Einatmen. Ausatmen. Mutter sein. - Julia Scharnowski - E-Book

Einatmen. Ausatmen. Mutter sein. E-Book

Julia Scharnowski

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  • Herausgeber: Humboldt
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Machen wir uns nichts vor: Der Familienalltag ist stressig. Manchmal ist es das Kind, das einem den letzten Nerv raubt, manchmal sind es Konflikte mit anderen Verwandten oder die täglichen Haushaltsaufgaben – und oft ist es einfach der Stress im eigenen Kopf. Wie Mütter im hektischen Familienleben ihre innere Kritikerin im Zaum halten, wie sie sich Auszeiten verschaffen, Kraft tanken und Stress abbauen, zeigt Julia Scharnowski in ihrem neuen Ratgeber. Zusätzlich liefert sie wertvolle Impulse, um in 30 Tagen noch mehr runterzukommen – von Atemübungen über kleine Meditationen bis hin zu liebevollen Selbstfürsorge Ritualen.

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Seitenzahl: 281

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Dieses Buch ist für dich, du mutige und starke Mama. Dieses Buch ist für mich selbst, und es ist für uns alle, die wir jeden Tag unser Bestes geben. Die, die jeden Tag scheitern, hinfallen, sich wieder aufrichten und feststellen, dass sie im Fallen wieder ein Stück gewachsen sind. Ich widme dieses Buch den Müttern dieser Welt, den stärksten Löwinnen, die ihre wahre Größe viel zu oft selbst nicht sehen. Ihr seid großartig, wichtig und besonders.

INHALT

Willkommen!

Stress im familiären Miteinander

Emotionale Schieflagen im Familienalltag

Gefühlsausbrüche bei kleinen und großen Menschen

Wege im Gehirn: vom Trampelpfad zur Autobahn

Trigger: warum die Theorie so viel leichter ist als die Praxis

Besonders kritische Tage

Dein Kind hört einfach nicht

Dein Kind flippt ständig aus

Du verlierst die Geduld

Dein Partner geht an die Decke

Entspannung ist der Schlüssel

Schimpfwörter, Beleidigungen und Befehlston

Darum benutzt dein Kind Schimpfwörter

Dein Kind kommandiert dich herum

Dein Kind gibt nur noch Widerworte

Aktives Zuhören: zum wahren Kern durchdringen

Du willst es allen recht machen

Werde dir deiner Rollen bewusst

Traue deinem Kind etwas zu

Perfektionismus und hoher Selbstanspruch

Du denkst, du musst alles allein schaffen

Und dann ist da ja auch noch dein Partner

Deine Grenzen und die deines Kindes

Die Grenzen deines Kindes wahren

Deine eigenen Grenzen wahren

Die Bedeutung von Aufmerksamkeit und Zuwendung

Finde den richtigen Aufmerksamkeitskanal

Aufmerksamkeitsverteilung bei Geschwistern

Sorge für vorauseilende Aufmerksamkeit

Zanken, Hauen, Eifersucht: Geschwisterstreit

Wie viel Streit ist noch normal?

Das Bootcamp für Sozialverhalten

Die wichtigste Ressource: elterliche Aufmerksamkeit

Typische Stresssituationen im Tagesablauf

Der Morgen – ein Knotenpunkt für Stress

Morgenroutine: Verschaffe dir einen Vorsprung

Tagesbeginn für Mamas von Frühaufstehern

Anzieh-, Zahnputz- und Trödeltheater

Ärger mit den Hausaufgaben

Wie geht es dir bei den Hausaufgaben?

Sorgt für die richtige Lernumgebung

Krisenherd Familientisch

Dein Kind ist der Experte für seinen Körper

Gesunde Ernährung für dich

Stress beim Einkaufen und in der Öffentlichkeit

Spanne dein Kind mit ein

Wutanfälle in der Öffentlichkeit

Zeitmanagement, Aufgaben und Prioritäten

Es fällt dir schwer, deine eigene Leistung anzuerkennen

Mache dir scheinbar unbedeutende Aufgaben bewusst

Überprüfe deine Erwartungen

Es wächst dir alles über den Kopf

Die Multitasking-Lüge

Ein Nein zu anderen ist ein Ja zu dir selbst

Generalüberholung für deine To-do-Liste

Du findest keine Zeit für dich

Ruhe trotz äußerem Chaos

Aufgaben überblicken und neu verteilen

Plane deine Pausen fest ein

Hole deinen Partner mit ins Boot

Entscheide bewusst, womit du deine Zeit verbringst

Weniger Termine, mehr Freiraum

Mit Kind entspannen

Dein Smartphone: Segen, Frust und Zeitvampir

Knackpunkt Sprachnachrichten

Achtsamer Umgang mit Social Media

Stressfaktor Benachrichtigungen

Gut gewappnet für unangenehme Gefühle

Ungebetene Kommentare und Einmischung von außen

Du kannst und musst es nicht jedem recht machen

Umgang mit Einsamkeit

Baue dir selbst ein Dorf

Neid und Missgunst unter Müttern

Die Gefahr des Vergleichens

Schuldgefühle und Gewissensbisse

Innerer Kritiker, Antreiber und Co

Bleibe im Hier und Jetzt

Du bist gut genug

In 30 Tagen zu mehr Entspannung

Was ist eigentlich diese Achtsamkeit?

Das bringt dir diese Challenge

Deine 30-Tage-Challenge

Ein paar Worte zum Abschied

Danke

WILLKOMMEN!

