Einfach clever - Georg Patzer - E-Book

Einfach clever E-Book

Georg Patzer

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Beschreibung

Der Vorgängerband Einfach genial hat es schon einmal bewiesen: In Baden-Württemberg gibt es viele Tüftler und Bastler. Aber wer weiß schon, dass die Fliegenklatsche, der mobile Baukran und der Perlonstrumpf aus dem Ländle stammen? Und das sind nur drei der neuen Geniestreiche, mit denen Einfach clever aufzuwarten hat. Schwäbischer Erfindergeist und geniale Einfachheit werden auch in dem neuen Band aufs Unterhaltsamste präsentiert.

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GEORG PATZER · SABINE RIES

40 weltberühmte Erfindungen aus Baden-Württemberg

Sollte dieses Werk Links auf Webseiten Dritter enthalten,

so machen wir uns die Inhalte nicht zu eigen

und übernehmen für die Inhalte keine Haftung.

1. Auflage 2019

© 2019 by Silberburg-Verlag GmbH,

Schweickhardtstraße 5a, D-72072 Tübingen.

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Björn Locke, Nürtingen.

Satz: Silke Schüler, München.

Redaktion: Matthias Kunstmann, Karlsruhe.

Printed in Slovenia by Florjancic.

ISBN 978-3-8425-2132-2

eISBN 978-3-8425-1854-4

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Georg Patzer, geboren 1957, gelernter Buchhändler, studierte Geschichte und Literaturwissenschaft. Er ist Autor zahlreicher Fach- und Sachbücher. Als freier Journalist arbeitet er u.a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Badisches Tagblatt, Mannheimer Morgen und die taz. Georg Patzer lebt in Karlsruhe.

Sabine Ries, geboren 1970 in Stuttgart, ist Absolventin der Freien Journalistenschule in Berlin. Sie lebt und arbeitet im Enzkreis als freie Bild- und Textjournalistin für die Tagespresse, verschiedene Magazine und Verlage und hat bereits mehrere Bücher im Silberburg-Verlag veröffentlicht.

Inhalt

Im Land der cleveren Ideen

1807Weltgeist

1818Liberalität

1821Schreibmaschine

1826Sekt

1857Mundharmonika

1875Unterwäsche

1875Hopfenbau

1886Motorboot

1886Elektromagnetische Wellen

1887Fertigwürze

1893Mädchengymnasium

1894Freilaufnabe

1899Aspirin

1900Zeppelin

1905Relativitätstheorie

1906Fotoecken

1909Ammoniaksynthese

1911Wibele

1913Munzinger-Archiv

1914Hollywood

1922Nähmaschinenmotor

1924Bananenstecker

1924Kristallweizen

1924Neigungsschaltgewichtswaage

1925Neue Sachlichkeit

1928Klopapierrolle

1929Raketenantrieb

1932Vollsynthetisches Waschmittel

1932Quadratische Schokolade

1933Plexiglas

1938Perlon

1953Fliegenklatsche

1957Schlagbohrmaschine

1960Äffle und Pferdle

1961Perry Rhodan

1962Pumuckl

1965Fischertechnik

1969Spaghettieis

1984E-Mail

2015Butterbrezelspritzmaschine

Museen von A bis Z

Bildnachweis

Im Land der cleveren Ideen

Clever waren sie schon immer, die Badener und die Württemberger: Kein Fahrrad, kein Auto, kein Computer, kein Handy und keine E-Mail ohne die Denker, Tüftler und Erfinder aus dem deutschen Südwesten, dafür haben Drais, Benz und Daimler, Hertz und Einstein gesorgt. Aber nicht nur diese ganz großen praktischen Erfindungen und auch nicht nur die großen theoretischen Würfe, die Relativitätstheorie, die elektromagnetischen Wellen oder die Phänomenologie des Geistes, erblickten das Licht der Welt in unserem Ländle, sondern auch viele kleine Dinge, die das Leben manchmal einfacher, manchmal auch so richtig lebenswert machen, wurden hier erfunden oder weiterentwickelt.

