Ein Vati für Sebastian - Britta Frey - E-Book

Ein Vati für Sebastian E-Book

Britta Frey

5,0

Beschreibung

Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Die Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! »Es geht nicht, Isabella. Du kannst doch nicht wirklich von uns verlangen, dass wir dich in deinem Alter einfach ziehen lassen. Bedenke, dass das Leben in einer Großstadt zu viel an versteckten Gefahren in sich birgt. Du bist noch keine zwanzig und willst allen Ernstes allein in der Stadt leben?« Erregt, mit roten Wangen, sah Alina Steinberg zu ihrer Tochter Isabella hinüber, die trotzig ihre Blicke zurückgab. »Gefällt es dir denn nicht mehr in deinem Elternhaus? Hier auf Gut Steinberg hast du doch alles, was du brauchst. Du bist doch so schon genug von daheim fort, seitdem du die Universität besuchst.« »Das ist es ja, Mutti. Den ganzen Tag bin ich unterwegs, habe kaum noch Freizeit. Die lange Fahrt morgens in die Stadt und am späten Nachmittag oder sogar erst am Abend zurück, das nervt mich schon lange. Dabei ist die kleine Wohnung, die mir Roselin vermitteln kann, ganz ideal für mich. Hier auf Steinberg seid ihr, aber ich möchte auch noch etwas anderes von meiner Jugend haben. Warum kannst du mich bloß nicht verstehen? Ich kann euch ja immer besuchen. Ich bin doch nicht aus der Welt und schließlich alt genug, um selbst auf mich aufpassen zu können. Bitte, Mutti, sei ein Schatz und leg bei Vati ein gutes Wort für mich ein.« Schmeichelnd legte Isabella Steinberg ihre Wange an die der Mutter. Isabella Steinberg war ein sehr hübsches, junges Mädchen. Das lange hellblonde Haar fiel ihr in weichen Wellen über die Schultern hinab.

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Kinderärztin Dr. Martens Classic – 2 –

Ein Vati für Sebastian

Thorben bekennt sich zu seinem Kind

Britta Frey

»Es geht nicht, Isabella. Du kannst doch nicht wirklich von uns verlangen, dass wir dich in deinem Alter einfach ziehen lassen. Bedenke, dass das Leben in einer Großstadt zu viel an versteckten Gefahren in sich birgt. Du bist noch keine zwanzig und willst allen Ernstes allein in der Stadt leben?«

Erregt, mit roten Wangen, sah Alina Steinberg zu ihrer Tochter Isabella hinüber, die trotzig ihre Blicke zurückgab.

»Gefällt es dir denn nicht mehr in deinem Elternhaus? Hier auf Gut Steinberg hast du doch alles, was du brauchst. Du bist doch so schon genug von daheim fort, seitdem du die Universität besuchst.«

»Das ist es ja, Mutti. Den ganzen Tag bin ich unterwegs, habe kaum noch Freizeit. Die lange Fahrt morgens in die Stadt und am späten Nachmittag oder sogar erst am Abend zurück, das nervt mich schon lange. Dabei ist die kleine Wohnung, die mir Roselin vermitteln kann, ganz ideal für mich. Hier auf Steinberg seid ihr, aber ich möchte auch noch etwas anderes von meiner Jugend haben. Warum kannst du mich bloß nicht verstehen? Ich kann euch ja immer besuchen. Ich bin doch nicht aus der Welt und schließlich alt genug, um selbst auf mich aufpassen zu können. Bitte, Mutti, sei ein Schatz und leg bei Vati ein gutes Wort für mich ein.« Schmeichelnd legte Isabella Steinberg ihre Wange an die der Mutter.

