Einfach unwiderstehlich - Bret Easton Ellis - E-Book

Einfach unwiderstehlich E-Book

Bret Easton Ellis

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Beschreibung

»Das Porträt einer Generation unter Coolheitsdruck« tazBret Easton Ellis' zweiter Roman, 1987, zwei Jahre nach dem Debüt »Unter Null« in den USA erschienen, schildert ein paar Wochen im Leben einiger Collegestudenten an der US-Ostküste. Es ist, als würde man bei der Lektüre in einen rasant schnell geschnittenen Film hineingeraten, der aus den verschiedenen Blickwinkeln der Figuren von Partys, Drogen & Sex erzählt. Lauren vermisst Victor, der gerade quer durch Europa reist, und tröstet sich – da Tony gerade kein Interesse anmeldet – zwischendurch mit einem Erstsemestler, der Steve heißt, glaubt sie zumindest. Sean, Protagonist von »Einfach unwiderstehlich« und Bruder von Patrick Bateman, will Lauren, nimmt aber, da die Sache so einfach nicht ist, erstmal mit Susan vorlieb. Und mit Deidre. »Einfach unwiderstehlich« ist ein Abgesang auf eine Generation von Collegestudenten Mitte der 80er Jahre: keine Vision, nirgends, es sei denn, man begreift den verzweifelten Sex in allen Lagen und Dröhnungsstufen als visionäres Revival von »Love and Peace«.

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EPUB

Seitenzahl: 439

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Bret Easton Ellis

Einfach unwiderstehlich

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Wolfgang Determann

Kurzübersicht

> Buch lesen

> Titelseite

> Inhaltsverzeichnis

> Über Bret Easton Ellis

> Über dieses Buch

> Impressum

> Klimaneutraler Verlag

> Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

MottoHerbst 1985SeanPaulLaurenVictorPaulSeanPaulLaurenSeanDas Gefühl ist weder eiskalt noch heiß …PaulSeanLaurenPaulSeanLaurenSeanIch war in einem Seminar gestern …PaulSeanPaulLaurenPaulSeanLaurenBertrandPaulStuartSeanPaulLaurenPaulSo wie er sich bewegt …PaulSeanLaurenSeanPaulSeanPaulEr weiß es nicht, aber ich …PaulLaurenPaulStuartPaulSeanPaulLaurenPaulSeanLaurenPaulSeanEveStuartEs ist Partyzeit, und sie ist bereit …LaurenSeanPaulIch liege im warmen Wasser …LaurenPaulRoxannePaulSeanClayPaulSeanLaurenSeanLaurenPaulSeanLaurenSeanLaurenVictorLaurenSeanPaulPatrickPaulSeanLaurenSeanPaulLaurenSeanLaurenPaulLaurenSeanLaurenSeanLaurenMitchellVictorLaurenSeanVictorLaurenPaulSean
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Auch wenn sie wie Perlen auf eine Kette gezogen waren, so fehlte den Pakten die rechte Ordnung. Die Ereignisse strömten nicht dahin. Die Fakten waren separat und wahllos und zufällig, auch als sie eintraten, episodisch, gebrochen, ohne sanfte Übergänge, ohne Sinn für Ereignisse, die sich aus früheren Ereignissen entwickeln –

Tim O’Brien Going After Cacciato

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Herbst 1985

und es ist ’ne Geschichte,

 

 

 

 

 