Vom badischen Sender Hornisgrinde im Schwarzwald strahlt der Südwestrundfunk Radioprogramme aus – mittels der Wellen, die Heinrich Hertz in Karlsruhe entdeckte.

Was wäre die Haushaltsführung ohne Maggis Küchenwürze? Was wäre das Alltagsmedizinschränkchen ohne Aspirin? Was das Frauenbein ohne Perlon? Was würden die so genussfreudigen Badener und Württemberger ohne qualitativ herausragenden Winzersekt, Kristallweizen oder quadratische Schokolade oder ohne die Ammoniaksynthese trinken oder essen, was wäre ein Sommer ohne Spaghettieis, was der Film ohne Hollywood? Und da wichtig ist, was am Ende rauskommt, ist auch das Hakle-Toilettenpapier mit seinem internationalen Erfolg eine der unendlich vielen wichtigen Erfindungen aus Baden-Württemberg.

Immer noch liegt Baden-Württemberg bei der jährlichen Anmeldung von Patenten ganz weit vorn. 40 Erfindungen und Entwicklungen stellt dieses Buch in aller Kürze vor – und wie auch in seinem Vorläuferbuch »Einfach genial« ist es oft zum Staunen, manchmal auch zum Schmunzeln, was sich Hobbytüftler und professionelle Ingenieure, Hochschullehrer und Kunstschaffende ausgedacht haben und womit sie deutschland- oder sogar weltweit erfolgreich waren und sind. Dazu gehören unter anderem der Zeppelin und die Hohner, mit der sogar Bob Dylan auftritt, der rotschopfige Kobold namens Pumuckl und der Weltallstar Perry Rhodan.

Ein Ende ist nicht abzusehen, selbst eine noch längere Liste der wichtigsten Erfindungen und Entwicklungen würde nur einen kleinen Ausschnitt dessen zeigen, was in Baden-Württemberg alles möglich ist.

Der Film »Blinde Ehemänner« entstand 1919 in den Universal Studios des Württembergers Carl Laemmle in Hollywood und wurde ein finanzieller Erfolg.

1807 | Weltgeist

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, von seiner Familie Wilhelm genannt, ist einer der wichtigsten deutschen Philosophen überhaupt, wenn nicht der bedeutendste: Sein Einfluss auf alle Bereiche der deutschen Geistesgeschichte ist kaum zu unterschätzen, Wilhelm Dilthey, Georg Simmel, Herbert Marcuse und Theodor W. Adorno sind nur einige deutsche Denker, die ohne Hegel nicht vorstellbar sind. Er wurde 1770 in Stuttgart in einem pietistischen Elternhaus geboren.

Hegel studiert wie viele andere berühmte Schwaben ab 1788 im Tübinger Stift. Dort lebt er zeitweise mit Hölderlin und Schelling in einem Zimmer.

Der Schelling und der Hegel,

der Schiller und der Hauff,

das ist bei uns die Regel,

das fällt hier gar nicht auf.

Diese Verse von Eduard Paulus kursieren in mehreren Versionen, statt Schelling und Schiller wurden auch schon Uhland, Mörike, Kerner oder Hölderlin eingefügt, viele weitere Namen wären denkbar. Immerhin: Auffallend ist die Häufung von Philosophen und Dichtern im Südwesten ab 1800.

In Tübingen lernt Hegel auch revolutionäre Ideen kennen. Nach zwei Jahren wird er Magister der Philosophie, drei Jahre später bekommt er das theologische Lizenziat. Danach geht er als Hauslehrer nach Bern und Frankfurt, wo er sich intensiv mit Philosophie, Wirtschaft und Politik auseinandersetzt. In Jena promoviert er über die Himmelsmechanik Keplers und Newtons, beeinflusst von Schellings Naturphilosophie.

Erinnerung an Hegel in Bamberg.

