frei erfunden. Ein Stück Zeitgeschichte gelebt in zwei deutschen Staaten.

* * *

Krönung meiner Seefahrtzeit – 2005 – Kapitän MS „CIMBRA“

Krönung meiner Seefahrtzeit – 2005 – Kapitän MS „CIMBRA“

Eigentlich ist es schon verwunderlich, wenn ich auf meine lange Fahrzeit als Seemann zurück schaue, dass mir als Höhepunkt meiner Laufbahn die Reise mit dem MS „CIMBRA“ im Jahr 2005 einfällt. Deshalb möchte ich meine Geschichte mit dieser Reise beginnen.

Es war ein schöner Wintertag im Januar 2005, soeben hatten wir den Lotsen von Rotterdam abgegeben. Mein Blick geht aus dem Brückenfenster hinaus, das Meer ist nur leicht bewegt, die Wellen haben kleine Schaumkronen und vor allem: die Sicht ist gut. Die Nordsee kann um diese Jahreszeit ja wesentlich ungemütlicher sein. Wir fahren auf dem vorgeschriebenen Weg des Verkehrstrennungsgebietes Ansteuerung Rotterdam auslaufend. Es herrscht dort der übliche dichte Verkehr, aber alles ohne Probleme. Das MS „CIMBIA“ ist ein Vollcontainerschiff gebaut im Jahre 2002 und kann 2.824 Container transportieren. Übernommen habe ich das Kommando in Khor Fakkan. Es war die Krönung meiner bisherigen seemännischen Laufbahn als Kapitän, dass man mir dieses fast neue Schiff anvertraute. Von Khor Fakkan ging es dann nach Dubai, Muhammad Bin Qasim, Tuticorin, Colombo, Damieta, Antwerpen, Felixstow, Rotterdam und nun nach Hamburg, dem Endpunkt der Rundreise.

Dieser Anlauf Hamburg war für mich etwas Besonderes, seit 1966 fuhr ich zur See, und schon oft war ich in Hamburg, ob als Matrose, Dritter, Zweiter oder Erster Offizier, dies aber sollte mein erster Anlauf sein als Kapitän eines Schiffes.

Inzwischen haben wir Amsterdam / Ilmjiuden an Steuerbordseite passiert und ordnen uns in das Verkehrstrennungsgebiet vor Texel ein. Der Schiffsverkehr im Verkehrstrennungsgebiet vor Texel erfordert nun wieder meine Aufmerksamkeit. Das MS „CIMBRIA“ fährt unter Liberia Flagge. Die Besatzung besteht aus mehreren Nationen. Ich habe mal das Glück einen deutschen Chief Ingenieur mit an Bord zu haben. Ansonsten bin ich in der Regel der einzige Deutsche an Bord. Die Mannschaft besteht aus philippinischen Seeleuten. Die Offiziere und Ingenieure kommen aus Bulgarien. Im Laufe der Jahre habe ich mir angewöhnt in schwierigen Fahrtgebieten / Gewässer auf der Brücke zu sein. Der wachhabende Offizier fährt eigenverantwortlich, und ich halte mich im Hintergrund. Dies ist kein Misstrauen, aber so bin ich gleich standby, sollte es Probleme geben. Der Englische Kanal und die Nordsee sind ein sehr anspruchsvolles und kompliziertes Fahrgebiet, wo es schnell passieren kann, dass der verantwortliche Wachoffizier an seine Grenzen kommt. Für mich war es früher auch jedes Mal beruhigend zu wissen, dass mein Kapitän auf der Brücke war. So konnte er auf Grund seiner Erfahrung bei heiklen Situationen eingreifen beziehungsweise das Kommando übernehmen. Aber auf meine bulgarischen Offiziere an Bord konnte ich mich voll verlassen. Sie hatten eine sehr gute Ausbildung durchlaufen ähnlich wie wir in der damaligen DDR.

Vollmatrose, mein Blick geht zum Ruderbock, dort steht ein Matrose, da wir Handruder gehen müssen. Heute AB (Able Seaman) genannt, Inhaber des Zertifikats „Rating Deck“ ein philippinischer Seemann.

