Eine Feder für Wölfe - Ane Schönyan - E-Book

Eine Feder für Wölfe E-Book

Ane Schönyan

4,9

Beschreibung

Eine Feder für Wölfe“ ist die gemeinnützige Zusammenarbeit mehrerer Autoren. Jeder von ihnen hat sich bereiterklärt, auf ein Honorar für dieses Werk zu verzichten. Stattdessen geht der Gewinn eines jeden Buches zu 100% an den NABU, um den Wolf in Deutschland willkommen zu heißen. Wir – Autoren, Lektoren und Verlag – freuen uns darüber, mit unseren Talenten etwas Gutes tun zu können. Also lassen Sie sich verzaubern, von 20 fantastischen Kurzgeschichten rund um den Wolf – und tun Sie dabei auch noch etwas für dieses majestätische Tier!

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Eine Feder für Wölfe

Swantje Berndt

Impressum

© Weltenschmiede, Hamburg 2014

www.weltenschmiede-verlag.de

© the author

Cover: Toni Kuklik

Wolf: © karlumbriaco - Fotolia.com

ISBN 978-3-944504-12-4 (eBook)

ISBN 978-3-944504-13-1 (Taschenbuch)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Der Wolf – gehasst, gefürchtet, geliebt
Honiggolden
Wolfenreiter
Pokerspiel und Wolfsgeflüster
Heimkehrer
Tim
Wolfslegenden – Die Flut
Schwarzwaldwolf
Die Hunde Gottes
Der Wolf der Hexe
Sieben
Eins mit der Natur
Das Vermächtnis der weißen Wölfin
Wolfsschnee
Der Wendigo
Noscere – Mit Wolfsgespür auf der Fährte zur Wahrheit
Luperrus rex – Könige der Wölfe
Rücken an Rücken
Wächter des Waldes
Wolfsrufe
Danksagung

Vorwort

von Swantje Berndt

Der Beginn: Das Bild eines Wolfes in einer Fotofalle.

Am 16. November 2012 postete mir Tanja Niermann, eine Freundin und ehemalige Klassenkameradin, auf meine Facebook-Chronik das Schwarzweiß-Bild eines Wolfes. Es sei in der Nähe meines Zuhauses aufgenommen worden, wobei „Nähe“ im weitesten Sinne verstanden werden muss.

Das Tier war im Raum Sperenberg in eine WWF-Kamerafalle getappt und der WWF deklarierte daraufhin Berlin-Brandenburg zum Wolfsland.

Tanjas Herausforderung an mich: Schreibe eine Gesichte zu diesem Foto.

Bereits am 19. November entschieden Toni Kuklik, Autorenkollegin und Verlegerin des Weltenschmiede Verlags, der damals gerade aus der Taufe gehoben worden war, aus einer Geschichte viele zu machen.

Toni und ich gründeten die Facebook-Gruppe „Eine Feder für Tiere“ und innerhalb weniger Minuten füllte sie sich mit begeisterten Mitstreitern. Viele Autorinnen und Autoren sind dabei aber auch Künstler und interessierter Tierschützer.

Zweck der Gruppe: eine Anthologie zum Thema Wolf zu schreiben und den Gewinn dem Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) für das Projekt „Willkommen Wolf“ zu spenden.

Über Jennifer Benkau, die sich mit Sandra Gernt zusammen als Lektorin zur Verfügung gestellt hat, knüpfte ich den Kontakt zu Elli Radinger, die mich an Anette Wolff vom NABU verwiesen hat. Ab diesem Moment wurde es ernst.

Niemandem von uns lag etwas an leeren Versprechungen. Das Buch sollte erscheinen, obwohl noch keine Einsendung bei mir angekommen und der Verlag, wie erwähnt, blutjung war.

Ein Wagnis? Und ob.

Hat es sich gelohnt? Das können nur die Leser der Geschichten entscheiden. Für uns, und ich denke, ich spreche hier für alle Beteiligten, war es ein Abenteuer erster Güte. Ich habe selten so viel Motivation und Engagement von Menschen erlebt, die mir größtenteils völlig fremd waren!

Bereits zum Jahreswechsel meldeten sich so viele Autoren auf meine Ausschreibung hin, dass ich mindestens ebenso erfreut wie erschüttert war.

Die schwerste Aufgabe war für mich, aus einer Fülle an Geschichten nur zwanzig herauszupicken.

