Ein Traum am Meer - Juli Sand - E-Book
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Ein Traum am Meer E-Book

Juli Sand

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Beschreibung

Ein unvergesslicher Sommer – und das Abenteuer der Liebe: Der Feelgood-Roman »Ein Traum am Meer« von Juli Sand jetzt als eBook bei dotbooks. An der provenzalischen Küste träumt die junge Engländerin Claire von einem Neuanfang: Jahrelang hat sie für das Familienunternehmen alles gegeben – nun will sie sich hier ihren Wunsch von einem kleinen Vintage-Laden am Meer erfüllen. Aber warum ist diese zauberhafte Idee dem CEO einer großen Modekette ein Dorn im Auge? Der ebenso attraktive wie unverschämte Massimo Noir scheint nichts lieber zu tun, als sie zu provozieren und ihr Steine in den Weg zu legen. Doch Claire denkt gar nicht daran, klein beizugeben – mit neugewonnenem Mut und cleveren Freundinnen an der Seite wird es höchste Zeit, dem erfolgsverwöhnten Playboy einen Denkzettel zu verpassen! Bloß scheinen die Schmetterlinge in ihrem Bauch ganz andere Pläne für Claire zu haben … Jetzt als eBook kaufen und genießen: In ihrem Sommerroman »Ein Traum am Meer«, der vorab schon einmal unter »Die Träumerin von Saint-Tropez« erschien, verwebt Juli Sand wunderschöne Küstenlandschaften mit Romantik und der Wohlfühlbotschaft »Go happy, go green«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 325

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Über dieses Buch:

An der provenzalischen Küste träumt die junge Engländerin Claire von einem Neuanfang: Jahrelang hat sie für das Familienunternehmen alles gegeben – nun will sie sich hier ihren Wunsch von einem kleinen Vintage-Laden am Meer erfüllen. Aber warum ist diese zauberhafte Idee dem CEO einer großen Modekette ein Dorn im Auge? Der ebenso attraktive wie unverschämte Massimo Noir scheint nichts lieber zu tun, als sie zu provozieren und ihr Steine in den Weg zu legen. Doch Claire denkt gar nicht daran, klein beizugeben – mit neugewonnenem Mut und cleveren Freundinnen an der Seite wird es höchste Zeit, dem erfolgsverwöhnten Playboy einen Denkzettel zu verpassen! Bloß scheinen die Schmetterlinge in ihrem Bauch ganz andere Pläne für Claire zu haben …

Über die Autorin:

Juli Sand wurde als mittlere von drei Schwestern in Weimar geboren. Der Liebe wegen zog sie nach Hamburg und die Stadt wurde zu ihrer Heimat. Sie studierte Germanistik, Betriebswirtschaft und die Menschen im Allgemeinen, die sie immer wieder zu neuen Romanideen inspirieren. Die Faszination fürs Schreiben begleitet Juli Sand schon ihr ganzes Leben. Ihre zahlreichen Reiseerlebnisse lässt sie gern in ihre Bücher einfließen: Ihre Feelgood-Romane spielen an wunderschönen Orten und verbinden Wohlfühl-Atmosphäre mit Ideen zu nachhaltigem Leben.

Die Website der Autorin: www.julisand.de

Die Autorin auf Instagram: juli_sand_autorin

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Originalausgabe September 2021, März 2022

Dieses Buch erschien bereits 2021 unter dem Titel »Die Träumerin von Saint-Tropez« bei dotbooks.

Copyright © der Originalausgabe 2021, 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Renate Kunstwadl

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Nesolenaya Alexandra / M Stocker / Zoran Pajic / NAPA / zevana / berni0004

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-719-1

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Juli Sand

Ein Traum am Meer

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Claires Herz klopfte stärker, als sie auf La Citadelle, die Festung oberhalb der Stadt, zulief. Sie hatte es tatsächlich gewagt. Noch im Flugzeug gestern Abend, als sie in einen leichten Dämmerschlaf versunken war, hatte sie sich gefragt, ob nicht doch alles nur ein Traum war, aus dem ihr Vater sie gleich herausreißen würde.

Aber nein, sie war hier. Sie war tatsächlich hergekommen, allein. In die Stadt, die sie seit ihrer Kindheit so sehr liebte. Nach Saint-Tropez, ihren Sehnsuchtsort. Nirgendwo war sie je glücklicher gewesen.

Und genau hier wollte sie es schaffen. Die Unabhängigkeit genießen, die ihr von Geburt an verwehrt geblieben war. Ihr eigenes Geschäft eröffnen und damit einen lang gehegten Traum verwirklichen.

Sie genoss die leichte Brise, die den Saum ihres Sommerkleides umspielte. Claire fühlte sich wie befreit. Stark genug für einen Neuanfang. Ab heute würde sie ein selbstbestimmtes Leben führen und ihre eigenen Entscheidungen treffen.

Die Zitadelle war noch genauso wuchtig, wie Claire sie in Erinnerung hatte: ein respekteinflößender, sechseckiger Bau aus dem 16. Jahrhundert, innerhalb dessen Mauern es immer kühl war und nach kaltem Stein roch. Sie fröstelte, als ihre Finger langsam über das Mauerwerk strichen.

Ihr Vater hatte sie immer wieder gegen ihren Willen hierher mitgenommen, wenn sie die Sommerferien in der Gegend verbrachten. Sie erinnerte sich daran, wie sie protestiert hatte, weil sie viel lieber am Strand gespielt hätte. Doch die späten Nachmittagsstunden waren der Bildung vorbehalten gewesen. Besichtigungen historisch bedeutsamer Orte standen täglich auf der Tagesordnung der Familie Woods.

Sie hatte das gehasst. Immer wieder hatte ihr Vater William sie geschichtliches Wissen abgefragt und ihr das Gefühl gegeben, dumm und ungenügend zu sein.

