Ein Stern namens Sonne - Christine Bertschi - E-Book

Ein Stern namens Sonne E-Book

Christine Bertschi

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Beschreibung

Rockmusik. Wilde Kerle, die ihre Mähne zu krachender Gitarrenmusik fliegen lassen. In Jeans und Lederjacken, auf dicken Motorrädern. Ein Schock war das Aufkommen der Rockmusik in den 1960er-Jahren, ein Bruch der Generationen. Staat und Kirche waren genauso entsetzt wie Eltern - Drogenkonsum, Rebellion und Satanismus wurden der Rockszene nachgesagt. Das war in den USA, in einer liberalen Gesellschaft. Doch die Rockmusik breitete sich aus, erst in Westeuropa, dann durchdrang sie den "Eisernen Vorhang" und gelangte in die Sowjetunion. Sie geriet in ein System, in dem der Staat die Künstler überwachte, wo die Kunst als Mittel zum Zweck, zum Aufbau des Kommunismus zu dienen hatte. Einer der in der Sowjetunion unliebsamen Pioniere des Rocks war Wiktor Zoj, Frontmann der Gruppe "Kino". Zu Beginn der 1980er-Jahre trat "Kino" meist in geschlossenen, illegalen Klubs auf. Konzertgenehmigungen des Kulturministeriums bekamen sie damals keine. Auch ihre Aufnahmen waren offiziell nicht erhältlich, da die Texte Regimekritik enthielten. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere kam Wiktor Zoj bei einem Autounfall ums Leben. Am 15. August 1990 in Lettland. Christine Bertschi, Osteuropawissenschaftlerin und Journalistin, zeichnet das Leben Zojs einfühlsam in dieser ersten deutschsprachigen Biografie nach. Dabei geht es ihr nicht nur um den unter mysteriösen Umständen verunglückten sowjetischen Rockstar, vielmehr wird über Zojs Leben auch ein großes Stück sowjetischer Kulturgeschichte aufgedeckt. Die Reihe "Geschichte kompakt" bietet einen zeitgemäßen Zugriff auf Themen und Fragen der Weltgeschichte - geeignet für Schule und (Eigen-)Studium, zum Nachlesen, Nachschlagen, Lernen, auf den aktuellen Stand bringen und Bescheidwissen.

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Christine Bertschi

Ein Stern namens Sonne

Das Leben des sowjetischen Rockstars Wiktor Zoj

Impressum

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-86408-100-2 (epub) // 978-3-86408-101-9 (pdf)

Korrektorat: Lars Diedrich

Grafisches Gesamtkonzept, Titelgestaltung, Satz und Layout: Stefan Berndt – www.fototypo.de

© Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin / 2012

www.vergangenheitsverlag.de

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Inhaltsverzeichnis

1. „Guten Morgen, letzter Held!“ – Einleitung

2. „Unsere Mama ist die Anarchie“ – Sowjetische Kulturpolitik und der Untergrund

3. „Versuch, mit mir zu singen!“ – Kindheit und Jugend in Leningrad

4. „Von jetzt an handeln wir“ – Beginn der Musikkarriere

5. „Sonnige Tage“ – In Richtung Höhepunkt der Karriere

6. „Ein Lied ohne Worte“ – Einordnung der Musik und der Texte

7. „Morgen ist Krieg“ – Kampf, Krieg und Tod als Motive in den Liedtexten

8. „Wir erwarten Veränderungen“ – Politische Opposition als (seltenes) Motiv

9. „Werde einen Vogel“ – Überraschender Tod und untröstliche Fans

10. „Ein Stern namens Sonne“ – Leben nach dem Tod

1. „Guten Morgen, letzter Held!“ – Einleitung

Rockmusik. Wir verbinden mit ihr wilde Kerle, die ihre Mähne zu krachender Gitarrenmusik fliegen lassen. In Jeans und Lederjacken, auf dicken Motorrädern. Ein Schock war das Aufkommen der Rockmusik in den 1960er-Jahren, ein Bruch der Generationen. Staat und Kirche waren genauso entsetzt wie die Eltern – Drogenkonsum, Rebellion und Satanismus wurden der Rockszene nachgesagt.

Das war in den USA, in einer liberalen Gesellschaft. Doch die Rockmusik breitete sich aus, erst in Westeuropa, dann durchdrang sie den „Eisernen Vorhang“ und gelangte in die Sowjetunion. Sie geriet in ein System, in dem der Staat die Künstler überwachte, wo die Kunst als Mittel zum Zweck, zum Aufbau des Kommunismus zu dienen hatte. Wie mögen die Reaktionen auf Rockmusiker dort gewesen sein? In einer Diktatur, wo jegliches Abweichlertum hart bestraft wurde?

