Eine Brücke aus Luft - Carolin Lüders - E-Book

Eine Brücke aus Luft E-Book

Carolin Lüders

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Beschreibung

Eine Psychologin forscht nach einem Heilmittel für die Krankheit des Verliebens – doch kann sie sich selbst vor Ansteckung schützen? Ein Test findet für jeden Menschen den passenden Seelenpartner – doch was, wenn der Seelenpartner jemand ist, den man hasst? Ein junger Mann wird von allen, die ihn kannten, vergessen – findet er einen Weg aus der Einsamkeit? 15 Kurzgeschichten und Microfictions erzählen von Verlorenheit, Verlieben, Verlust und dem Finden von Gleichgesinnten. Mal phantastisch zwischen Magie, Dystopie und Body Horror, mal alltäglich auf einer Party oder in der Apotheke um die Ecke. Überall suchen die Figuren nach einer Verbindung zu anderen, mithilfe von Worten, fragilen Schallwellen – einer Brücke aus Luft.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Impressum

Die Autorin

Die Eine

Seelenchemie

Die Apothekerin

Eine Brücke aus Luft

Die Krankheit

Sport ist Mord

Die Ursache

Seelenkintsugi

Ritorna Vincitor

Das Mädchen im Bernstein

Bettinas Freund

Hallo

Geheimes Verlangen

Party

Katze und Hexe

Danksagung

Inhaltshinweise / Content Notes

Titelseite

Carolin Lüders

Eine Brücke aus Luft

Kurzgeschichten

Dieses Buch enthält Inhaltshinweise / Content Notes auf der letzten Seite.

Impressum

1. Auflage

© 2025 Carolin Lüders

Carolin Lüders, c/o Fakriro GmbH / Impressumsservice, Bodenfeldstr. 9, 91438 Bad Windsheim

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:

[email protected]

Lektorat und Korrektorat: Mara Schmiedinghoff, lektorat.schmiedinghoff.de

Der Text Ritorna Vincitor ist zuvor im Queer*Welten Magazin Nr. 8 erschienen und wurde von Lena Richter und Judith Vogt lektoriert.

Cover: Carolin Lüders unter Verwendung von Werken folgender Kunstschaffender auf Canva: tania-chaban, mairui, sparklestroke, cnillustrations

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß §44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

ISBN: 978-3-384-61124-6

Die Autorin

Carolin Lüders, Jahrgang 1993, lebt im Ruhrgebiet und arbeitet als Physikerin – was aber nicht heißt, dass in ihren Geschichten alles physikalisch mit rechten Dingen zugeht. Beim Schreiben und Malen lebt sie ihre kreative Seite aus und ist vor allem in der Phantastik zu Hause. Sie hat einige Kurzgeschichten in Anthologien und Magazinen veröffentlicht. Ihr erster Fantasy-Roman wird in naher Zukunft erscheinen.

Web: carolin-lueders.de

Instagram: @carolin.schreibt

Mastodon: @[email protected]

Pixelfed: pixelfed.de/carolin.schreibt

Die Eine

Ich hatte den Test lange hinausgezögert.

All meine Bekannten machten Ernst, sprachen nur noch in der »Wir«-Form über sich und ihre Einen und huldigten der fröhlichen Selbstaufgabe, während ich weiterhin im Alkoholnebel Sex mit Fremden hatte, der mich nicht befriedigte. Einmal bezahlte ich eine professionelle Kuschlerin für ihre Zuwendungen. Als ich mich hinterher noch einsamer fühlte, beschloss ich, es endlich hinter mich zu bringen, und begab mich zum nächsten Testzentrum.

Der Warteraum war mit gerade Volljährigen gefüllt, die es kaum erwarten konnten, mit vor romantischen Träumen leuchtenden Augen. Einige ältere Leute waren auch da, die den Blicken peinlich berührt auswichen. Wenn man die erste Gelegenheit aus irgendwelchen Gründen verpasst, fällt es mit zunehmender Zeit immer schwerer, sich für den Test zu entscheiden, bis es irgendwann wie ein Prinzip aussieht. Und um das Gesicht nicht zu verlieren, behauptet man, dass man den Test tatsächlich aus Prinzip nicht macht. Was es inkonsequent wirken lässt, ihn dann doch zu machen.