Claire hatten Zahlen und Daten nie besonders interessiert, viel lieber ließ sie ihrer Fantasie freien Lauf. Doch dazu hatte es in ihrem Leben bisher viel zu wenig Spielraum gegeben. Immer wieder hatte ihr Vater sie dazu gezwungen, ihre Zeit in Museen, Militäranlagen oder sogar in verlassenen Bunkern zu verbringen. Claire hatte dazu noch weniger Lust gehabt als ihre ältere Schwester Catherine. Doch ihr Vater ging ihre Erziehung an wie alle Dinge in seinem Leben, das von seiner Zeit beim Militär geprägt war: strukturiert, effizient und mit eiserner Hand. Widerstand war zwecklos. Er ließ es nicht zu, dass seine Töchter ihre Zeit mit Sandburgenbauen oder ähnlichen Aktivitäten verschwendeten. Jeder einzelne Tag ihrer Kindheit und Jugend war bis auf die Minute durchorganisiert. Sie sollten etwas aus der Geschichte lernen, möglichst schnell erwachsen werden und dann sein Imperium vergrößern, das war immer sein Ziel gewesen.

Claire schüttelte die Gedanken daran ab und stieg auf die Plattform der Festungsanlage. Das alles lag jetzt weit hinter ihr. Ihr Blick schweifte über die Bucht, und sie atmete tief durch. Diese warme, leichte Luft fühlte sich einfach herrlich an! Und erst die Landschaft! Ein Traum aus azurblauem Meer, in dem sich der Himmel spiegelte, breitete sich vor ihren Augen aus. Unendliche Weite. Ihre Lieblingsfarbe in allen Schattierungen, so weit sie blicken konnte. Sanfte Wellen tanzten über den Golf von Saint-Tropez, und Claire genoss den Ausblick und die salzige Meeresluft. Sie trat näher an das rostige Geländer heran. Es war brüchig und erweckte nicht gerade den Anschein, als würde es sie vor dem Absturz bewahren, wenn sie sich dagegenlehnte.

Sie blinzelte, und für einen kurzen Moment stockte ihr der Atem. Was, wenn sie es allein, ohne die Hilfe ihres Vaters, nicht schaffte? Sie hatte es sich nicht ausgesucht, doch bei allem, was sie bisher in ihren 29 Jahren begonnen hatte, waren das Geld und der Einfluss ihres Vaters immer da gewesen. Ein Sicherheitsnetz, das sie stets aufgefangen hatte. Allerdings war es ihr in den letzten Jahren eher wie eine Fessel vorgekommen.

Ihr Vater war meilenweit entfernt, und doch meinte sie plötzlich seine mahnende Stimme zu hören, Worte, die sie zusammenzucken ließen wie ein Donnergrollen. Er war vehement gegen ihre Pläne gewesen, und seit dem Streit hatten sie kein einziges Wort mehr miteinander gesprochen. Er hatte sie spüren lassen, wie enttäuscht er von ihr war. Bittere Wahrheiten waren ausgesprochen worden.

Früher hätten ihre Schuldgefühle sie davon abgehalten, eine Entscheidung gegen seinen Willen zu treffen. Doch diesmal hatte sie sich nicht von der Vergangenheit leiten lassen. Sie hatte sich über ihren Vater hinweggesetzt. Noch immer spürte Claire seinen versteinerten Blick im Rücken. Was, wenn sie auf seine Hilfe angewiesen sein würde?

Claire öffnete die Augen.

Nein, nie wieder müsste sie sich von William zurechtweisen lassen. Sie atmete tief durch. Wie oft hatte sie sich diesen Augenblick der Freiheit vorgestellt, ihn sich in strahlenden Farben ausgemalt, wenn sie sich ausgelaugt und ohnmächtig gefühlt hatte. Mit seiner ständigen Kritik und Kontrolle hatte ihr Vater sie steuern wollen wie eine Marionette.

Doch erst, wenn sie es ohne seinen Einfluss schaffte, wäre sie wirklich frei. Wie hatte es nur so lange dauern können, das zu begreifen? Wenn Catherine nicht wäre, wäre Claire vielleicht schon viel früher gegangen. Hätte alles hinter sich abgebrochen und neu angefangen. Doch Catherine hing an England und an der Familie. Und Claire hing an Catherine. Ach, wenn sie doch nur nicht im Streit mit ihrer Schwester auseinandergegangen wäre …

Claire konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. Sie wollte alles in sich aufnehmen, was ihr die neue Umgebung zu bieten hatte. Die würzige Luft, die nach Kräutern roch, die Leichtigkeit, die in der Luft lag, und die hellen, freundlichen Farben. Vom historischen Ortskern drang Stimmengewirr zu ihr herauf, und das Läuten der Glocken erinnerte sie daran, dass sie losmusste. Sie war schon viel zu spät dran.

So gut es in den Sandalen ging, lief sie die gepflasterten Gassen hinunter in die Altstadt, vorbei an ein paar älteren Männern, die unter einer ausgedörrten Pinie Boule spielten. Im Licht des frühen Vormittags leuchtete die Kirche in Ocker- und Gelbtönen. Beim Blick auf die Turmuhr beschleunigte Claire ihren Schritt. Sie spürte ihr Herz noch schneller schlagen, merkte, wie sie nervös wurde. Was erwartete sie? Was würde ihr dieser Tag bringen? Wie würde das alles hier ausgehen?

Sie hastete durch die Traverse de la Gendarmerie und versuchte, sich zwischen den Touristen hindurchzuschlängeln. Wie gerne hätte sie ein paar Fotos gemacht, denn das Licht zauberte tanzende Punkte auf die hellen Fassaden, die in geschmackvollen Pastelltönen gehalten waren. Doch sie musste weiter, die Häuserfronten und Auslagen in den Schaufenstern konnte sie auch noch ein anderes Mal bewundern.

Da blieb ihr Blick an einer Glasfront hängen. Die grellen Farben und schrillen Muster der ausgestellten Kleider mochten sich so gar nicht in die klassische Fassade des Hauses einfügen. Schilder in Neonfarben verkündeten niedrige Preise. Claire hatte nichts gegen günstige Mode einzuwenden, wenn diese fair produziert wurde. Bei diesen Dumpingpreisen hier konnte das allerdings kaum der Fall sein. Sie selbst liebte es, hochwertige Teile mit Schnäppchen vom Flohmarkt oder aus preiswerten Läden zu kombinieren. Das hier war allerdings nichts als Ramsch. Wie konnte man nur so etwas Geschmackloses mitten in der wunderschönen historischen Altstadt anbieten? Hierher gehörten edle Geschäfte mit ästhetischen Produkten, die Werte und Qualität vermittelten. Klasse statt Masse. Allerdings schienen da manche Menschen anderer Auffassung zu sein. Frauen scharten sich in dem Laden um Wühltische, auf denen Handtaschen zu extrem niedrigen Preisen angeboten wurden.