Schon ungewöhnlich für ein so relativ neues Schiff, aber unser Kreiselkompass hatte kurz vor Rotterdam den Geist aufgegeben. Den alten Kreiselkompass (noch mit Kreiselkugel) hat jedenfalls jeder E- Ingenieur wieder zum Laufen gebracht. Aber hier war ein Kreiselkompass der neusten Generation (ohne Kreiselkugel) installiert worden. Trotz Anstrengungen unseres E-Ingenieurs in Rotterdam und Assistenz eines Services war es nicht gelungen, den Kreiselkompass zu reparieren. Es fehlte ein bestimmtes Ersatzteil, das auch nicht auf die Schnelle in Rotterdam zu besorgen war. Das Ersatzteil sollte nun in Hamburg kommen. Warten in Rotterdam war keine Option, Zeit ist Geld, und wir hatten einen straffen Fahrplan. Die Entscheidung ohne funktionstüchtigen Kreiselkompass weiter zu fahren brachte ein paar Probleme mit sich, stetige Umrechnung der Kurse in den Magnetkompasskurs, die Wachoffiziere entsprechend Briefen und jeweils den Lotsen informieren. Der Magnetkompass steht üblicherweise auf dem Peildeck, die Anzeige wird mittels Spiegel, die sich in einem Rohr befinden, zum Ruderstand reflektiert. Das Steuern nach Magnetkompass gestaltet sich schwierig, da die Anzeige ständig in Bewegung ist. Für den Matrosen war es sehr anstrengend, er musste stets seinen Blick nach oben zur Anzeige richten. Deshalb hatte ich angeordnet, dass die Wachen mit zwei Matrosen besetzt wurden, so dass sie sich halbstündlich ablösen konnten und der Ausguck immer besetzt war. Wir hatten Glück, dass das Wetter gut war. Bei Sturm mit dem Rollen und Stampfen des Schiffes wäre es sehr schwierig geworden das Schiff auf Kurs zu halten.

Dabei haben wir nun mit dem von Nord Hinder kommenden Verkehr zu kämpfen, welche auch den kürzeren Küstenweg nach Bremen oder Hamburg fahren wollen. Nächster markanter Punkt wird die Leuchttonne Texel sein. Wir können auf Seeumdrehungen gehen, bei dieser Wetterlage habe ich mich entschieden den Küstenweg, das heißt die Route Texel, Terschelling, Borkum Richtung Elbe 1 zu nehmen. Für schweres Wetter hatte ich den vorgeschriebenen Tiefwasserweg Nord Hinder – Deutsche Bucht – Elbe 1 vorbereiten lassen. In dem relativ flachen Wasser in Küstennähe kann es sehr gefährlich werden, da sich dort bei Sturm starke Grundseen bilden. Der Anlauf Hamburg ist für mich deshalb etwas Besonderes, da es ein langer Weg war, bis ich das Kommando eines Schiffes übernehmen durfte.

Früher lag hier das Feuerschiff Texel, gefolgt dann von den Feuerschiffen Terschelling, Borkum, Weser und Elbe 1. Diese waren wichtige Seezeichen in der damaligen Zeit. Während meiner Lehrlingszeit sind wir mit dem MS „FRITZ REUTER“ einem Kühlschiff, diesen Weg zweimal im Monat gefahren, als wir Linie Rostock – Conakry – Rostock fuhren, um von dort Bananen zu holen. Ich werde nie vergessen, wie wir insbesondere bei schlechter Sicht angehalten wurden nach diesen Seezeichen Ausschau zu halten. Radargeräte als Hilfe für die Navigation waren gerade erst im Kommen. Eine große Hilfe war es dann später, als die Feuerschiffe mit Radarreflektoren ausgerüstet wurden.

Langsam haben wir uns mit der „CIMBRIA“ frei gefahren. Dieses Fahrgebiet ist immer wieder eine Herausforderung durch sein starkes Verkehrsaufkommen.

