Nur Iris ist die Frau für Papi - Annabella Annabella - E-Book

Nur Iris ist die Frau für Papi E-Book

Annabella Annabella

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. »Aber, Jo, du bist ja immer noch nicht angezogen!« Vorwurfsvoll blickt die alte Mathilde auf das etwa zehnjährige kleine Mädchen, das auf dem weichen Schafwollteppich kniet und in den Anblick eines Fotoalbums vertieft zu sein scheint. Johanna von Savade, die Tochter des Schloßherrn, schaut mißmutig auf, direkt in die hellen guten Augen der alten Mamsell, die allerdings jetzt ein wenig böse und auch traurig blicken, wie es ihr scheint. Rasch springt sie auf, einige Fotos flattern dabei auf den Teppich. »Tildchen, liebste, beste, sei nicht böse mit deiner Jo, aber…« »Dein Vater, der Graf Andreas, hat gewünscht, daß du pünktlich zum Kaffee erscheinst. Sauber gewaschen und anständig gekleidet.« Sie mißt kurz den Anzug von Johanna. »Nicht wieder in Hosen.« »Und das alles wegen der ollen rot-haarigen Ziege, dieser – dieser Baro-nesse von Meersfeld.« »Jo, bitte, du sprichst von deiner und Remos zukünftiger Mutter.« Johanna sieht die alte Mathilde, die Vertraute ihrer Kindheit, böse an. »Ich will diese alte rothaarige Ziege nicht als Mutter haben.« Traurig blicken ihre Augen, als sie dann weiterspricht. »Gesteh es doch ein, Tildchen, du magst sie doch auch nicht wirklich.« Die alte Frau windet sich, ehe sie vorsichtig erwidert: »Ich bin nicht maßgebend, Liebling. Dein Vater weiß besser, wer als Frau für ihn und als Mutter für euch richtig ist.« »Ach was, Papa weiß überhaupt nicht, was richtig ist. Er ist einfach verhext. Sie hat ihn vollkommen bezirzt, diese olle rothaarige Baronesse.«

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Fürstenkinder – 57 –

Nur Iris ist die Frau für Papi

Wann sieht er es endlich ein?

Annabella Annabella

»Aber, Jo, du bist ja immer noch nicht angezogen!« Vorwurfsvoll blickt die alte Mathilde auf das etwa zehnjährige kleine Mädchen, das auf dem weichen Schafwollteppich kniet und in den Anblick eines Fotoalbums vertieft zu sein scheint.

Johanna von Savade, die Tochter des Schloßherrn, schaut mißmutig auf, direkt in die hellen guten Augen der alten Mamsell, die allerdings jetzt ein wenig böse und auch traurig blicken, wie es ihr scheint.

Rasch springt sie auf, einige Fotos flattern dabei auf den Teppich.

»Tildchen, liebste, beste, sei nicht böse mit deiner Jo, aber…«

»Dein Vater, der Graf Andreas, hat gewünscht, daß du pünktlich zum Kaffee erscheinst. Sauber gewaschen und anständig gekleidet.« Sie mißt kurz den Anzug von Johanna. »Nicht wieder in Hosen.«

»Und das alles wegen der ollen rot-haarigen Ziege, dieser – dieser Baro-nesse von Meersfeld.«

»Jo, bitte, du sprichst von deiner und Remos zukünftiger Mutter.«

Johanna sieht die alte Mathilde, die Vertraute ihrer Kindheit, böse an. »Ich will diese alte rothaarige Ziege nicht als Mutter haben.«

Traurig blicken ihre Augen, als sie dann weiterspricht. »Gesteh es doch ein, Tildchen, du magst sie doch auch nicht wirklich.«

Die alte Frau windet sich, ehe sie vorsichtig erwidert: »Ich bin nicht maßgebend, Liebling. Dein Vater weiß besser, wer als Frau für ihn und als Mutter für euch richtig ist.«

»Ach was, Papa weiß überhaupt nicht, was richtig ist. Er ist einfach verhext. Sie hat ihn vollkommen bezirzt, diese olle rothaarige Baronesse.«

»Aber, Jo, wie redest du denn? Nicht wie eine Komteß von Savade, wie ein Kind der Straße drückst du dich aus.« Versöhnlicher fügte sie hinzu, als sie die vorwurfsvollen Blicke des Kindes sieht: »Bitte, Jo, zieh dich jetzt schnell um. Warte, Liebchen, ich helfe dir.«

Geschäftig eilt sie hin und her, nimmt ein Kleid aus dem Schrank, frische Unterwäsche aus der Kommode und läßt in dem nebenan liegenden Bad das Wasser in die Wanne laufen.