»Die sieht fast aus wie von Chanel!«, hörte Claire eine junge Frau rufen und blieb stehen.

Das Wort Chanel erregte Claires Aufmerksamkeit. Ihre Leidenschaft für klassische Handtaschen und ihre Geschäftsidee hielten sie davon ab, einfach weiterzugehen. Eine Billigtasche, die aussah wie von Chanel? Konnte es das geben? Davon musste sie sich selbst überzeugen. Claire betrat das Geschäft und schob sich durch die Gruppe hindurch. Wie besessen gruben sich die Hände der Frauen durch Handtaschenberge, die sich auf dem Tisch türmten. Claire nahm eine und roch daran. Der chemische Geruch nach Plastikfasern stieg ihr in die Nase. Der Rahmen der Tasche war geklebt statt genäht, und der Trageriemen würde keine Saison lang halten. Doch eines musste sie zugeben: Die Form erinnerte tatsächlich an ein klassisches Chanel-Modell. Dass es jemand wagte, dieses zeitlose und edle Design einfach mit Billigmaterial zu verschandeln, regte sie auf.

»Die hier, schau mal, Celeste, wie vom Laufsteg!« Eine junge Frau mit abgeblättertem Nagellack und verspiegelter Sonnenbrille hielt eine der Taschen am ausgestreckten Arm von sich weg. Sie strahlte vor Begeisterung.

»Ja, aber nur fast«, sagte Claire. »Chanel hätte nie etwas anderes als hochwertiges Leder benutzt.«

»Na und?« Die Frau schaute sie verdutzt an und zuckte mit den Schultern. Ihre Freundin kam hinzu und nahm die Tasche in die Hand. Dann musterte sie Claire von oben herab.

»Was mischen Sie sich überhaupt ein?«, sagte sie zu Claire.

»Die Tasche ist schlecht verarbeitet, sie wird schnell kaputtgehen oder schäbig aussehen«, sagte Claire.

»Und? Dann kauf ich mir eine neue. Hauptsache, sie sieht schick aus. Die Leute werden denken, dass sie teuer war«, sagte die Frau zu Claire.

»Einfach eine neue kaufen? Wollen Sie nicht lieber in etwas investieren, an dem sie lange Freude haben? Die Tasche will etwas sein, das sie nicht ist. Stört Sie das überhaupt nicht?« Claire ärgerte sich darüber, dass die Frauen Geld für derart schlechte Ware ausgeben wollten. Warum sparten sie nicht und kauften sich dann etwas, das länger hielt?

Verwundert schauten sich die jungen Frauen an, und eine tippte sich mit dem Finger an die Stirn, dann wandten sie sich wieder dem Wühltisch zu.

»Interessant«, sagte ein Mann, der neben ihr stand und den Claire erst jetzt bemerkte. »›Die Tasche will etwas sein, das sie nicht ist‹?«, zitierte er sie mit ironischem Unterton. »Dass Handtaschen auf der Suche nach einer Identität sind, war mir völlig neu.«

Der Mann machte sich über sie lustig. Claire versuchte, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Ihr fiel auf, wie sinnlich die Stimme dieses Mannes klang, was es nicht gerade besser machte. Als sie aufschaute, trafen sich ihre Blicke. Er sah viel zu gut aus für diese Welt, wie gephotoshoppt. Glasklare grüne Augen umrahmt von kantigen Gesichtszügen.

Er taxierte sie aufmerksam, und Claire schaute rasch in eine andere Richtung.

Die Frauen am Wühltisch fingen an zu kichern und zu tuscheln. Einige starrten den Mann einfach nur wie gebannt an.

Auch Claire war wie benommen von seinem Blick. Sie wollte ihm etwas entgegnen, suchte nach Worten, die sie hätte erwidern können, doch sie war einfach nur perplex. Er strahlte eine starke Präsenz aus, es hypnotisierte sie beinahe. Lag das vielleicht daran, dass er so überhaupt nicht hierher, neben einen Wühltisch, passte? Er war groß und athletisch, sein edler Anzug saß perfekt und sah maßgeschneidert aus, und er trug eine teure Uhr. Irgendwie kam der Mann ihr bekannt vor. Aber sie musste sich täuschen, so ein Gesicht vergaß man nicht so einfach wieder.

Sein durchdringender Blick ruhte noch immer auf ihr, und Claire spürte ihn fast körperlich. Ihr wurde heiß.

»Eine Handtasche sollte die Identität der Besitzerin unterstreichen«, sagte Claire. »Das hier ist doch alles Ramsch. Wie kann eine Tasche unter 20 Euro kosten? Macht sich denn heutzutage niemand mehr Gedanken über Nachhaltigkeit und faire Produktionsmethoden?«

Claire spürte, dass sie sich gerade richtig in Rage redete. Ihr Puls beschleunigte sich, und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.

»Dann gehen Sie doch einfach weiter«, sagte das Mädchen mit dem abgeblätterten Nagellack und der verspiegelten Sonnenbrille, »und lassen uns in Ruhe weitershoppen.« Sie warf einen Blick in die Richtung des Mannes, wollte seine Bestätigung einholen.

»Hm …« Der Mann starrte Claire noch immer an. Dann schaute er auf seine Uhr. »Ich würde wirklich gerne noch ein Weilchen mit Ihnen über die Bedeutung von Handtaschen im Leben einer Frau plaudern, leider habe ich einen Termin. Übrigens: Zwei Straßen weiter ist Prada. Vielleicht finden Sie dort, wonach Sie suchen. Oder Sie versuchen es direkt bei der Heilsarmee. Dort ist jeder willkommen, der die Welt retten will. Einen schönen Tag noch!«

»Wie schade! Mit Ihnen würde ich gern den Planeten retten …« Das Mädchen hatte ihre verspiegelte Sonnenbrille abgenommen, zog einen Schmollmund und warf ihm einen schmachtenden Blick hinterher.