Isabella Steinberg war ein sehr hübsches, junges Mädchen. Das lange hellblonde Haar fiel ihr in weichen Wellen über die Schultern hinab. Das schmale, zarte Gesicht wurde belebt von einem Augenpaar, dessen intensives Blau sehr reizvoll zu dem hellen Teint der Haut kontrastierte. Es wurde von außergewöhnlich langen Wimpern umrahmt. Dazu die gertenschlanke, fast zierliche Figur. Ja, Isabella Steinberg war ein sehr hübsches Mädchen, fast schon eine eigenwillige Schönheit. War es da ein Wunder, dass Alina Steinberg, Isabellas Mutter, sich mit Händen und Füßen dem Wunsch der Tochter entgegenstellte? Nicht nur sie allein, sondern auch der Vater Isabellas, Kurt Steinberg, war strikt gegen Isabellas Wunsch, lehnte diesen rundweg ab. Einen der wenigen Wünsche Isabellas, die er ablehnte.

Kurt Steinberg verstand sein Mädel einfach nicht. Was sollte in der Großstadt, in der Enge einer Wohnung, schöner sein, als das herrliche, freie Leben auf dem großen Gut, auf Gut Steinberg. Die Enge der Stadt, die hohen Häuser, wenig Natur, all das konnte Isabell doch nicht wirklich einem Leben daheim vorziehen. Die Wälder, die blühenden Wiesen, die Heide, war das allein nicht weit mehr wert?

»Nun, Mutti, legst du bei Vati ein gutes Wort für mich ein?«, schmeichelte Isabella noch einmal.

»Nein, Mädel, in diesem Punkt wirst du von mir keine Hilfe erwarten können. Ich bin nicht bereit, dich freiwillig den Gefahren einer Großstadt auszusetzen. Rede selber mit Vati. Nur eines lass dir gesagt sein. Auch bei Vati wirst du nicht durchkommen. Ich bin mir da mit Vati einig, dass du noch viel zu jung bist, um allein in der Großstadt zu leben. Warte ein paar Jahre, dann können wir uns noch einmal über die Möglichkeit unterhalten. Und nun habe ich keine Zeit mehr, muss mich darum kümmern, dass das Abendbrot für uns und die Angestellten pünktlich auf den Tisch kommt. Kannst mir ja helfen und der Karin ein wenig zur Hand gehen. Im Augenblick ist Vati ja sowieso noch in den Stallungen. Du weißt ja, dass Billa in den nächsten Tagen fohlen wird.«

Als sie das enttäuschte Gesicht Isabellas bemerkte, die ein paar Schritte von ihr zurückgetreten war, setzte sie mit warmer Stimme hinzu: »Sieh es doch endlich ein, mein Mädchen, dass wir es nur gut mit dir meinen. Wir lieben dich sehr.«

»Pah, Mutti, gut meinen. Alle Welt meint es gut mit mir, dabei denkt ihr immerzu an euch. Und ich sage dir, dass ich in der Stadt leben werde. Ich will es, und ich werde es.«

Schon bei ihren letzten Worten hatte Isabella sich von ihrer Mutter abgewandt, stürzte jetzt förmlich aus dem Zimmer hinaus und lief in ihr Mädchenzimmer hinauf.

Bekümmert sah Alina Steinberg hinter der impulsiven Tochter her. Wie Isabella sich das alles nur vorstellte?

Alina Steinberg war eine Frau von zweiundvierzig Jahren, für ihr Alter noch immer eine sehr gut aussehende Frau. Sie hatte das gleiche blonde Haar wie Isabella, nur trug sie es in einer modischen Kurzhaarfrisur. Auch Alina Steinberg hatte blaue Augen. Nur waren sie nicht von diesem intensiven Blau, wie es bei Isabella der Fall war. Ein Leben lang war sie Isabella eine liebevolle, verständnisvolle Mutter gewesen und konnte einfach nicht verstehen, dass Isabella, die einzige Tochter, so aus dem Elternhaus fortstrebte. Gewiss, für ein Mädchen in Isabellas Alter war hier auf dem großen Gut nicht viel Abwechslung. Aber war das ein Grund?

