Anjas wunderbare Rettung - Britta Frey - E-Book

Anjas wunderbare Rettung E-Book

Britta Frey

5,0

Beschreibung

Sie ist eine bemerkenswerte, eine wirklich erstaunliche Frau, und sie steht mit beiden Beinen mitten im Leben. Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Alle Kinder, die sie kennen, lieben sie und vertrauen ihr. Denn Dr. Hanna Martens ist die beste Freundin ihrer kleinen Patienten. Der Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Es gibt immer eine Menge Arbeit für sie, denn die lieben Kleinen mit ihrem oft großen Kummer wollen versorgt und umsorgt sein. Für diese Aufgabe gibt es keine bessere Ärztin als Dr. Hanna Martens! Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen extrem liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! Sie träumte. Es war ein Traum, den Karin Seibel schon oft gehabt hatte. Jemand, der das mal erlebt hatte, würde es verstehen, aber andere würden sich vielleicht bezeichnend an die Stirn tippen. Karin Seibel träumte und wußte, daß es nur ein Traum war. Und doch konnte sie sich nicht daraus befreien. Wie gesagt, sie hatte es schon oft geträumt. Und dabei war ihr nichts neu gewesen, von Anfang an nicht, denn sie erlebte im Traum immer wieder das, was sich genauso ereignet hatte, wie sie es träumte. Sie sah sich im Traum wieder in dem tiefen Wohnzimmersessel sitzen und an einem Pullover für Anja stricken. Anja war ihre kleine Tochter, damals erst zwei Jahre alt. Bis zu jenem Tag hatte Karin sich für eine durchschnittlich glückliche Ehefrau gehalten. Sie lebte mit Anja, ihrer süßen kleinen Tochter, und Klaus, ihrem Mann, der als Architekt nicht schlecht verdiente, in einem hübschen Haus in Hannover. Klaus war zuerst ein wenig enttäuscht gewesen, daß Karin keinen Sohn zur Welt gebracht hatte – aber dann hatte er entdeckt, daß seine kleine Tochter ihm immer ähnlicher wurde. Und bald schon dachte er gar nicht daran, wie sehr er sich über einen Sohn gefreut hätte. »Wir sind ja noch jung – wir können noch mehr Kinder haben«, pflegte er mit einem zärtlichen Augenzwinkern zu sagen. »Das nächste Kind wird sicher ein Junge.« Karin sah hoch, als er zu ihr trat. Aber er neigte sich nicht zu ihr, um sie zu küssen. Das tat er seit einiger Zeit nicht mehr. Karin hatte ihn immer schon fragen wollen, was mit ihm los war.

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Kinderärztin Dr. Martens – 37 –

Anjas wunderbare Rettung

Ihr Leben hing am seidenen Faden

Britta Frey

Sie träumte. Es war ein Traum, den Karin Seibel schon oft gehabt hatte. Jemand, der das mal erlebt hatte, würde es verstehen, aber andere würden sich vielleicht bezeichnend an die Stirn tippen. Karin Seibel träumte und wußte, daß es nur ein Traum war. Und doch konnte sie sich nicht daraus befreien.

Wie gesagt, sie hatte es schon oft geträumt. Und dabei war ihr nichts neu gewesen, von Anfang an nicht, denn sie erlebte im Traum immer wieder das, was sich genauso ereignet hatte, wie sie es träumte.

Sie sah sich im Traum wieder in dem tiefen Wohnzimmersessel sitzen und an einem Pullover für Anja stricken. Anja war ihre kleine Tochter, damals erst zwei Jahre alt.

Bis zu jenem Tag hatte Karin sich für eine durchschnittlich glückliche Ehefrau gehalten. Sie lebte mit Anja, ihrer süßen kleinen Tochter, und Klaus, ihrem Mann, der als Architekt nicht schlecht verdiente, in einem hübschen Haus in Hannover.