Während ich in den Zeitschriften blätterte und den Fischen im Aquarium zusah, gingen mir die üblichen Fragen durch den Kopf. Wie mochte die Eine wohl sein? Warum war sie noch nicht zu mir gekommen? Hatte sie den Test auch noch nicht gemacht, und wenn ja, warum? Oder hatte sie ihn gemacht, rührte aber keinen Finger, um Kontakt aufzunehmen? War ich ihr gleichgültig? Lehnte sie das ganze Konzept ab? War sie schlicht faul? War sie krank oder gar tot?

Schließlich wurde ich aufgerufen. Mit einem professionellen Lächeln gab mir die Schwester meine Gesundheitskarte wieder. Immerhin bezahlte die Krankenkasse den Spaß.

Im Untersuchungsraum wurde ich auf einer Liege in die Röhre gefahren. Ich schloss die Augen, während der Magnet sich mit leisem Surren um mich drehte. Mit einem Kribbeln stellten sich die Härchen auf meinen Armen auf und meine Brust wurde warm, während das Messgerät in meinem Körper nach dem Nachhall jenes Teilchens horchte, das mich im Bauch meiner Mutter gefunden hatte. Jenes Teilchen, dessen Zwilling die Eine berührt hatte, die durch diese Berührung wie durch ein unsichtbares Band mit mir verbunden war.

Eine undefinierbare Zeit verging. Manche Leute berichteten von Verbrennungen, die sie bei der Untersuchung erlitten, andere von seltsamen Halluzinationen. Manche meinten, die Eine selbst gesehen oder ihre Stimme gehört zu haben. Das Einzige, was ich nach einiger Zeit spürte, war zunehmender Harndrang.

Ich war erleichtert, als die Liege wieder aus der Röhre hinausfuhr. Auf der Liege blieb ich sitzen, während die Ärztin mit den Fingern über den Computerbildschirm wischte.

»Sie können sich jetzt noch dagegen entscheiden, wenn Sie Ihre Partnerin doch nicht erfahren möchten«, sagte sie. »Dann werden die Daten wieder gelöscht. Also, möchten Sie sie wissen?«

»Wäre ich sonst hierhergekommen?«

Sie lächelte. »Das ist eine rein formale Frage, die ich stellen muss. Wenn Sie sie also erfahren wollen, unterschreiben Sie bitte hier.«

Ich unterschrieb.

»Da haben wir sie ja«, sagte sie. »Der Name Ihrer Partnerin ist Daria Kadina.«

Der Kugelschreiber rutschte ab und hinterließ einen Fleck auf dem Papier. Betont ruhig legte ich ihn zur Seite.

»Sie wohnt in … oh.«

Das Lächeln der Ärztin flackerte.

»Ihr Wohnort ist angegeben als Justizvollzugsanstalt Steinberg. Tja, also so was …«

Sie schaffte es, eine tröstende Miene aufzusetzen.

»Immerhin, wenn ich das sagen darf, sie sieht sehr hübsch aus. Hier ist ein Foto.« Sie drehte den Bildschirm zu mir. Die Person darauf hatte ich zuletzt im Gerichtssaal gesehen. Und ich hatte nicht vorgehabt, ihr noch einmal zu begegnen.

Einige Wochen später flog ich nach Steinberg. Die Entscheidung hatte mich einige Überwindung gekostet, aber letztlich bin ich keine, die vor der Wahrheit davonläuft. Zumindest ziehe ich es vor, mich so zu sehen. Außerdem wurden die Fahrt- und Hotelkosten von der Krankenkasse übernommen, also versuchte ich das Ganze als einen Gratis-Urlaub zu betrachten, schließlich ist Steinberg landschaftlich schön in den Bergen gelegen.

Im Gefängnis wurde ich nach Vorlage der Dokumente, die mir die Ärztin ausgedruckt hatte, in einen kargen Besucherraum geführt. Einige Zeit wartete ich, während eine unbewusste Reinigungskraft den Boden fegte. Ihr abgetragener Kittel und ihr gesenkter Blick erinnerten mich daran, was passierte, wenn man die Eine nicht fand, sich aber dennoch fortpflanzte.