die dich vielleicht langweilt, aber du musst ja nicht zuhören, sagte sie mir, weil sie immer gewusst hat, dass es so kommen würde, und sie glaubt, es war ihr erstes Jahr, oder, eigentlich ein Wochenende, tatsächlich ein Freitag, im September, in Camden, und das ist drei oder vier Jahre her, und sie wurde so betrunken, dass sie im Bett landete, entjungfert wurde (spät, sie war schon achtzehn) in Lorna Slavins Zimmer, weil sie im ersten Jahr war, und Lorna, fällt ihr ein, im vierten oder im dritten Jahr war und normalerweise hin und wieder in der Wohnung ihres Freundes außerhalb des Campus, der ihrer Meinung nach im zweiten Jahr war und Töpfern als Hauptfach hatte, aber der in Wirklichkeit entweder ein Typ von der New York University war, ein Film-Student, der nur wegen der Bums-Klamotten-Fete hier in New Hampshire war, oder einer aus dem Ort. Eigentlich hatte sie an diesem Abend jemand anderen im Visier: Daniel Miller, siebtes Semester, Hauptfach Theater, nur ein bisschen schwul, blondes Haar, ein toller Körper und diese wahnwitzig grauen Augen, aber der traf sich mit dieser schönen Französin aus Ohio und wurde dann langsam monogam und fuhr nach Europa und schloss sein siebtes Semester nie mehr ab. Also unterhielt sich dieser Typ (sie kann sich jetzt nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern – Rudolph? Bobo?) von der New York University mit ihr unter einem, daran kann sie sich erinnern, großen Poster von Reagan, dem jemand Schnurrbart und Sonnenbrille aufgemalt hatte, und er redete über diese ganzen Filme, und sie erzählte ihm dauernd, dass sie diese Filme alle gesehen hätte, obwohl das nicht stimmte, und sie stimmte ihm dauernd zu, seinen Vorlieben, seinen Abneigungen, und die ganze Zeit dachte sie, dass er vielleicht kein Daniel Miller sei (dieser Typ hatte punkiges, blauschwarzes Haar, Wollkrawatte an und, dummerweise, ein sich abzeichnendes Ziegenbärtchen), aber er war immer noch ziemlich süß, und sie war ganz sicher, dass er die Namen dieser Filmemacher alle falsch aussprach, sich an die falschen Schauspieler erinnerte, die falschen Kameramänner nannte, aber sie wollte ihn und sie konnte sehen, dass er zu Kathy Kotcheff rüberschaute, und sie guckte zu ihm rüber und ließ sich unglaublich volllaufen und nickte andauernd, und er ging zum Fass hin, um sich noch ein Bier zu holen, und Kathy Kotcheff, die einen schwarzen BH trug und ein schwarzes Höschen mit Strumpfgürtel und allem, sprach ihn an, und sie verzweifelte langsam. Sie hatte vor, rüberzugehen und ein paar Namen fallenzulassen, Salle oder Longo zu erwähnen, aber sie dachte, das wäre vielleicht zu anmaßend, also näherte sie sich ihm von hinten und flüsterte ihm einfach zu, dass sie etwas Pot in ihrem Zimmer hätte, obschon das nicht stimmte, aber sie hoffte, dass Lorna etwas hätte, also lächelte er und sagte, das sei vielleicht eine gute Idee. Auf der Treppe nach oben schnorrte sie sich Pot von jemand, das sie gar nicht vorhatte zu rauchen, und sie gingen in Lornas Zimmer. Er machte die Tür zu und schloss ab. Sie knipste das Licht an. Er knipste es aus. Sie glaube, sagte sie, sie habe doch kein Pot. Er sagte, das sei okay und zog einen silbernen Flachmann heraus, den er mit dem Kornpunsch gefüllt hatte, bevor er unten ausgegangen war, und sie war davon schon so betrunken und von dem Bier, dass sie noch mehr davon trank, und ehe sie sich versah, waren sie auf Lornas Bett und gingen zur Sache, und sie war zu betrunken, um nervös zu sein. Die Dire Straits wurden unten gespielt oder vielleicht waren es die Talking Heads, und sie war sturzbesoffen und obwohl sie wusste, dass das der reine Wahnsinn war, konnte sie nicht aufhören oder irgendetwas anderes machen. Sie wurde ohnmächtig, und als sie wieder zu sich kam, versuchte sie, ihren BH auszuziehen, aber sie war immer noch viel zu betrunken, und er hatte schon angefangen, sie zu bumsen, wusste aber nicht, dass sie noch Jungfrau war, und es tat weh (nicht besonders, nur ein kleiner, scharfer Schmerz, aber nicht so schlimm, wie man ihr beigebracht hatte, dass es wehtun würde, aber auch nicht gerade angenehm), und in dem Moment hörte sie eine weitere Stimme im Zimmer stöhnen und sie kann sich erinnern, dass sich das Gewicht auf dem Bett verschob, und es wird ihr klar, dass die Person auf ihr nicht der Film-Typ von der New York University ist, sondern jemand anderes. Es war stockdunkel im Zimmer, und sie spürte ein Paar Knie auf jeder Seite von ihr, und sie wollte gar nicht mal wissen, was sich über ihr abspielte. Alles, was sie wusste, alles, was ihr sicher schien, war, dass ihr elend zumute war und dass ihr Kopf dauernd an die Wand knallte. Die Tür, die er vermeintlich abgeschlossen hatte, flog auf, und Schatten kamen herein, die sagten, sie müssten das Fass irgendwohin stellen, und das Fass wurde hereingerollt, knallte gegen das Bett, und die Tür ging zu. Und sie dachte, mit Daniel Miller wäre ihr das nicht passiert, der hätte sie sanft in seine großen, starken Dramatikerarme genommen und sie ruhig und geschickt ausgezogen, mit Leichtigkeit und Eleganz den BH entfernt, sie tief und zart geküsst, und es hätte wahrscheinlich nicht wehgetan, aber sie war nicht mit Daniel Miller zusammen. Sie war hier mit einem Typ aus New York, dessen Namen sie nicht kannte, und weiß Gott, mit wem noch, und die beiden Körper über ihr bewegten sich immer weiter, und dann war sie oben, obwohl sie viel zu betrunken war, um oben zu bleiben, jemand anderes hielt sie aufrecht, stützte sie ab, während noch jemand anderes ihre Brüste durch den BH berührte und sie immer weiter fickte, und sie hörte, wie sich das Pärchen nebenan laut stritt, und dann wurde sie wieder ohnmächtig, wachte erst auf, als einer der Typen mit dem Kopf gegen die Wand schlug, dann vom Bett ratschte und sie mitriss, und beide schlugen sie mit ihren Köpfen an das Fass. Sie hörte, wie sich einer der Typen in etwas erbrach, von dem sie hoffte, dass es Lornas Abfalleimer war. Sie wurde wieder ohnmächtig, und als sie aufwachte, vielleicht dreißig Sekunden später, vielleicht ’ne halbe Stunde, sie wurde immer noch gebumst, stöhnte sie immer noch vor Schmerzen (die dachten wahrscheinlich, sie wäre angetörnt, was aber bestimmt nicht der Fall war), da hörte sie jemand an die Tür klopfen. Sie sagte: »Mach auf, mach auf«, oder zumindest glaubte sie, dass sie das sagte. Sie waren immer noch auf dem Boden, als sie wieder ohnmächtig wurde … Am nächsten Morgen wachte sie auf, früh und aus irgendeinem Grand auf dem Bett, und das Zimmer war kalt und stank nach Erbrochenem, aus dem halbleeren Fass tröpfelte es auf den Boden. In ihrem Kopf hämmerte es, teils wegen ihres Katers und teils, weil sie ihn wer weiß wie lange an die Wand geknallt hatte. Der Film-Student von der N.Y.U. lag neben ihr auf Lornas Bett, das sich während der Nacht in die Mitte des Zimmers verschoben hatte, und er sah viel kleiner aus und sein Haar länger, als sie es in Erinnerung hatte, seine Haarstacheln waren schlaff geworden. Und in dem Licht, das durch das Fenster hereinkam, sah sie den anderen Typ neben dem Film-Studenten liegen – sie war keine Jungfrau mehr, dachte sie bei sich –, der Junge, der neben dem Typ von der N.Y.U. lag, schlug die Augen auf, und er war immer noch betrunken, und sie hatte ihn noch nie gesehen. Er war wahrscheinlich aus dem Dorf. Sie war tatsächlich mit einem aus dem Dorf ins Bett gegangen. Ich bin keine Jungfrau mehr, dachte sie wieder. Der Typ aus dem Dorf zwinkerte ihr zu, bemühte sich gar nicht erst, sich vorzustellen, und dann erzählte er ihr diesen Witz, den er gestern Abend gehört hatte, von diesem Elefanten, der durch den Dschungel streifte und der auf einen Dorn trat, und es tat furchtbar weh, und der Elefant hatte Mühe, ihn rauszuziehen, also bat der Elefant eine Ratte, die gerade vorbeikam, ihm »bitte diesen Dorn aus dem Treter zu ziehen«, und die Ratte stellte die Forderung: »Nur, wenn ich dich ficken darf.« Ohne zu zögern sagte der Elefant okay, und die Ratte zog rasch den Dorn aus der Elefantensohle, und dann krabbelte sie hinten am Elefanten hoch und fing zu ficken an. Da kam ein Jäger des Weges und schoss auf den Elefanten, der darauf anfing, vor Schmerzen zu stöhnen. Die Ratte, die die Verwundung des Elefanten nicht mitbekommen hatte, sagte: »Leide, Baby, leide«, und fickte immer weiter. Der aus dem Dorf fing an zu lachen, und es war ein Witz, den sie am liebsten vergessen hätte, aber sie hat ihn seitdem nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Dann dämmerte es ihr langsam, dass sie gar nicht wusste, wer sie (technisch) entjungfert hatte (obwohl die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß war, dass es der Film-Student von der N.Y.U. war und nicht der Typ aus dem Dorf), obwohl es darauf irgendwie gar nicht an diesem nach-jungfräulichen Morgen ankam. Es wurde ihr leise bewusst, dass sie blutete, aber nur ein wenig. Der Typ von der N.Y.U. rülpste im Schlaf. Lornas Abfalleimer war überall mit Erbrochenem bedeckt. Der aus dem Dorf lachte immer noch, er krümmte sich nackt vor Lachen. Sie hatte ihren BH immer noch an. Und sie sagte es niemand, obwohl sie es Daniel Miller sagen wollte: »Ich hab immer gewusst, dass es so sein würde.«

Sean

Das Ende der Party kündigt sich an. Ich komme ins Windham House, gerade, als das letzte Fass angezapft wird. Der Deal in der Stadt ging in Ordnung, und ich habe etwas Bares, also kaufe ich ein bisschen Gras von diesem Erstsemester, der im Spielzimmer im Booth wohnt, und werde high, bevor ich zur Durstigen-Donnerstag-Fete komme. Im Wohnzimmer ist ein Quarter-Spiel im Gange, und Tony füllt einen Krug mit Bier.

Ich frage ihn: »Was läuft denn so?«

»Hey, Sean. Hab meinen Ausweis verloren. Die Pub ist gestorben«, sagt er. »Brigid ist ganz scharf auf den Typ aus L.A. Willste mitmachen?«

»Ist okay«, sage ich. »Wo sind die Becher?«

»Da drüben«, sagt er und geht wieder zum Tisch zurück.

Ich hole mir etwas Bier und merke, dass dieses heiß aussehende Mädchen aus dem ersten Semester mit den kurzen blonden Haaren, das ich vor ein paar Wochen gebumst habe, nahe beim Kamin steht. Ich will hingehen und mit ihr reden, aber Mitchell Allen gibt ihr schon Feuer, und ich will nichts damit zu tun haben. Also lehne ich mich gegen die Wand, höre mir REM an, trinke mein Bier aus, hole mir noch welches und behalte die aus dem ersten Semester im Auge. Dann kommt ein anderes Mädchen, ich glaube, Deidre heißt sie, schwarzer Irokesen-Schnitt, der schon antiquiert und modisch aussieht, schwarzer Lippenstift, schwarzer Nagellack, schwarze Kniestrümpfe, schwarze Schuhe, hübsche Titten, ganz guter Körper, siebtes Semester, und sie trägt ein schwarzes Top, obwohl es in dem Raum ungefähr vierzig Grad minus ist, und sie ist betrunken und hustet, als hätte sie TB und säuft Scotch. Ich hab sie mal im Buchladen einen Dante klauen sehen. »Kennen wir uns?«, fragt sie. Wenn das ein Witz sein soll, dann ist er einfach ganz blöd.