Mit geschmeidigen Bewegungen verschwand er in der Menschenmenge, die sich um sie herum gebildet hatte.

Claire spürte, wie ihr immer heißer wurde vor Zorn. Der Mann hatte sich ungefragt in ihr Gespräch mit den Frauen eingemischt und sie zum Gespött der Leute gemacht. Sie fühlte sich wie eine Idiotin. Eine Schweißperle lief ihr die Schläfe hinunter. Warum hatte sie nicht einfach mal den Mund halten können?

Die Art, wie er sie taxiert hatte … Wie konnte einen jemand allein mit seinem Blick derart aus der Fassung bringen?

Als Claire endlich die elegante Silhouette des Hotel de Paris sehen konnte, war sie völlig außer Atem. Sie war mittlerweile beinahe 20 Minuten zu spät und unglaublich wütend auf sich selbst. Dieser Termin war wichtig, und wieder einmal würde sie durch ihre Unpünktlichkeit ihren ersten Eindruck vermasseln. Statt perfekt vorbereitet zehn Minuten vor Start des Seminars in der ersten Reihe zu sitzen, wie Catherine es getan hätte, irrte sie hektisch in der Vormittagshitze herum und spürte, wie ihr Make-up verlief. Die Aktion in dem Laden wäre ihrem Vater und Catherine äußerst peinlich gewesen. In der Familie Woods legte man Wert auf britische Etikette und höfliche Zurückhaltung. Immer wieder verstieß Claire gegen diese Regeln. Weshalb nur brachte sie sich so oft in derartige Situationen? Doch vor allem: Weshalb schämte sie sich jedes Mal so dafür?

Sie dachte an den durchdringenden Blick des Fremden in dem Laden und spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss und sie rot anlief. Wieder rann ihr eine Schweißperle von der Stirn, und Claire tupfte sich mit einem Taschentuch ihr Gesicht ab. An diese Hitze hier im Süden der Provence würde sie sich noch gewöhnen müssen. Und an die intensiven Blicke der Männer in Saint-Tropez.

Dieses süffisante Grinsen, mit dem er sie gemustert hatte … Claires Gedanken schweiften wieder ab. Was hatte der Mann in dem Laden gemacht? Wieso hatte er sie so angeschaut? Was hatte er in ihr gesehen? Sie seufzte. Bestimmt hatte er sie für eine Verrückte gehalten. Sie sollte wirklich aufhören, ihre Gedanken an fremde Männer zu verschwenden. Männer waren das, was sie im Moment am wenigsten gebrauchen konnte in ihrem Leben.

Claire lief schneller. Trotz der Eile fiel ihr auf, dass die Menschen in Saint-Tropez viel mehr Wert auf ihr Äußeres legten als in England. Ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, alle hatten einen eigenen exklusiven Stil. Da waren ältere Damen mit Sonnenbrillen, wie sie Audrey Hepburn in Frühstück bei Tiffany getragen hatte, und junge Männer in schicken, gut sitzenden Anzügen. Die Sachen waren vielleicht nicht unbedingt teurer, sie schienen aber überlegt zusammengestellt zu sein. Das gefiel Claire. Die Leute an der Côte d’Azur legten anscheinend weniger Wert auf plakative Logos oder sichtbare Marken, sondern achteten vielmehr darauf, dass die Schnitte, Stoffe und Accessoires zu ihrer Persönlichkeit passten. Claire schaute an sich hinunter. War sie in dem hellen Leinenkleid vielleicht zu schlicht gekleidet? Als Accessoire trug sie nur einen schmalen Gürtel um die Taille, allein ein schmaler goldener Armreif zierte ihr linkes Handgelenk.

Einige gut gekleidete Männer und Frauen steuerten zielbewusst auf den Eingang des Hotel de Paris zu. Ob das Referenten des Seminars waren?

Als Claire endlich den kühlen Türgriff das Tagungssaals umfasste, spürte sie, wie ihre Hand zitterte. Plötzlich war sie sich nicht mehr sicher, ob sie überhaupt hierher passte. Was, wenn das alles ein Fehler war? Vielleicht hätte sie doch lieber in England, im schützenden Dunstkreis ihrer Familie bleiben sollen. Dort wusste man, wer sie war und was sie konnte. Hier würde sie sich ganz neu beweisen müssen, in einem fremden Land, auf unbekanntem Terrain. Der Mut, der sie hierhergebracht hatte, schien sich auf einmal in Luft aufzulösen.

Claire rückte ihren Gürtel zurecht und strich ihr Kleid glatt. Nein, sie hatte sich das alles gut überlegt und jahrelang darauf hingearbeitet. Sie sollte endlich aufhören, ständig an sich zu zweifeln. Sie wusste genau, was sie aus der Fassung gebracht hatte. Es war nicht nur ihre Unfähigkeit, es nicht pünktlich zu diesem wichtigen Termin geschafft zu haben. Vielmehr nervte sie die Tatsache, dass sie sich immer noch dem durchdringenden Blick der grünen Augen des Mannes in dem Laden ausgesetzt fühlte.

»I am enough«, flüsterte sie und versuchte, ihre Atmung zu kontrollieren. »I am enough.« Dieses Mantra hatte ihr Dr. Emling, ihre Psychologin, mit auf den Weg gegeben. Sie sollte es sich immer wieder vor Augen führen, wenn sie sich unsicher oder ungenügend fühlte.

Sie versuchte, sich endlich auf das Seminar zu konzentrieren, und umfasste den Türgriff stärker.

»Stopp!«, rief jemand, noch bevor sie die schwere Tür öffnen konnte. »Sie können da nicht rein! Geschlossene Veranstaltung!«

Claire drückte ihren Rücken durch, schob die Schultern nach hinten und ging so aufrecht wie möglich zu dem langen Tisch, hinter dem eine groß gewachsene Blondine stand.

