Eine Frau für Onkel Thomas - Annabella Annabella - E-Book

Eine Frau für Onkel Thomas E-Book

Annabella Annabella

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. »Ach, du liebe Zeit! Gusti, wo kommt das denn her? Und seit wann ißt Onkel Thomas Käsekuchen, oder soll der etwa für mich sein?« Gusti Henkels schaut Beatrix Hennings, die ein buntes Sofakissen in der Hand hält und amüsiert betrachtet, ein wenig verlegen an. »Das Kissen ist von Frau von Holbach, und der Kuchen, nun, die Baronesse von Liegnitz hat ihn gebracht für Baron von Friedberg.« »Aber Onkel Thomas ißt doch gar keinen Kuchen – und schon gar nicht Käsekuchen. Was hat er denn dazu gesagt?« Gusti zuckt die Schultern. »Er hat ihn ja noch gar nicht entdeckt. Höchstwahrscheinlich freut er sich.« »Onkel Thomas freut sich?« »Nun, er wird halt so tun, er kann doch nicht unhöflich sein. Und die Damen meinen es alle gut.« »Wieso?« »Baronesse von Thun kümmert sich sehr oft um Peter und Monika, seitdem du fort bist –, und Frau von Redwitz hat extra wegen deines Onkels Schachspielen gelernt und begleitet ihren Bruder an jedem Mittwoch­abend.« »Und wo kommt dieses komische Ding her?« Mit spitzen Fingern hält Beatrix eine Puppe hoch, die aus Strumpfresten und Wolle verfertigt wurde und aussieht wie ein Clown oder ein besserer Hampelmann, so findet Beatrix jedenfalls. »Die hat Fräulein von Arnsberg angeblich selber gemacht – für Monika. Sie war heute nachmittag hier, hat sie Monika aber nicht geben können, da die Kinder mit Baron von Friedberg weggefahren sind.« »Seit wann ist denn Helene von Arnsberg kinderlieb?

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Fürstenkinder – 34 –

Eine Frau für Onkel Thomas

... und eine Mutti für uns

Annabella Annabella

»Ach, du liebe Zeit! Gusti, wo kommt das denn her? Und seit wann ißt Onkel Thomas Käsekuchen, oder soll der etwa für mich sein?«

Gusti Henkels schaut Beatrix Hennings, die ein buntes Sofakissen in der Hand hält und amüsiert betrachtet, ein wenig verlegen an.

»Das Kissen ist von Frau von Holbach, und der Kuchen, nun, die Baronesse von Liegnitz hat ihn gebracht für Baron von Friedberg.«

»Aber Onkel Thomas ißt doch gar keinen Kuchen – und schon gar nicht Käsekuchen. Was hat er denn dazu gesagt?«

Gusti zuckt die Schultern. »Er hat ihn ja noch gar nicht entdeckt. Höchstwahrscheinlich freut er sich.«

»Onkel Thomas freut sich?«

»Nun, er wird halt so tun, er kann doch nicht unhöflich sein. Und die Damen meinen es alle gut.«

»Wieso?«

»Baronesse von Thun kümmert sich sehr oft um Peter und Monika, seitdem du fort bist –, und Frau von Redwitz hat extra wegen deines Onkels Schachspielen gelernt und begleitet ihren Bruder an jedem Mittwoch­abend.«

»Und wo kommt dieses komische Ding her?« Mit spitzen Fingern hält Beatrix eine Puppe hoch, die aus Strumpfresten und Wolle verfertigt wurde und aussieht wie ein Clown oder ein besserer Hampelmann, so findet Beatrix jedenfalls.

»Die hat Fräulein von Arnsberg angeblich selber gemacht – für Monika. Sie war heute nachmittag hier, hat sie Monika aber nicht geben können, da die Kinder mit Baron von Friedberg weggefahren sind.«

»Seit wann ist denn Helene von Arnsberg kinderlieb? Davon habe ich doch früher nie etwas gemerkt.«

Gusti erwiderte nichts.

»Du etwa, Gusti?« drängt Beatrix.

»Vielleicht hat sie ihre Liebe ganz plötzlich entdeckt«, meint Gusti Henkels.