»Nein«, sage ich. »Hi.«

»Wie heißt du?«, fragt sie und versucht, die Balance zu halten.

»Peter«, sage ich zu ihr.

»Ach, wirklich?«, fragt sie und sieht verwirrt aus. »Peter? Peter? So heißt du nicht.«

»Heiß ich doch.« Ich habe immer noch das aufregende Erstsemester im Visier, aber sie will nicht hersehen. Mitchell reicht ihr noch ein Bier. Es ist zu spät. Ich schaue wieder Dede Dedire an oder wie sie heißt.

»Bist du nicht im siebten Semester?«, fragt sie mich.

»Nein«, sage ich zu ihr. »Im ersten.«

»Echt?« Plötzlich fängt sie an zu husten, dann trinkt sie von ihrem Scotch, schüttet ihn praktisch und sagt mit abgekrächzter Stimme: »Ich dachte, du wärst älter.«

»Ein Erstsemester«, sage ich zu ihr, leere meinen Becher.

»Peter. Peter, das Erstsemester.«

Mitchell flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie lacht und wendet sich ab. Er flüstert weiter. Sie rührt sich nicht. Das war’s. Sie will mit ihm gehen.

»Also, irgendwie hätte ich schwören können, du heißt Brian«, sagt Deedum.

Ich wäge meine Möglichkeiten ab. Ich kann sofort abhauen, wieder auf mein Zimmer gehen, Gitarre spielen, einschlafen. Oder ich könnte mit Tony und Brigid und diesem blöden Typ aus L.A. Quarters spielen. Oder ich kann dieses Mädchen auf einen Drink ins Carousel außerhalb des Campus mitnehmen und sie dort lassen. Oder ich kann sie wieder mit auf mein Zimmer zurückbringen, hoffen, dass der Franzmann weg ist, mir einen antörnen und sie bumsen. Aber eigentlich will ich das nicht. So sehr stehe ich auch nicht auf sie, aber das heiß ausschauende Erstsemester ist schon mit Mitchell auf und davon, und ich habe morgen keine Seminare, und es ist spät, und es sieht so aus, als wäre das Fass bald leer. Und sie sieht mich an und fragt: »Was ist los?«, und ich denke warum nicht?

Also gehe ich endlich mit ihr nach Hause – sie ist plump, aber scharf, aus L.A., ihr Vater ist in der Musikbranche, aber sie hat keine Ahnung, wer Lou Reed ist. Wir gehen auf ihr Zimmer. Ihre Zimmergenossin ist da, schläft aber schon.

»Ignorier sie«, sagt sie und knipst das Licht an. »Sie ist verrückt. Es ist okay.«

Ich ziehe gerade meine Kleider aus, als die Zimmergenossin aufwacht und beim Anblick meiner Nacktheit ausrastet. Ich gehe unter D’s Decken, aber ihre Zimmergenossin fängt an zu heulen und steigt aus dem Bett, und D schreit sie an: »Du bist verrückt, leg dich schlafen, du spinnst ja«, und die Zimmergenossin geht raus, knallt schluchzend die Tür zu. Wir fangen an rumzumachen, aber sie vergisst ihr Diaphragma, also versucht sie, es einzuführen, drückt den Schaum über ihre Hand aus, aber kriegt ihn nicht rein, und sie ist zu betrunken, um zu wissen, wo sie es hintun soll. Trotzdem versuche ich sie zu bumsen, aber sie stöhnt andauernd »Peter, Peter«, also höre ich auf. Ich überlege, ob ich mich übergeben soll, stattdessen ziehe ich mir ein bisschen Gras in der Pfeife rein, dann fliehe ich. Lass gut sein. Rock ’n’ Roll.

Paul

Wir waren schon zugeknallt, als wir auf der ›Durstigen-Donnerstag-Fete‹ ankamen, und der Abend war noch jung, und das blonde schwedische Mädchen aus Connecticut, sehr groß und jungenhaft, kam zu mir rüber, und ich ließ sie machen. Betrunken, aber immer noch vollkommen bewusst, worauf ich mich da einließ, hatte sie freie Bahn. Ich hatte andauernd versucht, mit Mitchell zu reden, aber der interessierte sich viel mehr für dieses äußerst hässliche, nuttige Mädchen aus dem fünften Semester namens Candice. Kurz Candy. Ich war ziemlich entsetzt, aber was konnte ich schon tun? Ich fing an, mit Katrina zu reden, und sie sah in ihrem schwarzen Heilsarmee-Regenmantel sehr charmant aus und in der Matrosenmütze, unter der ein blondes Haarbüschel hervorlugte, und ihre Augen waren groß und blau, sogar in der Dunkelheit des Wohnzimmers im Windham House.

Jedenfalls waren wir betrunken, und Mitch redete immer noch mit Candie, und da war dieses Mädchen auf der Party, das ich wirklich nicht sehen wollte, und ich war jetzt betrunken genug, um mit Katrina zu gehen. Ich nehme an, ich hätte bleiben können, auf Mitch warten, oder auf diesen Jungen aus L.A. zugehen können, der, obwohl er zu sehr von der Sonne verbrannt war, schöne Muskeln (rotgebrannte Muskeln?) hatte und entrückt genug schien, alles zu versuchen. Aber er trug immer noch seine Sonnenbrille und spielte Quarters, und sowieso ging das Gerücht, er würde mit Brigid McCauley schlafen (einer »kompletten Fischfotze« laut Vanden Smith), daher zündete ich, als Katrina mich fragte: »Was ist los?«, mir eine Zigarette an und sagte: »Gehn wir.« Inzwischen waren wir noch besoffener, da wir eine Flasche guten Rotwein gekippt hatten, den wir in der Küche gefunden hatten, und als wir raus in die knackige Oktoberluft kamen, traf es uns beide wie ein kleiner Schock, aber es machte uns nicht nüchtern, und wir lachten beide weiter. Und dann küsste sie mich und sagte: »Lass uns auf mein Zimmer gehen und duschen.«

Wir gingen immer noch über den Rasen des Commons, als sie das sagte, ihre Fäustlinge unter den Überzieher gesteckt, wir lachten, wirbelten umher, kickten Blätter hoch, und die Musik drang immer noch rüber vom Windham House. Ich wollte diesen Augenblick verlängern, deshalb schlug ich vor, uns nach etwas zu essen umzusehen. Wir hörten auf zu gehen und standen da, und obwohl sie mehr als nur ein bisschen enttäuscht klang, willigte sie ein, und wir gingen von Haus zu Haus und plünderten heimlich die Kühlschränke, wenn wir auch nur ein paar Pepperidge Farm Milanos, eine halbleere Tüte Bar-B-Que-Kartoffelchips und ein dunkles Heineken fanden.

Jedenfalls landeten wir in ihrem Zimmer, echt betrunken, und kamen zur Sache. Sie hielt eine Minute inne und machte sich auf den Weg zur Toilette am Ende des Flurs. Ich knipste eine Lampe an und sah mich in dem Zimmer um, besah mir das leere Bett ihrer Zimmergenossin und ein Poster mit einem Einhorn an der Wand; Exemplare von Town and Country und The Weekly World News (»Ich bekam Bigfoots Baby«, »Wissenschaftler behaupten, dass UFOs Aids verursachen«) lagen um einen riesigen ausgestopften Teddybär verstreut, der in der Ecke thronte, und ich dachte, dass dieses Mädchen zu jung sei. Sie kam wieder herein und zündete sich einen Joint an und drehte das Licht aus. Kurz davor, den Geist aufzugeben, fragte sie mich: »Wir gehen doch nicht ins Bett, oder?«

Sie hatte Paul Young auf ihrem Plattenspieler, und ich lehnte mich über sie, lächelte und sagte: »Nein, wahrscheinlich nicht.« Ich dachte an das Mädchen, das ich im September verlassen hatte.

»Warum nicht?«, fragte sie, und sie sah wirklich nicht mehr besonders schön aus, wie sie im Halbdunkel ihres Zimmers dalag, das einzig echte Licht war die Spitze des Joints in ihrer Hand.