Wir müssen uns nichts vormachen: Der Familienalltag ist oft stressig – vermutlich viel stressiger, als jede von uns es sich vor der Geburt ihres ersten Kindes jemals hätte vorstellen können. Stress, und insbesondere was uns stresst, ist höchst individuell. Denn die Stressoren, also die Reize, die in uns eine Stressreaktion auslösen, hängen mit unseren Erfahrungen und Prägungen zusammen – und die sind bei jedem von uns einzigartig.

Dennoch haben wir alle gemeinsame Schnittpunkte und haben Ähnliches erlebt. Einige von uns sind vielleicht sogar unter vergleichbaren Umständen aufgewachsen. Kurzum: In vielen Punkten, die uns innerlich auf die Palme bringen, können wir einander verstehen. Außerdem haben viele Stresssituationen – ich nenne sie an dieser Stelle mal Panikräume – die gleichen oder ähnliche Ausgänge, ganz egal, was den Stress ursprünglich ausgelöst hat.

Stress kann im Alltag auf vielerlei Weise auf uns einprasseln: Es gibt Stressoren, die in Gestalt unseres Kindes zu uns finden, im Verhalten anderer geliebter Menschen oder durch Außenstehende. Es gibt also Situationen, die uns den letzten Nerv rauben, in denen das eher durch äußere Umstände und Abläufe bedingt ist. Dann ist da allerdings noch der Stress, der weder durch Konflikte mit anderen Menschen noch durch Umstände wie eine Wohnung voller Wäscheberge und Spielplatzsand ausgelöst wird. Es ist der Stress in uns selbst: Gedanken und Gefühle, die dafür sorgen, dass eine eben noch völlig gelassene und freundliche Frau in den Motzmama-Modus verfällt, laut wird und Haare raufend Fluchtgedanken hegt.

Deswegen sortieren wir die verschiedenen Stressquellen in diesem Buch, bündeln Situationen unter Oberbegriffen und strukturieren alles so klar wie möglich, damit du schon anhand des Inhaltsverzeichnisses schnell die Lösungen findest, die du brauchst, um das Stresslevel deines Alltags sofort zu senken – denn wir alle wissen: Zeit ist die kostbarste Ressource einer Mutter.

Du findest zu jeder Situation neben einer allgemeinen Beschreibung zudem Hinweise auf mögliche Ursachen, damit du mittelfristig etwas Konkretes in eurem Familienalltag verändern kannst. Ich habe für dich zudem so viele Strategien und Tipps wie möglich gesammelt, die du anwenden kannst, um sofort mehr Entspannung in die jeweilige Situation zu bringen. Dieses Buch soll dich durch das aufregende und facettenreiche Mamaleben begleiten und dir immer dann zur Seite stehen, wenn du in anstrengenden Momenten eine schnelle und gleichsam dauerhafte Lösung brauchst.

Stress lässt sich am effektivsten und nachhaltigsten senken, indem wir unsere grundsätzliche Verfassung stabilisieren und stärken. Dazu benötigen wir vor allem Pausen, Zeit zum Auftanken und Strategien, um aufgestauten Stress und Druck abzubauen. Weil Zeit – wie ich bereits angemerkt habe – im Mamaleben knapp ist, brauchen wir kurze Impulse, die sich gut in den Alltag integrieren lassen.

Um eine familienkompatible Art des Auftankens und der Selbstfürsorge kennenzulernen und diese dauerhaft in dein Leben zu holen, habe ich in diesem Buch außerdem eine Challenge für dich vorbereitet. Mit ihr erlebst du 30 Tage lang, wie bereits wenige Minuten, die du am Tag in dich investierst, nachhaltige Veränderung bringen und zur spürbaren Verbesserung deines Wohlbefindens beitragen können. Ich habe die Challenge so gestaltet, dass du sie jederzeit und ohne großen Aufwand durchführen kannst.

Bevor wir starten, noch eine wichtige Botschaft vorab: Wir alle haben Stress und erleben Situationen, die in uns die Knöpfe betätigen, die uns aus der Haut der kultivierten Frau und Mutter fahren lassen und die Palme hinaufjagen. Wir alle kennen die Schlucht, die an manchen Tagen zwischen den Reaktionen, die wir uns von uns wünschen, und unserem tatsächlichen Verhalten klafft.

Wir sind Menschen. Wir machen Fehler, wir scheitern, wir lernen dazu und wir machen weiter. Wir sind Mamas. Wir wachsen jeden Tag über uns hinaus und sind nicht nur darauf bedacht, uns mit aller Kraft um unsere Familie zu kümmern, sondern bemühen uns auch noch jeden Tag darum, ein bisschen „besser“ zu sein als gestern. Besser im Sinne von ein bisschen gelassener, ein bisschen geduldiger und noch ein bisschen liebevoller, als wir es ohnehin schon sind.

Das ist die größte, aufregendste, wichtigste, schönste und nervenaufreibendste Aufgabe unseres Lebens, und wir machen das großartig! Vielleicht denkst du dir: „Na toll, wenn ich es so großartig mache, warum halte ich dann dieses Buch in den Händen?“ Die Antwort lautet: Weil du jeden Tag unermüdlich nach Wegen suchst, um euer gemeinsames Leben angenehm und liebevoll zu gestalten. Sich Anregungen zu holen, sich neuen Wegen zu öffnen und den eigenen Horizont für andere Möglichkeiten und Perspektiven zu weiten, ist eine Stärke und ein kraftvoller Schritt.