»Zu wem, Gusti, zu Onkel Thomas oder zu Monika?«

Nun muß Gusti doch lachen. »Seit du weg bist, wollen sie sich halt alle ein wenig um die Kinder kümmern.«

»Ich glaube, es wird höchste Zeit, daß ich wiederkomme«, meint Trixi seufzend. »Meinst du, Gusti, daß sie ihn alle heiraten wollen?«

»Wer?«

»Nun, die Witwen und ledigen Mädchen rund herum!«

»Es wäre das beste, Trixi, wenn dein Onkel wieder heiraten würde.«

»So?« Erstaunt und entrüstet schaut Beatrix Hennings die Alte an. »Vielleicht die vollbusige Frau von Hollbach oder die spindeldürre Generalswitwe Frau von Kolberg, oder etwa die pummelige Baronesse von Liegnitz? Oder denkst du vielleicht an die falsche Schlange, die rothaarige Arnsberg?«

»Es gibt schließlich auch noch andere Frauen, nicht wahr?«

»Onkel Thomas braucht keine Frau. Jetzt bin ich schließlich wieder da und kann mich um Peterle und Monika kümmern. Hat er übrigens mein Telegramm nicht erhalten?«

»Nein, Kindchen, das Telegramm ist erst eine halbe Stunde nach seiner Abfahrt gekommen.«

»Deshalb mußte ich in der Mittagshitze zu Fuß laufen!«

»Warum hast du nicht vom Bahnhof aus angerufen, Kindchen?«

»Ach, das wollte ich nicht. Ich dachte, vielleicht hätte Onkel Thomas keine Zeit.«

»Aber Trixi, er hätte dich bestimmt holen lassen oder wäre selbst gekommen, wenn er dein Telegramm erhalten hätte.«

»Wann kommt er denn zurück?«

»Oh, eigentlich müßte er schon hier sein. Er wollte nur zu Notar Brunnbauer, und da Peter und Monika so gebettelt haben, hat er sie halt mitgenommen. Wenn die Kinder gewußt hätten, daß du heute kommst, wären sie bestimmt lieber hiergeblieben.«

»Ich habe so Sehnsucht nach ihnen gehabt.«

»Sie auch – und wir alle – nach dir, Trixi. Sie haben sich immer so über deine Briefe gefreut, die Kinder.«

»Ich mich auch über ihre Briefchen. Sicher hast du Gute ihnen dabei geholfen, nicht wahr?«

»Ein wenig schon, Kindchen, aber Peter kann schon ganz gut schreiben. Horch, Trixi, ich glaube, ich höre den Wagen deines Onkels.«

»Ja – er ist es!« Trixi ist bereits zur Tür hinaus, und die alte Mamsell Gusti schaut ihr liebevoll nach.

Wie hübsch das Mädel im letzten Jahr geworden ist! muß sie unwillkürlich denken. Sie kann sich noch genau erinnern, als Baron von Friedberg das Kind vor rund sechs Jahren mitbrachte. Zwölf Jahre war sie damals alt gewesen, die kleine Trixi Hennings, ein mageres, hochaufgeschossenes Mädel mit langen rostbraunen Zöpfen und übergroßen Augen, die das ganze Kindergesichtchen zu beherrschen schienen.

Sie verläßt nun ebenfalls das Zimmer und begibt sich durch die Halle nach draußen.

Tränen steigen ihr unbewußt in die Augen, als sie Zeugin der freudigen Begrüßung zwischen Baron von Friedberg, den Kindern und Trixi wird.

*

Mädchen, laß dich anschauen!« Thomas von Friedberg hält Beatrix Hennings ein Stückchen von sich ab, um sie besser betrachten zu können. »Donnerwetter, Trixi, du bist ja eine fast heiratsfähige Dame geworden«, sagt er lachend, ehe er das Mädchen in seine Arme zieht und küßt. Trixi zuckt unter der Berührung ein wenig zusammen, und sie ist froh, als der elf­jährige Peter und die fünfjährige Monika sich an sie drängen, um sie zu begrüßen.

»Oh, Trixi, du bist wieder da, endlich! Wir haben dich ja so schrecklich vermißt!«

»Ist das wirklich wahr, Peterle, Monika? Habt ihr eure Trixi noch ein bißchen lieb?« Sie schaut glücklich lächelnd auf die Kinder. »Und habt ihr mich auch wirklich nicht vergessen?«

»Aber wie können wir das?« Ganz erstaunt klingt die muntere Bubenstimme. »Wo du doch unsere geliebte große Schwester bist!«

»Und fast so lieb wie eine Mutti«, fügt die kleine Monika hinzu.