Johanna preßt die rosigen Lippen fest aufeinander. Widerwillig schaut sie dem Treiben von Mathilde zu. Und nur widerstrebend folgt sie der alten Frau schließlich ins Badezimmer. Als sie in der grüngekachelten Badewanne sitzt, zögert sie das Waschen absichtlich lange hinaus. Erst als Mathilde mit einem großen Badelaken über dem Arm in der Tür erscheint, verläßt sie die Badewanne.

Sie hofft, daß Mathilde sich entfernen möge, aber diese kennt ihren Liebling Jo genau. Sie wankt und weicht nicht von der Seite Johannas, bis diese fix und fertig angezogen, in einem buntgeblümten reizenden Sommerkleid und duftig frisiert, vor ihr steht.

»Johanna, mache dich nicht wieder so schmutzig«, mahnt sie, bevor sie das Zimmer verläßt. »Ich gehe jetzt nach unten. Sowie der Wagen mit deinem Vater und dessen Braut vorfährt, rufe ich dich.«

Verächtlich schnauft die kleine Johanna durch die Nase.

»Wenn ich das schon höre – Braut!«

Sie fällt Mathilde um den Hals.

»Ach, Tildchen, warum mußte Mama nur so früh sterben, und warum muß ich so unglücklich sein?«

»Kind, Kind.« Weich streichelt die Alte die ebenholzschwarzen, weichen Locken des Mädchens.

»Sei doch vernünftig, Liebling, du bist doch schon so ein großes Mädchen.«

»Ich – wir brauchen überhaupt keine Mutter, Remo und ich. Schwester Karla ist doch ganz nett und lieb, und du – du bist doch auch noch da. Warum will Papi nur wieder heiraten und unbedingt auch noch diese widerliche Baronesse?«

»Auf die Dauer geht es mit einem Kinderfräulein nicht, Jo, und du weißt, wie sehnlich sich dein kleiner Bruder eine Mutti wünscht.«

»Ja, ich weiß, aber doch eine richtige Mutti, nicht so eine wie…«

»Pscht, Kindchen, ich bitte dich, sei jetzt still! Wenn dein Vater das hört, wird er ernsthaft böse, Jo. Das willst du doch nicht, nicht wahr?«

»Papi hat eine ganz andere Frau verdient, er ist so lieb und so gut – und, na ja…« Johanna schluckt, »die Baronesse wird ihn genauso schikanieren wie ihren Hund oder wie ihr Pferd.«

»Aber, Jo!« Mamsell Mathilde ist ganz erschrocken. Was das Kind alles beobachtet, denkt sie.

»Hast du nicht gesehen, wie sie ihrem Hund, dem Spaniel Mohrle, einen Stoß mit dem Fuß versetzt hat, als er an ihr hochspringen wollte? Und hast du nicht beobachtet, Tildchen, wie sie ihrem Pferd Hasso die Sporen in die Weichen gedrückt hat, weil er nicht gleich reagierte?«

»Nein, Kind, das habe ich nicht gesehen«, lügt die Alte, obwohl auch sie dies weiß. Jochen, der Pferdeknecht, und Wilhelm, der Chauffeur, haben bereits in der Küche darüber gesprochen.

Was dieses Kind doch alles mitbekommt, denkt sie. Sie ermahnt Jo noch einmal, an ihre Anweisungen zu denken.

Kopfschüttelnd geht sie dann in die Küchenräume, um mit der Köchin die letzten Vorbereitungen zu treffen.

*

Graf Andreas sitzt gutgelaunt Baro-nesse Irene von Meersfeld gegenüber. Er hat angeordnet, daß man die Kinder bringen soll. Irene blickt triumphierend umher, sie nimmt alles in sich auf, den ganzen herrlichen Besitz, die prachtvoll eingerichteten Räume, den eleganten, schlanken Mann, der ihr gegenüber in einem Sessel sitzt.

