Eine kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz - Michael Wildenhain - E-Book

Eine kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz E-Book

Michael Wildenhain

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Beschreibung

Wird Künstliche Intelligenz nun menschlicher als der Mensch? Schon lange Zeit begleiten uns Faszination und Furcht vor Automaten, Robotern und Künstlicher Intelligenz: Der preisgekrönte Autor Michael Wildenhain rollt exemplarisch ihre spannende Geschichte von vorne auf und untersucht, ob KI schließlich ein eigenes Bewusstsein entwickeln kann.  Mit dem Launch von ChatGPT im November 2022 hat die Debatte um die Nutzung Künstlicher Intelligenz einen weiteren Höhepunkt erreicht. Michael Wildenhain erläutert anhand zentraler Stationen die Entwicklung und Rezeption Künstlicher Intelligenz: Von Literaten wie Mary Shelley hin zu den Pionieren des Programmierens wie Herbert A. Simon, Allen Newell und Alan Turing und den Philosophen Gottlob Frege und John Rogers Searle beschreibt den Werdegang der KI  – und diskutiert fesselnd, inwieweit KI-Systeme bemessen am menschlichen Maßstab als intelligent betrachtet werden können, und ob es möglich ist, dass sie mit ihrer zunehmenden Komplexität ein eigenes Bewusstsein entwickeln, das uns Menschen schließlich überlegen sein könnte.

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Seitenzahl: 97

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Dies ist der Umschlag des Buches »Eine kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz« von Michael Wildenhain

Michael Wildenhain

Eine kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz

COTTA

Impressum

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Cotta

www.klett-cotta.de

© 2024 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg

Gesetzt von C.H.Beck.Media.Solutions, Nördlingen

Gedruckt und gebunden von GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-7681-9824-0

E-Book ISBN 978-3-7681-9826-4

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

1. Aufzug: das frühe 19. Jahrhundert

Einführung

Auftritt 1 – Johann Wolfgang von Goethe (1749–​1832)

Auftritt 2 – Mary Shelley (1797–​1851)

2. Aufzug: das 20. und 21. Jahrhundert

Einführung

Auftritt 3 – Alan Turing (1912–​1954)

Auftritt 4 – Herbert A. Simon (1916–​2001) und Allen Newell (1927–​1992)

Auftritt 5 – Hubert L. Dreyfus (1929–2017), Terry Winograd (1946) und Fernando Flores (1943)

Auftritt 6 – Intelligenz und Körper

Auftritt 7 – Roboter

Auftritt 8 – John Rogers Searle (1932)

Auftritt 9 – Konnektionismus

Auftritt 10 – das Perzeptron

Auftritt 11 – Neuronale Netze

Auftritt 12 – ChatGPT

Auftritt 13 – neuere Entwicklungen

Auftritt 14 – Zwischenbilanz

3. Aufzug: Fragen und einige Antworten

Einführung

Auftritt 15 – Emergenz, ein Gespenst

Auftritt 16 – die Wirklichkeit

Auftritt 17 – das Bewusstsein

Resümee

Danksagung

Anmerkungen

Für Erhard Konrad

Vorwort

Seit jeher träumen die Menschen davon, künstliche Wesen zu erschaffen, die ihnen dienstbar sind. Nicht selten werden die hoffnungsfrohen Schöpfer jedoch mit der Furcht konfrontiert, die Kreaturen könnten eine unkontrollierbare Macht entfalten und sich gegen den Einzelnen, wenn nicht gar gegen die Menschheit wenden, statt gehorsam, fleißig und bescheiden ihren Aufgaben nachzugehen. Von dieser Ambivalenz ist auch die in Wellen aufkommende Diskussion um Roboter und Artificial Intelligence (AI) respektive Künstliche Intelligenz (KI) geprägt, die mit der Indienststellung von und dem öffentlichen Zugriff auf ChatGPT erneut in den Fokus des allgemeinen Interesses rückt.

Diese Kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz versteht sich weder als umfassende Darstellung sämtlicher Themen, die in der Geschichte der KI eine Rolle spielen, noch als vorwiegend am enormen technischen Fortschritt der entsprechenden Werkzeuge und Entwicklungen orientierte Abhandlung. Es geht, in der gebotenen Kürze, um eine exemplarische Geschichte, die anhand zentraler Stationen und relevanter Markpunkte die wesentlichen Aspekte der Diskussion um Künstliche Intelligenz sowie ihrer Möglichkeiten und Grenzen in den Blick nimmt.

Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit KI-Systeme, bemessen am allgemein menschlichen Maßstab, als intelligent betrachtet werden können und ob vom Bewusstsein einer Maschine zu sprechen sinnvoll ist – oder nicht.

Wie jedes gute Drama gliedert sich das Buch in drei Aufzüge, in denen nicht nur ein illustres Personal seine Auftritte hat, sondern auch allegorische Figuren wie die Wirklichkeit oder das Bewusstsein.

Im ersten Teil thematisiere ich kulturelle Aspekte und vor allem die literarische Verarbeitung, die bestimmte Gedanken hinsichtlich der Künstlichen Intelligenz vorwegnimmt. Wir lernen den Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe und die grandiose Autorin Mary Shelley kennen.

Im zweiten Teil konzentriere ich mich auf die Darstellung der systematischen Diskussion der schwachen, aber insbesondere der Möglichkeit einer starken KI, mittlerweile oft als Artificial General Intelligence (AGI) bezeichnet. Nur die Existenz Letzterer eröffnet – eventuell – einen Weg zu Maschinen, denen Intelligenz im allgemein menschlichen Sinn zugesprochen werden kann. Am Schluss dieses Mittelteils fasse ich den Stand der Dinge kurz zusammen.

Der dritte Teil des Buchs ergibt sich aus den vorangehenden Kapiteln insofern, als über die Fragen nachgedacht wird, die durch die aktuelle KI-Diskussion erneut aufgeworfen worden sind: Ist es denkbar, dass eine künstlich geschaffene Intelligenz ein eigenes Bewusstsein und damit eigene Absichten entwickelt, die sich gegen uns wenden könnten? Und entsteht daraus nicht zwangsläufig ein Problem, weil die Fähigkeiten der Maschinenintelligenz uns in mehr und mehr Bereichen weit überlegen sind?

Am Ende des Buchs erörtere ich, ob sich die Diskussion um Künstliche Intelligenz in gewisser Weise als Drosophila des Leib-Seele-Problems verstehen lässt, und probiere anschließend ein Resümee zu liefern, das möglichst keine Frage offenlässt – oder die offenen Fragen wenigstens genau umreißt.

1. Aufzug: das frühe 19. Jahrhundert

Einführung

Obwohl Mythen und Legenden, in denen künstliche Geschöpfe eine relevante Rolle spielen, schon in der Antike aufgetaucht sind und in den meisten Kulturkreisen vorgekommen sein dürften, liegt es nahe, eine Abhandlung über Künstliche Intelligenz mit dem 19. Jahrhundert zu beginnen – in dem die Industrialisierung vor allem in Europa erst gemächlich, bald rasant an Fahrt aufnimmt. Ohne den ungeheuren Fortschritt der Industrietechnik wäre die Technologie der KI undenkbar.

Zwei literarische Vorläufer Künstlicher Intelligenz sind Johann Wolfgang von Goethes Homunkulus, der in Faust II seinen Auftritt hat, und das noch erheblich berühmtere Geschöpf in Mary Shelleys Schauerroman Frankenstein, der bis in die Gegenwart Film, Theater, Literatur, ja, sogar die Oper beeinflusst.

Zu einer Zeit, als eine technische Realisierung nicht entfernter scheinen könnte, entstehen also ein Theaterstück (veröffentlicht 1832) und ein Roman (1818, neu aufgelegt 1831), in denen künstliche Intelligenzen wichtig, wenn nicht prägend sind. Mit anderen Worten: In der Fantasie scheint auf, was in der Wirklichkeit noch nicht möglich ist, einer Wirklichkeit, deren Umbrüche derart tiefgreifend sind und sich so rasch vollziehen wie vielleicht nie zuvor in der Menschheitsgeschichte.