Wenn wir uns einen Computer mit einem neuen Betriebssystem zulegen, dann scheuen wir uns nicht, ins Handbuch zu gucken, stundenlang im Internet zu recherchieren oder uns 25 Tutorials anzuschauen, die uns den Umgang damit erleichtern. Wieso erwarten wir dann, dass wir ohne wirkliche Grundkenntnisse verstehen, wie wir selbst, wie unser Körper und unser eigenes Betriebssystem eigentlich funktionieren? Wenn wir uns allerdings erlauben, uns besser kennenzulernen und zu verstehen, was gerade in uns vorgeht, wenn wir mal wieder kurz davor sind, an die Decke zu gehen, dann sind wir schon ein ganzes Stück weiter.

STRESS IM FAMILIÄREN MITEINANDER

In diesem Abschnitt betrachten wir die Situationen, die uns Mamas so oft herausfordern, erforschen mögliche Ursachen und lernen, wie wir möglichst gelassen bleiben können, auch wenn die Gefühle stürmen und wüten. Der Fokus liegt hierbei auf Stress und Reibereien, die im familiären Miteinander auftreten können, etwa wenn du das Gefühl hast, niemand hört auf dich, oder deine eigene Zündschnur so kurz ist, dass du ständig ungewollt an die Decke gehst.

Emotionale Schieflagen im Familienalltag

Aus heutiger Sicht würde ich es so formulieren: Bevor ich Kinder bekommen habe, wusste ich, dass es Gefühle gibt. Seitdem ich Mutter bin, erlebe ich sie – bei meinen Kindern, aber auch bei mir selbst. Und zwar mit einer Intensität, von der ich vorher nicht ahnte, dass es sie gibt. Das gilt für angenehme ebenso wie für unangenehme Gefühle.

Im Familienalltag sind es nicht nur die Gefühlsausbrüche unserer Kinder, die uns zuweilen überraschen und über uns hinwegtoben wie ein Gewittersturm. Schon im Babyalter meiner Söhne in schlaflosen Nächten, spätestens dann aber in der Autonomiephase und im Vorschulalter, durfte ich zudem immer wieder Bekanntschaft mit meinen eigenen starken Emotionen machen. Und dann gibt es da ja auch noch den Partner, der – Überraschung! – ebenfalls einen ganz eigenen Gefühlshaushalt mitbringt. Wenn in Familien mehrere emotionale Wetterfronten aufeinanderprallen, dann kann es manchmal ganz schön wild zugehen.

Gefühle – das sind diese Dinger, die viel intensiver geworden sind, seitdem wir Mamas sind: Wir lieben mit einer Intensität, die wir vor der Geburt unseres Kindes nicht gekannt haben. Wir blicken in Abgründe der Sorge und der Angst, die uns in dieser Tiefe früher unbekannt waren. Wir spüren Wut mit einer Hitze, die uns fürchten lässt, dass sie alles in Flammen setzen kann.

Mit Kindern wird einfach alles mehr, auch die Intensität dessen, was wir empfinden. Es geht viel weiter nach oben ins Angenehme und gleichzeitig viel weiter nach unten in die Bereiche, die wir eigentlich nicht so gerne fühlen und lieber vermeiden würden. Die gute Nachricht ist: Mit ein wenig Übung und einer guten Portion Achtsamkeit im Alltag können wir Herr unserer Emotionen werden.

Gefühlsausbrüche bei kleinen und großen Menschen

„Meine Güte noch mal, es ist doch nur eine Banane! Sie schmeckt nicht anders, nur weil sie durchgebrochen ist!“ Vermutlich ist jeder von uns dieser oder ein ähnlicher Satz schon mal herausgerutscht. Du kannst die Banane auch durch ein Butterbrot ersetzen, das du in den Augen deines Kindes falsch durchgeschnitten hast. Vielleicht hast du auch schon deine einschlägigen Erfahrungen mit Krisen gemacht, die durch ein zerflossenes Eis oder einen zu krümeligen Keks ausgelöst wurden.

Du hast den Eindruck, dein Kind rastet von jetzt auf gleich emotional komplett aus. Die Intensität seines Geschreis erscheint dir viel zu extrem, du erreichst es nicht mit deinen beschwichtigenden Worten, und eigentlich willst du nur noch, dass augenblicklich Ruhe herrscht.

Wenn mein kinderloses Ich vor zehn Jahren eine Zeitreise in die Zukunft unternommen hätte und Zeuge einer solchen Szene mit einem meiner Söhne geworden wäre, dann wäre es höchstwahrscheinlich entsetzt gewesen. Verständlich, denn von außen betrachtet kann eine solche Situation unmöglich normal sein.

Und doch ist sie es. Das kindliche Gehirn braucht viele Jahre, um zu reifen. Es kann weit bis ins Grundschulalter dauern, bis unser Nachwuchs in emotionalen und stressigen Situationen Zugriff auf das rationale Denkvermögen hat. Wenn dein Kind also wegen einer scheinbaren Lappalie komplett ausrastet, dann kannst du dir jegliche Form der Argumentation sparen, denn sie wird nicht zu ihm durchdringen. Jetzt ist das Runterfahren des Stresszentrums im Kopf gefragt – sowohl bei deinem Kind als auch bei dir.

SPÜRE DEINEN KÖRPER

Mache dir bewusst, dass dein Sohn oder deine Tochter gerade wirklich nicht anders kann, und sich Frust und Trauer mit Wucht ihren Weg suchen. Dieses Wissen kann bereits enorm dazu beitragen, ruhig zu bleiben. Mache dir in einem solchen Moment also unbedingt klar, dass diese Situation gerade zwar nervig und anstrengend, aber auch vollkommen normal ist.