Als er 1806 Napoleon in die Stadt einziehen sieht, ist er begeistert: »Den Kaiser – diese Weltseele – sah ich durch die Stadt zum Rekognizieren hinausreiten; – es ist in der Tat eine wunderbare Empfindung, ein solches Individuum zu sehen, das hier auf einen Punkt konzentriert, auf einem Pferde sitzend, über die Welt übergreift und sie beherrscht.« Im Kaiser sieht er die Verkörperung der Weltseele. Dieser Begriff wird für ihn zum Zentralbegriff seiner idealistischen Philosophie. Das ist kein pseudogöttliches Wesen, keine Seele, wie wir sie verstehen: Hegel geht es um die gesamte historische Wirklichkeit, die Totalität. In ihr zeigt sich der Prozess des »Weltgeistes«, durch ihn realisiert sich für Hegel der »Endzweck« der Weltgeschichte: die »Vernunft in der Geschichte«. Mit den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts betrachtet wirkt das eher absurd, damals ist es im Einklang mit der Idee, dass sich die Geschichte im Fortschritt immer weiter nach oben entwickelt.

Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel.

Ein Jahr nach diesem Ereignis erscheint Hegels epochales Buch »Phänomenologie des Geistes«, in dem er seine Philosophie ausbreitet. 1811 heiratet Hegel die zwanzigjährige Marie von Tuche und wird 1816 Professor in Heidelberg, 1818 in Berlin, wo er populär wird. Nicht bei allen: Schopenhauer soll seine Vorlesungen genau auf die Zeit gelegt haben, zu der auch Hegel las. Mit dem Ergebnis, dass zu Schopenhauer kaum Studenten kamen. 1831 stirbt Hegel.

Die »Phänomenologie des Geistes«, Hegels Hauptwerk, zeigt systematisch das Wirken des Geistes von der einfachen, reinen Wahrnehmung über das Bewusstsein und die Vernunft bis zum absoluten Wissen des Weltgeistes. Hegel untersucht dafür die Geschichte der Wissenschaft und die Erscheinungen des Geistes als Verwirklichung unseres Selbst, als Einheit von Sein und Nichts ebenso wie als absolute Ganzheit. Dabei ist der Begriff an sich wichtig, nicht die praktische Anschauung, und ebenfalls der Gegensatz von Subjekt und Objekt, der Kant’sche Dualismus, der dialektisch auf einem höheren Niveau aufgehoben wird und eine Einheit bildet.

Wichtig vor allem für seinen Schüler Karl Marx ist nicht nur die dialektische Methode, es sind auch Hegels Ideen vom Selbstbewusstsein und seine Methode, den zu untersuchenden Gegenstand dadurch zu begreifen, dass man ihn in allen Einzelheiten genau darstellt. Als »Linkshegelianer« übernimmt Marx vor allem seine Begriffe vom Widerspruch und vom Übergang von Quantität in Qualität, er benutzt Hegels dialektische Methode von These, Antithese und Synthese, »um den rationellen Kern in der mystischen Hülle zu entdecken«.

Andere, konservative Schüler wie Eduard Gans oder Karl Rosenkranz verstehen Hegel eher als »preußischen Staatsphilosophen« – immerhin ist er preußischer Beamter und Rektor der Universität in Berlin, seine Vorlesungen werden nicht nur von Studenten, sondern auch von hohen Beamten und Wissenschaftlern gehört, Hegel ist Teil des Establishments, kein Republikaner mehr wie früher, sondern Anhänger der konstitutionellen Monarchie Preußens.

Titelblatt von Hegels einflussreichem Buch über den Weltgeist.

1818 | Liberalität

Liberalität, Liberalismus – das sind Begriffe, die schwer zu definieren sind. Für liberales Denken soll sich der Fortschritt in der Menschheitsgeschichte an der Behandlung der Menschen orientieren und zu einer freiheitlichen politischen Ordnung führen. Und hier ist das Land Baden immer wieder ein Vorreiter gewesen.