Zwischenzeitlich muss ich meine Aufmerksamkeit dem Schiffsverkehr widmen. Das Schiff ist gerade bei einem Überholvorgang. Dies ist teilweise schwierig, da der dafür notwendige Platz auf diesen vorgeschriebenen Zwangswegen des Verkehrstrennungsgebietes, doch recht beschränkt ist und die Wassertiefen neben dem Zwangsweg bei einem entsprechenden Tiefgang einem gefährlich werden könnte, ähnlich dem Überholvorgang von zwei LKW auf der Autobahn. Da die Geschwindigkeiten teilweise fast gleich sind, dauert der Überholvorgang eine gefühlte Ewigkeit. Das erinnert mich an meine erste Reise als Dritter Offizier auf einem Kühlschiff. Dieses hatte eine Dienstgeschwindigkeit von 20-22 Knoten, das war schon eine Umstellung. Zumal ich gerade von einem Massengutschiff kam, welches gemütlich mit 11-13 Knoten daher fuhr. Nun hieß es dicht heranfahren, kurz ausscheren, überholen und schnellstens wieder einordnen, ansonsten landete man weit ab von seiner Kurslinie. Vor allem große, harte Ruderlagen vermeiden, da das Schiff sich ansonsten wie ein Motorradfahrer in die Kurve legt. Diese Erfahrung musste ich damals auslaufend Hamburg nach Lotsenabgabe bei Elbe 1 machen. Der Kapitän hatte mir das Kommando übergeben und die Brücke verlassen. Ein Schiff kam an Stb.-Seite den damals vom Feuerschiff Deutsche Bucht kommenden Narrow Channel herunter. Da sich die Peilung nicht veränderte, musste ich ein Ausweichmanöver fahren. Wie gelernt und bisher praktiziert, leitete ich das Manöver frühzeitig, rechtzeitig und energisch (mit Ruderlage Stb. 15 Grad) ein. Mein Wachmatrose fragte noch. „Wirklich?“ Das Resultat war verheerend, das Schiff legte sich zur Seite, ich hörte dann nur noch ein hastiges Trampeln auf der Treppe zur Brücke. Das Brückenschott wurde aufgerissen und mein Kapitän kam auf die Brücke gestürmt und sagte: „Sind Sie wahnsinnig, wollen Sie das Schiff umkippen?“ Er übernahm sofort das Kommando mit dem Kommando Ruder Mitschiffs und brachte das Schiff wieder auf Kurs. Erschreckt musste ich feststellen, dass das Schiff während dieser kurzen Zeit doch erheblich vom Kurs abgekommen war. Zu meinem Glück hatten wir eine ausreichende Wassertiefe an dieser Stelle. Anschließend erklärte er mir, wie man bei diesen Geschwindigkeiten ein Schiff zu fahren habe. Dies hätte er mir vielleicht schon bei der Reisebelehrung erzählen können, da es mein erster Einsatz als Nautiker auf einem Kühlschiff war. Es war jedenfalls eine Erfahrung, die ich nie vergessen habe, da später die neuen Containerschiffe alle in diesem Geschwindigkeitsbereich unterwegs waren.

Normal könnte ich gleich eine Mütze Schlaf nehmen, bevor ich vor Elbe 1 wieder auf die Brücke muss, doch vorher ist noch einiges zu erledigen.

Seit der Einsparung des Funkoffiziers sind dessen Aufgaben dem Kapitän übertragen worden. Der gesamte Dienstverkehr mit Reederei, Charterer, Agenten etc. wird nun vom Kapitän abgearbeitet. Egal, ob er nun zuvor Stunden auf der Brücke verbrachte oder in den Häfen von den immer häufiger anstehenden Hafenkontrollen oder Inspektionen davon abgehalten wurde, sich zu erholen. Dies war früher Aufgabe des Funkoffiziers. Dazu kommen vorbereiten der Klarierung, Anmeldung an den nächsten Lotsen / Hafen, Heuerabrechnung und vieles mehr an Büroarbeiten. Dies bedeutet eine erhebliche Mehrbelastung für den Kapitän. Es ist nun seine Aufgabe dies alles unter einen Hut zu bringen. Deshalb gibt er teilweise diese Aufgaben an seine Offiziere weiter, da es zeitlich unmöglich ist, alles allein abzuarbeiten. Die Verantwortung verbleibt aber beim Kapitän, er muss für eventuelle dabei gemachten Fehler gerade stehen. Der Funker wurde ersatzlos eingespart. In den seltensten Fällen wurde mit Hinweis darauf die Heuer des Kapitäns erhöht. So kommt auch ein Kapitän bei sehr engem Fahrplan an seine Belastungsgrenzen. Eigentlich ist es die Hauptaufgabe eines Kapitäns, sein Schiff sicher von A nach B zu bringen. Nach Erledigung aller notwendigen Arbeiten versuchte ich noch etwas zu schlafen. Aber es ist nicht so einfach auf Kommando den Gedankenfluss zu stoppen und abzuschalten.

Die Verkehrssituation hat sich beruhigt. Das Wetter bleibt uns weiterhin treu, klare Sicht bei Beaufort 4-5, also kein Problem für unser Schiff.

Wir folgen weiter dem Küstenweg Richtung Elbe 1. Den Elbelotsen sollen wir am nächsten Tag um 6. Uhr bei Elbe 1 erhalten. So kann ich die Brücke verlassen, zumal gerade der 1. Offizier die Wache übernimmt.

