Sven lernt wieder lachen - Britta Frey - E-Book

Sven lernt wieder lachen E-Book

Britta Frey

5,0

Beschreibung

Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Die Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! In der Kinderklinik Birkenhain machte sich Dr. Kay Martens große Sorgen. Es ging um seine Schwester, die junge Kinderärztin Dr. Hanna Martens. Hanna hatte sich eine starke Erkältung zugezogen, die sie ein wenig zu leichtgenommen hatte. Auf seine besorgten Worte hatte sie nur lächelnd gesagt: »Ich bin doch keine Zuckerpuppe, Kay. Du kennst mich doch, mich wirft so schnell nichts um. In ein paar Tagen ist alles wieder vergessen.« Das war am Wochenende gewesen. Aber obwohl Hanna sich am Sonntag ziemlich geschont hatte, verschlimmerte sich ihr Befinden über Nacht. Ihr Husten wurde stärker. Es war anhaltender trockener Husten. Ihr Atem ging schneller, und es traten beim Husten und Atmen auf einmal Schmerzen in ihrer Brust auf. Hanna war Ärztin genug, um sofort zu erkennen, dass sich da etwas Ernsteres zusammenbraute. Als Kay am Montagmorgen den Wohnraum betrat, wunderte er sich darüber, dass Hanna nicht wie an jedem anderen Morgen schon wach war und das Frühstück für sie beide fertig hatte. Rasch stellte er die Kaffeemaschine an und deckte den Frühstückstisch. Danach klopfte er an Hannas Zimmertür und rief lachend: »Hallo, Schwesterherz, aufgewacht, es wird Zeit.« Als er auch nach einem nochmaligen Klopfen keine Antwort von ihr bekam, öffnete er besorgt die Tür und betrat das Zimmer. Im gleichen Augenblick begann Hanna erneut anhaltend zu husten. »Um Gottes willen, Hanna, was ist denn los mit dir?«

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Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Kinderärztin Dr. Martens Classic – 1 –

Sven lernt wieder lachen

Ohne Mutti war alles so traurig

Britta Frey

In der Kinderklinik Birkenhain machte sich Dr. Kay Martens große Sorgen. Es ging um seine Schwester, die junge Kinderärztin Dr. Hanna Martens.

Hanna hatte sich eine starke Erkältung zugezogen, die sie ein wenig zu leichtgenommen hatte. Auf seine besorgten Worte hatte sie nur lächelnd gesagt: »Ich bin doch keine Zuckerpuppe, Kay. Du kennst mich doch, mich wirft so schnell nichts um. In ein paar Tagen ist alles wieder vergessen.«

Das war am Wochenende gewesen. Aber obwohl Hanna sich am Sonntag ziemlich geschont hatte, verschlimmerte sich ihr Befinden über Nacht. Ihr Husten wurde stärker. Es war anhaltender trockener Husten. Ihr Atem ging schneller, und es traten beim Husten und Atmen auf einmal Schmerzen in ihrer Brust auf. Hanna war Ärztin genug, um sofort zu erkennen, dass sich da etwas Ernsteres zusammenbraute.

Als Kay am Montagmorgen den Wohnraum betrat, wunderte er sich darüber, dass Hanna nicht wie an jedem anderen Morgen schon wach war und das Frühstück für sie beide fertig hatte. Rasch stellte er die Kaffeemaschine an und deckte den Frühstückstisch.

Danach klopfte er an Hannas Zimmertür und rief lachend: »Hallo, Schwesterherz, aufgewacht, es wird Zeit.«

Als er auch nach einem nochmaligen Klopfen keine Antwort von ihr bekam, öffnete er besorgt die Tür und betrat das Zimmer.

Im gleichen Augenblick begann Hanna erneut anhaltend zu husten.

»Um Gottes willen, Hanna, was ist denn los mit dir?«, kam es bestürzt von Kays Lippen, denn aus fiebrig glänzenden Augen sah Hanna ihn an.

»Ich glaub, mich hat es doch erwischt, Kay. Du musst heute wohl ohne mich auskommen.« Ihre Stimme war heiser, und ihr Lächeln kläglich.