Atme tief ein und aus – diesen Hinweis wirst du in diesem Buch häufiger lesen. Eine gleichmäßige, tiefe Atmung reguliert die Stressreaktion im Körper und gibt deinem Nervensystem das Signal, dass alles in Ordnung ist.

Versuche deine Füße auf dem Boden zu spüren oder deine Handflächen aneinander zu reiben und das Gefühl bewusst wahrzunehmen. Wenn du deinen Fokus auf das Beobachten einer körperlichen Empfindung richtest, beruhigt sich der Teil im Gehirn, der durch dein schreiendes Kind in Aufruhr geraten ist.

Wenn dein Kind noch sehr klein ist, kann es während eines Gefühlsausbruchs mit Logik nichts anfangen. Es braucht einen erfahrenen Kapitän, der mit ihm durch den Sturm seiner Gefühle segelt. Es hatte nun einmal eine ganz genaue Vorstellung von der Banane und hat vermutlich noch nicht den Weitblick, um zu erkennen, dass diese Banane nicht die einzige in seinem Leben bleiben wird. Deshalb ist jetzt gerade Enttäuschung pur angesagt, und es wird von diesem Gefühl regelrecht überrannt.

Bleibe in so einem Moment bei deinem Kind, körperlich und mental: Gehe auf Augenhöhe und benenne, was du wahrnimmst, ohne es zu bewerten: „Du bist total traurig/wütend/außer dir.“ So spiegelst du dein Kind, und durch dieses Spiegeln wird es ihm gelingen, sich selbst besser zu verstehen, und seine aufgewühlten Gefühle können sich beruhigen. Erst wenn der Sturm vorüber ist, ist es sinnvoll, rational über die Stabilität und den Geschmack von Bananen zu sprechen.

Solche Szenen sind anstrengend, das steht außer Frage. Wenn es dir aber gelingt, dein Kind dabei einigermaßen geduldig und einfühlsam zu begleiten, dann leistest du einen riesigen Beitrag zu seiner gesunden seelischen Entwicklung. Es lernt seine Gefühle kennen und merkt, dass alle Gefühle ihre Berechtigung haben und dass sie sich auch wieder beruhigen, wenn wir sie anerkennen, benennen und zulassen. Es wird sich als stimmig und ganz erleben. So unterstützt du es darin, ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln.

Lerne deine Gefühle besser kennen

Wenn du möchtest, kannst du einmal die folgende kleine Übung ausprobieren: Beobachte in den nächsten Tagen, welche Gefühle du angenehm findest. Achte auf Emotionen, die dich nicht stören, die einfach da sein dürfen und die du vielleicht deswegen kaum bewusst zur Kenntnis nimmst. Beobachte außerdem, welche Gefühle du unangenehm findest und lieber vermeidest.

Richte dann deine Aufmerksamkeit darauf, wie du die jeweiligen Gefühle bewertest. Denn in unserer Bewertung liegt die Ursache, warum wir mit manchen Empfindungen solche Schwierigkeiten haben. Gefühle sind eigentlich neutral, sie sind weder gut noch schlecht, sondern einfach Empfindungen und Reaktionen auf Botenstoffe in unserem Körper. Ein Gefühl ist ein Gefühl. Erst durch unsere Bewertung als positiv oder negativ werden sie für uns entweder neutral, angenehm oder eben sehr schmerzhaft.

Oft sind es die starken Gefühlsausbrüche unseres Kindes, die uns anstrengen und die wiederum starke emotionale Reaktionen in uns auslösen. Wenn wir uns aber bewusst machen, dass wir selbst es in der Hand haben, wie wir das in uns aufsteigende Gefühl bewerten, dann ist bereits der erste Schritt hin zu mehr innerer Ausgeglichenheit getan.

Wege im Gehirn: vom Trampelpfad zur Autobahn

Vielleicht hast du im Zusammenhang mit deinem Kind bereits Folgendes festgestellt: Es reicht nicht aus, etwas einmal zu sagen oder einen Gefühlsausbruch einmal zu begleiten, damit dein Kind verinnerlicht, wie es seine Gefühle beruhigen und anders kanalisieren kann.

Wenn du dein Kind emotional begleitest, dann macht es eine Erfahrung, die in Form einer neuronalen Verknüpfung im Gehirn verankert wird. Diese frische Verknüpfung sieht in etwa so aus, als wäre jemand einmal durch etwas höheres Gras gelaufen. Der Ablauf einer solchen Situation muss sich also viele Male wiederholen, bis in der neuronalen Wiese im Gehirn deines Kindes ein Trampelpfad entsteht.

Aus dem Trampelpfad wird ein Weg, aus dem Weg eine Straße und aus der Straße irgendwann eine Autobahn. Je öfter unsere Wege im Gehirn benutzt werden, desto besser werden sie ausgebaut. Über eine gut ausgebaute Nervenbahn lässt sich dann ein bestimmtes Verhalten blitzschnell abrufen. Irgendwann wird das bei deinem Kind der Fall sein, doch das kann einige Zeit dauern.

Ebenso sind auch die Bahnen in unseren erwachsenen Köpfen entstanden, über die sich gewohnte und impulsive Reaktionen seit vielleicht schon sehr, sehr vielen Jahren ihren Weg suchen. Du darfst also nicht nur geduldig mit deinem Kind sein, wenn es um das Einüben neuer Strategien geht. Sei auch nachsichtig mit dir selbst.