Fortschrittlich und freiheitlich ist Baden immer wieder gewesen. Warum gerade Baden, ist nicht erforscht: Liegt es am Klima, dass man hier entspannter ist als anderswo und den Mitmenschen ein gutes Leben gönnt? Oder haben die Badener irgendwann einmal eine besondere Tradition des Aufstandes entwickelt, ohne es zu merken?

Eine der ersten Bewegungen, die sich gegen eine ungerechte Herrschaft zu wehren versuchten, ist die Bundschuhbewegung. Ab 1493 organisiert sie sich in Baden gegen die Unterdrückung der armen Bauern, scheitert aber schnell – auch weil sie immer wieder verraten wird. Auch die großen Bauernkriege, die erste Massenbewegung Deutschlands, beginnen in Baden, am 23. Juni 1524 im Wutachtal bei Stühlingen. Ein halbes Jahr später verbünden sich die Bauern im westlichen Hegau. Schnell weitet sich der Protest aus, schon vorher hat es überall in Süddeutschland und der Schweiz gegärt. Dann entlädt sich die Wut der Bauern und der armen Städter, und sie bilden militärische »Haufen«, die bis zu 12 000 Mann stark sind. Sie verlieren überall gegen die mit Waffen und Soldaten besser ausgestatteten Heere der Herren, wie auch 1727 die Salpeterer im Hotzenwald.

Der Schriftsteller und Revolutionär Georg Herwegh, 1817 in Stuttgart geboren und 1875 in Baden-Baden gestorben, schrieb das Gedicht »O Freiheit, Freiheit!«.

An den liberalen badischen Markgrafen und Großherzog Karl Friedrich erinnert ein Denkmal vor dem Karlsruher Schloss.

Aber auch die badische Obrigkeit war liberaler als die in anderen Ländern: Bei der Stadtgründung von Karlsruhe lädt der protestantische Markgraf Karl Wilhelm 1715 auch Katholiken und Juden ein, sich anzusiedeln. Sein Enkel, Markgraf Karl Friedrich, schafft 1767 die Folter bei Strafprozessen ab, mit der man Geständnisse erpressen wollte, und die Todesstrafe, außer für vorsätzlichen Totschlag – andere Länder ziehen erst sehr viel später nach. 1783 schreibt er sogar nicht mehr von »Untertanen«, sondern von »Menschen«, und hält fest: »Wenn der Satz seine Richtigkeit hat, dass das Wohl des Fürsten mit dem Wohl des Landes innig vereiniget ist, so dass beyder Wohl- oder Uebelstand nur Eines ausmacht, so ist er es aus der Ursache, weil ihr Interesse auf das genaueste verbunden ist, oder mit anderen Worten, weil der Fürst mit dem Land in genauem wechselseitigem Verhältnisse stehet.« Und hebt als Konsequenz im selben Jahr auch die Leibeigenschaft auf. 1810 passt Karl Friedrich den von Napoleon aufgezwungenen »Code civil« als »Badisches Landrecht« an die Gegebenheiten Badens an: ein liberales Gesetzbuch, das einheitlich für alle Bürger Rechtssicherheit im wirtschaftlichen Leben verlieh.

Sein Enkel Großherzog Karl unterschreibt 1818 die badische Verfassung, in der erstmals für die männlichen Erwachsenen ein liberales Wahlrecht beschlossen wird und die Grundrechte garantiert werden – sie ist eine der modernsten Verfassungen im Deutschen Bund: Gleichheit vor dem Gesetz, Unabhängigkeit der Gerichte, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, unterschiedslose Steuerpflicht, Abschaffung von Privilegien bei der Besetzung von Staatsämtern, Freiheit des Eigentums, Gewissensfreiheit und Freiheit der Religionsausübung. In zwei Kammern tagt das Parlament, 1822 wird das erste Parlamentsgebäude in Deutschland überhaupt gebaut: das Ständehaus, dessen freie und offene Diskussionen Anstöße für die Entwicklung zur Demokratie gaben.

