Ein Weihnachtswunsch für Julia - Adaja Kingsley - E-Book

Ein Weihnachtswunsch für Julia E-Book

Adaja Kingsley

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Beschreibung

Pleite, arbeitslos und single. Weihnachten hat Julia sich anders vorgestellt. An Heiligabend erhält sie kurzfristig eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch, die sie trotz Schneesturm wahrnehmen möchte. Dummerweise bleibt das Auto in einer Schneeverwehung stecken und zu allem Übel ist der Handyakku leer. Auf der Suche nach Hilfe entdeckt sie mitten im Wald eine Hütte, in die sie notgedrungen einbricht. Als der attraktive Eigentümer Ricardo auftaucht und sie für den Gast seiner Freundin hält, steigt Julia auf diese Verwechslung ein, ahnungslos, um wen es sich bei dem Gastgeber tatsächlich handelt. Eine turbulente Weihnachtsgeschichte voller Humor und prickelnder Momente.

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Ein

Weihnachtswunsch für Julia

Adaja Kingsley

 

 

Für alle, die Fettnäpfe so zielsicher finden wie ich.

 

Adaja

 

Inhalt

1 Im Schnee

2 Klopf, klopf …

3 Adieu

4 Von allem befreit

5 Revenge

6 Wer zuletzt lacht …

7 Erster Weihnachtsfeiertag

8 Das Verhör

9 Die harte Realität

10 Falsches Spiel

11 Nichts als die Wahrheit

12 Aller Anfang ist schwer

13 Das Einstellungsgespräch

14 Das erste Date

15      Trügerisches Spiel

16 Der Schurke im Turm

 

Erster Akt:

Die Begegnung

1 Im Schnee

Seit letzter Nacht fällt Schnee. Wenn du jetzt durch den Wald gehst, ist er nicht mehr finster. Alle Geräusche sind gedämpft. Lautlos schweben die Flocken herab und hüllen alles in Wattemäntelchen und Puderzuckerglasur. Das Weiß deckt alles zu: Schönes und Unschönes – ohne Fragen zu stellen.

Inmitten dieser zauberhaften Winterillusion lausche ich dem Knirschen des Schnees unter meinen Sohlen. Eisiger Wind bläst dicke Flocken unter meinen Schal. Doch ich lasse mich nicht davon beirren und marschiere in die Richtung, von der ich hoffe, dass sie mich ans Ziel bringt. Mittlerweile sind meine Füße zu kalt, um sie überhaupt noch zu spüren. Kein Wunder, denn meine Kleidung ist völlig ungeeignet, um durch den Wald zu stapfen. Die dünnen Lederstiefeletten eignen sich im Winter allenfalls, um damit im Büro zu sitzen, und genau das ist auch mein Plan gewesen.

Normalerweise mag ich dieses Wetter, aber heute verfluche ich es. Heute verfluche ich alles. Und zu allem Überfluss ist heute auch noch Heiligabend!

Welcher Irre vereinbart an Heiligabend einen Termin für ein Vorstellungsgespräch? Wobei dazu zwei gehören. Ein Irrer, der den Termin vorschlägt, und eine wie ich, die bescheuert und auch arm genug dran ist, um aus lauter Verzweiflung darauf einzugehen.

Ich bleibe stehen und sehe auf meine Armbanduhr: sechzehn Uhr. In einer halben Stunde ist der Termin. Pünktlichkeit kann ich jetzt vergessen, aber weiter muss ich dennoch. Mein verdammtes Auto ist in den Graben gerutscht, was kein Wunder ist, da die Winterreifen kein Profil mehr haben. Keine Menschenseele ist vorbeigekommen, und mein Handy ist gesperrt, bis ich die offene Rechnung beim Anbieter begleichen kann.

Also stapfe ich durch den Wald, in die Richtung, in der ich das nächste Dorf vermute. Ich bin im Sommer schon hier spazieren gegangen und davon überzeugt, dass ich den Weg problemlos finde. Doch bei jedem weiteren Schritt stelle ich fest, dass im Sonnenschein alles anders ausgesehen hat. Im Schneegestöber erkenne ich nichts mehr wieder.