Klaus war zuerst ein wenig enttäuscht gewesen, daß Karin keinen Sohn zur Welt gebracht hatte – aber dann hatte er entdeckt, daß seine kleine Tochter ihm immer ähnlicher wurde. Und bald schon dachte er gar nicht daran, wie sehr er sich über einen Sohn gefreut hätte.

»Wir sind ja noch jung – wir können noch mehr Kinder haben«, pflegte er mit einem zärtlichen Augenzwinkern zu sagen. »Das nächste Kind wird sicher ein Junge.«

Karin sah hoch, als er zu ihr trat. Aber er neigte sich nicht zu ihr, um sie zu küssen. Das tat er seit einiger Zeit nicht mehr. Karin hatte ihn immer schon fragen wollen, was mit ihm los war. Aber irgendeine, unbestimmte Furcht hatte sie bis jetzt zurückgehalten. Es war ihr manchmal, als wollte sie die Wahrheit in Wirklichkeit gar nicht erfahren, weil sie so schon wußte, daß sie ihr Kummer bereiten würde.

Klaus nahm ihr gegenüber Platz, zog umständlich die Zigarettenpackung hervor und schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Dann lehnte er sich zurück und sagte zögernd: »Ich möchte etwas mit dir besprechen, Karin.«

»Ja«, erwiderte sie zögernd und war bemüht, sich nichts von der eiskalten Furcht anmerken zu lassen, die sich plötzlich um ihr Herz preßte.

»Ich sage dir wohl kaum etwas Neues, Karin, wenn ich hervorhebe, daß es zwischen uns nicht mehr so ist wie früher.«

»Da hast du recht, damit sagst du mir nichts Neues, Klaus. Ich bin froh, daß du endlich darüber reden willst.« Sie hatte immer noch keine Ahnung. Und sie war auch keineswegs darauf vorbereitet, was jetzt kam, Schlag auf Schlag.

»Ich hätte es dir schon längst sagen sollen, Karin.«

»Was hättest du mir schon längst sagen sollen?« wollte sie zaghaft wissen. Die Angst wurde größer. Sie konnte sich nicht dagegen wehren.

»Weißt du – es ist nämlich so: Gefühle können sich mit der Zeit verändern. Sie fahren sich ein, werden zur Gewohnheit. Und ehe man es sich versieht, muß man einsehen, daß sich das Leben festgefahren hat. Genauso ist es bei uns.«

»Glaubst du, daß es an mir liegt, Klaus?« fragte sie und sah ihn still an. Sie wirkte irgendwie ergeben, und das brachte ihn gegen sie auf. Vielleicht wurde er deshalb rücksichtsloser.

»Schuld, Schuld«, stieß er ärgerlich hervor. »Wem soll man denn die Schuld zuschieben? Das wäre wohl zu einfach.«

»Ja«, sagte sie gehorsam, »das wäre es wohl.«

»Himmel, Karin, warum stimmst du nur immer zu? Hast du wirklich keine eigene Meinung?« brach es aus ihm heraus.

Sie sah ihn mit großen Augen an.

»Doch«, sagte sie still und strich sich eine vorwitzige dunkelblonde Locke nach hinten. »Natürlich habe ich eine eigene Meinung. Aber willst du mich verurteilen, wenn meine Meinung sich mit der deinen deckt, Klaus?«

»Ach, weißt du, das gibt es einfach nicht. Es ist nicht möglich, daß zwei Menschen dauernd dieselbe Meinung haben. Das kannst du mir nicht weismachen.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß es das ist, worüber du mit mir reden willst, Klaus. Möchtest du nicht also zum Kernpunkt kommen?«

»Natürlich, nur zu gern. Sag mir hinterher nicht, daß ich rücksichtslos gewesen bin.«

»Ich werde mir Mühe geben«, war ihr ruhige Antwort. Sie hatte ihre Handarbeit längst in den Schoß sinken lassen und sah ihn aufmerksam an. »Ja«, bekräftigte sie, »ja, ich werde mir Mühe geben, dich nicht rücksichtslos zu finden. Aber solltest du nicht endlich reden? Du bist ja ganz nervös.«