»Ach was«, murmelte Alina Steinberg leise vor sich hin. »Sie ist noch zu jung, es geht einfach nicht.«

Nach diesen leise gemurmelten Worten verließ Alina Steinberg ebenfalls das Zimmer, um sich nun in die Küche zu begeben. Wenn auch gute Kräfte im Haus zur Verfügung standen, so ließ Alina Steinberg es sich doch nicht nehmen, die Aufsicht über pünktliches Auftragen der Mahlzeiten zu behalten.

Auf die Minute pünktlich fanden sich alle im großen Speiseraum ein, die zu Gut Steinberg zählten. Nur Isabella glänzte noch durch Abwesenheit.

Kurt Steinberg war ein Mann von fünfzig Jahren, von Gestalt etwas vierschrötig, robust. Sein dunkles Haar war an den Schläfen schon leicht ergraut und verlieh seinem Aussehen etwas Interessantes. Er war sehr gutherzig und hatte stets Verständnis für die Sorgen und Probleme seiner Arbeiter, die männlichen wie auch die weiblichen. Was er nicht ausstehen konnte, war Unpünktlichkeit. So sah er auch jetzt mit hochgezogenen Augenbrauen auf seine Frau Alina und fragte etwas unwillig: »Seit wann kennt unsere Tochter keine Uhr mehr, Alina? Schick bitte eines der Mädchen hinauf. Isabella soll unverzüglich hier unten erscheinen.«

»Geh, Kurt, lass Isabella heute, wenn sie nicht will. Ich hatte wieder einen längeren Disput mit ihr. Du weißt ja, diese bewusste Angelegenheit. Sie lässt einfach nicht locker.«

»Gut, lassen wir sie schmollen. Ich werde nachher noch einmal mit ihr reden, ihr die Sache auszureden versuchen. Jetzt Mahlzeit allerseits.«

*

Erregt war Isabella, nachdem sie die Mutter verlassen hatte, in ihr Zimmer hinaufgelaufen. Dort warf sie mit einer wilden Bewegung den Kopf in den Nacken und dachte aufsässig: Und ich werde es mir nicht ausreden lassen. Ich will auch mit meinen Freundinnen gemeinsam etwas erleben, will auch mal in eine Disco gehen. Ich bin doch nur einmal jung. Ich will leben, will hier nicht versauern. Außerdem bin ich volljährig, und sie können es mir nicht verbieten. Ich lasse es mir einfach nicht verbieten. So fixiert auf das, was einige ihrer Kommilitoninnen durften, sah Isabella schon seit geraumer Zeit nicht mehr die blühende und grünende Schönheit ihres Heimatortes. Wie ein Fieber hatte sich der Wunsch, in der Stadt zu leben, in ihr festgesetzt.

Ein Blick auf die Uhr zeigte Isabella, dass es Zeit fürs Abendbrot war. Doch wieder dachte sie voller Trotz: Und ich gehe nicht, ich bekomme doch keinen Bissen herunter.

Die Abendbrotzeit war schon lange vorüber, als Isabella den schweren, wuchtigen Schritt des Vaters die Treppenstufen heraufkommen hörte. Kurz darauf betrat er nach leichtem Klopfen an die Tür das Zimmer.

»Ich möchte mit dir reden, Isabella«, sagte er. »Du hast doch nichts einzuwenden?«

»Nein, Vati, es ist gut, dass du gekommen bist. Ich wollte ohnehin gern mit dir reden.«

»Gut, Isabella. Zuerst einmal frage ich dich, seit wann du nicht zu den Mahlzeiten hinunterkommst. So geht das nicht.«

»Ich hatte keinen Hunger, Vati«, erwiderte Isabella und reckte kampflustig das Kinn in die Höhe.