Oft erwarten wir von uns, ein Verhalten bereits in dem Moment zu ändern, in dem wir es verstanden und uns für eine andere Strategie entschieden haben. Dann sind wir frustriert und von uns selbst enttäuscht, wenn wir insbesondere unter Stress doch wieder in alte Muster verfallen: Ich wollte doch nicht mehr losschreien und Türen zuschlagen!

Unser Gehirn liebt schnelle, effiziente Wege, also bevorzugt es die Autobahnen unter den neuronalen Verknüpfungen – vor allem, wenn es schnell gehen muss. Dabei ist es ihm egal, ob das Verhalten, das dabei herauskommt, angemessen oder ungünstig ist. Jedes Mal, wenn es uns Erwachsenen also gelingt, anders zu reagieren, als unser eingefahrenes Muster es vorgibt, können wir uns selbst auf die Schulter klopfen. Dann haben wir wieder einen großen Beitrag zum Ausbau des neuen nervlichen Wegenetzes in unserem Kopf geleistet.

FEIERE DEINE ERFOLGE

Wenn du es schaffst, in einer Situation gelassen zu bleiben, in der du sonst an die Decke gegangen wärst, dann mache dir deinen Erfolg bewusst und feiere ihn: Erlaube dir Gefühle wie Freude und Stolz, je intensiver desto besser.

Vielleicht fühlt sich das zunächst ungewohnt und irgendwie unangemessen an – das tut es immer, wenn wir gewohnte Wege verlassen. Doch es lohnt sich, denn du schlägst dadurch gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Zum einen schüttet dein Körper Glückshormone aus. Diese sorgen dafür, dass dein Gehirn die neue Erfahrung schneller und tiefer verinnerlicht – es lernt also leichter.

Zum anderen wird so ein Kreislauf in Gang gesetzt, der deine Motivation erhöht, dich deinem Ziel – also deiner neuen Verhaltensweise – schneller anzunähern. Außerdem stärkst du mit dem bewussten Wahrnehmen deines Erfolges dein seelisches Wohlbefinden und erfüllst dir dein Grundbedürfnis nach Durchsetzung und Einfluss. Da will man doch am liebsten direkt mit der Veränderung loslegen, oder?

Trigger: warum die Theorie so viel leichter ist als die Praxis

Das klingt jetzt alles erst einmal ganz einfach: den eigenen Körper wahrnehmen, Gefühle regulieren und unser Kind begleiten. Doch warum ist das in der Praxis oft so viel schwieriger?

Vielleicht hast du schon einmal von dem Begriff „Trigger“ gehört. Ganz sicher hast du aber schon einmal eine Situation erlebt, in der durch irgendetwas eine starke emotionale Reaktion in dir ausgelöst wurde – etwas, das dich von jetzt auf gleich auf die Palme bringt, ohne dass du weißt, was genau da eigentlich gerade vor sich geht. Irgendwer oder irgendwas scheint einen Knopf in dir gedrückt oder einen Hebel betätigt zu haben, und schon nimmt die Achterbahnfahrt der Gefühle ihren Lauf.

Das kann das Verhalten eines anderen Menschen – vielleicht deines Kindes – gewesen sein, ein Geräusch, ein Geruch, ein Gedanke oder ein Gefühl. Diese wirken als Reize auf uns ein, die nicht einfach so von unserem inneren System durchgewunken und verarbeitet werden, sondern stattdessen eine Stressreaktion auslösen. Denn sie berühren in unserer Erinnerung sogenannte Triggerpunkte.

Triggerpunkte tragen wir alle in uns. Sie sind gewissermaßen die Narben alter, schmerzhafter Erfahrungen, die wir in der Regel in unserer eigenen Kindheit gemacht haben. Wenn du beispielsweise als Kind einmal großen Ärger für dein Geschrei in einer „Bananensituation“ bekommen hast, dann kann es sein, dass dich das in einen inneren Aufruhr versetzt hat und du dich als kleiner Mensch sehr geängstigt hast. Solche Situationen geschehen schnell und zumeist auch ohne böse Absicht. Sie können einfach passieren, auch wenn unsere Eltern und unsere engsten Bezugspersonen sich noch so viel Mühe gegeben haben, immer alles richtig zu machen.

Das Gehirn speichert diese Erfahrung als schlimm und verunsichernd ab und versieht das dazugehörige Gefühl gewissermaßen mit dem Etikett „Möchte ich nie wieder erleben“. Es kann dann passieren, dass durch einen Reiz – in unserem Beispiel dein schreiendes Kind – die alte Erfahrung angestoßen wird. Das versetzt dein Gehirn in einen Alarmzustand, woraufhin es eine Stressreaktion auslöst.

Während dein Kind also emotionalen Stress erlebt, steckst du vielleicht selbst mitten im Gefühlssturm. Dann ist es umso wichtiger, dir dessen bewusst zu werden, dir klarzumachen, dass die Situation gerade zwar nervig, aber nicht bedrohlich ist, und dich mit deinem Körper zu verbinden. Etwa durch bewusste Atmung oder das Konzentrieren auf ein Körperteil wie zum Beispiel deine Füße. Denn so komplex dein Gehirn auch ist, es kann nicht gleichzeitig bewusst etwas wahrnehmen und die Stressreaktion weiter ausleben.

BERUHIGE DEIN NERVENSYSTEM

In akuten inneren Stresssituationen, wenn wir also durch irgendeinen Reiz getriggert wurden, können unsere eigenen Gefühle so intensiv werden, dass wir buchstäblich rotsehen. Wir können dann gezielt unser vegetatives Nervensystem beruhigen, indem wir bewusst ein- und ausatmen: fünf Sekunden ein und fünf Sekunden wieder aus.