Der Wecker klingelt, es ist kurz vor drei, irgendwie muss ich wohl doch noch eingeschlafen sein. Denke mal, wir sind kurz vor meiner Linie wo die Brückenwache mich wecken soll. Also mache ich mich fertig, um auf die Brücke zu gehen und später bei Elbe I den Elblotsen zu übernehmen. Vorbereitet habe ich schon meinen kleinen Teller mit einem geschälten Apfel, Kuchen oder Plätzchen und nicht zu vergessen die Zigaretten, da ich damals noch Raucher war. Die Brückenbesatzung lachte schon immer, wenn ich damit ankam. Auf der Brücke ist noch der Zweite Offizier mit seinen Wachmatrosen. Alles normal keine besonderen Vorkommnisse. Die Verkehrslage ist überschaubar. Nachdem der 1. Offizier seine Wache übernommen hat, erkläre ich ihm, dass er die Lotsenübernahme bei Elbe I unter meiner Aufsicht fahren wird. Laut Reederei-Information soll er nach der nächsten Rundreise meine Ablösung sein und in Hamburg dann das Kommando der „CIMBRIA“ übernehmen.

Inzwischen bin ich auf der Brücke. Der 1. Offizier hat seine Wache übernommen und wir besprechen die bevorstehende Lotsenübernahme bei Elbe I. Er ist ein erfahrener Offizier, und ich kenne ihn schon, seit er als Dritter Offizier bei unserer Reederei angefangen hat. Er kommt aus Bulgarien und gehört zu den Nautischen und Technischen Offizieren, die meine Reederei Anfang der 1990er-Jahre eingestellt hatte. Es waren sehr gut ausgebildete Seeleute. Sie hatten einen ähnlichen Ausbildungsweg durchlaufen wie wir in der DDR. Wir sind auch schon beide mehrmals auf anderen Schiffen zusammen gefahren. Ich freue mich für ihn, da er ein sehr guter 1. Offizier ist und seiner neuen Aufgabe sicher gewachsen sein wird.

Die Tonne Elbe I wird gut sichtbar sowohl optisch als auch im Radar angezeigt, gemäß der Absprache lasse ich den 1. Offizier das Manöver der Lotsenübernahme fahren und halte mich im Hintergrund. Er macht die Sache gut, und der Lotse ist nun auf dem Weg zur Brücke. Nach Begrüßung des Seelotsen, der uns bis Cuxhaven bringen wird, erkläre ich ihm die Manövereigenschaften des Schiffes und informiere ihn über den Tiefgang des Schiffes. Dabei ist zu beachten, dass wir jetzt auf der Elbe kein Seewasser mehr haben. Interessiert frage ich ihn nach ehemaligen Kollegen, welche von unserer Reederei zu den Elblotsen gewechselt waren. So kommen wir ins Gespräch, er bleibt dabei konzentriert, gibt die notwendigen Ruderkommandos und behält den Verkehr im Auge. Er ist richtig erfreut, mal wieder mit einen deutschen Kapitän an Bord zu fahren. Nach seiner Aussage langsam eine Seltenheit.

Das Schiff passiert gerade an Stb.-Seite die Kugelbake vor Cuxhaven. Der Lotse bereitet sich vor, das Schiff zu verlassen. In Cuxhaven kommt ein jetzt der Elbelotse an Bord, der uns bis zur Übernahme des Hafenlotsen in Hamburg begleiten wird.

Während der Lotse runter an Deck zur Lotsentreppe geht, hat der Kapitän das Schiff zu führen.

Die Radarberatung die ja weiter besteht erleichtert vieles,so dass das Schiff sofort informiert wird, wenn es den vorgeschrieben Sektor des Fahrwassers verlässt. Dies war nicht immer so, bei schwerem Wetter, wenn der Lotse nicht bei Elbe I versetzt werden konnte, kam der Lotse erst bei Cuxhaven. In dem Fall musste der Kapitän damals bis nach Cuxhaven navigieren. Allein auf sich gestellt und ohne Radarberatung, nur die Betonnung war eine Hilfe.

Der neue Lotse hat die Brücke erreicht. Nach der Begrüßung und Übermittlung aller notwendigen Informationen übernimmt er wieder die Beratung des Kapitäns. Er kennt das Fahrwasser am bestem, nur im Zweifelsfall greift der Kapitän ein, da er trotz Lotsen an Bord weiterhin verantwortlich ist für die sichere Schiffsführung. Im Falle von erkennbar schwierigen Begegnungen / Situationen wird vorher abgesprochen welche Manöver gefahren werden.

Wir passieren gerade Brunsbüttel mit seinen Schleusen an Bb-Seite. Da wir Elbe aufwärts fahren, haben wir mit dem auslaufenden Verkehr der Schleusen keine Probleme. Der Nordostseekanal ist mir durch eine Vielzahl von Passagen bekannt. Besonders im Sommer immer wieder ein Erlebnis. Weniger während der Winterzeit, wo Schnee, Eis, Nebel oder starker Wind die Durchfahrt erschweren. Leider hatte ich nach der Wende nie wieder die Möglichkeit durch diesen Kanal zu fahren. Genauso wie ich nach der Wende nie wieder mit einem Schiff den Hafen Rostock angelaufen habe. Einsatzgebiete waren jetzt Ostasien, Australien, Nord- Südamerika. Neu für mich, da wir damals zu DDR Zeiten in unserem Flottenbereich Spezialschifffahrt andere Einsatzgebiete hatten beziehungsweise nur vereinzelt Häfen in diesen Gebieten anliefen.