Die Anthologie hätte locker viermal so dick sein können.

Fantasy, Science Fiction, Sagen, Dystopien, aber auch ganz „normale“ Kurzgeschichten zum Thema „Wolf“ sammelten sich in unserem Erstlingswerk, während die Dynamik in der Gruppe und den Aufgabenbereichen nicht nachließ. Genauer gehe ich darauf später in meiner Danksagung ein.

Auf das Ergebnis unseres „Sprungs ins kalte Wasser“ sind wir stolz. Unser Gemeinschaftskind konnte nur entstehen, weil sich niemand zurückgenommen hat und wir die Last auf viele Schultern verteilen konnten.

Mit der Veröffentlichung der Wolf-Geschichten endet unsere Arbeit nicht. „Eine Feder für Tiere“ wird weiter bestehen, weiter schreiben und sich weiter für Tiere aller Art einsetzen!

Zum Schluss möchte ich im Namen von uns allen noch einer ganz besonderen Autorin danken. Roselinde Dombach war von Beginn an dabei, hat eine wunderschöne, romantische Geschichte geschrieben und sich sehr darüber gefreut, dass sie in der Anthologie aufgenommen wurde.

Zu unserer Bestürzung kann Roselinde die Veröffentlichung von Snow Cristal nicht mehr miterleben. Sie starb Ende September 2013 – bevor sie ihren Vertrag für diese Anthologie unterzeichnen konnte. Ihrer Familie und ihren Freunden wünschen wir an dieser Stelle unser allerherzlichstes Beileid.

Nichts desto trotz ist und bleibt sie in unseren Herzen ein Bestandteil der Feder für Tiere Gruppe, denn ich bin mir sicher, dass sie uns von Projekt zu Projekt mit ihrer Motivation, Texten und Bildern unterstützt hätte.

Nach der Veröffentlichung ist vor der Veröffentlichung und ich hoffe, dass noch viele Anthologien unserem Erstling folgen werden.

Jetzt bleibt mir nur noch, viel Freude beim Lesen zu wünschen.

Liebe Grüße

Swantje Berndt

Der Wolf – gehasst, gefürchtet, geliebt

Zweites Vorwort von Holger Stark

Viele fragen sich, ob der Wolf in Deutschland überleben kann. Findet er die Voraussetzungen, die er zum (Über)leben benötigt? Gibt es genügend Wild für die Jagd? Bietet das Gebiet Rückzugsmöglichkeiten? Leider wird dabei häufig der wichtigste Faktor für das Überleben des Wolfes vergessen: der Mensch. Alleine vom Menschen ist es abhängig, ob sich der Wolf in Deutschland wieder dauerhaft ansiedeln kann. Nur die Toleranz des Menschen ermöglicht es dem Wolf, hier zu leben.

So wie der Mensch es geschafft hat, den Wolf in vielen Gebieten auszurotten, hat er es in der Hand, ihm die Rückkehr zu ermöglichen. Aber woher kommt der Wolf eigentlich?

Auch wenn sich die evolutionsbiologische Entwicklung des Wolfes 60 Millionen Jahre zurückverfolgen lässt, kann man das kleine Raubtier „Tomarctus“, als Vorfahre aller Hundeartigen, auf 15 Millionen Jahre zurückdatieren. Vor 2 Millionen Jahren traten nun endgültig die ersten Wölfe (Canis Lupus) in Eurasien in Erscheinung und verbreiteten sich von dort über den gesamten Norden. Der Wolf bildete dabei nur wenige, vermutlich nicht mehr als 13, Unterarten aus. Dies genügte, um in den doch sehr unterschiedlichen Lebensräumen zu leben. Dabei reicht die Spanne vom Arabischen Wolf, dem kleinsten Vertreter mit etwa 20 kg Körpergewicht, bis zum Russischen Wolf, der mit seinen 50 kg mehr als das doppelte auf die Waage bringt. Seine enorme Anpassungsfähigkeit beweist der Wolf schon durch seine Lebensräume, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hat er es auf der arabischen Halbinsel mit einem trockenen-heißen Klima und mit Temperaturen bis zu 50° Celsius zu tun, leben die Polarwölfe in einer extrem rauen und kalten Umgebung, mit langen und dunklen Wintern.

So ist der Wolf auch heute noch absolut anpassungsfähig und flexibel.