Dadurch senden wir unserem Gehirn das Signal, dass alles in Ordnung ist und wir nicht kämpfen oder flüchten müssen. Indem wir anfangen zu zählen, bekommt außerdem unser nervliches Steuerungszentrum im Frontallappen unseres Gehirns eine Aufgabe. Dadurch nimmt automatisch die Aktivität des Stresszentrums im limbischen System ab.

Besonders kritische Tage

Es gibt diese Tage, an denen es nicht viel braucht, um an die Decke zu gehen. Das kennen wir von allen Familienmitgliedern: von Kindern, Papas und von Mamas. Es sind diese Tage, an denen wir vielleicht schon mit dem falschen Bein aufstehen, an denen wir insgesamt ungeduldiger und impulsiver sind.

Wenn wir genauer hinschauen, erkennen wir oftmals, dass diese Tage nicht einfach so aufkreuzen: Vielleicht waren wir Eltern an mehreren aufeinanderfolgenden Abenden zu lange wach und sind müde. Möglicherweise hat unser Kind schlecht geschlafen oder hat in der Kita oder Schule etwas erlebt, das es bedrückt. Eventuell gibt es aber auch gerade einen Umbruch im Alltag, der uns aus dem Gleichgewicht bringt, oder eine tiefer liegende Ursache, eine Unzufriedenheit, die unsere Gewohnheiten auf den Kopf stellt.

Zuweilen reicht es auch schon aus, dass innerhalb einer Familie automatisch eine bestimmte Anzahl an einzigartigen Menschen zusammenkommt – einzigartige Menschen mit einzigartigen Bedürfnissen, Stimmungen und Gefühlen.

Die Art und Weise, wie es uns gelingt, mit mehr oder weniger ärgerlichen und enttäuschenden Situationen im Alltag umzugehen, bezeichnen wir als Frustrationstoleranz. Sie bestimmt, wann genau der Punkt erreicht ist, an dem das Fass überläuft und wir explodieren. Diese Schwelle ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, kann aber je nach Situation und Tagesform auch innerhalb einer Person variieren.

Wir stärken sie zum Beispiel, wenn wir als Kinder Enttäuschungen erleben, uns vertraute Personen dann aber dabei begleiten, die entstehenden Gefühle auszuhalten. Dass diese Eigenschaft jedoch auch ein Stück weit von der jeweiligen Persönlichkeit eines Menschen abhängt, steht außer Frage. Zudem brauchen Kinder viele Jahre, um zu lernen, mit den Gefühlen umzugehen, die durch Frustration ausgelöst werden. Und welcher Erwachsene kennt es nicht, wenn einem an einem Tag mit kurzer Zündschnur eine heftigere Reaktion entfährt, als wir es uns wünschen oder von uns erwarten?

NUR MUT: KEINE ANGST VOR EMOTIONEN

Vielleicht hast du dich bei der einen oder anderen Gefühlsexplosion deines Kindes auch schon einmal gefragt, ob die Intensität, mit der dein Nachwuchs zeigt, wie es ihm gerade geht, denn noch normal sein kann. Ich möchte dich an dieser Stelle ein wenig beruhigen: Kinder erleben ihre Gefühle stark und ungefiltert. Je jünger sie sind, desto intensiver rauschen die emotionalen Wellen über sie hinweg. Sie erleben ihre Gefühle sehr stark – und können sie dann idealerweise durchleben, ohne dass sich etwas anstaut.

Wir Eltern sind jedoch in der Regel von Menschen einer Generation großgezogen worden, in der kaum Gefühle zugelassen oder gezeigt wurden. Ohne böse Absicht unserer Erziehungspersonen haben die meisten von uns gelernt, intensive Gefühle zu fürchten. Das gilt insbesondere für die, die wir klassischerweise als unangenehm empfinden, wie beispielsweise Wut oder Angst.

Doch letzten Endes ist kein Gefühl gut oder schlecht. Ein Gefühl informiert uns lediglich darüber, ob innerhalb unserer Bedürfnisse alles im Gleichgewicht ist oder nicht. Unsere Kinder werden lernen, ihre Gefühle gesund zu regulieren und auszuleben, wenn wir sie dabei begleiten. Dafür müssen auch wir lernen, liebevoll mit unseren Emotionen umzugehen, sie zu erkennen und zu akzeptieren. Wie das geht, erfährst du später im Detail.

Was also tun, wenn ein solcher „Zündschnurtag“ eintritt? Schauen wir uns dazu einmal an, wer in der Familie die Nerven verlieren kann und was wir dann konkret tun können.

Dein Kind hört einfach nicht

Kennst du diese Situation: Du redest und redest, aber dir hört anscheinend niemand zu? Wenn meine Söhne auf Hochtouren laufen, frage ich mich manchmal, ob ich vielleicht aus Versehen unsichtbar – oder besser gesagt, unhörbar – geworden bin. Es gibt Momente, da dringe ich einfach nicht zu ihnen durch.

In solchen Momenten kann es passieren, dass Gefühle wie Wut und Hilflosigkeit in uns Mamas aufsteigen. Heute weiß ich, dass diese Gefühle eine Botschaft sind. Sie wollen uns darauf hinweisen, dass eines unserer seelischen Grundbedürfnisse verletzt ist. Aber das erklärt einem in der Regel leider niemand; wir müssen es selbst herausfinden.