»Ich bin angemeldet, Claire Woods.«

»Ach, Sie sind Madame Woods. Hatten Sie eine gute Anreise? Nun, offensichtlich ging es hektisch zu dort, wo Sie herkommen …« Die Blondine musterte Claire mit tadelndem Blick. Sie trug ein hautenges dunkelblaues Kostüm und ein elegantes Seidentuch. Mit leicht abfälliger Miene tippte sie etwas in ihren Laptop ein. »Kann ich Ihre Anmeldung sehen? Ah, Madame Woods, aus England. Sie müssen sich hier registrieren.«

Claire fühlte sich plötzlich vollkommen fehl am Platz. Obwohl ihr ein solches Umfeld aus der jahrelangen Arbeit im Hotel vertraut war, schwand ihr Selbstbewusstsein mit jedem weiteren Augenaufschlag der Empfangsdame. Wo war bloß ihre professionelle Rüstung, mit der sie noch vor wenigen Tagen solche und ähnliche Situationen mit Leichtigkeit gemeistert hatte? Vielleicht lag es an der französischen Sprache, die nicht ihre Muttersprache war, auch wenn sie sie besser als die meisten Engländer beherrschte. Und natürlich war es ihr unangenehm, unpünktlich zu diesem wichtigen Termin zu erscheinen. Dieses elegante, moderne Hotel mit den schicken und professionell wirkenden Leuten, und sie kam nicht nur viel zu spät, sondern war auch noch vollkommen verschwitzt.

»Gelingt es dir nicht einmal, stilvoll durch den Tag zu kommen?«, hörte sie ihren Vater in ihren Gedanken sagen.

»Bitte entschuldigen Sie die Verspätung«, sagte Claire. »Aber seit dem Brexit ist der Weg nach Frankreich gefühlt einfach doppelt so lang.«

Vergeblich versuchte Claire der Blondine ein Lächeln abzuringen.

Die rollte stattdessen mit den Augen. »Massimo Noir redet gerade, und er hasst Verspätungen, das sollte allgemein bekannt sein, auch auf der Insel.«

Mit welcher Ehrfurcht die Blondine den Namen Massimo Noir aussprach. Natürlich kannte Claire diesen Namen aus diversen Managementmagazinen. Er war ein sehr erfolgreicher Unternehmer eines internationalen Modekonzerns, laut Programmheft sollte er eigentlich erst am Abend einen Vortrag halten.

Claire hatte hohe Erwartungen an diese Seminarwoche, die gefüllt war mit Vorträgen, Reden und Workshops. Sie würde alles lernen, was man für eine erfolgreiche Existenzgründung brauchte, sie würde einen Businessplan erstellen und sich mit anderen Gründern austauschen können. Hier bekam sie professionelle Anleitung, wie man den Markt sondierte und Kunden überzeugte. Es war eines der international renommiertesten und intensivsten Existenzgründungsseminare und wurde von vielen Profis empfohlen.

Bereits vor acht Monaten hatte sich Claire auf die Warteliste setzen lassen. Nur 50 Plätze wurden einmal im Jahr angeboten und innerhalb weniger Stunden waren sie belegt gewesen. Glücklicherweise hatte jemand abgesagt und Claire einen der begehrten Wartelistenplätze ergattert.

Am Samstagabend stand dann der Höhepunkt der Woche auf dem Programm. Jeder Teilnehmer würde seine Geschäftsidee einer professionellen Jury präsentieren, die darüber entschied, ob man eine finanzielle Förderung und weitere Unterstützung durch einen erfahrenen Mentor erhielt.

Ob sie sich mit ihrer Idee zu Dreambag durchsetzen würde?

Der Tagungssaal war gut gefüllt, und es herrschte gespannte Aufmerksamkeit. Etwa 80 bis 100 Menschen saßen in akkurat platzierten Stuhlreihen vor einem Podium.

Alle Plätze waren belegt. Claire befestigte ihr Namensschild und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie eingeschüchtert sie sich fühlte. Wo sollte sie sich hinsetzen? Da entdeckte sie den einzigen freien Platz in der ersten Reihe. Um dort hinzugelangen, musste Claire mitten durch den ganzen Raum gehen, vorbei an jeder einzelnen Stuhlreihe, in denen aufmerksame Teilnehmer saßen, die sich scheinbar allein durch Claires Schritte auf dem Marmorboden gestört fühlten. Es kam ihr vor, als würde jeder im Saal sich fragen, was sie hier zu suchen hatte. Einige fingen an zu tuscheln.

Endlich vorne angekommen, traf sie der Blick des Redners. Plötzlich wurden ihre Knie so weich, dass Claire sich an einer Stuhllehne festhalten musste. Das war der Mann, der …

»Bonjour Madame«, ertönte im selben Moment seine tiefe, sonore Stimme.

Claire spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.

»Schön, dass Sie zu uns stoßen«, fuhr der hochgewachsenen Mann mit den braunen Haaren fort, der Massimo Noir sein musste. »Um erfolgreich am Markt zu agieren, um ein Unternehmen nach vorne zu bringen und der Konkurrenz immer einen Schritt voraus zu sein, braucht es Disziplin, harte Arbeit, Kreativität, Fantasie und … ein punktgenaues Zeitmanagement. Denn Zeit ist Geld, ob man es glaubt oder nicht, sogar an der französischen Riviera.«

Das Publikum lachte und applaudierte, während Claire sich unbeholfen auf ihren Sitzplatz plumpsen ließ. Betreten senkte sie den Blick. Der Mann in dem Laden war niemand anderes als der Gründer des international erfolgreichen Azur-Konzerns gewesen.

Als sie den Kopf hob und seinem Blick begegnete, lag wieder dieses süffisante Lächeln auf seinen Lippen, das sie nicht deuten konnte.

Claire stand auf der Dachterrasse des Hotel de Paris und sah hinunter auf den Pool, der den abendlichen Himmel reflektierte. Sie spürte einen Druck hinter ihrer Stirn. Hoffentlich kündigte sich kein Migräneanfall an.