»Du machst vielleicht Sachen! Hanna, du hast ja hohe Temperatur«, sagte Kay, der eine Hand auf ihre Stirn gelegt hatte, nun doch erschrocken.

»Ich hole rasch ein Thermometer, dann werde ich dich erst einmal untersuchen. Du stehst auf keinen Fall auf.«

Als er mit seiner Untersuchung fertig war und auch die Temperatur gemessen hatte, sagte er betroffen: »Neununddreißig. Ich denke, dass wir nachher eine Lungenaufnahme machen.«

»Lungenentzündung, nicht wahr, Kay? Ich habe es schon selber erkannt«, kam es heiser über Hannas trockene Lippen. »Und da habe ich immer geglaubt, mir kann so etwas nicht passieren.«

»Es ist nun einmal passiert, Hanna. Ich hole dir jetzt etwas zu trinken, danach schicke ich dir Schwester Elli herauf, die dich in eines unserer Krankenzimmer bringt. Wir werden die Geschichte schon in den Griff bekommen.«

»Ich kann doch hier oben …«

»Auf keinen Fall. Ich will, dass du auf die Station kommst, da hast du bessere Pflege. Wenigstens für ein paar Tage. Du bist jetzt meine Patientin.«

Kay brachte Hanna ein großes Glas Mineralwasser, das sie bis auf den letzten Tropfen leer trank.

Obwohl Kay wusste, dass es selten zu Komplikationen kam, seitdem man eine Lungenentzündung mit Antibiotika behandeln konnte, machte er sich große Sorgen um Hanna. Denn auch mit einer Lungenentzündung war nicht zu spaßen.

*

In einer der großen Villen in einem Vorort von Regensburg lebten Professor Günther Martens und seine Frau Leonore. Eine Köchin und das Hausmädchen Lena wohnten schon seit Jahren im Haus und sorgten dafür, dass alles in Ordnung war. Trotzdem packte Leonore Martens mit an, denn sie war keine Frau, die nur die Hände in den Schoß legte.

Leonore war eine gut aussehende, gepflegte Frau mit ihren einundsechzig Jahren. Das schwarze Haar wies erst vereinzelte graue Härchen auf. Aber seit ihre einzigen Kinder, Kay und Hanna, sich selbstständig gemacht und sich so weit weg von der Heimat mit ihrer Kinderklinik eine eigene, schöne Existenz aufgebaut hatten, fehlte noch etwas, und sie fühlte sich oft sehr einsam.

Dabei war ihr Mann Günther fast jeden Nachmittag im Haus. Erst vor einem Jahr war er, fünfundsechzig geworden, in den Ruhestand getreten. Das betraf jedoch nur seine aktive Arbeit. Vormittags hielt er an der Uni noch seine Vorlesungen. Auch sie selbst war im karitativen Bereich tätig. Trotzdem vermisste sie vor allem die Fröhlichkeit ihrer selbstbewussten und klugen Hanna. In der letzten Zeit war immer öfter der Wunsch in ihr, ihre beiden Kinder einmal für einige Tage zu besuchen.

Mitten in ihrer Unterhaltung am Abendbrottisch klingelte draußen in der kleinen Halle das Telefon. Lena klopfte kurz danach und sagte: »Ein Anruf für Sie, Frau Martens. Es ist Ihr Sohn Kay.«

»Danke, Lena, ich komme schon.« Rasch erhob Leonore sich.

Als sie nach wenigen Minuten zurückkam, fragte ihr Mann lächelnd: »Nun, Liebes, was wollte der Junge?« Doch das Lächeln erstarrte auf seinem Gesicht, als er in ihr Gesicht blickte.