Während ich versuche, mich zu orientieren, denke ich darüber nach, dass ich schon trostlose Weihnachtsfeste erlebt habe. Diese Feiertage haben jedoch große Chancen, der Höhepunkt einer langen Tradition zu werden. Einen Augenblick überlege ich, den Notruf doch anzurufen, die Blöße will ich mir allerdings ungern geben. Ich bin einmal mit einem furchtbaren Ausschlag am Hinterteil an Heiligabend beim ärztlichen Notdienst gewesen und habe dort für allgemeine Erheiterung gesorgt. Eine Polizeisuchaktion nach mir im abendlichen Wald muss sich nicht auch noch in diese traurige Geschichte sonderbarer Weihnachtserlebnisse einreihen.

Weit kann ich aber mit meinen unterkühlten Gliedmaßen nicht mehr gehen. Am Ende werde ich erfrieren, allein im Wald – an Heiligabend. Ein dramatischer Abgang, von dem die Nachwelt nur erfahren wird, wenn mich jemand findet, ehe die Tiere mich fressen. Obwohl mein Dasein dann wenigstens noch einen guten Zweck erfüllt hätte.

Indessen meine Gedanken weiter darum kreisen, wie eine der Wildkatzen, die hier angeblich leben, das gefrorene Fleisch von meinen Knochen nagt, bevor ein Wanderer im Frühjahr meine kläglichen Überreste findet, versperrt mir ein Zaun den Weg.

Ein Zaun! Menschliches Leben! Zivilisation!

Ich sehe den Jägerzaun entlang und entdecke durch den immer heftiger werdenden Schneefall hindurch eine Hütte zwischen den Bäumen. Ein hölzernes Bauwerk, nicht allzu groß, die Fensterläden geschlossen. Offenbar habe ich mich tatsächlich verlaufen. Bei meinen Spaziergängen im Sommer bin ich nie an dieser Hütte vorbeigekommen.

Mittlerweile ist es fast siebzehn Uhr und längst dunkel. Die Hütte wirkt verlassen, aber mit ein bisschen Glück finde ich dort eine Möglichkeit, mich aufzuwärmen. Ohne Licht kann ich ohnehin nicht weitergehen.

Ich stapfe durch den Schnee, klettere über das niedrige Eingangstor und komme auf der winzigen Holzveranda vor einer Tür zum Stehen. Natürlich ist sie verschlossen. Auf dem Boden erkenne ich, von zarten Schneeflocken bedeckt, eine neu aussehende Fußmatte, auf der Welcome steht. Ich interpretiere das Willkommen als Einladung und folge meinem Instinkt. Ein Versuch ist es wert, wenn auch sicher niemand so blöd ist. Hoffnungsvoll hebe ich die Matte an und tatsächlich: Darunter liegt ein Schlüssel. Mit halb erfrorenen Fingern schließe ich die Tür auf und schlüpfe in die Hütte. Mein Unrechtsbewusstsein ist längst vor Kälte erstarrt, schließlich lauert draußen der Tod auf mich – und die Wildkatzen.

Im Eingangsbereich ist es nahezu dunkel. Erstaunlicherweise riecht die Luft frisch, beinah blumig. Schemenhaft erkenne ich einen Lichtschalter an der Holzwand und drücke darauf. Alle meine Hoffnungen werden erfüllt, als das Licht angeht. Ich überlege, ob ich meinen Mantel an die Garderobe hängen soll, doch dazu friere ich noch zu sehr. Neugierig spähe ich in den Wohnbereich. Ein kleiner offener Kamin mit Stuhl, Sofa und einem Tisch davor, daneben ein Stapel trockenes Holz. Ich jauchze leise, dann sehe ich die Tür zu einem Nebenraum.

Neugierig öffne ich sie und trete auf die Schwelle. Zu meinem Erstaunen entdecke ich eine Miniküche und bereits beim Öffnen der ersten Schranktür finde ich eine gefüllte Kaffeedose. So flink, als wäre ich hier seit Jahren zu Hause, ist die Kaffeemaschine eingeschaltet und das Feuer entzündet. Die Hütte ist ein Volltreffer.