»Ich weiß nicht«, sagte ich, und dann in gespieltem Ernst: »Ich bin vergeben«, obwohl ich es nicht war: »Und du bist betrunken«, obwohl das eigentlich auch nichts damit zu tun hatte.

»Ich hab dich wirklich gern«, sagte sie, bevor bei ihr die Klappe fiel.

»Ich hab dich wirklich gern«, sagte ich, obwohl ich sie kaum kannte.

Ich rauchte den Joint zu Ende und trank das Heineken aus. Dann legte ich eine Decke über sie und stand da, die Hände in den Taschen meines Überziehers. Ich überlegte, ob ich die Decke abnehmen sollte. Ich nahm die Decke ab. Dann hob ich ihren Arm und sah ihre Brüste an, berührte sie. Vielleicht vernasch ich sie, grübelte ich. Aber es war schon fast vier Uhr, und ich hatte eine Vorlesung in sechs Stunden, obwohl die Wahrscheinlichkeit, sie zu besuchen, ziemlich gering schien. Auf dem Weg nach draußen klaute ich ihr Exemplar Hundert Jahre Einsamkeit und schaltete ihren Plattenspieler aus und ging, zufrieden und vielleicht ein bisschen verlegen. Ich war im vierten Jahr. Sie war ein nettes Mädchen. Sie würde sowieso allen erzählen, dass ich ihn erst gar nicht hochgekriegt hätte.

Lauren

Ging zur Durstigen-Donnerstag-Fete in Windham. Die Geschichte, die ich ’n bisschen angeleiert hatte, gefiel mir nicht, und ich musste an Victor denken und fühlte mich einsam. Judy kam schon betrunken im Atelier vorbei und versuchte mich zu trösten. Wir wurden high, und ich wurde nur noch einsamer, wenn ich an Victor dachte. Dann war es schon spät, und wir sind auf der Party, und es läuft nicht viel: Fass in der Ecke, REM oder ich glaube jedenfalls, es ist REM, schöne, schwerfällige Tanzstudenten winden sich schamlos. Judy sagt: »Lass uns gehen«, und ich bin einverstanden. Wir bleiben. Wir kriegen Bier, das warm und schal ist, aber wir trinken es. Judy verschwindet mit einem Kerl aus dem Fels, obwohl sie, wie ich weiß, in diesen Kerl aus Los Angeles verknallt ist, der mit Tony Quarters spielt, den ich mag und mit dem ich in meinem zweiten Semester hier geschlafen habe, und dieses Mädchen Bernette, die sich mit dem Typ aus L.A. trifft, schätze ich, oder vielleicht mit Tony, und es ist nichts los, und ich überlege, ob ich gehen soll, aber die Vorstellung, wieder ins Atelier zu gehen …

Jemand kommt rein, den ich nicht sehen will, also fange ich an, mich mit diesem yuppieartigen Typ aus dem ersten Semester zu unterhalten. »Bierchen?«, fragt er. Ich schaue zu Tony rüber, frage mich, ob er Interesse anmeldet. Er schaut zu mir rüber, über das ganze Wohnzimmer hin, hält den Krug hoch und zieht die Augenbrauen in die Höhe, und ich kann nicht sagen, ob das eine Einladung zum Quarterspielen oder zum Bumsen ist. Aber wie kann ich diesen Typ abhängen? Aber hier ist jemand, den ich nicht sehen möchte, und wenn ich rübergehe, muss ich an ihm vorbei. Also rede ich weiter mit diesem Spießer. Dieser Typ, der nach jeder harmlosen Information, die er mir weitergibt, in einem Tonfall, der für ihn ganz subversiv cool klingt, zu mir sagt: »Hey, Laura«, und ich sage ihm immer wieder: »Hör mal, ich heiße nicht Laura, klar?«, und er nennt mich weiter Laura, und so will ich ihm endlich Bescheid stoßen, als mir plötzlich klar wird, dass ich seinen Namen nicht weiß. Er sagt ihn mir. Wie heißt er? Steve? Ihm, Steve, gefällt nicht, dass ich rauche. Das typische, betrunkene (nicht allzu betrunkene), nervöse Erstsemester. Wen schaut Steve an? Nicht den Typ aus L.A., sondern Bernette, die mit diesem spießigen Erstsemester Steve nicht ins Bett steigen wollte jedenfalls, aber gut, vielleicht wollte sie selbst. Muss immer wieder an Victor denken. Aber Victor ist in Europa. Bierchen? Jesus. Das Erstsemester sagt mir, dass ich mein Bier noch nicht angefasst habe. Ich fasse es an, fahre mit meinen Fingern über den Rand des Plastikbechers. »Oh, das meine ich nicht«, sagt er gutmütig. »Trink«, drängt er. Stereotyp mit Haarschnitt. Warum interessiert es ihn überhaupt? Glaubt er wirklich, ich gehe mit ihm ins Bett? Warum will diese Person nicht gehen? Schaut Tony überhaupt hierher? Einer vom Quarterspiel schreit nach Sean. Ja-ich-bin-ein-Kotzbrocken Bateman. Judy drückt sich an mir vorbei und rollt mit den Augen. Ich frage den Typ Steve, was los ist. Er möchte mit mir Pot rauchen, aber wenn ich kein Pot möchte, dann hätte er auch gutes Speed. Hilfe. Ich möchte wissen, warum ich Victor vier Postkarten geschickt habe und keine Antwort bekomme. Aber ich möchte nicht darüber nachdenken und gehe ganz spontan mit dem Erstsemester hinaus. Weil … das Bier ist alle. Er fragt, ob wir in mein Zimmer gehen könnten. Zimmergenossin, lüge ich. Jetzt gehen wir hinaus. Und ich hatte mir versprochen, Victor treu zu sein, und Victor hatte mir versprochen, dass er auch treu sein würde. Weil ich den Eindruck hatte, habe, dass wir uns lieben. Aber ich hatte diesen Schwur schon im September ein wenig gebrochen, was ein kompletter und grober Fehler war, und was mach ich denn jetzt?

In der Eingangshalle des Franklin House. Eingerissenes Poster von A Clockwork Orange an seiner Tür? Nein, das nächste Zimmer. Der Ronnie-Reagan-Kalender an der Tür. Soll das ein Witz sein? Im Zimmer des Erstsemesters jetzt. Wie heißt er noch? Sam? Steve? Es ist so … hübsch! Tennisschläger an der Wand. Regal voll mit Büchern von Robert Ludlum. Wer ist dieser Typ? Fährt wahrscheinlich einen Jeep, trägt Penny Loafers, seine Freundin in der Highschool trug seinen Pullover mit dem Buchstaben drauf. Er überprüft seine Frisur im Spiegel und erzählt mir, sein Zimmergenosse sei heute Nacht in Vermont. Warum erzähle ich ihm nicht, dass mein Freund, der Mensch, den ich liebe, der Mensch, der mich liebt, der Mensch, den ich vermisse, der Mensch, der mich vermisst, in Europa ist, und dass ich das hier unter keinen Umständen tun sollte. Er hat einen Kühlschrank und zieht ein eiskaltes Beck’s raus. Raffiniert. Ich trinke einen Schluck. Er trinkt einen Schluck. Er zieht seinen L.-L.-Bean-Pullover und sein T-Shirt aus. Sein Körper ist ganz gut. Hübsche Beine. Spielt wahrscheinlich viel Tennis. Ich werfe beinah einen Stapel Ökonomiebücher um, der auf seinem Schreibtisch liegt. Ich wusste nicht einmal, dass sie das hier anbieten.

»Du hast doch keinen Herpes oder so was, oder?«, fragt er, während wir uns ausziehen.

Ich seufze und sage: »Nein, habe ich nicht.« Wünschte, ich wäre betrunken.

Er sagt, er hätte gehört, dass ich vielleicht so was hätte.

Ich will nicht wissen, von wem er das gehört hat. Wünschte, ich wäre sehr betrunken.

Es ist gut, aber ich bin nicht angetörnt. Ich liege einfach da und denke über Victor nach.