Zur historischen Einordnung, um die Dimension des gesellschaftlichen Bruchs mit zwei Schlaglichtern zu versehen. Im November 1847 beauftragt der Bund der Kommunisten auf einem geheimen Kongress in London die Herren Karl Marx und Friedrich Engels mit der Erarbeitung eines Manifests, das als das Manifest der Kommunistischen Partei in die Geschichte eingehen wird und die Geburt einer neuen Klasse postuliert: das Industrieproletariat. Und etwa zwanzig Jahre später, 1869, stellt Dmitri Mendelejew, nur wenige Monate vor Lothar (von) Meyer, mit den Kernthesen zum Periodischen System der chemischen Elemente1 das Ergebnis seiner langjährigen Forschungen vor. Damit macht er – in einem Vortrag vor der Russischen Gesellschaft für Chemie – erstmals die Grundlage des Aufbaus der materiellen Welt, wie wir sie heute kennen, der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich.

Auftritt 1 – Johann Wolfgang von Goethe (1749–​1832)

1831, kurz vor seinem Tod, vollendet Goethe ein Theaterstück, das mit einiger Berechtigung als unübersichtlich und schwer aufführbar charakterisiert werden kann: Faust – Der Tragödie zweiter Teil. Eine schier unüberschaubare Menge an Personal hat häufig ausgesprochen kurze Auftritte. Um nur einige Figuren zu nennen, die Faust und Mephistopheles Gesellschaft leisten: die Sphinx, Sirenen, erster und zweiter Greif, der Kentaur Chiron, Hoffnung, Klugheit, Thales, aber auch Sorge, Mangel, Schuld sowie, prominent, Helena. Inmitten des Getümmels taucht als zweites Bild im zweiten Akt ein Laboratorium auf, das durch eine der spärlichen Anweisungen als »im Sinne des Mittelalters, weitläufige, unbehülfliche Apparate, zu phantastischen Zwecken«[1] beschrieben wird. Darin ist Wagner, ehemaliger Famulus (Gehilfe) von Faust,2 tätig. Inzwischen zu akademischen Ehren gelangt, versucht er in einer Phiole den Homunkulus, ein künstliches Wesen, zu erschaffen. Er tut dies, indem er »aus viel hundert Stoffen, / Durch Mischung, denn auf Mischung kommt es an, / Den Menschenstoff gemächlich«[2] zu komponieren versucht. Bis der zunächst zage Schöpfer jubilieren kann: »Ich seh’ in zierlicher Gestalt / Ein artig Männlein sich gebärden.«[3] Und: »Ein herrlich Werk ist gleich zu Stand gebracht. / […] Es wird ein Mensch gemacht.«[4]

Weshalb Mephisto den anfangs ohnmächtigen Faust mit dem Geschöpf zusammenbringen möchte, ist naheliegend weniger ein spezifisches Interesse an einer künstlichen Intelligenz als vielmehr die erhoffte Antwort auf die Frage, »warum sich Mann und Frau so schlecht vertragen«.[5] Anlass ist der Umstand, dass Faust die nach einer Reise ins Reich der Mütter gewonnene, heftig verehrte Helena durch ungestüme Annäherung wieder entwischt ist.

Der Homunkulus allerdings hat ein eigenes Problem. Aufgrund dessen ist sein Auftritt, obwohl Figur einer bloßen Nebenhandlung, in diesem Buch berechtigt. Denn er existiert allein in einer Phiole aus Glas. Mit ihr ist seine Existenz verbunden. »Natürlichem genügt das Weltall kaum / Was künstlich ist, verlangt geschloßnen Raum.«[6] Er, der (reine) Geist im Glas, kann die Welt zwar wahrnehmen, ist aber nicht in ihr. Den Umstand empfindet er als beständigen Mangel. In den Worten Goethes: »Dieweil ich bin, muss ich auch thätig seyn.«[7] Anders ausgedrückt: Das Geschöpf ist, aber es entsteht nicht in dem Sinne, dass es sich mit der Welt, mit seiner Umwelt auseinandersetzt. Die Gegenstände in der Welt sind dem Homunkulus bloß vorhanden, weil ihn die Glaswand der Phiole, die zu zerschlagen er zögert, von den Dingen trennt.

Es fragt um Rath, und möchte gern entstehn.

Er ist, wie ich von ihm vernommen,

Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen.

Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften,

Doch gar zu sehr am greiflich Tüchtighaften.