Sie hatte heute viele Reden und Vorträge gehört. Andächtig hatte sie Gründerinnen und Gründern mit Rang und Namen gelauscht, Menschen, die es bis ganz nach oben geschafft hatten. Es war spannend und interessant, aber auch unendlich anstrengend gewesen. Und vor allem wurde ihr wieder einmal bewusst, wie schwer es sein würde, ihre Werte beim Kampf um die eigene Existenz nicht aus den Augen zu verlieren und sich selbst treu zu bleiben. Denn wie man mit knallharten Geschäftsmethoden Wettbewerber ausstach und Gewinne erzielte, hatte Claire schon sehr früh bei ihrem Vater, dem erfolgreichen Hotelmogul William Woods, gelernt. Jahrelang hatte sie unter dem Druck gelitten, seinen unerreichbaren Anforderungen zu genügen und in seinen Augen eine erfolgreiche Hotelmanagerin und würdige Nachfolgerin zu sein. Als angehende Erbinnen seines Imperiums sollten Claire und Catherine an Härte und Effizienz gewöhnt werden. Liebe und Tagträumereien waren Zeitverschwendung, die einen im Business nicht nach vorne brachten und laut ihrem Vater sogar geschäftsschädigend sein konnten.

Claire war lange Arbeitstage durch ihren Managerjob in der Hotelbranche gewöhnt, dennoch fühlte sie sich müde und erschöpft. Viel lieber wäre sie jetzt für sich gewesen, anstatt auf der Abendveranstaltung Networking zu betreiben. Das Stimmengewirr im Hintergrund begann ihr auf die Nerven zu gehen. Sie nippte an ihrem Champagnerglas und beobachtete, wie die Bläschen langsam nach oben stiegen.

»War ein harter Tag, was?« Die Stimme mit dem schottischen Akzent richtete sich offensichtlich an sie, und Claire wandte sich Ann zu, mit der sie bereits in der Pause ein paar Worte gewechselt hatte. Ann hatte sich Claire als bekennende Schottin vorgestellt, die in Frankreich einen Blog gründen wollte, der »die Welt aus den Angeln heben« sollte. Ihre humorvolle Art und Selbstironie hatten Claire zum Lachen gebracht und waren eine schöne Abwechslung zu den Businessgesprächen mit den anderen Teilnehmern gewesen.

»Bin ich froh, wenigstens eine Landsmännin von der Insel hierzuhaben.«

Ann prostete Claire zu. »Wo kommst du noch mal genau her?«

»Aufgewachsen bin ich in Brighton«, sagte Claire.

»North Berwick bei Edinburgh, prost! Ich frage mich, ob die hier noch was anderes als dieses Prickelwasser haben, etwas Stärkeres, etwas Echtes, meine ich.«

Ann drückte Claire ihr Champagnerglas in die Hand und verschwand in Richtung Bar. Nach wenigen Minuten kehrte sie mit zwei gefüllten Kristallgläsern zurück, in denen die Eiswürfel klirrten.

»Scotch. Das einzige wahre Getränk, prost.«

Claire trank sonst nie harten Alkohol, doch sie wollte Ann, die ihr mit ihrer fröhlichen, burschikosen Art sehr sympathisch war, nicht vor den Kopf stoßen. Vielleicht half er ja sogar gegen die stärker werdenden Kopfschmerzen. Claire nahm einen Schluck von dem Scotch und spülte das leichte Brennen in ihrer Kehle mit dem Champagner hinunter.

»Ich bin total k. o.«, sagte Ann und nahm einen Schluck. »Aber irgendwie war es ein toller Auftakt. Ich meine, die Redner waren der Wahnsinn! Ich hätte nicht erwartet, schon am ersten Tag so viele wertvolle Informationen aus erster Hand zu bekommen. Und einige Vorträge waren auch noch total unterhaltsam, oder? Zum Beispiel wie Massimo Noir erzählte, dass er immer wieder in seine Fabriken und Läden geht, um den Fertigungsprozess zu beobachten und mit Lieferanten und Kunden ins Gespräch zu kommen. Hättest du das gedacht? Dass sich ein Multimilliardär wie er immer noch mit solchen Dingen beschäftigt?«

»Vielleicht traut er seinen Mitarbeitern in Wirklichkeit nicht und nimmt die Dinge deshalb gerne selbst in die Hand.« Claire dachte an ihren Vater, für den Vertrauen immer ein Fremdwort gewesen war und der seine Angestellten und seine Töchter täglich kontrollierte.

»Na, auf dich scheint Monsieur Noir ja keinen besonders guten Eindruck gemacht zu haben«, sagte Ann. »Stimmt schon, bei seinem Image hatte ich zunächst auch Vorbehalte, aber die hat er mit seiner mitreißenden Art und seiner Ausstrahlung gleich wettgemacht. In echt sieht er noch viel besser aus als in den Klatschmagazinen, findest du nicht? Ich fand ihn umwerfend. Und dann seine Anekdote mit der Frau heute Morgen, der Mann hat auch noch Witz!«

»Welche Anekdote denn?« Claire sah Ann fragend an.

»Na, über die Frau, die in einem seiner Läden die Kundinnen vom Kauf abhalten wollte.«

Claire wurde schlecht. »Welche Frau?«, sagte sie.

»Stimmt, du bist ja zu spät gekommen! Schade, dass du das verpasst hast. Das war wirklich total witzig! Er hat seinen Vortrag damit begonnen. Er berichtete, dass er direkt von einer Stippvisite aus einem seiner Läden käme und dass wir immer den direkten Kontakt zu den Kunden halten sollten, wenn wir Erfolg haben wollen. Jedenfalls war er in der kleinen Boutique in der Altstadt, die sein Konzern erst kürzlich übernommen hat. Der Laden läuft hervorragend, meinte er. Jedenfalls haben sich die Kundinnen auf die reduzierten Taschen gestürzt, und eine Frau wollte sie belehren über die schlechte Qualität und mangelnde Nachhaltigkeit und so weiter. Doch die Kundinnen haben sie nur ausgelacht. Sein Fazit war, dass man sich nie zu fein sein darf, an den Ort des Geschehens zu gehen und live die Kundenstimmen zu hören. Er hat das unglaublich unterhaltsam erzählt, ich kann das gar nicht so richtig wiedergeben. Der Typ hat eben eine Aura, daneben sahen alle anderen einfach nur blass aus, findest du nicht?«

Claire sagte nichts. Sie fühlte nur, wie ihr noch schlechter und das Pochen in ihrem Kopf noch stärker wurde.