1832 erlässt Großherzog Leopold ein liberales Presserecht, beendet »alle Zensur der Druckschriften, welche im Großherzogtum herauskommen oder verbreitet werden«. Auf Druck der Preußen und Österreicher wird die Zensur im selben Jahr wieder eingeführt, allerdings geht der Großherzog nicht so streng gegen Oppositionelle vor.

Aufständische Bauern mit Bundschuhfahne umzingeln einen Ritter auf einem Holzschnitt von 1539.

Die deutsche Revolution 1848/49 ist sogar eine badische Revolution, ein erster gewaltsamer Versuch, ein einiges Vaterland mit bürgerlichen Rechten zu schaffen. Die Radikalen verlangen sogar eine Demokratie ohne König oder Kaiser.

Diese Tradition der Liberalität wird in der weiteren Geschichte allerdings nicht immer durchgehalten: Im Oktober 1940 werden die badischen und Pfälzer Juden in ein Lager in Gurs, Südfrankreich, verschleppt – es ist einer der ersten Probeläufe für den Massenmord an den Juden, der deutschlandweit ein Jahr später im Dezember 1941 beginnt. Aber warum die meisten Mitglieder der »Rote Armee Fraktion« ausgerechnet aus dem deutschen Südwesten kamen, ist auch noch nicht beantwortet worden.

1821 | Schreibmaschine

Der 1785 in Karlsruhe geborene Jahrhunderterfinder Karl Friedrich Freiherr von Drais ist vor allem durch seine Laufmaschinen und die Vorform des Fahrrads bekannt geworden. Doch der adelige Pfiffikus steht auch für das »Schreibclavier« und die Schnellschreibmaschine und erfreute einst Hausfrauen mit der Kochkiste.

Das Laufrad war bereits von ihm erfunden und viel diskutiert, ebenso der Klavier-Rekorder, eine Notenschriftmaschine zur Aufzeichnung auf Papierband. Während Karl Drais sich vor allem mit den Nachahmern und Neidern rund um sein Zweirad herumschlug, erkrankte sein Vater am Grauen Star und drohte zu erblinden. Fatal für einen Oberhofrichter, der seine Augen ebenso benötigte wie einen wachen Verstand. Der vielseitig bewanderte Sohn machte sich im Jahr 1821 sogleich an die Arbeit und entwickelte für den kränkelnden Vater eine mechanische Schreibhilfe: das »Schreibclavier«. Statt Melodien oder Noten stanzte diese frühe Form der Schreibmaschine Prägebuchstaben auf Papier, welche der Vater später ertasten konnte.

Das Prinzip war denkbar praktisch und ist noch heute vertraut. Denn Drais ordnete zunächst jedem Buchstaben eine Taste zu, so wie es noch heute auf jeder Tastatur üblich ist. Zur Verfügung standen ihm 25 Tasten, welche in einem Quadrat zu 5 mal 5 Tasten angeordnet waren. Das zu prägende Papier wurde auf eine Walze mit Uhrwerk aufgespult und durch die Schreibmaschine gezogen.

Zwei Jahre zuvor war ein folgenschwerer politischer Mord geschehen. Der Theaterautor August von Kotzebue war von dem Burschenschaftler Karl Ludwig Sand erstochen worden. Letzterer wurde zum Tode verurteilt, was wiederum die aufgebrachte Bevölkerung polarisierte. Ausgerechnet Karls Vater saß dem Oberhofgericht in Mannheim vor, als es eine Begnadigung einstimmig verwarf. Da man dem Vater nichts anhaben konnte, entschieden die kampfeslustigen Anhänger Sands, fortan dem Sohn das Leben zu erschweren. Das hatte für den Erfinder, der vom Forstmeister zum Kammerherrn aufgestiegen war, fatale Folgen. Nicht nur, dass es in Baden keine Patentschriften zum Schutz seiner Erfindungen und des Erfinders gab, jetzt eilte ihm auch noch sein durch Verleumdungen angekratzter Ruf voraus. Vater und Sohn beschlossen, dass eine Auslandsreise für den Junior das Beste wäre. Karl Drais fand sich als Landmesser und Goldsucher in Brasilien wieder und kehrte erst 1827 in die Heimat zurück.