Einer dieser unliebsamen Pioniere war Wiktor Zoj, Frontmann einer Rockgruppe namens „Kino“. Zu Beginn der 1980er-Jahre trat „Kino“ meist in geschlossenen, illegalen Klubs auf. Konzertgenehmigungen des Kulturministeriums bekamen sie damals keine. Auch ihre Aufnahmen waren offiziell nicht erhältlich, da die Texte Regimekritik enthielten. Dafür verbreitete sich die Musik im Untergrund umso schneller. Abermals wurden die Kassetten von Fans kopiert und weitergegeben, bis sie den letzten Winkel der Sowjetunion erreicht hatten.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere kam Wiktor Zoj bei einem Autounfall ums Leben. Am 15. August 1990 in Lettland. Aber war es wirklich ein Unfall? Schnell kamen Gerüchte auf, verdächtigt wurden viele: sein Produzent, der mit Zojs Tod den Umsatz steigern konnte; seine Ex-Frau, auch wenn die beiden ein freundschaftliches Verhältnis pflegten; und natürlich der sowjetische Geheimdienst, der KGB, der die Rockgruppe 1984 in die Liste der „ideologisch schädlichsten Gruppen“ aufgenommen hatte. Doch das „Wie“ war für Zojs Fans zweitrangig, vielmehr fragten sie sich: Warum ausgerechnet er, warum so früh mit erst 28 Jahren? Sie konnten die Nachricht von seinem Tod nicht glauben, einige sahen keinen Sinn mehr im Leben und brachten sich selbst um.

Zoj wurde zur Legende, seine Lieder lebten weiter. Bis heute. Auch wenn sie nicht mehr verboten sind. Viele Fans wurden sogar nach seinem Tod geboren, sie kennen die Sowjetunion nur noch aus Erzählungen. Doch die Texte bleiben aktuell, auch heute singt die Jugend „Veränderungen! Wir erwarten Veränderungen!“ Zwischenmenschliches und Alltägliches ist zeitlos, wer kennt es nicht: Liebeskummer, Angst vor Krieg und Zukunft, Generationskonflikte, Träumereien.

Doch wie kam ein junger Mensch in der Sowjetunion auf die Idee, Rockmusik zu spielen? Woher kannte er sie, wie erreichte sie ihn? Wie konnten Vertreter einer verbotenen Kunstsparte Berühmtheit erlangen? Ebenso merkwürdig sind Vorgänge auf staatlicher Seite: Offizielle Rockgruppen wurden gegründet, sie sollten die verbotenen Stars verdrängen. Und warum hat der sowjetische Geheimdienst, der KGB, eigentlich 1981 in Leningrad einen Rock-Club mitgegründet?

Viele Fragen stellen sich rund um die Figur Wiktor Zoj und sein Umfeld. Werfen wir deshalb in einem ersten Kapitel einen Blick auf die späte Sowjetunion. Die Kenntnisse der damaligen Trends in Musik und Jugendkultur, der Lebensstile und der Kulturpolitik werden uns helfen, Zojs Leben und Schaffen in den darauffolgenden Kapiteln zu verstehen. Und was bleibt uns davon heute, über 20 Jahre nach Zojs Tod? Ein letztes Kapitel dreht sich um die Legendenbildung, um das musikalische Erbe und darum, wie Zoj die Musiker der nächsten Generation geprägt hat.

Jedes Kapitel ist mit einem Liedzitat betitelt –in separaten Kapiteln werden auch längere Textpassagen vorgestellt. Die Fakten, Erinnerungen und Meinungen in diesem E-Book stammen überwiegend aus russischen Büchern und Internetseiten. Die Übersetzungen der Zitate und Liedtexte stammen von der Verfasserin. Auch im deutsch- und englischsprachigen Raum finden Zoj, die sowjetische Rockszene und die Kulturpolitik Beachtung. Bei den Quellenangaben wird deshalb – wann immer möglich – auf deutsch- und englischsprachige Literatur verwiesen.

2012 wäre Wiktor Zoj 50 Jahre alt geworden – nehmen wir uns dieses Jubiläum zum Anlass, die Person und seine Lebenswelten kennenzulernen!

2. „Unsere Mama ist die Anarchie“ – Sowjetische Kulturpolitik und der Untergrund

Das Jahr 1980. Sowjetische Soldaten kämpften seit kurzem in Afghanistan, noch war Leonid Breschnew an der Macht. Die Kommunistische Partei legte fest, was als Kultur zu gelten hatte und was nicht. Musik sollte dem sowjetischen Volk den Soundtrack auf dem erleuchteten Weg zum Kommunismus bieten. Musik sollte das Volk erziehen, und im Gegenzug propagierte und finanzierte die Partei ihre treuen Künstler. Fröhlich sollte die Musik sein, aufbauend und motivierend. Individualität war dabei nicht gefragt, Strömungen aus dem Westen, von den feindlichen Kapitalisten, schon gar nicht. Doch der Wunsch einer ganzen Generation Jugendlicher nach moderner, westlicher Musik war groß.