»Wie kann jemand so gut aussehen, megaerfolgreich und dann auch noch intelligent und witzig zugleich sein? Obwohl, wenn es ums Business geht, soll mit Massimo Noir nicht zu scherzen sein. Er gilt als knallhart. Black Panther nennen sie ihn in Insiderkreisen. Er ist schnell, effizient und brutal zielorientiert. Vor seinen Verhandlungen zittern sogar abgebrühte Profis. Dass er Vorsitzender der Jury ist, macht es uns nicht gerade leichter, da durchzukommen.«

»Er ist der Juryvorsitzende?« Claire fuhr zusammen.

»Das hat Madame Lille, die Organisatorin des Seminars, zur Eröffnung erwähnt, ja.«

Claire schwirrte der Kopf.

»Wird bestimmt kein Spaziergang, wenn wir unsere Geschäftsideen vor einem Profi wie ihm präsentieren müssen und er darüber entscheidet, wer von uns eine Förderung bekommt«, sagte Ann.

Claire starrte ausdruckslos auf das leere Scotchglas vor sich. Der Druck hinter ihrer Stirn war mittlerweile zu einem heftigen Hämmern geworden.

Kapitel 2

Massimo Noir war sich seiner Attraktivität durchaus bewusst. Er hatte dichtes, samtiges Haar und silbergrüne Augen, die an eine Raubkatze erinnerten. Wenn er die Augen leicht verengte, konnte er mit seinem Blick alles erreichen: Er konnte Konkurrenten einschüchtern, Preisverhandlungen zu seinen Gunsten steuern und Frauen in sein Bett locken. Seine Nase war zwar etwas zu groß, doch diese kleine Unregelmäßigkeit ließ sein Gesicht nur noch interessanter erscheinen.

Alle Frauen, die sich auf der Dachterrasse des Hotel de Paris befanden, schmachteten ihn an und waren gleichzeitig ein wenig eingeschüchtert von seiner herablassenden Art.

All dies ging ihm durch den Kopf, als er an seinem Champagnerglas nippte und aus dem Augenwinkel Claire Woods beobachtete, die sich mit der Schottin Ann McLean unterhielt.

Der offizielle Teil des heutigen Tages war vorüber, und Massimo hätte sich längst auf den Weg zu Aurelie machen sollen, die ihn bereits erwartete. Sicherlich lag sie in seinem Bett und trug nur noch Dessous.

Doch irgendetwas hielt ihn hier, irgendetwas oder irgendjemand … Sein Blick verharrte auf Claire Woods. Auf ihren aparten Gesichtszügen, dem glänzenden karamellfarbenen Haar, das ihr in dichten Wellen bis über die Schultern fiel. Sein Blick wanderte weiter über die sanften Rundungen ihres Körpers, die schlanken Beine hinab bis zu den schmalen Knöcheln, die sie überkreuzt hatte. Die Art, wie sie ihren Kopf schräg legte. Diese natürliche Schönheit und die leicht entrückte Aura. An wen erinnerte sie ihn nur? Plötzlich wurde es ihm schmerzlich bewusst. Lea!, schrie alles in ihm, und sein Magen zog sich zusammen. Heiß und kalt zugleich liefen ihm Schauer den Rücken hinunter.

Er ging zur Bar, bestellte sich einen Martini und tat das, was er immer tat, wenn irgendwo eine Gefahr auf ihn lauerte und er sich zwischen Flucht und Angriff entscheiden musste. Er entschied sich für Angriff. Massimo steuerte auf die beiden Frauen zu.

»Bonsoir Mesdames!« Er stieß mit Ann McLean an und sah in Claire Woods irritiertes Gesicht. Dabei spürte er den Blick aller anwesenden Frauen auf sich ruhen, eine Tatsache, die ihn nicht weiter überraschte. Claire Woods drehte gedankenverloren an einer Haarsträhne.

»Darf ich mich dazugesellen?«, fragte er der Form halber.

»Aber gerne doch«, sagte Ann. »Wir sprachen gerade darüber, dass die Konkurrenz im Seminar hart ist. Da können wir jede wohlwollende Aufmerksamkeit eines Jurymitglieds gut gebrauchen.«

Massimo grinste. »Nur, wenn Sie mir versprechen, unser Gespräch nicht aufzuzeichnen, Miss McLean.«

»Oh, Sie kennen die Tricks von uns Bloggern natürlich! Ich lege meine Waffe ab, sehen Sie? Ohne dieses Ding hier sind Sie sicher.« Ann legte ihr Smartphone auf den Tisch. »Obwohl Sie bestimmt die eine oder andere Story parat hätten, die einen guten Aufmacher für meinen Blog hergäbe.«

»Ihr Blog soll Celebritys der Region genauer unter die Lupe nehmen, richtig? Ich eigne mich nicht für diese Rolle. Nicht mehr. Über mich wurde schon alles geschrieben und gesagt. Sie wissen ja, ist der Ruf erst ruiniert …«

Ann McLean lächelte.

»Eigentlich möchte ich mit meinem Blog eher normalen Menschen, die Besonderes leisten, eine Plattform bieten. Ich denke da an Leute, die durch harte Arbeit, besondere Ideen, Fähigkeiten oder einfach Fleiß den Unterschied machen.«

»Klingt nett, doch wen wollen Sie damit hinter dem Ofen hervorlocken?« Massimo sah Ann von der Seite an und drehte das Glas in seiner Hand, so dass sich ein Sonnenstrahl darin verfing.

»Mir ist klar, dass normale Menschen nicht dieselbe Aufmerksamkeit erzielen wie Promis, deshalb werde ich natürlich, zumindest am Anfang, auch viel über Celebritys berichten … müssen«, fügte Ann hinzu.

»Ah, Sie wollen die arme High Society nur benutzen?«

»Nur jene, die sich gern benutzen lassen, aber davon scheint es an der Côte d’Azur eine Menge zu geben.« Ann lachte ein lautes, sympathisches Lachen und nahm einen Schluck. »Fühlen Sie sich etwa angesprochen?«

»Wie gesagt, über mich gibt es nichts mehr, was noch nicht berichtet wurde.«

»Das sehen wir dann noch.« Sie zwinkerte ihn frech von der Seite an, was Massimo herrlich erfrischend fand. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sonnte sich ein wenig in Selbstgefälligkeit. Ihm gefiel der verbale Schlagabtausch mit Ann McLean. Doch wie konnte er diese Claire Woods aus der Reserve locken?