Die Schiffsführung verlangt nun meine volle Aufmerksamkeit. Wir nähern uns Teufelsbrück, wo der Elbelotse von Bord geht und der Hafenlotse an Bord kommt.

Zu meiner Überraschung kommen zwei Hafenlotsen an Bord, die uns zum Liegeplatz bringen sollen. Einen der Hafenlotsen kannte ich aus der DSR-Fahrzeit. Wir fuhren mal beide eine Reise auf einem unserer kleinen Typ-IX-Massengutschiffen. Er war damals Zweiter Offizier, und ich kam gerade frisch von der Seefahrtschule. So viel Zeit war noch, dass wir uns kurz unterhalten konnten. Er hatte sich nach der Wende hier in Hamburg als Hafenlotse beworben und war angenommen worden. Für mich wieder eine Bestätigung. dass unsere Ausbildung an der Seefahrtsschule so schlecht nicht gewesen sein konnte. Der Beruf des Lotsen war für mich nie eine Option gewesen. Ich wollte eigentlich immer bis zum Ruhestand zur See fahren.

Eher wäre für mich die Arbeit in der Schifffahrtsverwaltung in Frage gekommen.

Genauso wie ich mich nie für den Segelsport begeistern konnte. Mit der Hilfe und Unterstützung beider Lotsen hat das Schiff mit der Stb.-Seite sicher im Container–Terminal Burchardkai festgemacht. Für mich war diese Ankunft eine große Genugtuung, es war ein langer und beschwerlicher Weg von meinem Neuanfang hier in Hamburg, als ich am 7. Januar 1992 als Zweiter Offizier an Bord ging bis zu diesem Tag mit der Ankunft in Hamburg, nun als Kapitän eines Schiffes. Deshalb sage ich, ich bin angekommen, erst in der Bundesrepublik Deutschland konnte ich nach vielen Umwegen und Rückschlägen meinen Kindheitstraum Kapitän zu werden verwirklichen. Nach diesem gedanklichen Rückblick holt mich sofort der Alltag ein. Die Wasserschutzpolizei kommt an Bord und beginnt mit der Klarierung, der üblichen Kontrolle der Pässe, Seefahrtsbücher und aller Schiffspapiere. Da es der erste Anlauf des Schiffes in einem deutschen Hafen war, erfolgte dies mit sehr großer Gründlichkeit. Plötzlich kommt Hektik auf, der Kollege, der das Öltagebuch kontrollierte, war der Meinung, dass bei der Abrechnung des Sludge (Reste aus der Verbrennung des Schweröls) eine Diskrepanz besteht. Nach seiner Meinung und gemäß den Schiffsunterlagen müsste eine größere Menge angefallen sein wie abgerechnet. Wo war die fehlende Menge verblieben, außenbords gepumpt? Der Leitende Ingenieur sagte, da das Schiff so gut wie neu war, ist nicht mehr Sludge angefallen wie abgerechnet. Da man ihm nicht glaubte, wurde begonnen im Maschinenraum verschiedene Leitungen auszubauen, um sie auf Ölrückstände zu untersuchen.

Inzwischen kamen laufend Anrufe aus unserem Hamburger Office, Direktor und Inspektion fragten nach, was auf meinem Schiff los sei und warum ich nicht umgehend die Reederei informiert habe. Umweltdelikte stehen sofort im Fokus der Öffentlichkeit, dies war das Letzte was ich jetzt gebrauchen konnte. Ich sagte erst einmal, es steht ein Anfangsverdacht im Raum, und ich vertraue der Aussage meines Leitenden Ingenieurs. Man sollte bitte das Ergebnis abwarten. Trotz intensiver Suche konnte nichts festgestellt werden, so dass der Verdacht fallen gelassen werden musste. Die Lade- / Löscharbeiten und der Crewwechsel hatten inzwischen begonnen. Proviant und Ausrüstung für die nächste Reise kam und muss übernommen werden. Gott sei Dank, auch der Service mit dem nötigen Ersatzteil für unseren Kreiselkompass war da. Inzwischen sind auch aus der Reederei der Nautische und Technische Inspektor sowie Crewmanagerin an Bord. Es war einiges zu besprechen und abzuarbeiten, da das Schiff schon am nächsten Vormittag wieder auslaufen sollte.