Die Reinigungskraft ging wieder, dann kamen eine Wächterin mit blonden Locken und Daria herein. Daria sah älter aus, als ich sie in Erinnerung hatte, und wesentlich dünner. Sie trug ein graues T-Shirt und eine ebensolche Hose. Ihre dunklen Haare waren kurz geschnitten, was sie wie einen gerupften Vogel aussehen ließ. Dennoch war nicht zu übersehen, genauso wie Wolken die Existenz der Sonne nicht verleugnen können, dass die Ärztin Recht gehabt hatte: Daria war in der Tat hübsch. Bei ihrem Anblick fühlte ich diesen »Stich«, von dem immer die Rede ist. Hatte ich den schon gespürt, als ich sie zum ersten Mal sah? Doch damals hatte ich nicht auf meine Empfindungen geachtet, und jetzt hinterfragte ich sie bewusst. Eben das machte mich misstrauisch: Fühlte ich dies nur, weil ich erwartete, es zu fühlen?

Als Daria mich sah, liefen Emotionen über ihr Gesicht, so schnell, dass sie zu einem Zucken verschmolzen. Dann war sie wieder völlig ausdruckslos. Sie setzte sich auf den Klappstuhl mir gegenüber und legte die mit Handschellen gefesselten Hände in den Schoß. Ich wartete, ob sie etwas sagen würde, aber sie ließ mir den Vortritt.

»Hallo, Daria.«

»Hallo, Mika«, antwortete sie mit rauer Stimme. Aus der Nähe sah ich feine Linien auf ihrer Stirn und Ringe unter den Augen. Ihre Lippen waren rissig.

»Ich hatte mich schon gefragt, wann du herkommst.«

»Ach, echt? Wieso das denn?«

Hatte sie den Test gemacht? Wusste sie, dass ich ihre Eine war? Und, am wichtigsten: Hatte sie das bereits bei unserer ersten Begegnung gewusst?

»Damit du mich fertigmachen kannst. Du wirst dich um Originalität bemühen müssen, denn das meiste habe ich schon gehört.«

»Machst du Witze? Ich habe Besseres zu tun als so was.«

Ich beschloss, sie offen zu fragen. »Hast du eigentlich schon den Test gemacht?«

Sie zog eine Augenbraue hoch, eine Geste, von der ich vermutete, dass sie sie in langer Übung perfektioniert hatte. »Nein, irgendwie war ich immer zu beschäftigt mit Überleben.«

»Ich habe ihn jetzt gemacht.«

»Herzlichen Glückwunsch.«

Ich hielt inne. Sie sagte: »Und, lass mich raten. Deine Eine ist tot, und irgendwie bin ich schuld daran.«

Ich seufzte. »Ich dachte, es könnte dich interessieren, dass der Test dich ergeben hat.«

Sie starrte mich an – für einen Augenblick, soweit ich es einschätzen konnte, ehrlich überrascht. »Ich … ich bin die Eine für dich?«

»Und ich für dich.«

Sie blickte mit einer Emotion, die ich nicht erkennen konnte, auf den Tisch. »Vielleicht hat der Test versagt.«

»Hast du jemals davon gehört, dass er das hat?«

»Wie würde man das mitkriegen?« Sie klang ehrlich interessiert, wie an einem wissenschaftlichen Problem. »Die Leute würden es bestimmt nicht zugeben, wenn sie nicht das fühlen, was sie sollen. Schließlich könnte es an ihnen liegen. Außerdem werden sie genau das fühlen, was sie erwarten. Placebo-Effekt eben.«

Wie bereits erwähnt hatte mich die Vorstellung, dass sie die Eine war, nicht gerade mit Begeisterung erfüllt. Aber meine eigenen Gedanken so vorgetragen zu bekommen, gefiel mir auch nicht.

»Du musst es ja wissen, darauf basiert schließlich dein Geschäft«, schnappte ich.