Victor.

Victor

Nahm einen Charterflug mit einer DC-10 nach London, landete in Gatwick, nahm den Bus ins Zentrum, rief eine Freundin aus dem College an, die Hasch verkaufte, aber sie war nicht da. Also ging ich spazieren, bis es anfing zu regnen, dann fuhr ich mit der U-Bahn wieder zum Haus der Freundin, wo ich mich vier oder fünf Tage aufhielt. Sah den Wachwechsel im Buckingham Palace. Aß eine Grapefruit an der Themse, die mich stark an das Cover dieses Pink-Floyd-Albums erinnerte. Schrieb meiner Mom eine Postkarte, die ich nie abschickte. Suchte Heroin, konnte aber keines finden. Kaufte etwas Speed von einem Italiener, den ich zufällig in einem Plattenladen in Liverpool traf. Rauchte eine Menge Hasch, das zu viel Tabak enthielt. Auch wenn sie alle dieselbe Sprache sprachen wie ich, waren es alles Arschlöcher. Es regnete viel, es war teuer, also haute ich nach Amsterdam ab. Am Hauptbahnhof spielte einer Saxophon, was ganz hübsch klang. Wohnte mit ein paar Freunden in irgendeiner Souterrainwohnung. Rauchte auch in Amsterdam eine Menge Hasch, verlor aber fast meinen ganzen Vorrat in irgendeinem Museum. Die Museen waren cool, schätze ich. Viele Van Goghs und die Vermeers waren stark. Spazierte herum, kaufte eine Menge süßes Gebäck, viele Matjesheringe. Die Holländer können alle Englisch, daher musste ich gar nicht holländisch sprechen, was eine Erleichterung war. Wollte einen Wagen mieten, konnte aber nicht. Die Leute, bei denen ich wohnte, hatten jedoch Fahrräder, also machte ich eines Tages eine Radtour und sah eine Menge Kühe und Gänse und Kanäle. Ich hielt am Straßenrand an, dröhnte mich ab und schlief ein, wachte auf, schrieb ein bisschen, nahm ein wenig Acid, machte ein paar Zeichnungen, und dann fing es an zu regnen, also radelte ich nach Danoever in eine Jugendherberge, wo ein paar coole Jungs aus Deutschland waren, die etwas Englisch sprachen, und dann fuhr ich zurück nach Amsterdam und verbrachte die Nacht mit diesem echt doofen deutschen Mädchen. Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Zug zum Kroeller in Arnhem, wo es tonnenweise starke Van Goghs gab. Hing im Skulpturgarten rum und versuchte, high zu werden, aber hatte keine Streichhölzer und konnte keine finden. Konnte mit nach Köln fahren und wohnte in einer Jugendherberge in Bonn, die allerübelst war, in der eine Menge echt verwarzter Kids waren, und sie war zu weit von der Innenstadt weg, also konnten wir überhaupt nichts machen. Trank ein Bier, dann machte ich mich auf nach Süden durch München und Österreich nach Italien. Konnte in die Schweiz mitfahren, sagte mir Scheißdrauf, warum auch nicht. Verbrachte am Ende die Nacht an einer Bushaltestelle. Spazierte in der Schweiz herum, aber das Wetter war schlecht, und es war zu teuer, und ich hatte nicht den vollen Durchblick, also fuhr ich mit dem Zug weg und stieg dann auf Anhalter um. Die Berge waren riesig und echt stark, und die Dämme der helle Wahnsinn. Fand eine Jugendherberge und machte mich dann mit einem Pärchen, Anfang dreißig, nach Süden auf, die in der Jugendherberge gewohnt hatten und mich mitnahmen. Ich verbrachte zwei Tage in der Schweiz. Dann fuhr ich mit dem Bus von der Schweiz nach Italien, dann per Anhalter in diese Stadt, wo dieses Mädchen vom College war, die ihren Abschluss gemacht hatte und in die ich irgendwie verliebt war, aber ich hatte ihre Telefonnummer verloren und war mir nicht einmal so sicher, ob sie überhaupt in Italien war. Also spazierte ich herum und traf diesen absolut coolen Typ namens Nicola, der nach hinten pomadierte Haare hatte und eine Wayfarer-Sonnenbrille trug, und der Springsteen riesig fand und mich dauernd fragte, ob ich ihn je live gesehen hätte. Es war da, als ich mir wie ein Idiot vorkam, weil ich Amerikaner war. Aber nur eine Weile, denn endlich nahm mich so ein Franzose in einem weißen Fiat mit, dessen Radio echt laut und gestört Michael Jackson spielte. Dann war ich in irgendeiner Stadt, die Brandis oder Blandy oder Brotto hieß. Die Kids aßen Eis, die Kinos spielten alle Bruce-Lee-Filme, die Mädchen dachten alle, ich sei Rob Lowe oder so was. Suchte immer noch dieses Mädchen, Jaime. Stieß auf jemand aus Camden, der mit dem Italien-Austauschprogramm hier war, und dieser Mensch erzählte mir, dass Jaime in New York sei, nicht in Italien. Florenz war schön, aber mit Touristen überfüllt war. Ich nahm reichlich Speed und verbrachte drei Tage ohne Schlaf und zog herum. Fuhr in diese winzige Stadt, Siena. Rauchte Hasch auf der Treppe zu dieser Kirche, dem Duomo. Traf einen coolen Typ aus Deutschland in diesem alten Schloss. Dann fuhr ich nach Milano, wo ich mit diesen Typen in irgendeinem Haus rumhing. Schlief in einem großen Doppelbett mit einem von ihnen, der andauernd ›The Smiths‹ spielte und sich von mir einen runterholen lassen wollte, wo ich echt nicht drauf stand, aber ich hatte ja keine Bleibe. Rom war groß und heiß und dreckig. Sah eine Menge Kunst. Verbrachte die Nacht mit einem Typ, der mich zum Essen ausführte, und ich duschte lange in seinem Haus und ich schätze, das war es wert. Er nahm mich mit zu einer Brücke, wo Hector die Trojaner abgewehrt hat oder irgend so was. Ich war drei Tage in Rom. Dann fuhr ich nach Griechenland, und ich brauchte einen Tag, um dorthin zu kommen, wo die Fähre ablegt. Fähre brachte mich nach Korfu. Lieh mir ein Moped auf Korfu. Verlor das Moped. Bestieg die nächste Fähre Richtung Patras und dann Athen. Rief eine Freundin in New York an, die mir sagte, dass Jaime nicht in New York sei, sondern in Berlin. Sie gab mir die Telefonnummer und Adresse. Dann fuhr ich auf die Inseln, fuhr nach Naxos, kam echt früh in der Stadt an. Benutzte eine Toilette, und so ein Typ wollte zehn Drachmen, aber ich hatte nur Deutsche Mark bei mir, und ich hatte sonst gar nichts, also gab ich ihm stattdessen meine Swatch. Kaufte mir etwas Brot, Milch und eine Landkarte und dann wanderte ich los. Sah eine Menge Esel. Bis es Nacht wurde, hatte ich die Stadt zur Hälfte durchquert. Stieß auf eine Ausgrabungsstätte und kam vom Weg, dem ich folgte, ab. Ich dröhnte mich einfach zu und sah mir den Sonnenuntergang an. Es war schön, also machte ich mich auf zum Wasser und stieß auf einen Typ, der sein Studium in Camden abgebrochen hatte. Fragte ihn, wo Jaime sein könnte. Er sagte mir, entweder Skidmore oder Athen, aber nicht Berlin. Dann fuhr ich nach Kreta, bumste dort irgendein Mädchen. Dann fuhr ich nach Santorin, was sehr schön war, aber von Touristen überlaufen war. Fuhr mit dem Bus an die Südküste, reiste nach Malta, und es machte mich krank. Fuhr per Anhalter rum. Dann fuhr ich zurück nach Kreta und verbrachte einen Tag an diesem Strand, der voll von Deutschen war, und ging schwimmen. Dann wanderte ich noch was rum. Das war alles, was ich in Kreta machte, wandern. Ich wusste nicht, wo ich war. Alles war voller Touristen. Also ging ich an diesen FKK-Strand. Hing rum, zog mich aus, aß Joghurt und schwamm mit diesen beiden Jugoslawen, die sich über die Inflation beklagten und aus mir einen Sozialisten machen wollten. Ich kaufte mir eine Maske und schnorchelte, und wir fingen Kraken, lebende, und schlugen sie am Strand tot und aßen sie. Ich traf einen Typ aus Kanada, der einen Wagen gestohlen und eine Zeit im Gefängnis gesessen hatte, und wir hingen rum und redeten über Gott und die Welt, tranken Bier, fingen noch mehr Kraken, warfen Acid ein. Das ging drei Tage lang so. Mein Arsch und mein Schwanz bekamen einen Sonnenbrand. Einer der Jugoslawen brachte mir bei, »Born in the U.S.A.« auf Jugoslawisch zu singen, und wir sangen es oft zusammen. Sonst gab es nichts zu tun, da wir die ganzen Kraken getötet, und ich gelernt hatte, jeden Springsteen-Song auf Jugoslawisch zu singen, also sagte ich Ciao und verließ den FKK-Strand. Ich fuhr noch was per Anhalter herum, sah verdammt viele Esel, fand ein griechisches Donald-Duck-Heft, das in irgendeinem Garten hinter einem Haus lag. Als ich in Griechenland per Anhalter fuhr, nahm mich ein Lastwagen mit, der Wassermelonen geladen hatte, und dieser alte Sack belästigte mich, dann wurde ich von Hunden angegriffen. Ich wusste immer noch nicht, wo Jaime war. Landete in Berlin, aber dieser Mensch gab mir die falsche Adresse. Wohnte wieder in einer Jugendherberge. Die Bauhausarchitektur gefiel mir, die ich in Amerika hasse, aber hier sah sie gut aus. Fuhr weiter per Anhalter, ging in eine Menge Bars, traf eine Menge Punkrocker, spielte viel Dame, ein bisschen Billard, rauchte Hasch. Konnte keinen Flug aus Berlin raus bekommen, also fuhr ich zurück nach Amsterdam und wurde im Nuttenviertel von zwei kleinen schwarzen Typen überfallen.