Meine Frau und meine Tochter habe ich erst einmal in meine Kammer gebracht. Im Moment hatte ich einfach keine Zeit, hoffte dass sich gegen Abend die Hektik lege.

Dies ist ein ganz „normaler Hafenablauf“, meist kommt noch eine Port State Control oder sogar Flag State Controle und andere Inspektionen hinzu. Alle verlangen natürlich nach der Präsenz des Kapitäns, so dass man froh sein kann später wenigsten für ein paar Stunden zum Schlafen zu kommen. Nicht zu vergessen die Vorbereitungen für den nächsten Hafen (Lotsenanforderung, Informationen an Agenten und Charterer etc.) sind auch noch abzuarbeiten.

Gott sei Dank haben alle Besucher gegen Abend das Schiff verlassen. Nur der Lade- und Löschbetrieb geht weiter. Nach letzten Informationen soll das Schiff morgen gegen Mittag wieder auslaufen. So habe ich endlich Zeit für eine richtige Begrüßung von Frau und Tochter. Auch wir haben einiges zu besprechen, da ich die nächste Reise noch mitfahre. Nach dem Abendbrot verabschiedet sich meine Tochter. Sie arbeitet und wohnt inzwischen in Hamburg. Meine Frau wird morgen nach dem Frühstück nach Hause fahren, da sie weiß, dass ich kurz vor dem Auslaufen wohl kaum noch Zeit für sie habe. Für mich ist es auch besser so, so kann ich mich voll auf das Auslaufen konzentrieren.

Der 1. Offizier berichtet mir gerade, dass die Lade- und Löscharbeiten abgeschlossen sind und der Lotse in einer Stunde kommt. Das Auslaufen aus Hamburg verläuft ohne Probleme.

Nächster Hafen ist Thamesport. Das Wetter meint es weiterhin gut mit uns. So werde ich also noch diese Rundreise mit der „CIMBRIA“ absolvieren und danach in Urlaub gehen. Mit dem Schiff hatten wir mehrere Premieren. Für mich der Anlauf eines deutschen Hafens als Kapitän. So hatte ich die Ehre, dieses Schiff erstmalig durch den Suezkanal zu führen. In Tuticorin (Indien) war die „CIMBRIA“ das erste Schiff dieser Größenordnung, welches den neu fertig gebauten Containerterminal angelaufen hat. Deshalb möchte ich noch kurz davon erzählen.

Den Hafen Tuticorin kannte ich schon von Anläufen mit kleineren Reederei-Schiffen.

Die „CIMBRIA“ war nun das erste Schiff, welches nach Fertigstellung den neuen Containerterminal den Hafen anlief. Geplant war, dass nach Fertigstellung der Containerpier dann der Hafen wesentlich größeren Containerschiffen angelaufen werden konnten. Demensprechend waren die Länge der Containerpier und der dafür notwendige Tiefgang ausgelegt worden.

Der Lotse kam auf Reede an Bord, wir gingen Anker auf und nahmen Fahrt auf. Ich hatte ihm wie üblich die Schiffsdaten gegeben, wie Länge, Tiefgang, Geschwindigkeit bei den einzelnen Fahrstufen, eben die Manövriereigenschaften des Schiffes. Er muss wohl nicht ganz zugehört haben, wir waren inzwischen dicht vor dem Einlauf in den Kanal, welcher mit Tonnen begrenzt war, Richtung Molen, als er noch mal nach unserer Minimum-Geschwindigkeit fragte. „Oh“, sagte er „das ist viel zu schnell“ und drehte vor Einfahrt in den Kanal mit Hart Steuerbord ab und fuhr zurück zur Reede. Dort wurde wieder geankert. Sorgen bereitete das Stoppen des Schiffes unmittelbar nach Passieren der Molen. Das Problem war, das nach Passieren der Molen nur wenig Raum verblieb das Schiff aufzustoppen und nach Backbord zu drehen, dahinter kam flaches Wasser mit steinigem Untergrund. Zum Einlaufen war aber eine gewisse Grundgeschwindigkeit notwendig, um das Schiff bei Wind und Strom steuerfähig zu halten. Dazu musste mit Minimum 7-9 Knoten gefahren werden, um das Schiff steuerfähig zu halten. Nun kam der Cheflotse an Bord, um gemeinsam das Einlaufen abzuklären. Ich fragte, welche Schlepper im Hafen zur Verfügung stehen. Darunter war ein Schlepper, im Gegensatz zu früher, mit über 5.000 PS.