Graf Andreas macht sie heute mit seinen Kindern bekannt. Heißt das nicht, daß er die Absicht hat, mich zu deren Mutter und zu seiner Frau zu machen? denkt sie.

»Na, endlich, da seid ihr ja, ihr Trabanten«, schreckt sie seine Stimme aus ihren so erquicklichen Träumen auf.

In der Terrassentür erscheint ein Mädchen von etwa zehn Jahren, das den kleinen etwa fünfjährigen Bruder fest an der Hand hält.

»Papi!« Der kleine Remo reißt sich los und stürzt sich in die Arme des geliebten Vaters. Mit großen Augen schaut er dann auf die am Tisch sitzende Frau. »Wird das unsere neue Mutti?«

Graf Andreas errötet leicht, ehe er sagt: »Ja, möchtest du das denn, mein Junge?«

Remo antwortet nicht sofort. Er schaut noch einmal die Frau an, die gespannt auf seine Antwort zu warten scheint, und blickt dann auf seine Schwester, die noch immer wie angewurzelt in der Tür steht.

»Weiß nicht, Papi, Remo kennt noch nicht die Tante«, sagt er dann vorsichtig, dabei zu Jo herüberschielend. Jo hat gesagt, er solle sagen, daß er die Frau nicht als Mutter haben wolle. Aber er findet sie eigentlich ganz schön mit den rotgoldenen Haaren und den grünen Augen, die wie der See hinter dem Schloß im Wald schimmern.

Aber sicher ist Jo ganz böse, wenn er das sagt, und Remo mag es mit seiner geliebten Schwester auch nicht verderben.

»Nun, mein kleiner Liebling?« Noch immer wartet Andreas auf die Antwort des Kleinen, dann blickt er zu seiner Tochter hinüber, die mit einem undurchdringlichen Gesicht noch immer an der Tür steht.

»Willst du unseren Gast nicht begrüßen, Jo?« sagt er ein ganz klein wenig strafend und vorwurfsvoll, wie es Johanna scheint.

Jo kommt endlich näher. Sie reicht der Baronesse eine kleine kalte Kinderhand und sagt wie eingeübt: »Herzlich willkommen.«

Irene, die dem Mädchen daraufhin zunickt, erschrickt über die Abwehr und den Haß, der in den schönen dunklen Augen des kleinen Mädchens ist.

»Guten Tag, Johanna, ich freue mich dich endlich kennenzulernen«, sagt sie aber trotzdem freundlich.

Jo zieht ihre Hand so schnell zurück, als habe sie sich verbrannt. Irene, die ahnt, daß sie mit dem kleinen widerborstigen Mädchen noch Schwierigkeiten haben wird, lächelt immer noch liebenswürdig, als sie sagt: »Welch ein hübsches kleines Ding!« Sie lächelt Andreas leicht zu. »Ganz dein Ebenbild, Andy.«

Andreas von Savade schaut voller Stolz und Liebe auf seine Kinder, ehe er erwidert: »Ja, Jo schlägt ganz nach meiner Familie, während der kleine Remo ganz das Ebenbild meiner verstorbenen Frau ist.« Wehmütig schaut er bei seinen letzten Worten auf seinen kleinen silberblonden Sohn mit den vergißmeinnichtblauen Augen.

Irene ist klug genug, diesen etwas wehmütigen Blick ohne Erwiderung zu übersehen.

»Setz dich ein wenig neben mich, Remo«, fordert sie den Buben auf, der, wie sie sofort merkt, ihr wohlgesinnter ist als die aufsässige kleine Komteß Jo.

»Du redest ja heute gar nicht, Jo, ist dir der Mund zugewachsen?« ermuntert der Graf seine kleine Tochter während der Unterhaltung, die nur von ihm, Irene und Klein-Remo bestritten wird.

Traurig und anklagend scheint der Blick zu sein, den ihm seine Tochter Johanna zuwirft, während sie erwidert: »Ich fühle mich nicht ganz wohl.«

»Aber, Kind!« Der Graf ist ehrlich erschrocken. »Was hast du denn, Liebling? Hast du etwa zuviel im Waldsee geschwommen?«

»Nein –, ich bin einfach traurig«, sagt Jo.