»Ist das ein Wunder? Du bist es, die mich nervös macht.«

»Das glaube ich dir nicht. Ich sitze doch nur ruhig hier und versuche, dir zuzuhören.«

»Merkst du eigentlich nicht, Karin, daß wir uns aneinander aufreiben?« rief er da aus, stand auf und lief zum Fenster. Er legte die Stirn gegen die kühle Scheibe und sagte dumpf: »Spürst du nicht selbst, wie sehr du mich einengst?«

»Ich fürchte, das mußt du mir schon etwas näher erklären«, sagte sie und sah ihn aufmerksam an.

»Das ist es ja gerade! Wenn du einen auf diese Weise anschaust, hat man immer das Gefühl, dir unrecht zu tun.«

»Das tut mir leid – aber ich weiß wirklich nicht, wie ich dich sonst ansehen soll.«

»Ach, lassen wir das. Es führt ja doch zu nichts. Also – langer Rede kurzer Sinn. Ich möchte aus dieser Ehe ausbrechen, Karin.«

Karin hatte das Gefühl, als sei ihr ganzer Körper jetzt von der eisigen Kälte ergriffen, und sie könnte sich absolut nicht mehr bewegen – niemals mehr.

Sie holte tief Luft und preßte ihre Hände im Schoß gegeneinander, bis es schmerzte. Dann sah sie ihn mit traurigen Augen an. Aber das spürte er nicht, denn er wandte ihr immer noch den Rücken zu. Es war, als könnte er sie nicht ansehen. Er fühlte sich auch wirklich schuldig.

»So, du möchtest ausbrechen«, sagte sie und zwang sich dazu, ihre Stimme normal klingen zu lassen. »Ist das eine Art von höflicher Umschreibung? Ich meine, vermeidest du mit voller Absicht, es beim Namen zu nennen?«

»Was beim Namen nennen?«

»Nun, ich habe zum Beispiel das Gefühl, als wolltest du mich soeben um die Scheidung bitten, weißt aber noch nicht, wie du es mir am besten beibringen sollst.«

Er spürte ihren Blick im Rücken. Endlich wandte er sich um. Karin blieb ruhiger, als er erwartet hatte. Im Grunde genommen hätte er gar nicht zu beschreiben vermocht, was er denn eigentlich erwartet hatte.

»Kannst du hellsehen?« fragte er verblüfft. Dann aber nahm er sich zusammen, straffte sich und fuhr energischer fort: »Ja, ich wollte dich um die Scheidung bitten, Karin.«

»Ist es vermessen, eine Frage zu stellen? Es gibt da eine andere Frau, nicht wahr? Eine, in die du dich verliebt hast, so sehr, daß du deine Frau und deine kleine Tochter darüber vergessen hast?«

»Drück dich nicht so hochdramatisch aus, Karin. Niemand kann etwas für seine Gefühle. Es hat wahrscheinlich gar keinen Zweck, dir zu sagen, daß ich mich gegen meine Empfindungen gewehrt habe, jedenfalls anfangs. Aber dann habe ich erkennen können, daß das, was dich und mich verband, nichts ist im Vergleich zu dem Gefühl, das Britta und mich verbindet.«

»Und Britta will dich ganz für sich haben, ja?« fragte sie. Tränen saßen ihr plötzlich in der Kehle, aber sie wußte in diesem Augenblick schon, daß keine einzige davon geweint würde. Karin fühlte sich innerlich und äußerlich wie erstarrt. Nur ihr Verstand arbeitete noch, präzise und scharf, messerscharf!

»Ja«, gab er zu. »Und ich will auch bei ihr sein, Tag und Nacht, und nicht nur ein paar armselige Stunden.«

»Hast du dir das alles ganz genau überlegt, Klaus?« wollte sie plötzlich wissen. In ihren klaren grauen Augen stand ein gewisser Ausdruck, der ihn sich unendlich schuldig fühlen ließ. Aber er wollte sich darüber hinwegsetzen. Er wollte dieses Gespräch zu Ende bringen. Karin würde vernünftig sein. Sie war zwar eine sehr anschmiegsame und einfühlsame Frau, aber er kannte auch ihren ungeheuren Stolz.