Baron von Friedberg steht leise lächelnd dabei und schaut der Begrüßung der Kinder zu, denn auch Beatrix ist ihm wie ein Kind ans Herz gewachsen.

Keinen Tag bis jetzt hat er bereut, das heimat- und elternlose Kind zu sich genommen zu haben, das der Sonnenstrahl seines Hauses geworden ist. Er freut sich aufrichtig, daß es wieder da ist, das liebe kleine Mädel.

Zusammen mit seinen Kindern und Beatrix betritt er das große Gutshaus. Bevor sich alle auf ihre Zimmer zurückziehen, um sich zum Essen umzukleiden, verspricht der Baron: »Heute abend setzen wir zwei uns gemütlich zusammen, und du erzählst mir von der Haushaltsschule und was du alles gelernt und gesehen hast, ja, Trixi?«

»Gern.« Beatrix schaut den Onkel glücklich an. Sie weiß erst jetzt, wie sehr sie sich nach ihm gesehnt hat.

Baron von Friedberg ahnt nicht, was in dem jungen Mädel vor sich geht. Und hätte ihm jemand gesagt, daß seine Pflegetochter Trixi in ihm nicht nur den Vater, sondern den Mann ihrer ersten heimlichen Mädchenträume sieht, so hätte er denjenigen höchstwahrscheinlich ausgelacht.

*

Als sie abends gemütlich beieinandersitzen, nachdem die Kinder bereits schlafen, muß Beatrix dem Baron ausführlich über ihre Ausbildung in der Haushaltsschule berichten. Interessiert hört er zu. Seine warmen grauen Augen ruhen liebevoll auf dem zarten Gesicht seiner hübschen Pflegetochter.

Mein Gott, wie doch die Zeit vergeht! Ehe man es sich versieht, sind doch tatsächlich aus Kindern Leute geworden, und man selbst wird alt, denkt er.

Unwillkürlich entfährt seinen Lippen ein Seufzer.

Trixi schaut den Onkel ganz erschrocken an.

Langweile ich ihn? denkt sie bestürzt und verstummt augenblicklich.

Thomas von Friedberg scheint es nicht zu bemerken. Seine Gedanken eilen in die Vergangenheit zurück.

Er sieht sich mit Liane auf der Hochzeitsreise, auf der sie Beatrix’ Vater, Professor Henning, und seine liebreizende Frau Beate kennengelernt hatten.

Liane und er hatten sich mit dem Ehepaar Henning angefreundet. Und als man auseinanderging, trennte man sich mit dem Versprechen, einander oft zu schreiben und zu besuchen.

Es war eine wirklich gute dauerhafte Freundschaft geworden. Und als Beate Henning dann bei der Geburt ihres zweiten Kindes starb, das ebenfalls nicht am Leben blieb, hatten Liane und er Beatrix, ihre Tochter, zu sich aufs Gut genommen, weil Professor Henning nicht fähig war, sich um das Kind zu kümmern. Er hatte, um nicht dauernd an den schmerzlichen Verlust der geliebten Frau erinnert zu werden, eine längere Forschungsreise unternommen.

Als nach einem halben Jahr aus Afrika die Nachricht kam, daß Professor Rudolf Henning bei einer Großwildjagd ums Leben gekommen war, hatte Thomas von Friedberg die Vormundschaft für das verwaiste Kind übernommen. Beatrix’ Vater hatte seiner Tochter ein beträchtliches Vermögen hinterlassen, das Thomas getreulich verwaltete. Beatrix konnte später als eine sehr gute Partie gelten. Aber Gott sei Dank ahnte das niemand, nicht einmal Trixi selbst. Sie sollte das erst erfahren, wenn sie mündig war.

Trixi hatte sich schnell an seine Frau und ihn gewöhnt. Während sie Liane bewunderte und verehrte, liebte sie ihn, Thomas, vom ersten Augenblick an fast abgöttisch. Und auch er fühlte sich zu dem Mädel mit den großen ernsten Augen merkwürdig stark hingezogen.