Daraufhin schlug ich vor, den Schlepper vor die Molen zu beordern und ihn am Anfang des Kanals als Heckschlepper festzumachen, damit er nach Passieren der Molen helfen kann, das Schiff aufzustoppen. Gesagt getan, und so kamen wir sicher in den Hafen und an die Pier. Danach waren Schiffe von Maersk-Line geplant, die noch größer waren, und es wurde in der gleichen Weise festgemacht. Von Tuticorin ging es über Mundra zum Suezkanal. Es sollte die erste Suezpassage für das Schiff und auch für mich als Kapitän werden. Ich war zwar schon als 1. Offizier mehrmals durch den Suezkanal gefahren, aber eben nicht als verantwortlicher Kapitän. So hieß es, sich erst einmal mit den ganzen Formalitäten vertraut zu machen. Für die Passage benötigt das Schiff den Suezkanal-Brief. Dieses Dokument hat man vorab an Bord geschickt. Bei erstmaliger Durchfahrt werden aber von den ägyptischen Behörden alle gemachten Angaben sehr sorgfältig überprüft, da er Grundlage für die Kanalgebühren ist. Auf Reede Suez kamen diese Behörden in großer Delegationsstärke an Bord und verlangten nun alle Dokumente im Original zur Ansicht, um diese mit den Eintragungen im Suezkanal-Brief zu vergleichen. Wichtig war letztendlich, dass man den Finalstempel erhielt, dass die Papiere und somit der Kanalbrief in Ordnung war. Dabei wurde erwartet, dass als Präsent Whiskey und Zigaretten übergeben wurden. Dies tat ich reichlich, schon um ein gutes Arbeitsklima zu schaffen. Die Beamten können ansonsten durchaus sehr kleinlich werden, was nur Ärger und Verzögerungen mit sich bringt. Als die „CIMBRIA“ am nächsten Morgen in den Tageskonvoi eingegliedert wurde, dazu bekam man eine Nummer, wurden wir zu meiner Überraschung als Nummer zwei eingeordnet. Zu meiner Überraschung deshalb, da wir uns mit Mühe und Not gerade noch im Zeitrahmen als einer der Letzten gemäß Meldezeitlimit für diesen Konvoi angemeldet hatten. Dies sollte auch so bleiben bei all meinen nun nachfolgenden Passagen des Suezkanals mit dem Schiff. Egal, wann ich mich anmeldete, die Kontrollen vor der Konvoi-Fahrt verliefen außerordentlich freundlich. Anschließend erhielten wir immer eine Nummer an der Spitze des Konvois, was sehr viel Zeit sparte, weil wir als einer der Ersten den Kanals passiert hatten. So konnten wir, nachdem wir uns frei gefahren hatten, schnell auf Seegeschwindigkeit gehen und unsere Reise fortsetzen.

Eine Episode noch, die südgehend beim Einlaufen von Port Said passierte. In Port Said wird immer die Klarierung für die Durchfahrt des Suezkanals durchgeführt. In der Regel wird dazu an den Tonnen festgemacht, beziehungsweise einlaufend mit St.b-Seite an der Landseite. Das Schiff sollte nun früh am Morgen in den Konvoi eingegliedert werden. Der Lotse kam an Bord, und wir fuhren von Reede Richtung Einfahrt. Es war kurz vor Sonnenaufgang, und die Sonne sich begann am Horizont zu zeigen. Der Lotse verlangte eine saubere Unterlage, und er begann pflichtgemäß sein Morgengebet in der Brückennock zu tätigen, was natürlich dauerte. Lotsenberatung hin oder her, dies war in diesem Moment nebensächlich.

Also war es meine Aufgabe, das Schiff sicher bis Port Said Hafen zu bringen. Zum Glück war der Lotse dann aber wenigstens zum Festmachen des Schiffes wieder einsatzbereit. Auf diese Besonderheiten sollte man in solchen Ländern vorbereitet sein.

Es wird nun Zeit sich vom MS „CIMBRIA zu verabschieden. Versäumen möchte ich nicht, allen Seeleuten die weiter verantwortungsvoll ihren entbehrungsreichen und harten Dienst auf See ausführen allzeit gute Fahrt eine Handbreit Wasser unter dem Kiel sowie immer eine glückliche Heimkehr zu wünschen.

Dies erinnert mich an meine Lehrzeit bei der Deutschen Seereederei Rostock.

Begonnen mit der Seefahrt als Matrosenlehrling in der Deutschen Demokratischen Republik, der das Ziel hatte, Kapitän zu werden, konnte ich mein Lebensziel und meinen Kindheitstraum erst in der Bundesrepublik Deutschland erreichen und verwirklichen. Dies ist auch der Grund warum ich sage, gerade, weil wir nun Hamburg anlaufen, ich bin angekommen. Hier schließt sich ein Kreis, der im Jahre 1966 begann.