»Hanna ist erkrankt, Günther. Sie hat sich eine schwere Lungenentzündung zugezogen. Ich will sofort hin. Bitte erkundige du dich, wann der nächste Zug fährt, ich packe nur rasch einen kleinen Koffer.«

»Aber Leonore, Liebes, du willst doch wohl nicht mitten in der Nacht fahren wollen? Reicht es nicht, wenn du morgen früh den ersten Zug nimmst?«

»Nein, Günther, ich hätte doch die ganze Nacht keine ruhige Minute mehr. Außerdem ist es gerade erst zwanzig Uhr vorbei. Ich fühle es in meinem Herzen, dass unsere Hanna mich jetzt braucht. Bitte, tu, um was ich dich gebeten habe. Ich beeile mich mit dem Packen. Und bestelle mir auch sofort eine Taxe zum Bahnhof.«

Mit leichtem Kopfschütteln sah der hagere Mann hinter seiner Frau her, dann stand auch er auf und ging in die Halle zum Telefon.

Eine knappe Stunde später befand sich Leonore Martens schon im Eilzug, in Richtung Hannover. Obwohl ihr Mann für ein Schlafwagenabteil gesorgt hatte, war Leonore Martens viel zu aufgeregt, um auch nur ein Auge zu schließen. Ihre Gedanken galten ihrer erkrankten Tochter, ihrer Hanna.

In Gedanken an die Vergangenheit schlief Leonore Martens schließlich doch ein und wurde erst kurz vor dem Ziel vom Zugschaffner geweckt.

*

Martin Schriewers, der gerade seinen Dienst in der Aufnahme angetreten hatte, sah überrascht auf die schlanke gepflegte Dame, die aus dem soeben vorgefahrenen Taxi stieg.

Das war doch die Mutter von Kay und Hanna Martens. Kay musste sie wohl noch am vergangenen Tag benachrichtigt haben.

Eilig verließ er die Aufnahme und begrüßte sie höflich. Kennengelernt hatten er und seine Frau Marike die Eltern von Kay und Hanna bei der Eröffnung der Klinik, und das war inzwischen schon fast eineinhalb Jahre her. Nach ein paar Fragen nach dem Befinden von Marike fragte Martin Schriewers, ob er eine Schwester rufen sollte. Aber Leonore Martens antwortete mit einem ernsten Lächeln: »Nicht nötig, Herr Schriewers, ich kenne mich ja hier schon aus. Sagen Sie mir nur, ob meine Tochter oben in der Privatwohnung liegt oder auf der Krankenstation.«

»Auf der Station, Frau Martens, damit ständig jemand in der Nähe ist.«

»Danke, Herr Schriewers, dann gehe ich sofort hinauf«, erwiderte Leonore Martens. Sie nickte ihm noch einmal kurz zu und ging mit eiligen Schritten die Treppe hinauf.

Kay kam gerade mit sehr ernstem Gesicht aus Hannas Krankenzimmer. Seine Augen weiteten sich überrascht, als er die Frau sah, die mit eiligen Schritten auf ihn zukam: »Du, Mutter? Wo kommst du denn schon so früh am Morgen her?« Zärtlich umarmte er die schlanke Gestalt und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn.

»Wo soll ich schon herkommen, mein Junge? Mich hat es nach deinem Anruf gestern Abend nicht mehr daheim gehalten. Aber sag mir zuerst, wie es Hanna geht. Du hast mir und Vater mit deinem Anruf einen gehörigen Schrecken eingejagt.«

»Tut mir leid, Mutter, aber Hanna hat es schlimm erwischt. Ich glaube nicht, dass sie dich erkennen wird, die Temperatur ist auf einundvierzig gestiegen. Ich habe ihr gerade wieder Medikamente verabreicht, und auch sonst tun wir alles, um die Sache in den Griff zu bekommen.«

Rasch legte Leonore ihren Mantel ab und reichte ihn Kay.

»Wir sehen uns dann später, Junge.« Damit wandte sie sich ab und betrat leise das Krankenzimmer, das Kay kurz zuvor verlassen hatte.

Es war genauso, wie es Kay gesagt hatte. Schwester Elli, die gerade wieder den Schweiß von Hannas fieberheißer Stirn getupft hatte, machte bereitwillig Platz, als sie die Mutter der von allen verehrten jungen Chefin sah.

Mit leiser Stimme begrüßte sie Leonore und verließ dann still das Zimmer, um Mutter und Tochter für kurze Zeit allein zu lassen.