Allen Arten gemein sind extrem gefestigte Sozialstrukturen innerhalb des Familienverbandes, dem Rudel.

In der Regel besteht ein Rudel aus einem Elternpaar und 1 bis 2 Generationen an Kindern. Nach Erreichen der Geschlechtsreife, mit ca. 2 Jahren, machen sich die Kinder selbständig und gründen mit einem Partner aus einem anderen Rudel ihren eigenen Familienverband. So lange die Menschen noch als Jäger und Sammler unterwegs waren, lebte man in einem relativ entspannten Verhältnis nebeneinander her. Der Mensch konnte vom erfahrenen Jäger Wolf, im Hinblick auf Jagdtechnik und –strategie, vieles lernen. Dies führte dazu, dass der Wolf von vielen Urvölkern, z.B. den Indianern, verehrt wurde und als Vorbild diente. Es gab genug jagdbares Wild für alle. Oftmals konnte man direkt vom Jagderfolg der Wölfe profitieren, indem man sich der erjagten Reste bediente.

Erst als sich der Mensch sesshaft machte, sah er den Wolf als Konkurrent und Problem an. Der Wolf erlegte durchaus in Gattern gehaltene Haustiere, da sie eine leichte Beute waren. Der Mensch musste handeln und erschuf so verschiedene Schutzmöglichkeiten, um Übergriffe auf seine Tiere erfolgreich zu vermeiden. Im Mittelalter, als die Jagd auf Hochwild zum Vergnügen und einer sportlichen Angelegenheit wurde, schlug das Verhältnis zum Wolf in offene Feindschaft um. Dies führte dazu, dass der Wolf gnadenlos verfolgt und dezimiert wurde. Es entstanden Geschichten und Märchen, in denen der Wolf als grausames, mordendes Monster dargestellt wurde. Leider hat sich diese Einstellung, wider besseren Wissens und trotz der Einführung von Gesetzen zum Schutze des Wolfes, bis heute in manchen Köpfen gehalten.

Lebten die Wölfe mehrere Hunderttausend Jahre im gesamten Verbreitungsgebiet, waren sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts in West und Mitteleuropa, Dank des Menschens, ausgerottet. Selbst in Skandinavien wurde 1973 der letzte freilebende Wolf erschossen, auch in den USA galt er als ausgestorben. Durch eine entsprechende Gesetzgebung, die den Wolf als bedrohte Tierart in Deutschland streng schützt, wurde erreicht, dass nach und nach wieder einzelne Wölfe in Deutschland gesichtet wurden. Seit 2000 siedeln sich im Osten Deutschlands erste Wolfsrudel an. Die vom Menschen genutzten und bewirtschafteten Landschaften sind ein idealer Lebensraum für den Wolf. Er ist ein Kulturfolger, der nicht zwingend Wildnis benötigt, wohl aber ruhige, geschützte Flächen, um ungestört seine Welpen aufzuziehen. So fanden die Tiere, z.B. auf verlassenen Truppenübungsplätzen der Armee, neuen Lebensraum. Diese, oftmals unter Naturschutz stehenden Areale, bieten gute Lebensbedingungen und werden von Menschen wenig besucht.

Die gesetzlichen Schutzmaßnahmen in Deutschland sind kein Garant dafür, dass der Wolf überall willkommen ist. Viele Jäger und Landwirte mit Viehzucht sind über die Rückkehr des Wolfes nicht erfreut.

In seinem Lebensraum in Deutschland steht der Wolf an der Spitze der Nahrungspyramide. Wie bei diesen sogenannten Top-Predatoren üblich, wird sein Bestand über das Beuteangebot reguliert und nicht durch einen noch größeren Beutegreifer.

Angesichts weit überhöhter Wildbestände sollte es jedoch keine Befürchtungen geben, dass der Wolf diese drastisch reduzieren kann. Es ist noch ein langer Weg, hier Aufklärungsarbeit zu leisten und die notwendige Toleranz zu schaffen. Zudem ist die Population in Deutschland noch so instabil, dass eine Vergrößerung der Bestände auf eine weitere Zuwanderung von Wölfen angewiesen ist.