»Traurig?« Der Graf weiß nicht, was er von den Worten seiner Tochter halten soll. »Aber warum denn, Liebchen?«

»Ich muß heute immer an Mutti denken«, erwidert Johanna, »und das macht mich traurig und ganz krank.«

Der Graf weiß wirklich nicht, was diese Worte bedeuten sollen. Irene aber spürt den Haß und die Rache, die sie ganz deutlich in den Märchenaugen des kleinen Mädchens lesen kann, und die Abwehr, die ihr daraus entgegenspringt. Das Mädchen blickt nämlich nicht den Vater, sondern sie bei diesen Worten an.

Graf Savade geht schnell über die Worte Johannas hinweg. Es ist ihm unangenehm, gerade heute an seine verstorbene Frau erinnert zu werden.

Irene merkt natürlich, daß er nachdenklich wird. Als sie sich verabschiedet, weiß sie genau, daß die erwarteten Worte nur deshalb nicht ausgesprochen wurden, weil ein kleines Mädchen dem Vater die Erinnerung an seine verstorbene Frau vor Augen führte.

Sie verabschiedet sich freundlich von den Kindern, auch von Jo, doch gerade jetzt könnte sie dieses kleine Ding erdolchen, das ihr einen solchen Strich durch ihre Pläne gemacht hat.

Während der Fahrt zu ihrem Heim sprechen sie nicht sehr viel miteinander. Andreas von Savade schweigt, weil er nachdenklich ist, und Irene von Meersfeld ist wütend, wütend und sehr zornig auf ein kleines Mädchen, das es geschafft hat, ihr den ganzen Nachmittag zu verderben und die vorläufige Aussicht auf eine Heirat mit dem reichen Grafen von Savade zu nehmen.

*

»Hallo, Irene! Du bist schon zurück, mein Liebling?«

»Ja, wie du siehst«, entgegnet Irene ein wenig patzig.

Baronin von Meersfeld tritt neben sie. »Aber, Kind, was ist denn! Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?«

»Das kann man wohl sagen, Mama«, entgegnet Irene. »Eine sehr freche kleine Laus hat mir den ganzen Nachmittag, auf den ich so große Hoffnungen setzte, verdorben.«

»Aber, Irene, ist es denn so schlimm? Hat es nicht geklappt? Hat er dir heute noch keinen Antrag gemacht?«

»Den Teufel hat er, rein gar nichts ist passiert, oder aber doch! Sehr viel sogar. Denn dieses kleine Biest, die Tochter von Andreas, hat mir einen schönen Strich durch meine bisher so gut aufgehende Rechnung gemacht.«

»Wie ist das möglich, Irene? Aber komm erst einmal ins Haus, damit nicht jeder hört und sieht, daß du dich geärgert hast!«

Drinnen im Salon macht Irene ihrem bedrückten Herzen ordentlich Luft. Sie schreit den ganzen Ärger heraus, den sie auf das kleine Mädchen Jo, die Tochter des Grafen von Savade, hat.

»Und von solch einem kleinen Mädchen, von einem Nichts sozusagen, läßt du dich ins Bockshorn jagen, Kind?« fragt die Mutter erstaunt. »So kenne ich dich ja gar nicht.«

»Hast du eine Ahnung, liebe Mama, welchen Eindruck dieses kleine Nichts von einem Mädchen, wie du dich ausdrückst, mit ihren Worten auf Andreas gemacht hat. Wie umgewandelt war er – und furchtbar nachdenklich. So sehr haben die Worte seiner Tochter auf ihn gewirkt. Oh, ich könnte sie erdolchen, zerquetschen, dieses vorlaute kleine Ding!« Sie schnippt mit den Fingerspitzen. »Wie eine häßliche kleine Laus könnte ich sie zwischen den Fingern zerdrücken vor Wurt.« Ihre Stimme, die den Grafen stets so zärtlich und schmeichlerisch empfängt, klingt wie ein schlechtes Musikinstrument, schrill und ganz hoch und kippt bald über vor Zorn.