»Lassen wir diesen Punkt, er ist im Augenblick unwesentlich. Du hattest wieder einen Disput mit Mutti, wie ich von ihr hören musste? Warum nur will es nicht in dein hübsches Köpfchen hinein, dass wir dir deinen Wunsch nicht so ohne Weiteres erfüllen können? Bist ein kluges Mädchen, aber noch zu jung. Ich kann das, was du da vorhast, ganz einfach nicht verantworten. Schlag es dir endgültig aus dem Kopf.«

»Nein, Vati, ich werde in diese kleine Wohnung in die Stadt einziehen. Ganz gleich, was du dagegen einzuwenden hast.«

»Auch gegen unseren Willen, Isabella? So wenig bedeuten dir deine Eltern?« Kurt Steinberg blickte Isabella ernst an.

»Auch gegen euren Willen, Vati. Dabei steht nicht zu Debatte, wie viel ihr mir bedeutet. Ihr wisst, wie lieb ich euch habe. Aber ich will frei leben können. Nicht mehr diese ewige Hetze hin und her, Tag für Tag. Außerdem bin ich volljährig. Ihr beide, die ihr vorgebt, nur mein Bestes zu wollen, ihr vertraut mir nicht. Wenn es der Fall wäre, würdet ihr nicht solch ein Theater machen. Ihr tut ja gerade so, als wollte ich nach Amerika auswandern. Ich werde bald zwanzig. In meinem Alter sind viele Mädchen schon verheiratet und haben sogar schon Kinder. Was soll es also?«

»Du bist also fest entschlossen, und es gibt nichts, was dich zurückhalten könnte?«

»Nein, Vati, nichts«, antwortete Isabella.

Einen Augenblick rang Kurt Steinberg mit sich, dann hob er entschlossen den Kopf und sagte mit ernster Stimme: »Gut, Mädel, da du ja regelrecht besessen zu sein scheinst, geh in die Stadt. Ich werde dir keine weiteren Steine in den Weg legen. Aber denke immer daran, du hast dein Elternhaus verlassen, gegen den Willen deiner Eltern. Komm nicht eines Tages und beklage dich. Wie sehr du Mutti und auch mich damit enttäuschst, das ist dir wohl klar, oder?«

Ohne Isabellas Antwort abzuwarten, wandte Kurt sich abrupt ab und verließ das Zimmer seiner Tochter.

Zwei Gefühle stritten sich in Isabellas Brust, nachdem der Vater ihr Zimmer verlassen hatte. Ein leichtes Gefühl des Unbehagens und das Gefühl des Triumphes, ihr Ziel erreicht zu haben. Das Letztere verdrängte schließlich das Unbehagen, und sie begann, schon Pläne zu machen.

Die Eltern würden ihr sicherlich nicht verwehren, ihr Sparbuch an sich zu nehmen, auf dem sich schon eine schöne, stolze Summe angesammelt hatte. Für den Anfang würde es reichen. Sie würde zudem versuchen, sich durch einen kleinen Nebenjob ein wenig dazuzuverdienen. Es gab Mädchen auf der Uni, die mit weit weniger auskommen mussten. Sie würde schon klarkommen.

Hochbefriedigt, ohne an diesem Abend noch einmal ihr Zimmer zu verlassen, legte Isabella sich zu Bett.

In ihren Träumen lag die Zukunft im rosigsten Licht vor ihr.

Als Isabella am nächsten Morgen pünktlich das Frühstückszimmer betrat, fand sie zu ihrem Erstaunen den Vater nicht mehr vor. Die Mutter hatte verdächtig rote Augen.

»Du hast also deinen Willen bei Vati durchgesetzt, Isabella? Ich wünsche dir, dass du es niemals bereuen wirst«, sagte Alina Steinberg mit ernster Stimme und goss Isabella den Kaffee ein.

»Ich werde es nicht bereuen, Mutti, ganz sicher nicht. Aber jetzt muss ich los. Wer weiß, wie viel Verkehr schon wieder auf den Straßen herrscht. Ich möchte nicht zu spät kommen. Nur gut, dass das bald ein Ende hat.«

»Aber, Mädel, wenn man dich reden hört, könnte man zu dem Schluss kommen, dass wir für dich Rabeneltern waren.« Alina Steinbergs Stimme klang auf einmal sehr traurig.