Dabei findet der Wolf in allen Flächenbundesländern Deutschlands Bereiche, in denen er gut leben kann. Es verwundert also nicht, dass Wanderwölfe bereits in zwölf Bundesländern nachgewiesen werden konnten (Stand 2013). Wir können damit rechnen, dass sich der Wolf neben Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen auch in allen anderen Bundesländern, ausgenommen der Stadtstaaten, niederlassen wird. Die Überwindung selbst großer Entfernungen ist für den Ausdauerathlet Wolf kein Problem. Wölfe, die ihr Rudel verlassen, um eine eigene Familie zu gründen, wandern teilweise mehr als 1.500 km weit.

Manch einer mag sich nun fragen, warum wir den Wolf in Deutschland mit offenen Armen empfangen sollten. Man könnte doch meinen, dass der Wolf in den großen Waldgebieten, sowie in Taiga und Tundra von Nordamerika, Nordeuropa und Asien weit verbreitet sei und sein freies Leben genießen könne.

Doch weit gefehlt: In vielen Ländern, wie z.B. Russland, den USA und Teilen von Skandinavien, ist die Wolfsjagd offiziell gestattet. Dabei kann man von keiner „eingreifenden Regulierung sprechen“. Hier werden Tausende Tiere erlegt, sodass die Bestände gefährdet sind. Es dürfen grausame Methoden wie Fallenjagd und das Auslegen von Giftködern eingesetzt werden. In vielen Köpfen ist der Wolf noch immer ein Konkurrent des Menschen, der keine Existenzberechtigung hat.

So kommt es, dass die erbarmungslose Jagd auf den Wolf nicht nur gestattet ist, sondern auch noch ganz bewusst durch den Staat gefördert wird. In Russland gibt es neben einer Abschussprämie, die pro erlegten Wolf gezahlt wird, noch einen zusätzlichen Bonus für denjenigen, der die meisten Wölfe zur Strecke bringt. Dabei gehen die Wolfsjäger nicht zimperlich vor.

Im Yellowstone Nationalpark, USA, wurde der Wolf in den 1930er Jahren ausgerottet. In der Folge geriet das natürliche Gleichgewicht der dort lebenden Wildtiere durcheinander. 70 Jahre später wurden im Yellowstone Nationalpark 14 kanadische Wölfe angesiedelt. Diese Population hat sich, auch nach Zuwanderungen von außen, auf ca. 100 Tiere erhöht. Interessant sind die Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen im Nationalpark. Der Wolf hat die Hirscharten dezimiert bzw. halten sich diese nicht mehr dauerhaft in den Auwäldern auf, sodass sich die Vegetation erholen konnte. Junge Bäume und andere Pflanzen können wieder ungestört wachsen. Durch den erholten Baumbestand kehrte auch der Biber zurück in den Nationalpark. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Bestände von Fischen und Bären aus. Ein positiver Kreislauf, der Wissenschaftler aus den gesamten Vereinigten Staaten interessiert. Obwohl der Wolf im Nationalpark geschützt ist, hat die Jagdpraxis im Umland, dort ist die Wolfsjagd seit 2012 wieder offiziell gestattet, großen Einfluss auf die Tiere im Park. So wurde in Montana die erlaubte Abschussquote erhöht und es gibt keine Schutzzone mehr um den Nationalpark. Die Wolfgegner haben es innerhalb weniger Wochen geschafft, die Population um über 20%, auf weniger als 80 Tiere, im Yellowstone Nationalpark zu reduzieren.

In Skandinavien wurde die Wolfsjagd, trotz einer sehr geringen Wolfspopulation, weitestgehend wieder gestattet. Die wenigen Rudel haben dort, ohne Zuwanderung von außen, die eine Auffrischung des Genpools bedeutet, nur eine geringe Überlebenschance. Die Jagd auf diese Tiere könnte das Ende der gesamten Wolfspopulation bedeuten.

In Japan scheitert die Wiederansiedlung des Wolfes an der Furcht der Bevölkerung, die durch eine japanische „Rotkäppchen-Version“ geschürt wird. Gerade dort wäre eine natürlich Regulierung des Rotwildes dringend notwendig.

Selbstverständlich darf man die Ängste der Menschen in Deutschland nicht unbeachtet lassen. Schafshalter in Wolfsgebieten haben beispielsweise einen deutlichen Zuwachs an Arbeit. Sie müssen die Herden mit mehr zeitlichem und finanziellem Aufwand schützen als ohne Wölfe. Auch für einen Jäger ändert sich die Situation, wenn Wölfe im Revier sind. Das Wild wird unsteter und so erhöht sich der Aufwand auch hier. Sicherlich wird das Miteinander von Mensch und Wolf bei uns immer wieder zu Problemen führen. Aber diese Probleme sind lösbar und der Wolf findet hier ein für ihn passendes Lebensumfeld. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass der Wolf aus freien Stücken zu uns kommt. Er besiedelt wieder seinen ursprünglichen Lebensbereich.