»Janet hat es jedenfalls gefallen. Vielleicht hätte ich es bei dir versuchen sollen, dann wärst du jetzt glücklicher.«

Ich stand auf. »Ich kann auch wieder gehen.«

»Warte.« Sie klang auf einmal müde. »So war das nicht gemeint.«

»Ich hab mich auch gefragt, ob das ein Irrtum ist. Tja, es gibt einen Weg, das zu testen.«

Ich ging um den Tisch herum zu ihr. Sie sah zu mir hoch.

»Darf ich … dich berühren?« Zu meinem Ärger spürte ich, wie mir das Blut ins Gesicht schoss.

Sie zog einen Mundwinkel hoch. »Wie süß von dir, zu fragen. Das hat lange keine mehr gemacht.«

Ich streckte meine Hand aus und strich mit meinen Fingern über ihren nackten Unterarm. Ein Schauer überlief mich. Sämtliche Härchen an meinem Körper stellten sich auf und ich konnte sehen, wie bei ihr dasselbe geschah. Natürlich konnte das auch an der Klimaanlage liegen oder an besagtem Placebo-Effekt, sagte ein Teil meines Verstandes, während dem anderen die Worte ausgingen, als ich ihr in die Augen blickte. Langsam, im Widerstreit zweier – vieler – Empfindungen, beugte ich mich zu ihr hinunter, während sie sich mir entgegenstreckte. Ihre Augen huschten über mein Gesicht, schienen zu schwimmen wie das Spiegelbild des Mondes im Wasser. Dann trafen sich unsere Lippen.

Alles, was über den Kuss der Einen behauptet wird, hatte ich für Geschwätz gehalten, mit dem Autorinnen Liebesgeschichten füllen, weil ihnen keine Story einfällt. Was soll ich sagen? Alles davon ist wahr. Dieser Kuss, meine Zunge in ihrem Mund, ihre Zunge in meinem, unsere Zähne, die gegeneinander schlugen … Mein Gehirn sprang in einen anderen Modus, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Ich zog sie an mich, fuhr mit den Händen durch ihr kurzes Haar, über die weiche Haut ihrer Wangen, ihres Nackens, ihren Rücken. Sie presste ihre gefesselten Hände gegen meinen Bauch und glitt mit den Fingern unter mein Hemd. Sie stöhnte leise.

Da gelang es dem Rest meines Verstandes, wieder die Oberhand zu gewinnen. Ich riss mich los. »Wie kann das sein?«, schrie ich. »Scheiße! Scheiße!«

Schwer atmend blieb ich vor dem Fenster stehen.

»Küsse ich so schlecht?« Der spöttische Ton setzte sich in ihrer Stimme mit Mühe gegen etwas anderes durch – etwas, von dem ich nichts wissen wollte. »Ich bin leider ziemlich außer Übung.«

»Wie kannst du es sein? Ich pack’ das nicht.«

»Mika«, sagte sie beruhigend, »du musst mich deshalb nicht heiraten oder so. Du bist zu nichts verpflichtet.«

»Aber du bist die Einzige, die ich jemals lieben kann! Soll ich den Rest meines Lebens alleine bleiben?«

»Lieben …« Sie schnaubte. »Wenn man etwas lieben nennt, was man sich nicht ausgesucht hat. Zur Not legst du dir eine Katze zu.«

Ich sah sie argwöhnisch an. Machte sie sich lustig über mich? Sie lächelte müde.

»Okay. Ich lege mir eine Katze zu«, wiederholte ich sarkastisch. Ich nahm meine Tasche und ging zur Tür. Falls sie noch etwas sagen wollte, nutzte sie die Gelegenheit nicht, und ich widerstand der Versuchung, mich noch einmal umzudrehen.

Ich suchte Ablenkung bei einem Spaziergang in den Bergen. Eine Seilbahn brachte mich und einige andere Ausflüglerinnen nach oben. Während der Fahrt hielt eine Person die Augen fest geschlossen und umklammerte mit Händen, deren Knöchel weiß anliefen, den Haltegriff. Ihre Partnerin legte ihre Hand, an der der Ehering glänzte, auf ihren Arm und redete leise auf sie ein.