»Wenn ich das nicht hätte, würde ich mich nicht mit dir darüber unterhalten.«

»Du hättest vielleicht schon früher mit mir reden sollen, Klaus. Vielleicht ganz am Anfang eurer Beziehung. Dann hätten wir vielleicht noch alles retten und in den Griff bekommen können.«

»Das glaube ich nicht. Diese Liebe kam mit wahrer Brachialgewalt über uns. Wir konnten uns nicht lange wehren, obwohl wir es beide versucht haben. Zu Anfang jedenfalls, wie ich dir schon sagte. Aber wir können nicht ohne einander leben.«

»Jetzt bist du aber dramatisch, Klaus«, warf sie still ein. Er sah sie erst verblüfft an, straffte sich dann und erwiderte beinahe trotzig: »Wenn das, was ich sage, sich so anhört, kann ich nichts daran ändern. Es ist jedenfalls haargenau das, was ich empfinde.«

»Wann möchtest du, daß ich ge­he?« fragte sie ihn plötzlich. Er starrte sie einen Moment lang fassungslos an. So einfach war das also, durchzuckte es ihn. Sie kämpfte nicht um ihn. Sie machte noch nicht einmal den­ allerkleinsten Versuch, ihn zu halten­. Sie hatte noch nicht einmal eine einzige Träne. Das fand er em­pörend.

»Du brauchst nicht zu gehen, Karin, wenn du es nicht willst. Ich bin bereit, dir das Haus zu überlassen.«

»Vielen Dank, das ist sehr anständig von dir – aber ich möchte es gar nicht haben. Ich will, wenn ich gehe, absolut nichts haben, Klaus. Gar nichts. Ich wäre sogar dankbar, wenn ich all meine Erinnerungen hierlassen könnte, wenn ich gehe.«

»Dann gib mir Bescheid, wenn du eine neue Adresse hast. Willst du die Scheidung einreichen?«

»Ach – wollen wir das nicht lieber zusammen tun? Vielleicht beschleunigt das die ganze Sache.«

»So eilig hast du es plötzlich, von mir geschieden zu werden?« fragte er wütend. Irgendwie war er zutiefst gekränkt. Seiner Ansicht nach hätte Karin wirklich ein paar Tränen vergießen können.

Karin sah ihn erst erstaunt an. Dann brachte sie ein kleines Lächeln zustande.

»Bist du es nicht, der eine Scheidung anstrebt?« fragte sie überrascht. »Warum wehrst du dich dann, wenn ich alles beschleunigen will? Du hast dich nicht darum gekümmert, was ich empfinde, wenn du mir sagst, daß du dich einer anderen Frau zugewandt hast, Klaus. Jetzt aber, da die Trennung beschlossene Sache ist, gehen dich meine Empfindungen nichts mehr an. Irgendwann in nächster Zukunft wirst du ein Fremder für mich sein:«

»Das akzeptiere ich nicht. Ich habe schließlich auch noch eine Tochter!« trumpfte er auf. Karin nickte zustimmend.

»Und es geht auch einzig und allein um Anja. Ich werde allem zustimmen, was du willst– aber dafür mußt du auf Anja verzichten. Es wird dir nicht allzu schwerfallen, nehme ich an.«

»Du kannst mich doch nicht einfach von meiner Tochter trennen, Karin!« rief er empört aus. Da endlich wurde auch sie lebhafter.

»Ich bin es nicht, die die Scheidung will, Klaus. Bitte, vergiß das nicht. Entweder verzichtest du auf Anja oder aber ich kämpfe. Du weißt sicher, daß ich die Scheidung jahrelang hinauszögern kann, wenn ich nur einen guten Anwalt habe, nicht wahr?«

»Du willst also, daß ich Anja nie wiedersehe, oder?« vergewisserte er sich erregt. Karin neigte zustimmend den Kopf.