In gesamt Mitteleuropa gibt es unzählige Renaturierungsmaßnahmen, die mit hohem finanziellem Aufwand geschädigte Ökosysteme wieder in einen naturnahen Zustand wandeln wollen.

Honiggolden

von Jennifer Benkau

„Ich habe das Gefühl, diese Straße wird von Jahr zu Jahr länger und der Wald immer dunkler. Gruselig ist das.“

Tom empfand das anders. So war er halt, der Niemandslandwald. Er widersprach seiner Mutter trotzdem nicht, weil er wusste, dass sie auf ihre Meinung beharren würde.

„Bist du sicher, dass du ganze vier Wochen bei Oma und Opa bleiben willst?“

Er nickte ohne sie anzusehen. Seit sie vor einer Viertelstunde von der Autobahn abgefahren und in den Wald eingebogen waren, schaute er aus dem Fenster und obwohl es draußen nichts weiter zu geben schien als Bäume, Sträucher und Hecken, wollte er den Blick nicht abwenden. Die Vorstellung, was sich hinter den Büschen alles verbergen konnte und wer vielleicht im Farn den Kopf senkte, um nicht entdeckt zu werden, ließ es in seinem Bauch kribbeln. Mit zehn glaubt man eigentlich nicht mehr an Waldelfen, Seenixen und Faune, aber Tom fand, dass ihm das zustand, immerhin hatte er im Gegenzug nie an solchen Blödsinn wie den Weihnachtsmann oder den Osterhasen geglaubt.

„Träumst du schon wieder?“ Die Frage klang weniger mahnend als gewöhnlich. Tom hörte heraus, dass seine Mutter lächelte und antwortete mit einem alles sagenden „Hmm“.

Träumer-Räuber-Tommie, so hatten seine Eltern ihn genannt, als seine Welt noch heil gewesen war. Bevor das Tier gekommen war und seinen Papa mitgenommen hatte. Tom hatte erst viel später begriffen, dass kein Tier schuld gewesen war, sondern eine Krankheit, die blöderweise wie ein harmloses Tier hieß und trotzdem ganz und gar nicht harmlos war. Später war Tom für Mama nur noch Träumer-Tom gewesen, und das hatte sie nicht mehr liebevoll ausgesprochen sondern genervt, weil er in den Momenten, in denen er gerne träumen wollte, meist andere Dinge tun sollte. Sie verstanden das nicht, weder seine Mutter, noch die Lehrerinnen oder die Schwimmtrainer: Träume kamen nicht, wenn man sie rief. Sie kamen, wann sie es für richtig hielten, und wenn man sie wegschickte, um zu rechnen, aufzuräumen oder fünfzig Meter durchzukraulen, dann verschwanden die Träume und kehrten auch nicht zurück. Wenn man Pech hatte, nie.

„Zum Träumen ist jetzt keine Zeit!“, hieß es immerzu, doch niemand begriff, dass die richtige Zeit zum Träumen sich nicht von den Erwachsenen beeinflussen ließ.

Hier im Wald hatten die Träume mehr Macht als anderswo. Tom hatte das natürlich schon sehr früh durchschaut, noch bevor er in die Schule gekommen war. Aber heute schien es sogar seine Mutter zu merken. Sie fluchte zwar alle paar Kilometer leise über den Zustand der Straße, hing jedoch dazwischen still ihren Gedanken nach. Tom kannte sie gut genug, um zu spüren, dass sie sich keine Sorgen machte, sondern genau wie er vor sich hin träumte, vermutlich von den Sommerferien. Sie würde mit ihrem Freund auf die Kanaren fliegen. Tom hatte nicht das geringste Interesse daran, mit ihnen zu fliegen. Er hatte das im letzten Jahr versucht und es bitter bereut. Das Hotel hatte einen Kinderclub, so war es nicht. Aber wenn man drei Wochen lang jeden Tag morgens hingebracht und abends wieder abgeholt wird, kann auch der beste Kinderclub nichts reißen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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