»Verzeih, Mutti, so habe ich es doch nicht gemeint. Es ist doch nur so, dass ich …«

»Pst …, Isabella, du musst dich nicht entschuldigen, du hast dich entschieden. Entschieden gegen deine Eltern. Mit Gewalt werden wir auch nicht versuchen, dich bei uns zu behalten. Es ist nun an der Zeit, dass du deine eigenen Erfahrungen sammelst. Und nun lass uns nicht mehr darüber reden. Fahr los, sonst kommst du wirklich noch zu spät. Wann kommst du heute zurück?«

»Kann ich noch nicht genau sagen, ich werde gleich die Angelegenheit mit der Wohnung regeln. Es handelt sich da um eine möblierte Appartementwohnung. Eineinhalb Raum. Tschau, bis heute Nachmittag.«

Isabella gab der Mutter einen Kuss auf die Wange und eilte mit raschen Schritten aus dem Haus.

Am Wochenende war es dann für Isabella Steinberg so weit. Die Koffer hatte sie verstaut. Gerade als sie einsteigen wollte, hielt Kurt Steinberg seine Tochter noch einmal zurück.

»Hier, Isabella«, sagte er und reichte ihr ein kleines Buch. »Ich habe dir ein Konto eingerichtet, auf das ich jeden Monat eine bestimmte Summe überweise. Sieh zu, dass du damit klarkommst. Mehr Hilfe hast du von mir nicht zu erwarten, es sei denn, dass du in dein Elternhaus zurückkommst. Pass auf dich auf.«

Fast überstürzt wandte Kurt Steinberg sich ab und ging mit weit ausholenden Schritten ins Wohnhaus zurück.

*

Fast ein voller Monat war seit diesen entscheidenden Tagen vergangen.

Isabellas Leben hatte sich in dieser Zeit grundlegend geändert. Aus ihrer kleinen Wohnung hatte sie mit vielen persönlichen Dingen ein gemütliches Heim gemacht, in dem sie sich mit jedem Tag, der verging, wohler fühlte. Das Einzige, was Isabella vermisste, waren die Eltern. Die Verbindung, die im Augenblick bestand, beschränkte sich auf Briefe an die Mutter. Einmal hatte sie versucht, mit dem Vater zu telefonieren, doch er hatte, aus welchen Gründen auch immer, den Hörer einfach aufgelegt.

Aber für Isabella war das Leben in der Stadt so voller immer neuer Überraschungen, dass sie abgelenkt wurde, dass für sie der Himmel sozusagen voller Geigen hing.

Da die langen Hin- und Rückfahrten fortfielen, hatte Isabella als Studentin auch reichlich Freizeit, die sie mit ihren Freundinnen verbrachte. Für Isabella war alles so neu, so aufregend. Niemand war da, der ihr sagte, was sie tun und lassen musste. Sie traf ihre Entscheidungen selbst und fühlte sich glücklich und wohl.

Zwei ihrer engsten Freundinnen waren Carola Weiler und Anja Berling. Genau wie Isabella bewohnten sie eine eigene kleine Wohnung.

Dazu kam noch Ute Geiger, die jedoch in ihrem Elternhaus mitten in der Stadt lebte.

Ute Geiger war ein sehr frei erzogenes, sehr hübsches Mädchen. Sie hatte schwarzes halblanges in der Mitte gescheiteltes Haar. Ihre dunklen Augen sprühten vor Lebensfreude. Ute war ein Mädchen, das viel von Vergnügungen jeder Art hielt. Als Einzelkind aufgewachsen, war sie häufig auf sich allein gestellt, da die Eltern sehr oft auf Reisen waren. Es ergab sich ganz von selbst, dass die vier jungen Mädchen inzwischen unzertrennlich geworden waren.

Zurzeit waren Utes Eltern wieder einmal irgendwo im Ausland unterwegs. Für Ute bot sich eine willkommene Gelegenheit, wieder einmal eine Party zu arrangieren.