»Sprich ein wenig leiser, Kind, die Wände könnten Ohren haben, und es braucht ja nicht ein jeder zu wissen, wie sehr wir mit deiner Heirat rechnen.«

»Steht es denn wirklich so schlecht um Meersfeld, Mama?«

»Ja, erstens das und zweitens, wie du ja selbst weißt, haben du und ich ja nur das Wohnrecht hier auf dem Schloß. Wenn Sydi mal älter ist und heiraten sollte, kann sie uns, zumindest dich, hier herausjagen. Geld kann ich dir dann auch keins mitgeben, ebenso wenig wie eine einigermaßen gute Ausstattung als Aussteuer für die Ehe. Jetzt kann man wenigstens noch hin und wieder ein Stück Wald verkaufen oder zumindest das Holz, das geschlagen wird, aber später… Man weiß ja noch nicht, wie alles kommt. Bargeld ist leider keines vorhanden. Ich verstehe das zwar nicht ganz, aber der Rechtsberater des Barons, Dr. Rosenbaum, hat es mir nach dem Tode des Barons mitgeteilt. Der Baron«, sie spricht von ihrem verstorbenen Mann nie anders als von dem Baron, »hat anscheinend über seine Verhältnisse gelebt und alles verbraucht. Nun, und wir haben ja auch nicht gerade unser Leben in Armut gefristet.«

»Bestimmt nicht«, sagt Irene leicht ironisch, indem sie der Mutter einen leicht belustigten Blick zuwirft.

»Nun, ich hole jetzt heraus, was herauszuholen ist. Sydi soll sehen, wie sie mit dem, was übrigbleibt, zurechtkommt.«

»Schöne Aussichten für meine Halbschwester.«

»Machst du mir etwa Vorwürfe, Reni, daß ich mehr an dich denke als an Sydi, daß du mir mehr am Herzen

liegst als sie?«

»Nein – um Gottes willen, Mama«, beeilt sich Irene schnell zu sagen. »Und wenn ich erst den Grafen geheiratet habe, wirst und sollst du es auch nicht bereuen.«

»Ich hoffe, daß du mich nicht ganz vergißt, Kind, und welche Opfer ich für dich gebracht habe. Bei Iris scheint auch nicht sehr viel zu holen zu sein. Das dumme Ding hat sich von ihrer Stiefmutter vollkommen übervorteilen lassen. Dabei habe ich sie extra immer eingeladen und die sehnsüchtige und liebevolle Mutter gespielt, weil ich annahm, sie würde einmal alles erben.«

»Iris ist eine dumme Pute. Ich würde mir das nicht gefallen lassen. Da muß sie nun zusehen, wie eine andere es sich wohl sein läßt, und warten, bis sie einundzwanzig wird. Und dann erlebt sie vielleicht noch eine große, unangenehme Überraschung.«

»Ach, Iris ist so weltfremd, es ist ihr gleichgültig und zwar völlig, wie sie lebt und ob sie Geld hat. Das hat sie leider von ihrem Vater geerbt.«

»Aber dein Mann, der Fabrikant Johannsen, hat sich doch ganz schön hochgearbeitet, Mama.«

»Nun ja, aber er wird auch Glück gehabt haben.«

»Aber du sagtest doch selbst einmal, Mama, daß er ein äußerst fleißiger und tüchtiger Mann gewesen wäre. Du hast mir erzählt, daß du ihn geheiratet hattest, weil du annahmst, es ginge dir einmal sehr gut bei ihm.«

»Stimmt alles, Irene, und es war der größte Fehler meines Lebens, daß ich nicht länger gewartet habe. Ich glaubte damals, mit dem Baron von Meersfeld, der wahnsinnig in mich verliebt war, besser dazustehen. Aber das stellte sich bald als Irrtum heraus. Der Baron war im Grunde ein Geizkragen, es war leider eine Fehlspekulation von mir. Wie oft habe ich es bereut, nicht bei meinem ersten Mann geblieben zu sein! Aber es war leider zu spät. Als ich versuchte, wieder Fühlung mit ihm zu nehmen, war er bereits mit seiner Sekretärin, diesem unscheinbaren Fräulein Schneider, verlobt. Kurz darauf hat er sie auch geheiratet. Ich habe geglaubt, daß meine Erscheinung wieder auf ihn wirken würde wie einst, aber er war nur noch höflich zu mir, höflich und kalt. Du weißt ja, er war dann so großzügig, mir nach dem Tod des Barons monatlich eine kleine Rente zu zahlen, obwohl er es nicht gebraucht hätte. Seitdem er tot ist, hat das leider wieder aufgehört. Seine zweite Frau behauptet, davon nichts zu wissen. Er hat auch nichts Schriftliches festgelegt, sondern mir diese Zusage nur mündlich gegeben. So kann ich also gar nichts machen. Ich hoffe ja immer noch, daß unsere Tochter Iris einmal die Universalerbin wird. Im Moment untersteht sie allerdings noch gänzlich der Stiefmutter, die als Treuhänderin eingesetzt ist und das Erbe verwaltet. Aber weiß man wie?«