Uns ist in solchen Situationen oft nicht bewusst, dass da vor uns kein erwachsener Mensch steht, von dem wir ein ähnliches Maß an Einfühlungsvermögen und ähnliche Verhaltensweisen erwarten können wie von uns selbst. Alle Menschen handeln im Rahmen ihrer Möglichkeiten – auch Kinder. Diese Möglichkeiten sind andere als unsere. Vielleicht ist die Aufmerksamkeit deines Kindes gerade auf etwas vollkommen anderes gerichtet.

Manchmal neigen wir Eltern nämlich dazu, mit unseren Anliegen einfach so „hereinzuplatzen“, ohne darauf zu achten, ob unser Kind gerade in irgendetwas anderes vertieft ist. Das ist verständlich, schließlich haben wir immer ganz schön viele Programmpunkte auf unserer Agenda und möchten so viele wie möglich davon abarbeiten.

Oft sind es zu viele, sodass wir das Gefühl für uns selbst, für Erschöpfung, aber eben auch manchmal für unser Kind verlieren. Das ist vollkommen normal in unserer hektischen Zeit, aber es muss nicht so sein. Mit dem Lesen dieser Zeilen schaffst du dir bereits ein neues Bewusstsein für diese Zusammenhänge; damit ist schon viel erreicht. Detaillierte Tipps und Inspirationen, wie du deine täglichen Verpflichtungen in den Griff bekommst, findest du im Kapitel „ Generalüberholung für deine To-do-Liste“.

Du kannst zum Beispiel in einem ersten Schritt damit beginnen, deine täglichen Aufgaben um ein bis drei Punkte zu reduzieren. Das erfordert ein wenig Übung und den Mut, loszulassen. Dabei kann dich die Frage unterstützen, wie wichtig eine bestimmte Aufgabe wirklich ist. Du darfst da sehr ehrlich zu dir sein: Musst du tatsächlich so viel schaffen und erledigen oder willst du es? Das ist ein feiner, aber sehr bedeutender Unterschied, der dich von Hilflosigkeit, Passivität und Überforderung zurück in den Bereich von Einfluss und Kraft holt.

Ordnung, Leistung und das Abarbeiten von Aufgaben kann uns auf der einen Seite Sicherheit geben, doch wenn der Fokus darauf zu stark wird, können wir auf der anderen Seite enormen (und ungesunden) Druck aufbauen. Wenn es dir gelingt, wirklich wichtige von weniger wichtigen Aufgaben zu unterscheiden und einen Teil davon loszulassen, auf später zu verschieben oder abzugeben, dann verringerst du diesen Druck. So schaffst du dir innerlich Raum, um bewusst wahrzunehmen, wie es dir und deinem Kind gerade geht.

Achte außerdem darauf, ob es bei deinem Kind gerade passt, oder ob in ein paar Minuten ein günstigerer Moment ist. Es kann auch sehr hilfreich sein, erst mal auf das einzugehen, was dein Kind gerade tut, und es gewissermaßen in dieser Situation abzuholen. Vielleicht sagst du so etwas wie „Oh, was malst du denn da gerade?“ oder im Falle wild spielender Kinder: „Hey, ihr habt aber viel Energie, ihr müsst wohl gerade ordentlich toben.“

Wenn es extrem aktiv ist, dann kann es mitunter sehr mühsam sein, zu deinem Kind durchzudringen. Du kannst probieren, ein wenig mit in sein Spiel einzusteigen und es von hoher Aktivität in etwas ruhigere Gewässer zu begleiten. Wenn gerade wildes Toben angesagt ist, dann geht zum Beispiel gemeinsam auf die Jagd und übt euch im leisen Anschleichen und Auf-die-Lauer-Legen. So wird es automatisch ruhiger.

Das erfordert ein bisschen Geduld, manchmal etwas Kreativität und natürlich Kraft. Aber wenn deine Akkus einigermaßen geladen sind und dir in solchen Augenblicken ein anderer Umgang mit deinem Kind gelingt, entspannt das nicht nur die gesamte Situation – ihr stärkt zudem eure Beziehung und du wirst feststellen, dass die spielerische Lösung auch in dir Anspannung lösen kann.

Dein Kind hört trotz allem nicht zu

Kinder wollen grundsätzlich kooperieren. Das heißt, sie möchten intuitiv ihren Beitrag zu einem harmonischen Miteinander leisten. Schließlich sind wir Menschen Gemeinschaftswesen – auch die kleinsten. Dennoch können einem reibungslosen Miteinander von Eltern und Kind noch einige Einflussfaktoren im Weg stehen.

Vielleicht ist das Bedürfnis deines Kindes gerade ein anderes. Dann stellt es sich in diesem Moment nicht gegen dich, sondern tut etwas für sich. Von uns wird dieses Verhalten aber schnell als Aufsässigkeit bewertet. Das geschieht oftmals aufgrund von alten Überzeugungen, die noch aus der Erziehung früherer Generationen in uns mitschwingen, etwa: Eswill nur seine Grenzen austesten.

Solche Sätze erzeugen Angst in uns, selbst wenn sie nur flüchtig durch unseren Kopf huschen. Wir denken daraufhin vielleicht Dinge wie „Wenn ich das jetzt durchgehen lasse, dann macht mein Kind das immer so“ oder „Mein Kind muss mir und anderen Menschen Respekt entgegenbringen“.