Denkmal für den vielseitigen Erfinder Karl von Drais in Karlsruhe.

Das Prinzip des Schreibens mit Tasten ist von Drais’ Erfindung 1821 über diese Schreibmaschine aus dem Jahr 1912 bis zu den heutigen Computer-Tastaturen ungefähr gleich geblieben.

Zwischenzeitlich hatte sich der Vater einer Operation unterzogen und konnte einäugig wieder sehen. Das Schreibclavier war überflüssig geworden. Karl hatte eine neue Idee im Kopf. Er wollte um 1829 ein Schreibgerät entwickeln, welches so schnell war, dass es mit dem gesprochenen Wort mithalten konnte. Eine Schnellschreibmaschine! So schnell zu schreiben war bis dahin nur den geübten Stenografen mittels der Schnellschrift Steno möglich. Er nahm sich die Tastatur des Schreibclaviers erneut vor und reduzierte deren Tastenzahl auf 16, die Anordnung auf 4 mal 4. Manche Tasten mussten nun doppelt belegt werden, was zur Folge hatte, dass das geschriebene Lochmuster nicht lesbar war. Eine Rückübersetzung der Lochstreifen, wie viele Jahre später beim Fernschreiber noch üblich, war nötig.

Drais veröffentlichte aus Sorge, dass ihm seine Ideen wie schon so oft wieder abgekupfert würden, erst 1833 eine Beschreibung für seine Steno-Schreibmaschine. Angeblich schaffte er mit ihr 1000 Buchstaben in der Minute. Sollte das zutreffen, würde manch geübte Sekretärin heute verzweifeln. Denn nicht mal bei den Meisterschaften im Tastschreiben im Zehnfingersystem werden solche Geschwindigkeiten erreicht. Ein weiterer Clou an Drais’ neuem Schreibgerät war, dass durch einen Umschalthebel von der Schnellschreibmaschine auf das Schreibclavier mit Prägung umgestellt werden konnte.

Drais schöpfte neuen Mut und versuchte, seine neueste Erfindung publik und vor allem zu Geld zu machen. Eine Reise nach London mitsamt Schnellschreibmaschine bescherte ihm wohl weltweite Bekanntheit, aber kein Vermögen. Er begann, die Bauanleitung für je einen Gulden zu verkaufen, und widmete sich mit seinen Geistesblitzen weiteren durchweg praktischen Erfindungen wie unter anderem dem Holzsparofen und dessen Weiterentwicklung zur energiesparenden Kochkiste, kurzum einem Energiesparherd. Karl Friedrich Freiherr Drais von Sauerbronn, geboren am 29.4.1785 in Karlsruhe, lediger Forstmeister und Kammerherr, nimmermüder Ausnahmeerfinder, Professor für Mechanik und Visionär, verstarb am 10.12.1851 mit 66 Jahren in Karlsruhe. Sein Grab mitsamt Grabmal befindet sich auf dem Karlsruher Hauptfriedhof.

1826 | Sekt

Erfunden hat er den Champagner nicht, aber in Deutschland war er einer der Ersten und einer der Besten, heute ist Kessler-Sekt die älteste Sektkellerei des Landes, seit bald 200 Jahren produziert Kessler einen Spitzensekt. Champagner darf er ihn nicht nennen, denn im Versailler Vertrag wurde 1919 festgelegt, dass Champagner aus der Champagne kommen muss. Alle anderen heißen Vin mousseux, Cava, Spumante metodo classico oder Sekt.