Paul

Das letzte Mal, dass ich Mitchell sah, bevor die Vorlesungen begannen, war im September. Wir lagen wie gewöhnlich auf meinem Bett, und es war früh, vielleicht zwölf. Ich langte über ihn hinweg und zündete mir eine Zigarette an. Die Leute nebenan prügelten sich. Auf der Jane Street war viel zu viel Verkehr, das war es oder irgendwas anderes, was Mitchell so angespannt machte, ihn sich am Weinglas festkrallen ließ. So sehr aufgepasst, so viele Details studiert, so genau überarbeitet, dass ihm alles entgleitet. Was hatte ich hier zu suchen, fragte ich mich dauernd. Mein Vater arbeitete mit seinem Vater in Chicago zusammen, und obwohl ihre Beziehung mehr davon abhing, was in der Wall Street passierte, und über welchen Tisch der andere im Le Français oder im Ritz-Carlton verfügen konnte, gab sie uns dennoch die Gelegenheit, uns zu treffen. In New York trafen wir uns dann in dem Apartment, in dem ich letzten Sommer gewohnt hatte. Wir konnten uns nie in seiner Wohnung treffen, wegen dem »Zimmergenossen-Problem«, wie er mir mit ernster Miene sagte. Meistens trafen wir uns nachts, fast immer nach dem Kino oder einem schlechten Off-off-off-Broadway-Stück, in dem einer aus der endlosen Kette von Mitchells Theaterfreunden von der N.Y.U.. mitspielte, gewöhnlich betrunken oder high, was Mitchells Dauerzustand in den letzten Monaten zu sein schien, als ich jemand anderes aufriss. Mitchell wusste es, und es war ihm egal. Meistens wildes Sexgetümmel, angezogen, früher Drink in Schwulenbar, frag nicht.

Oben in der 92sten saßen wir in einem Café und beschimpften eine Kellnerin. Dann nahmen wir ein Taxi downtown und fingen einen Streit mit dem Fahrer an, und er ließ uns aussteigen. 29ste Straße, von Prostituierten angemacht, Mitchell gefällt es irgendwie, oder vielleicht tut er nur so. Er sah in letzter Zeit irgendwie verzweifelt aus. Ich dachte immer, es würde vorübergehen, aber ich gelangte an den Punkt, wo ich wusste, dass das nie geschehen würde. Nur eine große Nacht an der West Side, und er wäre außen vor. Dann so was Lächerliches wie Benedikteier um drei Uhr morgens bei P.J. Clarke’s. … Drei Uhr morgens. P.J. Clarke’s. Er beschwert sich, die Eier seien zu flüssig. Ich zupfe an einem Cheeseburger herum, den ich bestellt habe, aber nicht will, eigentlich nicht. Ich bin erstaunt, dass noch drei oder vier Geschäftsleute von auswärts an der Bar sind. Mitchell isst seine Eier irgendwie auf, dann schaut er mich an. Ich schaue ihn an, dann gebe ich ihm Feuer. Ich berühre sein Knie, seinen Schenkel mit der Hand. »Nicht«, sagt er. Ich sehe verlegen weg. Dann sagt er leise, »Nicht hier.«

»Lass uns heimgehen«, sage ich.

»Zu wem?«, sagt er.

»Mir egal. Gehen wir zu mir. Zu dir? Ich weiß nicht. Mir ist nicht danach, Geld für ein Taxi auszugeben.«

Es wird jetzt deprimierend und spät. Keiner von uns beiden rührt sich. Ich zünde mir noch eine Zigarette an, dann drücke ich sie aus. Mitchell fasst sich immer wieder leicht ans Kinn, als stimmte etwas nicht. Er fährt mit dem Finger durch sein Grübchen.

»Möchtest du dich volldröhnen?«, fragt er.

»Mitch«, seufze ich.

»Hmmm?«, fragt er und beugt sich vor.

»Es ist vier Uhr morgens«, sage ich.

»Aha«, sagt er verwirrt, immer noch vorgebeugt.

»Wir sind bei P.J.«, erinnere ich ihn.

»Das stimmt«, sagt er.

»Möchtest du dich … volldröhnen?«, frage ich.

»Also«, stottert er, »ich glaub schon.«

»Warum machen wir …« Ich halte inne, schaue hinüber zu den Geschäftsleuten und schaue weg, aber nicht Mitchell an.

»Warum machen wir …«

Er starrt immer noch und wartet. Das ist blöd.

Ich sage nichts.

»Warum machen wir … warum machen wir was?«, fragt er, grinst, beugt sich weiter vor, die Lippen gekräuselt, das Weiß der Zähne, dieses hässliche Grübchen.

»Es geht das Gerücht, dass du geistig zurückgeblieben bist«, sage ich zu ihm.

In einem Taxi auf dem Weg in mein Apartment, spät, beinah fünf, und ich kann mich nicht einmal erinnern, was wir heute Abend gemacht haben. Ich bezahle den Fahrer und gebe ihm zu viel Trinkgeld. Mitchell hält die Aufzugtür auf, ungeduldig. Wir kommen in meine Wohnung, und er zieht seine Kleider aus und dröhnt sich im Badezimmer voll, und dann sehen wir fern, ein bisschen HBO, eine kurze Weile … und dann legten wir uns schlafen, sobald die Sonne anfing aufzugehen, und mir fiel eine Party ein, auf der wir seinerzeit im College waren, als Mitchell betrunken und wütend versuchte, am frühen Morgen das Booth House anzuzünden … Wir sehen uns jetzt direkt an, atmen beide gleichmäßig. Es ist Morgen jetzt, und wir schlafen nicht, und alles ist rein und hell und klar, und ich schlafe ein … Als ich spätnachmittags aufwachte, war Mitchell weg, nach New Hampshire gefahren. Aber der Aschenbecher neben dem Bett war voll. Zuvor war er leer gewesen. Hatte er mir die ganze Zeit beim Schlafen zugesehen? Hatte er?