Einige Zeit später sitze ich mit einem Becher dampfendem Kaffee in der Hand auf dem Stuhl, denn so kann ich ganz nah vor den Kamin. An den noch kleinen Flammen wärme ich mich auf. Was von außen so unscheinbar gewirkt hat, hat sich als Paradies entpuppt: ein kleiner Wohnraum mit Sofa, das zum Schlafen geeignet ist, der Kamin und trockenes Feuerholz. Es gibt Strom, und in der winzigen Küche ist sogar der Kühlschrank gefüllt. Das allerdings beunruhigt mich. Wieso sollte jemand den Kühlschrank mit frischen Sachen bestücken, wenn er nicht vorhat, hierherzukommen?

Während die Wärme in meinen Körper zurückkehrt, steigt auch das Gefühl, ein unwillkommener Eindringling zu sein. Aber heute ist Heiligabend – wer verbringt den schon freiwillig in einer einsamen Waldhütte? Ich ziehe mir die Decke ein wenig von den nackten Beinen, denn langsam wird mir warm. Bis auf die Unterwäsche habe ich die Kleidung ausgezogen und zum Trocknen über der Sofalehne ausgebreitet. Alles in allem komme ich zu dem Schluss, dass es dieses Mal doch kein so trostloses Weihnachten wird. Keine Polizei, kein ärztlicher Notdienst, keine heulenden Familienmitglieder, kein Exmann, der anruft – und eine stabile Tür zwischen den Wildkatzen und mir.

 

2 Klopf, klopf …

Das Pochen an der Tür reißt mich jäh aus meinen Gedanken. Ich überlege, ob ich schnell in meinen Rock samt Bluse und Stiefeletten schlüpfen soll, da klopft es erneut, dieses Mal heftiger.

»Hallo?«, plärrt eine männliche Stimme. Mit Entsetzen höre ich, dass jemand versucht, einen Schlüssel ins Türschloss zu schieben – vergeblich, denn ich habe in weiser Voraussicht, um nicht plötzlich überrascht zu werden, den Schlüssel von innen hineingesteckt und abgeschlossen.

Noch einmal pocht es ungehalten gegen die Tür. Das dabei ertönende »Hallo« klingt wie die gebrüllte Drohung eines zornigen Bären. Als ich befürchte, der hartnäckige Besucher könnte die Tür eintreten, stehe ich auf und schleiche – in die Decke gehüllt – in den Flur. Vorsichtig drehe ich den Schlüssel, drücke mit zitternden Fingern langsam die Klinke hinunter und öffne die Tür einen Spalt. Mein Herz rast vor Aufregung. Ich bin erwischt worden.

Während ich mir verschiedene Varianten ausdenke, wie ich mein Eindringen in die Hütte erklären kann, spähe ich hinaus. Ein Mann beäugt mich. Die Kapuze seiner Jacke ragt tief in sein Gesicht, sodass ich nur seinen Dreitagebart und die beschlagenen Brillengläser erkennen kann.

»Mach schon auf, ich erfriere hier«, mault er.

Ich zögere, doch habe ich eine Wahl? Wenn ich ihn aussperre, bricht er die Tür auf. Daher öffne ich sie lieber bereitwillig. Der Kerl betritt den Flur, stellt eine Reisetasche ab und klopft sich den Schnee von der Jacke, während ich krampfhaft überlege, was ich jetzt sagen soll. Beschämt ziehe ich die Decke enger um mich und fühle mich dennoch nackt.

Als er seine Jacke auszieht, mustert er mich mit einem flüchtigen Seitenblick. »Dieses verflixte Wetter! Weiße Weihnachten ist toll, aber noch ein paar Stunden und wir haben einen Meter Schnee. Ich musste das Auto an der Straße parken.«

Er hängt die Jacke auf einen der Garderobenbügel und ich beobachte das Spiel seiner Oberarmmuskeln unter dem schwarzen Stoff des hautengen Rollis. Dabei schwappt mir ein Schwall teuren Parfums in die Nase und betäubt meine Sinne. Dieser Mann kann nicht echt sein. Sicherlich erfriere ich gerade irgendwo und mein Hirn spielt mir dieses Szenario vor, damit ich nicht unter Schmerzen leide. Er zieht die Brille von seiner Nase und reibt mit einem Tuch die Gläser trocken, während seine wundervoll braunen Augen mich erneut mit erstauntem Blick mustern.