Sie schließt von sich auf andere, denkt die zarte Iris, die sich noch tiefer in ihren Sessel gedrückt hat, traurig. Wie kann man nur eine solche Mutter haben! Sie schließt die Augen. Wäre Sydi nicht, die zärtlich geliebte Halbschwester, würde sie gar nicht mehr nach Meersfeld kommen. Aber Sydi tut ihr leid, sie wird herumgestoßen und behandelt, als sei sie nur geduldet.

*

Als die beiden Frauen endlich – Iris atmet erleichtert auf – den Raum verlassen und ihre Stimmen sich nach oben verlieren, schlüpft sie schnell aus ihrem Versteck und durch die Terrassentür nach draußen. Ihre Gedanken gehen zu der geliebten Stiefmutter und dem Halbbruder daheim.

Welch ein großer Unterschied besteht doch zwischen meiner leiblichen Mutter und der Pflegemutter, muß sie denken.

»Iris!« hörte sie sich plötzlich angerufen. Sie schreckt aus ihren Gedanken hoch, ihre Augen, die eben noch nachdenklich und trübe blickten, leuchten auf. Ein junges, hochaufgeschossenes Mädchen kommt auf sie zugelaufen, ihre jüngere Halbschwester Sydonie von Meersfeld.

»Sydi!«

»Wo hast du nur gesteckt, Iris? Ich suche dich schon so lange, konnte dich aber gar nirgends entdecken.«

Iris errötet leicht. Sie will nicht sagen, daß sie im Salon war, denn käme die Sprache darauf, würden die Mutter und die ältere Schwester mißtrauisch werden. Es ist besser, sie wissen nicht, daß sie bei diesem Gespräch einen unfreiwilligen Lauscher hatten.

»Ich habe einen kleinen Spaziergang gemacht, Sydi. Es tut mir leid, aber ich habe nicht gewußt, daß du so schnell fertig sein würdest.«

»Ich habe mich extra beeilt«, gesteht das halbwüchsige Mädel, »damit ich mit dir zusammen sein kann, Iris.« Treuherzig und liebvoll schaut sie die Schwester aus ihren hellen graugrünen Augen an, die ein ganz klein wenig denen der älteren Schwester Irene gleichen, aber nicht den kalten und harten Glanz besitzen, sondern verträumter und weicher blicken.

Das ist aber auch das einzige, was sie von der Mutter geerbt hat, sonst kommt sie mehr dem Vater, dem Baron von Meersfeld, nach. Von ihm hat sie das feine aristokratische Gesicht, die hohe Gestalt und die hellen Haare geerbt, die fein wie gesponnenes Silber in weichen Wellen bis auf die zarten Schultern fallen.

Obwohl Sydonie von Meersfeld noch sehr unfertig wirkt, verspricht sie einmal eine sehr aparte kleine Frau zu werden. Aber was sie besonders wertvoll macht, ist ihr offenes, mitfühlendes Herz und ihre natürliche Anmut, während bei Irene alles geziert und auf Wirkung ausgerichtet ist.

Zärtlich untergefaßt gehen die beiden Mädchen weiter. Sydi ist glücklich, daß sie ihre Schwester aus der ersten Ehe der Mutter einmal bei sich hat. Sie ist die einzige, die sich mit ihr beschäftigt und sie auch ein wenig ernst nimmt. Das tut der kleinen Sydi wohl.

»Irene ist sehr wütend nach Hause gekommen. Anscheinend hat es mit dem Grafen Savade nicht so geklappt, wie sie es sich vorgestellt hat.«

Iris erwidert nichts darauf. Sie sagt nicht, daß sie es bereits weiß.

»Kennst du den Grafen?« hört sie ihre jüngere Schwester weiterfragen.

»Nein, ich hatte bis jetzt noch nicht das Vergnügen, ihn zu sehen, und ehrlich gesagt lege ich auch gar keinen Wert darauf.«