Sean

»Das waren die Kennedys, Mann …« Marc erzählt es mir, während er in seinem Zimmer im Noyes abdrückt. »Die Kennedys, Mann, haben es … verbockt … eigentlich war es J… F… K… John F. Kennedy hat es verbockt …Alles verbockt, sieh mal …« Jetzt leckt er sich die Lippen, fährt fort: »Also, da war … unsere Mütter waren schwanger mit uns, als wir … ich meine, er … wurde weggepustet ’64 und diese ganze Geschichte … hat alles verbockt …« Er hält inne, fährt dann fort. »… Auf ’ne bärenstarke Art …« Besondere Betonung auf »bärenstark«. »Und … im Gegenzug … sieh mal, es hat uns in einer bärenstarken Weise aufgerüttelt, als wir … in …« Er hält wieder inne, sieht auf seinen Arm und dann mich an. »Wie soll ich’s nennen …« Sieht wieder auf seinen Arm und dann mich an, dann wieder auf seinen Arm, konzentriert sich, als er die Nadel rauszieht, sieht mich an, immer noch verwirrt. »Ihre … ähm, primordialen Gebärmütter, und, also, deswegen sind wir … ich, du, der Drogenbulle dort gegenüber, die Schwester im Booth, alle sind wir so … ver…stehst … du? … Ist das klar?« Er blinzelt zu mir hoch. »Jesus … denk bloß, du hättest einen Bruder, der ’69 geboren wurde oder so was … die würden … gottverdammt durchdrehen.«

Er sagt das alles echt langsam (das meiste kann ich nicht einmal hören), während er die Pipette neben seinen summenden neuen Computer legt, sein Freund Resin, der aus Ann Arbor zu Besuch ist, sitzt auf dem Boden, gegen den Tisch gelehnt und summt auch. Marc lehnt sich lächelnd zurück. Ich dachte, Kennedy hätte ein paar Jahre früher ins Gras gebissen, aber ich war mir nicht sicher, und ich korrigiere ihn nicht. Ich bin irgendwie aufgedreht, könnte aber dennoch etwas Schlaf gebrauchen, da es schon spät ist, ungefähr vier, aber mir gefällt das Anheimelnde an Marcs Zimmer, die Details, an die ich gewöhnt bin, das eingerissene Bob-Dylan-Poster von Don’t Look Back, die Standfotos aus Easy Rider, während »Born to be wild« ständig auf dem Plattenspieler läuft (oder Hendrix oder Eric Burdon und die Animals oder Iron Butterfly oder Zep), die leeren Pizzaschachteln auf dem Boden, ein altes Buch von Pablo Neruda auf den Pizzaschachteln, der ständige Duft von Weihrauch, die Yoga-Handbücher, die Band über uns, die immer die ganze Nacht lang alte Spencer-Davis-Songs übt (beschissen). Aber Marc geht bald, jeden Tag, kann die Szene nicht aushalten, Ann Arbor ist es jetzt, hat Resin ihm gesagt.

Nachdem ich Didi gebumst hatte, kam ich in mein Zimmer zurück, wo Susan war und weinte, alleine. Ich schätze, der Franzmann war in New York. Ich konnte mich nicht mit ihr abgeben, also sagte ich ihr, sie solle gehen, dann fuhr ich zum Burger King in die Stadt und aß auf dem Weg zu Roxanne und musste mich mit ihrem neuen Freund abgeben, diesem großen, üblen Pusher aus der Stadt, namens Rupert. Diese ganze Szene war ein totaler Witz. Sie war so stoned, dass sie mir tatsächlich vierzig Taler lieh und mir sagte, dass The Carousel (wo Rupert auf Barkeeper macht) wegen beschissener Geschäfte schließt, und das deprimierte mich. Ich holte mir das Zeug von Rupert, der gerade sein Knarrenfutteral reinigte und so vollgekokst war, dass er tatsächlich lächelte und mich eine Linie ziehen ließ, und nahm es auf den Campus mit. Die Fahrt nach Hause war eine kalte, lange Pein, mein Rad gab in der Nähe der Collegtore beinahe den Geist auf, und ich schaffte es gerade eben über den zwei Meilen langen College Drive. Ich war einfach zu stoned, und der Burger-King-Fraß machte mich krank, und diese zwei Meilen vom Collegtor an auf dieser Straße um drei Uhr früh waren abartig. Ich rauchte noch ein wenig Pot in Marcs Zimmer, und jetzt macht er Schluss. Es ist keine große Sache. Ich habe es alles schon gesehen.

Marc zündet sich eine Mentholzigarette an und sagt, »Ich sag’s dir, Sam, es waren die Kennedys!« Sein Arm ist hochgebeugt, ruht zusammengeklappt auf seiner Schulter. Er leckt sich die Lippen. »Dieses Zeug …«

»Ich hör dich, Bruder«, seufze ich und reibe mir die Augen. »Dieses Zeug ist …«

»Ist?«

»Ist gut.«

Marc saß an seiner Hausarbeit über die Grateful Dead. Am Anfang hatte er versucht, Abstände zwischen den Schüssen zu lassen, damit er nicht abhängig würde, aber dafür war es jetzt irgendwie zu spät. Ich hatte ihm seit September das Zeug besorgt, und er war mit den Zahlungen ins Stottern geraten. Andauernd hatte er mir gesagt, dass er nach dem »Garcia-Interview« etwas Bargeld haben würde. Aber Garcia war schon lange nicht mehr in New Hampshire gewesen, und ich verlor jetzt die Geduld.

»Marc, du schuldest mir fünfhundert Taler«, sage ich zu ihm. »Ich möchte es haben, bevor du abfährst.«

»Mein Gott, was waren das früher … für wilde Zeiten hier …« (An dieser Stelle stehe ich immer auf.) »Jetzt ist alles … anders …« (Blah, blah) »Diese Zeiten sind vorbei … Diese Orte gibt’s nicht mehr …«, sagt er.

Ich starre auf ein Stück zerbrochenen Spiegelglases neben dem Computer und der Pipette, und jetzt redet Marc davon, alles hinzuschmeißen und nach Europa abzuhauen. Ich sehe auf ihn hinunter, sein Atem stinkt, er hat seit Tagen nicht geduscht, seine Haare sind fettig und hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, das Hemd ist fleckig, schmutzig und verknotet gefärbt. »… Als ich in Europa war, Mann …« Er bohrt in der Nase.

»Ich hab morgen ein Seminar«, sage ich zu ihm. »Was ist mit dem Geld?«

»Europa … Was? Seminar? Wer liest da?«, fragt er.

»David Lee Roth. Hör mal, krieg ich jetzt das Geld oder was?«

»Alles klar, alles klar, sshhh, du weckst Resin auf«, flüstert er.

»Ist mir egal. Resin hat einen Porsche. Resin kann zahlen«, sage ich ihm.

»Resin ist pleite«, sagt er. »Ich bin gut für das Geld, ich bin gut dafür.«

»Marc, du schuldest mir fünfhundert Taler. Fünfhundert«, sage ich zu dem trostlosen Junkie.

»Resin denkt, Indira Ghandi wohnt im Welling House«, lächelt Marc. »Sagt, er sei ihr vom Esssaal ins Welling gefolgt.« Er macht eine Pause. »Checkst du … das?«

Er steht auf, schafft es kaum bis zum Bett und fällt darauf, dann rollt er seine Ärmel runter. Er sieht sich im Zimmer um und raucht jetzt den Filter. »Hm«, sagt er und lässt seinen Kopf nach hinten kreisen.

»Du hast doch Geld, komm schon«, sage ich. »Kannst du mir nicht ein paar Dollar leihen?«

Er sieht sich im Zimmer um, klappt eine leere Pizzaschachtel auf, dann blinzelt er mich an. »Nein.«

»Ich bin ein Financial-Aid-Student, Mann, ich brauche etwas Geld«, bitte ich. »Nur fünf Dollar.«

Er schließt die Augen und lacht. »Ich bin gut dafür«, ist alles, was er sagt.