Und dann, als Liane, seine über alles geliebte Frau, zwei Jahre nach der Geburt von Monika an einer schweren Lungenentzündung starb, nahm das für sein Alter sehr selbständige und pflichtbewußte sechzehnjährige Mädel Lianes Platz ein. Sie vertrat Mutterstelle an den Kindern, obwohl sie ja eigentlich selber fast noch ein Kind war.

Und Beatrix war es auch, die ihm, Thomas, über den Tod seiner Frau hinweghalf. Nur ihr hatte er es zu verdanken, daß sein Schmerz geringer geworden war und er sich wieder dem Leben, dem Gut und seinen Kindern zugewandt hatte.

*

Trixi, um deren Person Thomas von Friedbergs Gedanken kreisen, liegt noch wach in ihrem Zimmer. Sie kann einfach nicht einschlafen.

Was ist es nur, daß ich für Onkel Thomas empfinde? sinnt sie. Ich gönne ihn niemandem. Nur Monika und Peter, auf die bin ich nicht eifersüchtig, weil sie ein Stück von Onkel Thomas sind, den ich liebe, seit ich denken kann. Den ich liebe? denkt sie dann erschreckt.

Ihr kleines Herz flattert, ihre Pulse fliegen, ihr wird heiß und kalt bei diesem Gedanken. Mein Gott, und wenn er sich nun eine Frau nimmt? Nein, o nein, das ertrage ich nie und nimmer! weiß sie augenblicklich, und ihr Inneres erzittert bei dem Gedanken.

Er darf nie merken, daß ich ihn liebe, sonst weist er mich womöglich aus dem Haus, hetzen ihre Gedanken weiter.

Erst nach Stunden schläft sie ein. Verworren und beängstigend sind ihre Träume.

*

Und nun nehmen der Alltag und Gut Friedberg wieder Besitz von Beatrix Hennings. – Es ist fast so, als sei sie nie fortgewesen.

Sie nimmt die Zügel des Haushaltes fest in ihre kleinen Hände.

Gusti, die sich schon ein bißchen zu alt für die heranwachsenden Kinder Peter und Monika fühlt, ist froh, daß ihr Trixi diese Verantwortung vollkommen abnimmt und ihr auch bei der Führung des großen Gutshaushaltes zur Seite steht.

Die Damen von den umliegenden Gütern stellen langsam ihre Besuche ein, nachdem ihnen Trixi zwar sehr freundlich, aber in unmißverständlicher Weise klargemacht hat, daß es nicht nötig ist, daß sie sich um ihren Onkel und die Kinder kümmern, weil ja nun sie wieder dafür da sei und gut allein fertig würde.

Sie sagt das alles mit so viel Liebenswürdigkeit und Charme, mit lachendem Mund und harmlos blickenden Augen, daß man ihr nicht böse sein kann.

Nur die rothaarige Helene-Theresa von Arnsberg läßt sich nicht so leicht von dem jungen, arroganten Ding, wie sie Trixi bei sich nennt, in die Flucht schlagen.

Sie hat es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, den attraktiven Witwer Thomas einzufangen.

Zu dumm, daß sie ausgerechnet jetzt zurückkommen muß, denkt sie wütend, als sie statt Baron von Friedberg von Trixi zwar sehr höflich empfangen wird, aber ihr nach kurzer Zeit in liebenswürdiger Form nahegelegt wird, ihren Besuch abzubrechen, da man zu tun habe.

Sie läßt sich zwar ihre Wut nicht anmerken, nimmt sich aber vor, als sie in ihrem knallroten Sportwagen wieder ihrem Gut zufährt, sich an der kleinen Pflegetochter des Barons zu rächen.

Trixi ahnt natürlich nichts von den unguten Gedanken der rothaarigen Tessa von Arnsberg.

*

Die Schule hat wieder begonnen. Peter muß jeden Tag in die Kreisstadt ins Gymnasium fahren. Trixi, die inzwischen Autofahren gelernt hat, fährt ihn morgens in der Früh – zusammen mit der kleinen Monika – zur Bahn und holt ihn mittags wieder ab.

Peter ist jetzt in einem Alter, wo er zwar die Mutter nicht mehr ganz so sehr vermißt, sich aber trotzdem nach fraulicher Zärtlichkeit und mütterlichem Verstehen sehnt.