»Miss Woods dagegen hat viel mehr Potenzial. Eine Nachhaltigkeitsaktivistin mit Gründerinstinkt. Noch dazu will sie hier an der Riviera den Unterschied machen – und zwar nicht für die Reichen und Schönen, sondern für die normalen Leute. Genau die Geschichte, die Sie für Ihren Blog suchen, eine wahrhaft gute, oder nicht?« Massimo nippte an seinem Martini. Er war zu warm. Claire Woods musterte ihn mit einem eiskalten, abfälligen Blick. Plötzlich ärgerte sich Massimo über Claire. Weshalb sah sie ihn so abschätzend an? Wäre er doch bloß nicht an ihren Tisch gegangen. Ihretwegen war er heute Morgen beinahe zu spät zu seinem eigenen Vortrag erschienen. Ihretwegen musste er an Lea denken, und der alte Schmerz umklammerte seinen Brustkorb.

»Wie ich Ihren Bewerbungsunterlagen entnommen habe, besteht Ihre Geschäftsidee darin, Edelhandtaschen zu verleihen«, sagte er zu Claire. »Sie sind also die Frau, die den Luxus in die einfachen Haushalte bringen will. Ein bisschen Chanel für die Kassiererin, ein Hauch Hermes für die einfache Büroangestellte. Prada für Arme, kann man das so sagen?«

»Auch wenn es außerhalb Ihrer Vorstellungskraft liegt: Nicht jede Frau kann oder will Tausende von Euro für eine Handtasche ausgeben.« Claire Woods funkelte ihn mit einer Intensität an, die er von Lea kannte. Die alte Lea, früher, als sie noch sie selbst war.

»Genau diese Kundinnen bedient ja Azur sehr erfolgreich mit seiner Designer-inspirierten Mode zu fairen Preisen«, sagte Ann.

»Die einen nennen es so, für die anderen ist es Ramsch«, sagte Massimo und schaute Claire direkt ins Gesicht. Eines musste er ihr lassen, sie hatte seinen durchstrukturierten Tag wirklich durcheinandergebracht.

»Nicht alles Preisgünstige ist für mich Ramsch, ich unterscheide da durchaus.« Claire Woods zuckte nicht mit der Wimper, eine Tatsache, die ihn überraschte. Ihre bernsteinfarbenen Augen hatten genau den richtigen Abstand zueinander, und die kessen Sommersprossen auf der Nase setzten sich durch das dezente Make-up durch und schienen ihn auszulachen. Etwas in den Augen der Engländerin glitzerte, und sie prostete ihm zu.

»Es kommt eben darauf an …«, sagte sie betont langsam.

»Worauf?« Massimo beugte sich nach vorn. Etwas an ihrer Art reizte ihn.

Massimo funkelte Claire Woods an, die auf ihre Unterlippe biss.

»Sagten Sie nicht heute Morgen, für eine Existenzgründung braucht man Fantasie? Wo ist Ihre?« Claire zog die Augenbrauen zusammen, und über ihrer Nasenwurzel bildete sich eine kleine Falte.

Massimo konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Sie war auf jene Art schön, die man in seinen Kreisen selten fand, eine Art Schönheit, die er als »perfekt unperfekt« bezeichnete.

Sie fuhr fort: »Schneller Konsum ist ein Geschäftsmodell von gestern. Manche sagen, Teilen hätte das Potenzial, die Welt zu verbessern. Dieser Meinung bin ich auch. Wenn immer mehr Menschen teilen, statt kaufen, können die vorhandenen Ressourcen besser genutzt werden.«

Claires Stimme klang klar und bestimmt. Meinte sie das tatsächlich ernst? Und vor allem: Meinte sie damit ihn persönlich? Wollte sie ihm sagen, dass er ein schlechter Mensch war, nur weil sein Unternehmen eine riesige weltweite Nachfrage nach Billigmode durch Massenproduktion in Dritte-Welt-Ländern bediente? Er nippte an seinem warmen Martini und spürte, dass er wütend wurde. Wieso machte er sich überhaupt Gedanken darüber, was sie meinte und dachte?

»Sind Sie Thunbergianerin oder Unternehmerin?« Er ließ seine Stimme bewusst abfällig klingen. Derselbe Ton, in dem er mit Lea sprach, seit der Sache mit Matteo.

»Wie bitte?«

»Er meint, ob du Anhängerin von Greta Thunberg bist, Claire«, sagte Ann McLean und grinste ihn an. »Thunbergianerin, hihi …«

»Ich verstehe nicht, weshalb das eine das andere ausschließen muss. Ich werde Träume erfüllen, indem ich Luxus vermiete. Ich werde Glamour in triste Wohnungen bringen und das Leben jeder Frau veredeln, die bei mir etwas ausleiht. Und das mit Dingen, die bereits vorhanden sind, so dass keine weiteren Ressourcen verschwendet werden.«

»Ja, sicher.« Massimo leerte sein Glas in einem Zug und rümpfte die Nase. »Eben mal die Welt retten, da sind Sie nicht die Erste, die das versucht.«

»Tut mir leid, wenn ich Männer wie Sie nicht überzeuge. Aber Sie sind auch nicht meine Zielgruppe.« Claire Woods drehte wieder an einer Haarsträhne.

»Falls Sie überhaupt irgendeine Zielgruppe haben«, sagte Massimo.

»Davon bin ich überzeugt. Ihre Zielgruppe jedenfalls wird, wenn sie endlich erwachsen ist, erkennen, dass Verschwendung von Ressourcen und Ausbeutung sie auf Dauer nicht befriedigen werden.«

Massimo wollte lauthals auflachen, doch das Lachen blieb ihm im Hals stecken. Er musste an den Morgen im Shop denken, die Bestimmtheit, mit der Claire mit den jungen Frauen diskutiert hatte. Es war wirklich lächerlich, aber irgendetwas an ihr fesselte ihn. Da war noch mehr als die Ähnlichkeit mit der jungen Lea von damals. Was war es? Er ärgerte sich darüber, dass er nicht dahinterkam.

»Was befriedigt Sie denn, Miss Woods?«, fragte er. »Jungen Menschen den Tag zu vermiesen? Sie zu bremsen, das zu tun, worauf sie Lust haben? Macht Sie das glücklich, hm?«