»Hanna, Mädel, ich bin es, Mutti«, sagte sie mit weicher Stimme. Sie beugte sich über die Fiebernde und legte mit einer sanften Geste ihre Hand auf die glühende Stirn.

Doch wie Kay es gesagt hatte, Hanna nahm die Mutter überhaupt nicht wahr. Sie hatte die Augen geschlossen, und ihr Kopf, die ganze Gestalt, bewegten sich unruhig hin und her.

Mit zarter Hand tupfte Leonore die Schweißperlen von Hannas Stirn und umfasste mit ihren kühlen Händen die fieberheißen ihrer Tochter. So blieb sie sitzen, bis Schwester Elli mit einer Kanne Tee und einem Glas das Zimmer wieder betrat.

»Wie lange geht das schon so, Schwester Elli?«, wollte sie wissen.

»Heute ist der zweite Tag, Frau Martens.«

»Ich bleibe einige Tage hier auf Birkenhain und werde Sie in der Betreuung und Pflege meiner Tochter ablösen, Schwester Elli. Ich will mich jetzt nur rasch umziehen und mich ein wenig frisch machen. Es war eine lange Fahrt hierher nach Ögela.«

»Darf ich Ihnen einen Kaffee besorgen lassen, Frau Martens?«

»Danke für das Angebot, Schwester Elli, aber ich werde mich in der Wohnung selbst versorgen.«

»Gehen Sie nur unbesorgt, Frau Martens, ich werde Frau Doktor inzwischen nicht aus den Augen lassen.«

Es dauerte noch zwei Tage und Nächte, in denen das Fieber in Hannas Körper wütete und sie schwächte, dann bekam Kay die Lungenentzündung endlich in den Griff, und die Temperatur ging langsam zurück. Nur für Stunden war Leonore in dieser Zeit dazu zu bewegen gewesen, von der Seite ihrer Tochter zu weichen, um etwas Schlaf zu bekommen.

»Wenn du noch lange so weitermachst, Mutter, dann kannst du dich gleich neben Hanna in ein Bett legen«, hatte Kay besorgt gesagt. Aber Leonore hatte immer nur abgewehrt und gesagt: »Ich kann Hanna nicht allein lassen. Sie braucht mich jetzt.«

Erst als sie wusste und selbst sah, dass Hanna die kritischen Stunden ohne weiteren Schaden überwunden hatte, zog sie sich erschöpft nach oben in Hannas Schlafzimmer zurück und fiel in einen tiefen, fast zehn Stunden andauernden traumlosen Schlaf.

*

»Wie hoch ist die Temperatur, Schwester Elli?« Fragend sah Kay die Oberschwester an, die gerade mit dem Fieberthermometer aus Hannas Zimmer kam.

»Weiter gesunken, es sind nur noch achtunddreißig sechs, Herr Doktor. Aber ich glaube, dass die vergangenen Tage sehr viel Kraft gekostet haben.«

Hannas Augen waren noch ein wenig trüb, als Kay an ihr Bett trat.

»Hallo, Schwesterherz, du hast uns vielleicht Sorgen gemacht! War wohl nichts, als du mir sagtest, dass dich so rasch nichts umwirft? Aber ganz im Ernst, ich bin ungeheuer erleichtert, dass wir die Sache endlich in den Griff bekommen haben. Deine Temperatur ist zwar noch erhöht, aber wenn es sich so weiterentwickelt, dann können wir alle zufrieden sein. Wie fühlst du dich?«

»So, als habe man mich durch den Wolf gedreht, am ganzen Körper wie zerschlagen«, antwortete Hanna mit matter Stimme.