Er findet dies zwar alles in genügendem Maße bei Trixi, aber Peter betrachtet Beatrix Hennings nicht als Frau. Trixi ist für ihn einfach ein Mädchen, ein guter Kamerad und in erster Linie seine geliebte große Schwester.

Eines Tages während des Mittagsessens platzt er plötzlich mit den Worten heraus: »Papa, ich wüßte eine ganz, ganz prima Frau für dich.«

Thomas von Friedberg schaut seinen Jungen bestürzt an, während Trixi mit starrem Gesicht dabeisitzt.

»Was ist das denn für ein Unsinn, Peter!« sagt er endlich.

»Aber eine Mutti wäre doch schön, Papi!«

»Ich will aber keine Mutti«, sagt Monika trotzig. »Wir haben ja Trixi, und wir brauchen keine andere Mutti.«

»Aber Trixi ist doch unsere Schwester, das ist doch keine Mutti. Und fast alle Buben in unserer Schule haben eine Mutti, nur der Hannes Bahlsen nicht. Aber dafür hat er eine prima Tante, unsere Sportlehrerin, eben die, die ich gern als Mutti haben möchte.«

Thomas von Friedberg wird auf einmal sehr ruhig. Er hat nie bemerkt, daß Peter so gern eine Mutter haben möchte.

Peter macht ein schuldbewußtes, sein Vater ein sehr nachdenkliches Gesicht.

Und Trixi haben die Worte von Peter einen heillosen Schreck eingejagt, direkt einen Schlag haben sie ihr versetzt.

Sollten es nun ausgerechnet die Kinder sein, die einzigen, auf die sie nicht eifersüchtig ist, die eine Frau ins Haus bringen?

*

Der Tag des Schulsportfestes rückt immer näher. Erst hat Trixi eine Ausrede finden und nicht mitgehen wollen, aber dann überlegt sie es sich doch anders. – Besser ist, sie ist mit dabei und schaut sich diese Karin Bahlsen einmal an. Vielleicht kann sie noch etwas verhindern, was auf sie zuzukommen scheint.

Trixi hat ein hübsches Kleid angezogen. Und da es noch ein sehr warmer Spätsommertag ist und die Sonne es heute ganz besonders gut meint, hat sie sich für ein besonders duftiges, großgeblümtes Georgettekleid entschieden, daß ihr ganz entzückend steht. Dazu hat sie einen großen, breitrandigen Hut aufgesetzt, der einmal Tante Liane gehört hat und den diese ihr einmal, vor Jahren schon, geschenkt hat.

Damals war Trixi noch ein wenig zu jung dafür, aber heute paßt er gut zu ihrem Kleid und ihrer neuen Frisur.

Baron von Friedberg schaut seine Pflegetochter überrascht an, als sie die Stufen des Gutshauses herunter und auf ihn zukommt.

Peter jedoch äußert seine Begeisterung gleich in Worten: »Menschenskind, Trixi, ganz pfundig siehst du heute aus, fast so schön wie unser Fräulein Bahlsen!«

Trixi versetzen zwar die letzten Worte des Buben wieder einen leichten Stich, aber sie lächelt trotzdem gezwungen, so, als fühle sie sich sehr geschmeichelt.

Als sie dann im Wagen sitzen und der Kreisstadt zufahren, betrachtet Thomas sie heimlich von der Seite.

Was sie für ein zauberhaftes Profil hat, die junge Trixi. In einigen Jahren werden sich die Männer um sie reißen.

Als sie auf dem Sportplatz ankommen, herrscht bereits ein reger Betrieb. Peter begrüßt seine Freunde und Schulkameraden mit großem Hallo – und auch er wird freudig begrüßt. Thomas kann feststellen, daß sein Sohn als Mitschüler und Kamerad sehr geschätzt wird.

Und als Thomas den Klassenlehrer von Peter begrüßt, den noch verhältnismäßig jungen Professor Hans Altenried, muß er erstaunt feststellen, daß Trixi von den anwesenden Herren bereits als Erwachsene, als begehrenswerte junge Dame behandelt wird.