»Da erging es euch mit dem Jeep sicherlich besser. Wo ist der eigentlich? Ist Andrea noch mal los? Bei der Straßenlage? Hoffentlich kommt sie durch.« Er reckt den Kopf, um ins Wohnzimmer zu spähen, dann sieht er mich neugierig an. »Du musst Karin sein. Andrea hat gesagt, dass sie dich mitbringt. Du hast es dir schon gemütlich gemacht. Entschuldige meinen genervten Auftritt. Ich bin Ricardo, aber das weißt du sicherlich.« Freundlich streckt er mir die Hand entgegen.

Krampfhaft versuche ich, die Decke mit der einen Hand um meine Schulter festzuhalten, um ihm die andere zu reichen. Leider rutscht sie mir bis zur Hüfte hinunter, ehe ich sie wieder zu fassen bekomme. Ricardo sieht mir unverhohlen auf meine schwarze Spitzenunterwäsche und grinst frech.

»Hallo, Ricardo«, presse ich hervor, die Hände samt Decke an mich gedrückt. Ich spüre, wie mir die Hitze in die Wangen steigt. Da ich vor Schreck kaum in der Lage bin, zu sprechen, beschließe ich einfach, Karin zu sein, solange es eben möglich ist. Ricardo geht an mir vorüber in die Küche. Ich spähe ihm neugierig hinterher und schnuppere erneut den betörenden Duft seines Rasierwassers. Während er mir den knackigen Hintern, umhüllt von einer schwarzen Jeans, entgegenstreckt, gießt er sich einen Kaffee ein, dann sieht er in den Kühlschrank.

Ich eise mich von seinem Anblick los und schlüpfe eilig in Rock und Bluse.

»Sie hat alles vergessen, was sie für das Abendessen mitbringen wollte. Das ist wieder typisch!« Schnaubend kommt er aus der winzigen Küche und lässt sich mit der Tasse in der Hand auf das Sofa gleiten. »Ich habe es geahnt. Dieser Tag ist verflucht.« Bei seinen Worten sieht er mich so vorwurfsvoll an, dass ich überlege, ob er das sagt, weil ich mich angezogen habe.

Ich lebe seit so vielen Monaten allein, ohne auch nur eine Begegnung mit einem Mann, dass ein einziges Wort von einem Typen wie ihm vermutlich genügen würde, mich davon zu überzeugen, mir die Kleider wieder vom Leib zu reißen.

»Ich habe doch die IT-Firma. Andrea hat dir das bestimmt erzählt. Und da hatte ich für heute um halb fünf ein Bewerbungsgespräch angesetzt.«

»Heute? An Heiligabend?«, stammle ich, daran erinnert, dass ich meinen neuen Job wohl vergessen kann. Langsam trete ich hinter den Stuhl und lege meine Hände auf die Lehne. Irgendwie fühle ich mich dahinter besser. So, als sei ich vor der unterschwelligen Aggression geschützt, die der Fremde ausstrahlt.

Ricardo nickt eifrig, während er jede meiner Bewegungen zu verfolgen scheint. »Ich wollte dieser Frau einen Gefallen tun. Ein Weihnachtsgeschenk. Ich hätte sie so gut brauchen können. Ihrem Lebenslauf nach passte sie hervorragend in mein Team.«

Ich bin wie paralysiert, als er einen Schluck Kaffee trinkt und sich dann unterbewusst über seine Lippen leckt. Was für eine unglaubliche Ausstrahlung dieser Mann auf mich hat. Das habe ich noch nie zuvor so erlebt. Meine Fingernägel bohre ich ins Holz der Stuhllehne, damit meine Hände nicht zittern.

Erwartungsvoll sieht er mich an.

»Und was ist geschehen?«, antworte ich schnell.