»Genauso ist es. Ich will nicht, daß das Kind hin und her gerissen wird. Anja ist noch klein. Sie wird dich bald vergessen haben.«

»Du willst mir das Kind nehmen?«

»Ja, in Anjas Interesse. Ich will nicht, daß sie ein verhaltensgestörtes Scheidungskind wird.«

»Aber das kannst du nicht!« begehrte er auf und sah sie wütend an. Karin fühlte sich schon ein wenig besser. Es war ja nur allzu menschlich, daß sie ihm auch Schmerz zufügen wollte. Immerhin war er im Begriff, ihr ganzes bisheriges geordnetes Leben umzukrempeln, ohne Rücksicht darauf, ob sie es nun gewollt hatte oder nicht.

»Du wirst sicher mit Britta Kinder haben, Klaus. Da kannst du Anja dann leichter vergessen.«

»Britta erwartet bereits ein Kind«, sagte er dumpf. »Deshalb hast du mich in der Hand. Sie besteht darauf, daß ich mich ganz schnell scheiden lasse, damit ich sie so bald wie möglich heiraten kann. Sie besteht darauf, daß das Kind ehelich geboren wird.«

»Das kann ich gut verstehen. Mir würde es auch so gehen. Du hättest vielleicht die Reihenfolge einhalten sollen, Klaus.«

»Die Reihenfolge einhalten? Was soll das? Wie meinst du denn das schon wieder?« Er fühlte sich von ihrer Ruhe und Besonnenheit in die Enge gedrängt, und das ärgerte ihn maßlos. Er hatte sich den Verlauf dieser Aussprache wahrlich ganz anders vorgestellt. Daß es nicht so war, brachte ihn völlig durcheinander.

»Die Reihenfolge? Nun, ganz einfach: zuerst Scheidung, dann Hochzeit und dann das Kind.«

»Bitte hör auf, mir im Nachhinein noch Verhaltensmaßregeln zu geben, Karin.«

»Du hast recht, verzeih mir. Das geht mich nichts an. Es geht mich auch nichts an, daß mein Mann mit einer anderen Frau ein Kind haben wird. Es geht mich auch nichts an, daß er mich, offenbar schon seit längerer Zeit, betrogen hat. Und es geht mich schon gar nichts an, daß er die Frau, die uns auseinanderbrachte, so schnell wie möglich heiraten will. Ich will dir mal etwas sagen, Klaus: Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt. In abgeänderter Form – entweder verzichtest du von Anfang an auf Anja – oder es gibt Schwierigkeiten. Kein Mensch auf der Welt, nicht einmal du, kann alles auf einmal haben. Je eher du das ein­siehst, desto schneller können wir uns scheiden lassen.«

»Und was ich dabei durchmache, kümmert dich wohl nicht, wie?«

Nun lagen ihre großen grauen Augen mit erstauntem Ausdruck auf ihm, als sie erwiderte: »Kümmert es dich, was ich fühle, Klaus? Darüber hast du dich doch fein hinweggesetzt, oder? Du hast nicht an Anja oder mich gedacht, als du das Verhältnis mit dieser Britta begonnen hast.«

»Du bist in der stärkeren Position. Und das nutzt du auch weidlich aus.«

»Das sollte dich doch nicht wundern, Klaus. Also – überleg es dir. Ich habe Zeit. Du willst die Scheidung, ich nicht.«

Karin kam sich ungeheuer boshaft dabei vor. Vielleicht war es das auch – aber das konnte man ihr schließlich nicht verübeln. Klaus konnte froh sein, daß sie ihm keine hysterische Szene machte. Offenbar hatte er damit gerechnet.

Karin legte die Handarbeit ordentlich ins Körbchen, das sie mit hinausnehmen wollte. Sie wollte allein sein. Es schien ihr unmöglich, ihn noch länger um sich zu ertragen.

An der Tür wandte sie sich um.