Resin wacht auf und fängt an, sich mit dem Aschenbecher zu unterhalten. Marc warnt mich, ich würde sein Karma runterziehen. Ich gehe. Junkies sind trostlos genug, aber reiche Junkies sind noch schlimmer. Noch schlimmer als Mädchen.

Paul

Mein verdammter Radiowecker ging versehentlich um sieben Uhr morgens los, und ich konnte nicht wieder einschlafen, also stolperte ich aus dem Bett, zündete mir umgehend ’ne Kippe an und schloss die Fenster, da es im Zimmer eiskalt war. Obwohl ich kaum meine Augen aufbekam (falls doch, war ich sicher, dass mein Schädel aufplatzen würde), erkannte ich, dass ich immer noch meine Krawatte, meine Unterwäsche und meine Socken anhatte. Mir war nicht klar, warum ich nur diese drei Bekleidungsgegenstände anhatte, also stand ich lange da und starrte in den Spiegel, versuchte, mich an die letzte Nacht zu erinnern, konnte es aber nicht. Ich stolperte ins Badezimmer und duschte, dankbar, dass noch etwas warmes Wasser übrig war. Ich zog mich eilig an und raffte mich zum Frühstück auf.

Eigentlich war es draußen ganz schön. Es war diese Zeit im Oktober, als die Bäume sich gerade anschickten, ihr Herbstlaub zu verlieren, und der Morgen war kalt und knackig, und die Luft roch sauber, und die Sonne schien von sich grau färbenden Wolken verdunkelt und stand noch nicht allzu hoch. Ich fühlte mich aber immer noch furchtbar, und die fünf Aspirin, die ich eingeworfen hatte, bewirkten noch immer nichts. Beinahe hätte ich dank meinem getrübten Blick einen Zwanziger in den Geldwechsler geschoben. Ich ging an der Poststelle vorbei, aber es lag nichts in meinem Fach, da es noch zu früh für die Post war. Ich holte mir Zigaretten und ging in den Speisesaal.

Niemand stand Schlange. Der süße blonde Junge aus dem ersten Semester war hinter der Theke und sagte kein Wort, er trug nur die größte schwarze Sonnenbrille, die ich je gesehen habe, und gab das flüssigste Rührei aus und diese kleinen, braunen Zahnstocher, von denen ich annahm, dass es Würstchen waren. An Essen zu denken, bereitete mir unendliche Übelkeit, und ich sah den Jungen an, der nur dastand und einen Spachtel hielt. Irritation verdrängte meine anfängliche Geilheit, und mit der Zigarette immer noch in meinem Mund murmelte ich: »Du bist so anmaßend«, und nahm eine Tasse Kaffee.

Der Hauptspeisesaal war der einzige, der offen war, also ging ich hinein und setzte mich zu Raymond, Donald und Harry, diesem kleinen Erstsemester, dessen sich Donald und Raymond angenommen hatten, ein süßer Junge, den typische Erstsemesterfragen beschäftigten wie, gibt es ein Leben nach Wham!? Sie waren die ganze Nacht auf gewesen und hatten Speed geschluckt, und sie hatten mich eingeladen, aber ich war … Mitchell, der an einem Tisch am anderen Ende des Speisesaals saß, auf diese blöde Party gefolgt. Ich versuchte, nicht zu ihm hinzusehen und dieser grässlichen, leergefickten Schlampe, bei der er saß, aber ich konnte nicht anders, und ich verfluchte mich dafür, dass ich mir keinen runterholte, als ich heute morgen aufwachte. Die drei Tunten steckten ihre Köpfe über einem Blatt Papier zusammen, auf dem sie eine schwarze Liste für Studenten verfassten, und obwohl ihre Münder in einer Minute eine Meile zurücklegten, bemerkten sie mich, nickten, und ich setzte mich hin.

»Studenten, die nach London fahren und mit einem Akzent zurückkommen«, sagte Raymond, während er wie wild schrieb.

»Kann ich ’ne Zigarette schnorren?«, fragte Donald mich geistesabwesend.

»Kannst du?«, fragte ich zurück. Der Kaffee schmeckte grauenhaft. Mitchell, dieser Hundesohn.

»Oh, sei doch vernünftig, Paul«, murmelte er, als ich ihm eine reichte.

»Warum kaufst du dir nicht einfach welche?«, fragte ich so höflich wie jemand das beim Frühstück und mit einem Kater überhaupt tun kann.

»Alle, die Motorrad fahren, und alle Grateful-Dead-Fans«, sagte Harry.

»Und alle, die zum Frühstück kommen und nicht die ganze Nacht aufgeblieben sind«, warf Donald ein und warf mir einen Blick zu.

Ich schnitt ihm eine Grimasse und schlug die Beine übereinander.

»Diese zwei Lesben, die im McCullough wohnen«, sagte Raymond beim Schreiben.

»Wie wär’s mit dem ganzen McCullough?«, schlug Donald vor.

»Noch besser.« Raymond kritzelte etwas hin.

»Wie wär’s mit dieser Schlampe neben Mitchell?«, bot ich an.

»Hey, hey, Paul. Beruhig dich«, sagte Raymond sarkastisch.

Donald lachte und schrieb ihren Namen trotzdem auf.

»Wie war’s mit diesem bösen, fetten, schicken Mädchen?«, fragte Harry.

»Sie wohnt im McCullough. Sie ist versorgt.«

Ich konnte dieses verkorkste Schwulengewäsch so früh am Morgen nicht aushalten, und ich wollte aufstehen und mir noch Kaffee holen, aber ich fühlte mich sogar dazu zu kaputt, und ich lehnte mich zurück und sah Mitchell nicht an, und bald konnte ich all die Stimmen nicht mehr voneinander unterscheiden, einschließlich meiner.

»Alle mit Bärten oder Gesichtshaar in irgendeiner Form.«

»Oh, das ist gut.«

»Wie wär’s mit diesem Jungen aus L.A.?«

»Aber nicht in echt.«

»Du hast recht, aber schreib ihn trotzdem auf.«

»Alle, die sich einen Nachschlag am Salat-Buffet holen.«

»Sprichst du bei diesem Shephard-Ding vor, Paul?«

»Was? Wovon redest du?«

»Diese Rolle. Das Shephard-Stück. Heute ist Vorsprechen.«

»Alle, die mit ihren Zahnspangen bis nach der Highschool warten.«

»Nein, mach ich nicht.«

»Leute, die sich für wiedergeboren halten.«

»Das schließt die gesamte Verwaltung aus.«

»Quelle horreur!«

»Reiche Leute mit billigen Stereoanlagen.«

»Jungs, die ihren Alkohol nicht bei sich behalten können.«

»Was ist mit den Jungs, die ihren Alkohol bei sich behalten können?«

»Wahr, wahr.«

»Schreib Mädchen auf, die es nicht können.«

»Ich schreib nur die Leichtgewichte auf.«

»Was ist mit David Van Pelt?«

»Warum?«

»Warum nicht?«

»Nun, ich hab mit ihm geschlafen.«

»Du bist nicht mit David Van Pelt ins Bett gegangen.«

»Doch, bin ich.«

»Wie denn?«

»Er ist ein Leichtgewicht. Ich habe ihm gesagt, seine Plastiken würden mir gefallen.«

»Aber sie sind doch furchtbar!«

»Das weiß ich.«

»Er hat ’ne Hasenscharte.«

»Das weiß ich auch. Ich glaube, die ist … sexy.«

»Du schon.«

»Alle mit ’ner Hasenscharte. Schreib das auf.«

»Was ist mit dem schönen Trottel?«

Ich wollte ganz vage wissen, wer der schöne Trottel war aus irgendeinem Grund, aber ich schaffte es nicht, genügend Interesse aufzubringen, um nachzufragen. Ich kam mir vor wie ein Stück Scheiße. Ich kenne diese Leute nicht, dachte ich. Ich hasste es, im Hauptfach Theaterwissenschaft zu studieren. Ich fing an zu schwitzen. Ich schob den Kaffee weg und angelte