»Na, sie taucht nicht auf, ruft nicht an und ich sitze da wie ein Trottel und warte und warte.« Er mustert mich erneut.

Mir sackt bei seinen Worten der Blutdruck weg. Na klar! Wieso habe ich das nicht sofort kapiert? Das ist Ricardo Petzold, der Mann, bei dem ich mich um den Job beworben habe. Hastig setze ich mich auf den Stuhl und schlage die Beine übereinander. Ich muss schnell weg von hier. Egal wie.

Ricardo kneift die Augen zusammen und starrt mich an. »Ich könnte schwören, wir sind uns schon einmal begegnet. Warst du auf Olafs Hochzeit?«

»Nö. Ich kenne keinen Olaf«, antworte ich wahrheitsgemäß, wobei mir heiß und kalt wird. Vielleicht könnte ich in die Stiefeletten schlüpfen und hinauslaufen, um seinen Fußstapfen bis zur Straße zu folgen. Doch sicherlich hat der Sturm seine Spuren bereits verweht.

»Wann ist Andrea los? Muss ich mir Sorgen machen?« Er trinkt einen weiteren Schluck Kaffee und leckt sicher erneut über die Lippen.

»Och, so vor einer halben Stunde?« Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich dieses Bewerbungsgespräch bei ihm verpasst habe. Er wäre ein Traum von einem Chef gewesen, da bin ich sicher. Zumindest im Hinblick darauf, dass ich meine Augen nicht mehr von ihm hätte lassen können. Aber die Chance habe ich mir gründlich verbaut. Und sicherlich tauchen gleich Andrea und ihre Freundin Karin auf und ich muss erklären, wer ich bin.

Er trinkt noch einen Schluck Kaffee und ich starre sehnsüchtig auf seinen Mund, als er den Becher absetzt. Bei dem Gedanken, wie sich diese Lippen anfühlen, wenn sie meinen Hals küssen, stoße ich hastig den Atem aus. Vielleicht hatte das Schicksal ein Einsehen, als es verhindert hat, dass ich dieses Vorstellungsgespräch wahrnehmen konnte. Einen Chef mit einer solch erotischen Ausstrahlung zu haben, wäre sicher gründlich ins Auge gegangen.

»Du kochst guten Kaffee.«

Sagt er das, weil ich ihn immerzu anstarre, sobald er trinkt? Unsere Blicke treffen sich und haften einen Sekundenbruchteil länger aneinander als nötig. Ich schlucke so laut, dass bestimmt die Waldtiere davon erschrocken sind, doch mir will einfach keine Antwort über die Lippen kommen.

»Andrea hat den jedenfalls nicht gekocht. Nein. Nicht mal das kann sie«, murrt Ricardo.

Ich sehe ihn verunsichert an und zapple auf dem Holzstuhl herum, der so nah am Kaminfeuer steht, dass mir heiß ist. In die Richtung des noch heißeren Ricardo zu rücken, ist allerdings keine Option, geschweige denn neben ihm auf dem Sofa Platz zu nehmen. Um nicht komplett durchzugaren, springe ich auf und haste an ihm vorüber in Richtung Eingang.

»Sorry. Ich muss mir kurz die Nase pudern«, krächze ich, flitze ums Eck und öffne die schmale Tür neben der Garderobe. Meine Vermutung bestätigt sich: das Badezimmer. Hastig verriegle ich die Zimmertür, als ob ich mich vor einem wilden Tier schützen müsste.

 

3 Adieu

Stoßweise atmend betrachte ich mich im Spiegel, versuche ein paar meiner dunklen Haarsträhnen zu bändigen und wische verzweifelt an meinem ohnehin verschmierten Augen-Make-up herum. Wenn das da draußen Ricardo Petzold ist, bin ich für ihn völlig uninteressant. So viel ist sicher. Der Typ ist erfolgreich im Beruf, hat keinerlei Geldsorgen und vermutlich eine Freundin, die wie ein Model aussieht.

Ich benutze die Toilette und fasse dann den rettenden Entschluss: Ich werde zur Garderobe schleichen, seine Jacke klauen und die Straße suchen.

---ENDE DER LESEPROBE---