Bis jetzt giebt ihm das Glas allein Gewicht,

Doch wär’ er gern zunächst verkörperlicht.[8]

Mit diesem Bild hat Goethe, obgleich lange vor jedem Gedanken an Computer, Roboter und Androiden, eine Metapher geschaffen, die auf einen grundlegenden Sachverhalt bei der Programmierung einer Maschine oder Künstlichen Intelligenz verweist. Die Objekte, auf die das Programm abstellt, sind sowohl dem Programmierer wie auch der Maschine bei der Implementierung zwingend nur vorhanden. Sie werden wahrgenommen und codiert (damit repräsentiert). Hantiert, im handfesten Sinne, wird mit ihnen nicht. Der Homunkulus, oft als »Zwerglein« oder »Kleingeselle« tituliert, bleibt in der Phiole. Als bezeichnend kann im Kontext einer Diskussion um Künstliche Intelligenzen zudem sein Abgang aus der Tragödie zweiter Teil verstanden werden. Indem er ins Meer geht, kehrt er an den Anfang menschlicher Gattungsgeschichte zurück.

Dieser Aspekt, die dem Kunstgeschöpf vorhandene, aber nicht zu handhabende Welt der Gegenstände, wird in der Argumentation noch von Interesse sein.

Auftritt 2 – Mary Shelley (1797–​1851)

Mary Shelley ist die Tochter von William Godwin (1756–​1836) und Mary Wollstonecraft (1759–​1797), die nur wenige Tage nach der Geburt ihrer Tochter im Kindbett stirbt. Beide Eltern sind führende Vertreter radikaler Positionen in England. 1814, im Alter von nicht ganz 17 Jahren, wird Mary Wollstonecraft-Godwin schwanger von dem später berühmten romantischen Dichter Percy Shelley (1792–​1822) und brennt mit ihm durch. Sie heiraten 1816 und leben bis zu seinem Tod häufig in Italien oder der Schweiz. Hier, am Genfer See in einem kleinen Kreis Geistesverwandter, schlägt Lord Byron (1788–​1824) eines Sommerabends 1816 vor, die vier Anwesenden sollten versuchen, eine Gespenstergeschichte zu schreiben. Nicht lange vorher sind von einem anderen Gast Passagen aus dem ersten Teil des Faust übersetzt worden; vom Homunkulus kann Mary Shelley nichts gewusst haben. Inwieweit ihr die Golem-Legende, die bis ins Mittelalter zurückreicht, vertraut sein könnte, »ist nicht bekannt«.[9] Das Verhältnis des Dr. Frankenstein zur Wissenschaft ist jedenfalls nicht durch Nüchternheit, sondern faustischen Drang, Bezüge zur Alchemie und romantischen Überschwang gekennzeichnet.

Dem sommerabendlichen Einfall des Lord Byron ist das Entstehen des Romans Frankenstein, or The Modern Prometheus zu verdanken, der 1818 in drei Bänden anonym, 1831 in der endgültigen Fassung erscheint. Eingegangen in den Roman sind Anregungen der Zeit, so ein äußerst heftiges Gewitter und Motive der Landschaft am Genfer See. Wobei die Autorin Prometheus-, Faust- und Luzifer-Mythen miteinander kombiniert.

Der Roman ist aus drei Erzählperspektiven geschrieben, neben den einführenden Briefen des Polarforschers Robert Walton (die am Ende wieder aufgenommen werden und so den Rahmen des Romans bilden), die Berichte des Dr. Frankenstein und die des Monsters. Inhaltlich kann der Text über weite Strecken als moralische oder ethische Versuchsanordnung gelesen werden.

Das Monster – anfangs noch: das Geschöpf; im Fortgang: das Ungeheuer, das Scheusal, das Böse – wird rachsüchtig, weil es von der menschlichen Gemeinschaft sozial nicht akzeptiert, sondern verstoßen wird; und weil sein Schöpfer Victor Frankenstein sich weigert, seiner Schöpfung – aufgrund seiner Skrupel und der Furcht vor den Folgen – eine Frau an die Seite zu stellen. Das wiederum würde den Beginn einer neuen Gattung nach sich ziehen. »Du bist mein Schöpfer, aber ich bin dein Herr, gehorche!«,[10]