Selbst in den Köpfen der modernsten und aufgeschlossensten Eltern flammen derartige Gedanken manchmal auf. Das ist absolut verständlich, und dafür muss sich niemand schämen. Doch wir dürfen unserem Kind einen Vorschuss an Vertrauen geben. Denn wenn wir ein respektvolles Miteinander vorleben, wird unser Kind dieses automatisch erlernen und für sich übernehmen. Zudem kann in oder nach solchen Situationen eine kleine Evaluation hilfreich sein: Wie respektvoll sind wir mit unserem Kind gewesen, und haben wir darauf geachtet, wie wir es ansprechen?

Dein Kind kooperiert nicht: müde oder gekränkt?

Manchmal gibt es aber auch Situationen, in denen dein Kind trotz allem Einfühlungsvermögen deinerseits nicht kooperiert und dir nach wie vor kein Gehör schenkt. Dieses Verhalten hat – wie alle menschlichen Verhaltensweisen – einen Grund.

Möglicherweise hat dein Kind an diesem Tag schon sehr viel kooperiert, ohne dass es dir bewusst ist. Es ist morgens zu der Zeit aufgestanden, die du und der Alltag vorgegeben haben, es hat sich angezogen, die Zähne geputzt und für den Tag fertig gemacht. Es war in der Kita oder in der Schule und hat sich dort für viele, viele Stunden an Regeln gehalten. Es ist gut möglich, dass dein Kind gerade einfach nicht mehr mit dir zusammenarbeiten kann, weil sein Kooperationsakku erschöpft ist. Abends fehlt Kindern zudem – genau wie uns auch – oft die Energie, um zu kooperieren und auf die Wünsche anderer einzugehen.

Wenn dein Kind nicht auf dich hört, obwohl du freundlich und einfühlsam bist und es ausgeruht und satt ist, dann kann es sein, dass es sich durch irgendetwas gekränkt, verärgert oder beschämt fühlt. Vielleicht gab es zu einem früheren Zeitpunkt einen Konflikt oder einen Wortwechsel zwischen euch, den du gar nicht wirklich zur Kenntnis genommen hast, den dein Kind aber noch mit sich herumträgt.

Dann ist sein Verhalten keine Retourkutsche. Es ist die einzige Strategie, die dein Kind im Rahmen seiner Entwicklung zur Verfügung hat, um dir zu signalisieren, dass es ihm nicht gut geht.

Wenn du eine Idee hast, woran es liegen könnte, dann sprich es an. Versuche, nicht zu bewerten, ob der Auslöser in deinen Augen vielleicht eine Lappalie war. Was für uns vermeintliche Kleinigkeiten sind, sind für unsere Kinder oftmals wichtige Punkte.

Frage dein Kind, ob es wütend auf dich ist oder ob etwas passiert ist, was dafür sorgt, dass es ihm gerade nicht gut geht. Du baust so eine Brücke zwischen euch. Oft kommt auf eine solche Nachfrage auch eine Antwort. Dann habt ihr eine Ebene, auf der ihr euch treffen und reden könnt. Kinder schmollen in solchen Augenblicken nicht einfach – sie wissen oft selbst gar nicht so genau, was in ihnen vorgeht, und brauchen einen Erwachsenen, der ihnen dabei hilft, ihre Gefühle zu benennen und gemeinsam aus der Situation zu kommen.

Dein Kind flippt ständig aus

Schuhe zubinden, Reißverschluss schließen, ein kleinteiliges Puzzle lösen oder ein kompliziertes Bauwerk kreieren: Etwas, was dein Kind seinem Alter entsprechend eigentlich schon ganz gut beherrscht, treibt es an diesem Tag zur Weißglut. Vielleicht klingt das für dich im ersten Moment unangenehm, aber: Alles steht und fällt mit deinen Kraftreserven. Denn wenn du selbst erschöpft und gereizt bist, dann wird dir das Verhalten deines Kindes ziemlich schnell enorm auf den Wecker gehen – verständlicherweise.

Überprüfe einmal schnell deine Basics: Hast du ausreichend getrunken, bist du satt und einigermaßen ausgeruht? Oder kannst du vielleicht schnell noch etwas für dein Wohlbefinden tun? In akuten Situationen hilft es zunächst, tief durchzuatmen und möglichst gut mit dir und deinem Körper in Verbindung zu bleiben. Wenn du merkst, dass heute grundsätzlich ein eher schwieriger Tag ist, dann sorge besonders gut für dich und deine Kraftreserven. Das muss gar nicht langwierig und mit hohem Aufwand verbunden sein.

Oft unterschätzen wir den Einfluss, den unser Körper auf unser Wohlbefinden, unsere Gelassenheit und unsere Geduld hat. Viele Strategien für eine gute und solide Selbstfürsorge sind simpel, aber sehr wirkungsvoll. Wenn du jeden Tag so gut wie möglich auf die folgenden drei Punkte achtest, kannst du dein Wohlbefinden und deine Belastbarkeit schnell steigern:

• Nimm ausreichend Flüssigkeit zu dir. Wenn du oft vergisst, etwas zu trinken, dann erstelle eine Erinnerung in deinem Handy und sorge dafür, dass du immer ein Glas oder eine Flasche mit Wasser oder Tee griffbereit hast.

• Nasche Nüsse, Gemüsesticks oder geröstete Kichererbsen anstatt Schokolade oder andere Süßigkeiten. Diese sind zwar oft schneller griffbereit, jagen aber den Blutzuckerspiegel schnell und rasant in die Höhe. Das sorgt dann für ein kurzzeitiges Hoch, im Nachhinein macht es uns aber eher müde und gereizt und wir brauchen schnell den nächsten „Kick“.