»Guten Tag, gnädige Frau«, verneigt sich Altenried vor ihr. »Es ist mir eine große Freude, Sie bei uns begrüßen zu dürfen.«

Thomas will gerade richtigstellen, daß Trixi seine Tochter und nicht seine Frau ist, als der noch junge Lehrer seines Sohnes schon fortfährt, während er Trixi bewundernd anschaut: »Ich habe gar nicht gewußt, Herr Baron, daß Peters zweite Mutter so jung und schön ist. Ich wußte nur…«

»Ich habe nicht wieder geheiratet«, ringt sich Thomas die Worte ab. »Fräulein Hennings ist meine Pflegetochter.«

»Oh, pardon – Herr Baron«, sagt Professor Altenried erschrocken, »aber…« Er schweigt ganz plötzlich und schaut Thomas interessiert und abwägend an. Er hatte sagen wollen: »Sie erscheinen mir noch sehr jung für eine so große Pflegetochter.«

Thomas hätte nun ja geschmeichelt sein können, daß man ihm eine so junge und hübsche Frau zutraut, aber es spricht ganz für seinen Charakter, daß er es nicht ist. Im Gegenteil, er ist ein wenig pikiert. Was glaubt man denn eigentlich von ihm? Glaubt man, er würde die Dummheiten manchen reifen Mannes machen und ein so blutjunges Wesen wie Trixi an sich binden?

Und Trixi, was geht in ihr vor? In Trixi erwacht die Frau, eine echte kleine Eva.

Ich werde versuchen, Onkel Thomas eifersüchtig zu machen, denkt sie, vielleicht…

Was vielleicht sein könnte, wagt sie sich nicht weiter auszumalen.

Hans Altenried führt sie zu sehr guten Plätzen. Er erkundigt sich, besonders bei Trixi, ob sie so gut sehen könnten.

Später verabschiedet er sich mit einem vielsagenden und bewundernden Blick.

»Wir sehen uns später noch, nicht wahr?« Er schaut dem Mädchen tief in die Augen.

Trixi errötet. Und Hans Altenried bucht das natürlich auf sein Konto. Auch Thomas glaubt, Trixi würde der noch junge und sehr gut aussehende sportliche Professor gefallen.

Peter hat sich verabschiedet. Er nimmt jetzt mit seiner Klasse Aufstellung. Interessiert beobachtet Trixi die Buben, zu denen sich jetzt eine wirklich gut aussehende, sehr junge und hellblonde Frau gesellt: Fräulein Karin Bahlsen!

Widerwillig muß Trixi zugeben, daß die Sportlehrerin gut aussieht, fast zu gut für eine Lehrerin, findet sie.

Aus den Augenwinkeln heraus beobachtet sie nun auch heimlich den Onkel, der jetzt ebenfalls neugierig zu der Jungengruppe und der Lehrerin herüberschaut.

Donnerwetter, eine wirklich anziehende Person! denkt Thomas.

Und nun beginnen die ersten Übungen.

»Peter ist gut, nicht wahr, Trixi?« wendet sich ihr der Onkel mit stolzen Vateraugen zu, während er dem Kunstturnen, das jetzt unter der Leitung der blonden Sportlehrerin vonstatten geht, zuschaut.

»Ja, sehr gut sogar«, erwidert Trixi leise, die kaum auf die Übungen, sondern nur auf den Onkel und Karin Bahlsen geachtet hat.

Ob sie wohl Eindruck auf ihn gemacht hat? sind ihre Gedanken, während sie von Zeit zu Zeit heimlich in Thomas von Friedbergs Gesicht blickt.

Sie kann nicht erkennen, was ihn interessiert, die sportlichen Leistungen der Jungen und ihrer Lehrerin – oder die Frau?

Nun ist eine höhere Klasse an der Reihe. Peter kommt in seinem Trainingsanzug zu ihnen gelaufen.

»Du, Papi, kommst du nicht einmal kurz mit? Ich möchte dich gern Fräulein Bahlsen vorstellen.«

Etwas unschlüssig schaut Thomas auf Trixi.

»Können wir nicht warten, mein Junge, bis die Übungen, die jetzt gerade stattfinden, vorüber sind?«

»Ach, jetzt kommt eh nichts Besonderes mehr«, meint Peter ungeduldig und abwehrend. »Hauptsache ist doch, du hast uns gesehen, ich meine, meine Klasse und mich. Findest du nicht auch?«

Thomas lacht. »Eigentlich hat er ja recht«, meint er dann, zu Trixi gewandt, »was meinst du, Mädel? Kommst du mit, Trix, oder willst du lieber hier warten, bis ich mit Peter zurückkomme?«