»Kann ich mir vorstellen. Fieber schwächt den Körper immer ganz enorm.«

»Hör mal, Kay, mir war so, als ob Mutti hier war. Oder habe ich das vielleicht nur geträumt?«

»Du hast nicht geträumt, Hanna. Mutter kam gleich am zweiten Tag deiner Erkrankung und sie war kaum von deiner Seite zu bekommen. Gott sei Dank, jetzt schläft sie schon fast zehn Stunden. Sie war erst dazu bereit, als das Fieber bei dir zu sinken begann. Aber du solltest noch nicht zu viel reden, noch bist du nicht über den Berg und brauchst viel Ruhe. Du hast jetzt vier Tage keinerlei feste Speisen zu dir genommen. Du solltest versuchen, es jetzt mit etwas leichter Kost zu versuchen. Ich werde dafür sorgen, dass man dir eine kräftige Hühnerbrühe und dazu etwas frisches Weißbrot bringt. Deine Wangen sind in den wenigen Tagen richtig schmal geworden. Versuche jetzt, noch ein wenig zu schlafen. Schlaf ist in deinem Fall nun die beste Medizin.«

»Ich bin auch schrecklich müde, Kay«, entgegnete Hanna mit matter Stimme und schloss die Augen.

Leise verließ Kay nun das Krankenzimmer. Im Schwesternzimmer gab er Schwester Elli noch einige Anweisungen, danach ging er mit eiligen Schritten ins Erdgeschoss hinunter, wo er von seinen Mitarbeitern schon erwartet wurde.

*

Nach weiteren drei Tagen war Hanna zum ersten Mal fast fieberfrei. Am Abend, als Hanna schon schlief, saß Leonore Martens mit Kay oben in dem privaten Wohnraum und unterhielt sich mit ihm über Hanna.

»Weißt du, Junge«, sagte sie zu Kay. »Ich bin so froh darüber, dass es Hanna etwas besser geht. Aber ich meine, sie sollte nicht zu rasch wieder alle Aufgaben und Pflichten übernehmen. Ich will damit sagen, dass sie sich irgendwo in gesunder Luft ein paar Wochen so richtig von ihrer Erkrankung erholen kann. Ich weiß, du könntest jetzt einwenden, dass die Luft hier in der Heide gesund ist. Ich will es auch nicht abstreiten. Aber du kennst auch Hanna. Wenn sie hierbleiben würde, dann würde es ihr Ehrgeiz und ihr Selbstbewusstsein nicht lange zulassen, zuzusehen, wie ihr alle schafft, während sie selber die Hände in den Schoß legt. Nein, mein Vorschlag wäre schon, vielleicht für ein paar Wochen in den Schwarzwald zu fahren. Nun, was meinst du dazu?«

»Eine blendende Idee, Mutter, wenn es dir gelingt, Hanna dazu zu überreden. Weißt du, ich war inzwischen schon zwei Mal für einige Tage auswärts zu einem der Ärztekongresse, und Hanna ist dagegen überhaupt noch nicht fort gewesen. Ein richtig schöner Erholungsurlaub würde ihr guttun. Natürlich muss sie sich zuerst noch hier ein wenig erholen. Von heute auf morgen geht es freilich nicht.«

Eine halbe Stunde später wurde es dunkel hinter den Fenstern der kleinen Giebelwohnung.

Schon am nächsten Tag brachte Leonore Hanna gegenüber ihren Vorschlag zum Ausdruck, in Kürze einige Wochen in den Schwarzwald zu fahren, um sich richtig zu erholen und auszukurieren.

»Hat Kay dir das vorgeschlagen, Mutti?«

»Nein, Hanna, dieser Vorschlag kommt von mir persönlich. Aber ich habe gestern Abend mit Kay darüber gesprochen. Er findet ihn gut. Es geht ja nicht gut, wenn du dich zu schnell wieder in deine Arbeit stürzt und dadurch vielleicht sogar einen Rückfall bekommst. Während der letzten acht Tage musste es auch ohne dich gehen. Kay wird also auch noch einige Wochen länger allein auskommen müssen.«

»Wollt ihr mich hier loswerden, Mutti?« Hannas Stimme, noch immer etwas leise, klang halb scherzend und halb ernst.

»Aber, Hanna, Liebes, das glaubst du doch wohl selbst nicht«, entgegnete Leonore Martens betroffen.