Der Kapitän der „CIMBRIA“ mit seinen Offizieren zu Weihnachten in der Messe.

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Herkunft, Kindheit, Jugend

Herkunft, Kindheit, Jugend

Geboren 1950 in Schlieben, einer kleinen Stadt in der Lausitz im heutigen Bundesland Brandenburg.

Der sogenannten erste Arbeiter- und Bauern-Staat Deutschlands, die DDR existierte noch nicht einmal ein halbes Jahr, sollte aber dann Einfluss nehmen auf meine Entwicklung und mein Leben bis zu seinem Zusammenbruch im November 1989.

Meine Oma sagte immer, ich gehe mit dem halben Jahrhundert.

Schlieben ist eine über tausendjährige kleine reizvolle Stadt in der Lausitz, gelegen am ehemaligen Handelsweg nach Leipzig, heute Bundesstraße 87. Das Stadtbild wird geprägt vom Marktplatz mit seiner sehr schönen Backsteinkirche.

Dort wurde ich nach dem damaligen Brauch getauft. Der sozialistische Arbeiter- und- Bauern-Staat hatte andere Sorgen, als sich mit der Kirche zu beschäftigen. Dies sollte erst später ein Thema für Staat und Regierung werden. Der Lange Berg mit seinem wunderschönen alten Baumbestand und der Kirchturm sind schon von weiten zu sehen, wenn man sich Schlieben nähert. Dort befindet sich der Friedhof und zu damaliger Zeit ein Ausfluglokal mit Kegelbahn sowie der Fußballplatz. Weiterhin ein Turm zum Gedenken an die Gefallenen der Weltkriege, von wo aus man eine schöne Aussicht auf die Umgebung von Schlieben hat. Nicht zu vergessen die Steigemühle mit einem kleinen Teich, der zum Baden genutzt wurde und bei den Anglern sehr beliebt war und noch heute ist. Auf dem Langen Berg findet auch jedes Jahr das Pfingstsingen statt, welches eine lange Tradition hat. Die terrassenförmigen Flächen vor dem Gedenkturm wurden genutzt bei Festlichkeiten der Stadt. Eine Besonderheit der Stadt Schlieben sind noch ihre Weinkeller. Das sind künstlich in den Langen Berg getriebene Keller, die früher zum Lagern von Wein und Vorräten aller Art genutzt wurden. Einmal im Jahr werden einige davon als Weinkeller während des Moienmarktes (ein altes traditionelles Marktfest) geöffnet, das jeweils in der ersten Juliwoche des Jahres stattfindet.

Meine Ausführungen über Schlieben sind deshalb etwas länger, weil ich dort oft meine Schulferien bei meiner Oma, Tante und Onkel verbrachte. Diese hatten neben meiner Mutter einen maßgeblichen Einfluss auf meine Entwicklung und Erziehung. Ein tiefer Einschnitt in meiner Kindheit war der Tod meines Vaters im Jahre 1962. Meine Eltern waren inzwischen nach Buchhain, einem kleinen Dorf ca.10 km entfernt von Schlieben, verzogen. Wir wohnten dort zuletzt in einer Molkerei, in der mein Vater als Buchhalter beschäftigt war. Meine Mutter arbeitete als Leiterin des örtlichen Kindergartens. Die Molkerei lag zwischen Buchhain und Nexdorf direkt am Rande der Wälder. Für uns Kinder, meinem Bruder und meiner Schwester war es ein ideales Umfeld zum Spielen. Unsere Wohnung war für damalige Zeiten riesengroß und schon mit fließendem Wasser, Bad und Innentoilette sowie teilweiser Zentralheizung ausgerüstet, was nicht gerade üblich war. Später wurde sie aber geteilt, so dass noch ein Mieter dort wohnte. Der Tod meines Vaters veränderte radikal die Lebenssituation unserer Familie. Mein Vater nahm sich das Leben, meine Mutter erzählte mir später, er sagte am Morgen noch Tschüss, was er sonst nie getan hat. Man fand ihn dann später im nahegelegenen Wald. Für uns Kinder war es unfassbar und wir konnten nicht verstehen warum. Meine Mutter musste von heute auf morgen allein mit drei Kindern klarkommen. Es folgte eine schwere Zeit für sie, um uns drei Kinder durchzubringen. Die Molkerei wurde später still gelegt, und damit war Schluss mit fließend Wasser und Zentralheizung. Das Wasser mussten wir fortan mühsam direkt vom Brunnen holen, der im nahen Wald lag, was besonders im Winter beschwerlich war. Bis zur 7. Klasse besuchte ich die Grundschule in Buchhain.

Knut als Schuljunge