Schon am Montag nach der Vorlesung, als sich die vier jungen Mädchen vor der Uni trafen, sagte Ute: »Es ist alles klar, Leute, die Fete steigt am Samstag um fünf. Du kommst doch auch, Isabella, nicht wahr?«

»Ist doch Ehrensache, Ute. Wo werd ich mir denn das entgehen lassen?«

Lachend und scherzend trennten sich die vier jungen Mädchen. Anja, die keinen eigenen Wagen hatte, nahm neben Isabella Platz, da ihre Wohnungen in der gleichen Richtung lagen. Während der kurzen Fahrt zu Anjas Wohnung fragte Isabella die Freundin: »Sag ehrlich, Anja, haben Utes Eltern wirklich nichts gegen Partys, wenn sie abwesend sind?«

»I wo, keine Spur. Sie kümmern sich ja auch nicht viel um Ute, wenn sie mal zufällig daheim sind. Aber du kannst mir glauben, sie sind trotz allem sehr nett. Du wirst sie bestimmt auch einmal kennenlernen. Hast du nicht noch ein Stündchen Zeit? Komm mit hoch zu mir, ich mach uns einen Kaffee.«

*

Ein abendlicher Besuch in der neuen Diskothek »Kolibri« zeigte Isabella, wie fröhlich und ausgelassen ihre Freundinnen sein konnten. Da Isabella sich von dieser Fröhlichkeit anstecken ließ, wurde es ein vergnügter Abend. Zudem konnte Isabella sich kaum vor den jungen Männern retten, die alle mit ihr das Tanzbein schwingen wollten.

Noch lange vor Mitternacht verließen sie das »Kolibri« und fuhren heim. Man wollte ja für die Uni am nächsten Morgen frisch und ausgeruht sein.

Nach den Stunden in der Uni, so hatten Anja und Isabella es schon vorher abgemacht, sollte ein Einkaufsbummel durch die einschlägigen Kaufhäuser durchgeführt werden.

Fröhlich und guter Laune durchstreiften Isabella und Anja die Abteilungen. Sie suchten und probierten an. Die Wahl fiel bei der Vielfältigkeit der hübschen Kleider nicht leicht.

»Weißt du was, Isabella«, sagte Anja schließlich, »wir legen jedes Mal eine Pause ein und gehen in eine Eisdiele. Später gehen wir in Katjas Boutique, ein kleiner Laden in der Humboldtstraße, da gibt’s immer ganz tolle Fummel. Oder hat dir schon etwas besonders gefallen?«

»Schon, aber du weißt ja, wer die Wahl hat, hat die Qual. Wir haben noch massig Zeit.«

»Genau, also erst einmal auf zu Riccione auf einen Eisbecher. Sollte mich nicht wundern, wenn wir dort auch Carola antreffen, und Roselin mit ihrem Freund.«

»Carola …?« Fragend sah Isabella Anja an. »Sie hat doch aber heute Mittag nichts davon gesagt.«

»Ich weiß. Aber du weißt doch, dass Carola den Tonio gern sieht. Hast es doch gestern Abend in der Disco feststellen können.«

»Ach so, das wusste ich doch nicht«

»Du weißt vieles noch nicht, Isabella. Wenn du erst einmal länger mit uns zusammen bist, lernst du auch unsere Schwächen kennen. Ich für meinen Teil denke noch nicht daran, mich zu binden. Ich will noch etwas von meiner Jugend haben. Es sei denn, mir läuft einer über den Weg, bei dem es dann bei mir einschlägt. Und du …?«

»Ich lass es auf mich zukommen. Den Erstbesten nehme ich ganz bestimmt nicht. Wie du so schön gesagt hast, es muss einschlagen. Ist es noch weit bis zu diesem Riccione?«

»Um die nächste Ecke. Wenn es erst einmal richtig heiß wird, treffen wir uns dort sehr häufig.«

Wie Anja es gesagt hatte, so war es auch.