»Es war nur ein Scherz, Mutti. Natürlich bedeutet mir die Arbeit sehr viel. Aber ich sehe auch ein, dass ich noch lange nicht so weit bin. Ich bin schon glücklich, dass ich bis jetzt alles so gut überstanden habe. Ich verspreche dir, dass ich darüber nachdenken werde … Beruhigt?«

»Ja, ich bin beruhigt. Du hast Zeit genug, es dir zu überlegen, denn bis zum Ende der Woche, das sind noch fünf Tage, bleibe ich bei euch. Danach fahre ich wieder zu Vater zurück, denn allzu lange möchte ich ihn nicht allein lassen.«

»Du bist ein Schatz, Mutti. Noch fünf Tage, dann haben Kay und ich ja noch etwas von dir. Weißt du, ich fühle mich ganz gut, und ich möchte eigentlich morgen hinauf in unsere Wohnung, da haben wir beide es etwas gemütlicher. Ich kann über den Tag auf der Couch liegen und mich von dir verwöhnen lassen. Außerdem können wir für die restlichen Tage noch ein zweites Bett in mein Schlafzimmer stellen lassen. Es würde mir guttun, dich einmal ganz in meiner Nähe zu haben, nicht nur hier im Krankenzimmer. Ich werde nachher, wenn Kay kommt, mit ihm darüber reden.«

»Ist es nicht noch ein wenig zu früh, Liebes?«

»Warum sollte es, Mutti? Ich bin heute schon den zweiten Tag fieberfrei. Außerdem habe ich doch Ärzte genug in unmittelbarer Nähe. Ich werde mir bestimmt noch nicht zu viel zumuten.«

»Das will ich wohl auch hoffen, Hanna«, kam da Kays Stimme von der Tür her. Er hatte das Zimmer unbemerkt betreten und die letzten Worte Hannas mitbekommen.

»Schön, dass es dir wieder besser geht. Ich möchte jedoch heute zur Kontrolle noch eine Lungenaufnahme machen. Ich denke doch, dass du mit dieser Maßnahme einverstanden bist. Noch einmal möchte ich die vergangenen Tage, vor allen Dingen die ersten fünf Tage, nicht durcherleben.«

»Natürlich bin ich einverstanden. Sag mir nur Bescheid, wann, dann stehe ich dir zur Verfügung. Ich möchte auch in unsere Wohnung hinauf, damit Mutti es für die paar Tage, die sie ja noch bei uns ist, ein wenig bequemer hat. Liegen kann ich auch oben.«

»Von mir aus, Hanna. Ich weiß ja, dass du jemanden bei dir hast, der schon dafür sorgen wird, dass du dir noch nicht zu viel zumutest. Nicht wahr, Mutti?«

Leonore Martens nickte nur zustimmend, dann sagte sie: »Ich wollte eigentlich noch etwas anderes zur Sprache bringen. Ihr wohnt zwar oben in eurer Wohnung recht gemütlich, aber reicht es euch auf die Dauer gesehen? Vater sagte doch vor einiger Zeit, dass ihr vorhabt zu bauen. Wie sieht es denn mit diesem Vorhaben aus? An den Finanzen kann es doch nicht liegen, oder? Ihr habt beide die Klausel in Opas Testament erfüllt, habt euch eure Existenz aufgebaut. Ihr könnt euch jederzeit euer Erbe auszahlen lassen. Und wir sind ja schließlich auch noch da.«

»Zum nächsten Frühjahr ist Baubeginn, Mutti. Wir haben schon vor längerer Zeit die ersten Vorgespräche mit einem Architekten geführt. Und zwar wollten wir hinten, hinter dem Klinikpark, einen Zweifamilienbungalow bauen lassen. Das Grundstück gehört auch zum Klinikgebäude, also uns. Aber gut Ding will Weile haben. Du kennst das alte Sprichwort, Mutti. Natürlich brauchen wir dazu auch unser Erbteil von Opa. Unsere jetzige Wohnung kann dann von einem unserer Mitarbeiter oder für Pflegepersonal genutzt werden. Bist du zufrieden mit dieser Auskunft?«

»Prima, mein Junge, mehr wollte ich auch nicht wissen«, gab Leonore Martens ihrem Sohn lächelnd zur Antwort.

*

Dann war es so weit. Es war ein sonniger Herbstmorgen, als Hanna ihre Koffer verstaute, um ihre Reise in den Schwarzwald anzutreten.