Endlich erreichten wir die Bergstation und ich begann zu gehen. Schnee knirschte unter meinen Stiefeln. Meine Gedanken kehrten wieder zu Daria zurück. Der Anblick von ihr in dem Gefängniskittel legte sich über die weiße Einöde. Ungewollt fragte ich mich, unter was für Bedingungen sie im Gefängnis lebte. Diese Frage verwirrte mich in mehr als einer Weise. Ich stellte fest, dass ich sowohl in einem Aufwallen von Zorn wünschte, sie würde misshandelt werden, als auch Mitleid mit ihr empfand. Dann war da noch ein seltsames Gefühl, als würde ein Teil von mir angegriffen. Ich wusste nicht, was von alledem mich am meisten verstörte.

Die Dämmerung brach an und ich machte mich auf den Rückweg. Die untergehende Sonne tauchte die Stadt unter mir in orangenes Licht und blitzte auf den Autos und metallenen Schornsteinen und auf der Münze, die ich einer unbewussten Bettlerin zuwarf.

Eines musste ich Daria zu Gute halten: Obwohl eine Verbindung mit mir ihre Situation möglicherweise verbessern würde, hatte sie keinen Versuch gemacht, mich dazu zu überreden. Im Gegenteil, sie hatte mir sogar davon abgeraten. Oder war das bloß ein besonders raffinierter Trick?

Auf dem Rückweg zum Hotel stieg eine abgewrackte Person in die U-Bahn, die eine Taube in der Hand hielt. Die Taube war schwarz und struppig, und die Person kraulte mit dem Zeigefinger das Gefieder unter dem Schnabel und sagte: »Jetzt fahren wir nach Hause.«

Die anderen Passagiere taten so, als würden sie sie nicht sehen. Was war wohl mit dieser Person passiert? War ihre Eine tot? Oder hatte sie es aus irgendeinem Grund verpasst, den Test zu machen, bis die Einsamkeit sie in den Wahnsinn getrieben hatte?

Ich erinnerte mich, wie Janet und ich Witze darüber gemacht hatten, wie wir einmal enden würden. Wir saßen vor dem Fernseher, aßen Pizza und tranken Bier und sagten: »Ich werde mal eine Katzenlady mit vierzig Katzen.«

»Ich fahre um die Welt, meine einzige Gefährtin mein Auto.«

Halb war es Spaß, halb Ernst. Schließlich hatten wir alle schon mal Leute gesehen wie die Person mit der Taube oder die Alte, in deren Kinderwagen eine Porzellanpuppe lag.

Janet war eine Romantikerin, die Gedichte aus dem 18. Jahrhundert las und fürchtete, die Realität, die der Test offenbaren würde, würde ihren Träumen nicht standhalten. Ich war eine Individualistin, die sich nicht dem gesellschaftlichen Ideal der monogamen Beziehung unterwerfen wollte. Ich war eine Freiheitsliebende, die sich nicht durch Elementarteilchen an eine Person fesseln lassen wollte. Ich war eine Zynikerin, die nicht an die Liebe glaubte. Je nachdem, wie viel Bier ich gerade intus hatte.

Wir hakten unsere Finger ineinander und schworen uns, dass wir den Test zusammen machen würden, wenn überhaupt.

Umso überraschter war ich, als Janet mir eines Tages beim Spaziergang im Park verkündete, dass sie die Eine gefunden hatte. Sie hatte sich ordentlich frisiert und geschminkt, was sie sonst nie tat, und ihre Augen leuchteten.

»Im Ernst? Und was ist mit unserem Pakt?«

»Keine Sorge, Mika. Ich habe den Test nicht gemacht. Sie ist zu mir gekommen!« Sie tänzelte ein paar Schritte.

Wenn Janet anfing, vor Freude herumzuhüpfen, musste es etwas Ernstes sein. Darüber hätte ich mich freuen sollen, das wusste ich.

»Wie schön! Wie heißt sie denn?«

»Daria. Ist das nicht ein süßer Name?«

»Ich finde ihn eher ungewöhnlich … Kommt sie nicht von hier?«