»Ich werde auf der Couch im Kinderzimmer schlafen, von heute an«, sagte sie still. Er schüttelte den Kopf.

»Das wird auch nicht notwendig sein. Ich packe nur meinen Koffer, dann gehe ich. Britta hat ein hübsche Wohnung, in der wir bleiben können, bis die Scheidung vollzogen ist. Ich hoffe, du verlangst keine allzu hohe Abfindung von mir, und später keine übertriebenen Unterhaltszahlungen.«

»Keine Angst, Klaus. Ich werde noch nicht einmal etwas für Anja von dir annehmen. Wie du weißt, habe ich immer noch fabelhafte berufliche Angebote.« Sie hatte bis zu ihrer Heirat als erfolgreiche Designerin gearbeitet.

»Du könntest Schwierigkeiten haben, wieder in deinem Beruf zu arbeiten.«

»Wie du weißt, habe ich in den vergangenen drei Jahren einige Sachen verkauft, die fabelhaft bezahlt worden sind. Ich bin auch am Verkaufserlös beteiligt. Das Geld liegt noch auf der Bank, und es vermehrt sich gottlob, ohne daß ich etwas dafür tun muß. Deshalb kann ich auch großzügiger sein, als du gedacht hast.«

»Und du willst das Haus wirklich nicht?« fragte er und fühlte sich auf einmal hundeelend.

»Nein, wirklich nicht. Vielleicht gefällt es Britta. Frag sie doch einfach mal.«

Damit ging sie hinaus. Sie war lange nicht so ruhig, wie es den Anschein hatte. Aber um nichts in der Welt hätte sie in seiner Gegenwart ihren Kummer­ gezeigt. Irgendwie war Klaus, den sie doch liebte, ihr Feind geworden. Sozusagen von einer Minute auf die andere. Und sie konnte tun, was sie nur wollte – sie konnte nicht mehr den geliebten Menschen in ihm sehen, sondern nur noch den Feind, der ihr so geordnetes Leben völlig durcheinandergebracht hatte, ohne zu fragen, ob sie das überhaupt verkraftete.

Die folgenden Wochen waren die reinste Tortur. Karin fixierte sich völlig auf Anja, die ein sonniges Wesen hatte und mit geradezu abgöttischer Liebe an ihrer Mutter hing. Anja hatte wohl anfangs einige Male nach Klaus gefragt, sich aber immer damit zufriedengegeben, wenn Karin sagte, daß der Papa keine Zeit habe, weil er sehr viel arbeiten müsse. Es schien, als habe die Kleine den Vater schon vergessen. Und Karin war dankbar dafür.

Sie war auch Klaus dankbar, daß er nur abends kam, um noch persönliche Sachen zu holen. So ging er Anja aus dem Wege. Und Karin half ihm auch nicht beim Zusammensuchen der Sachen, die er mitnehmen wollte. Sie mochte nicht mit ihm gemeinsam ins Schlafzimmer gehen. Das war, wie sie fand, ein sehr intimer Raum. Und Intimitäten gab es nicht mehr zwischen ihnen. Manchmal mußte sie sich sogar fragen, ob es die überhaupt jemals gegeben hatte.

Manchmal wünschte sich Karin, weinen zu können. Die Tränen saßen ihr sehr oft oben im Hals, aber sie war nicht fähig, sie herauszulassen.

Sie brauchten nur einen Anwalt. Die Sache lag klar zwischen ihnen. Es vergingen kaum zwei Monate, da war die Scheidung ausgesprochen. Sie verließen nebeneinander das Gerichtsgebäude. Äußerlich wirkten sie wie ein Paar, aber innerlich waren sie Meilen voneinander entfernt. Es war, als sei jeder von ihnen in ein anderes Leben getreten, mit dem der andere absolut nichts zu tun hatte. Und vielleicht war das auch so.

Klaus sah Karin unsicher an.

»Was wirst du nun tun?« fragte er kleinlaut. Irgendwie kam er sich ihr gegenüber schuldig vor. Ekelhaftes Gefühl!