Glamorama - Bret Easton Ellis - E-Book

Glamorama E-Book

Bret Easton Ellis

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Beschreibung

Stars und Models, hippe Charaktere, grenzenlose Gewalt und anarchischer Sex, Designerdrogen und hämmernde Musik – alles, was seine Fans (und Kritiker) erwartet haben, steckt in Bret Easton Ellis' spektakulärem Roman »Glamorama«. Ein Horrortrip durch das glamouröse New York, durch die obszön glitzernde Welt von London und Paris.Victor Ward, Model und Nightlife-Profi, lebt in der modebesessenen und prominenzgeilen Welt Manhattans. Er eröffnet einen eigenen Szene-Club. Er hat ein Supermodel als Freundin und betrügt sie. Wie alle im Schatten der Stars kämpft er um Geld, Macht und Ruhm. Und zunehmend gerät er in den Sog der düsteren Seite dieser Hochglanz-Welt, die eng vernetzt ist mit Verbrechen und Gewalt. Ein mysteriöser Auftrag führt ihn nach London und Paris, wo er Kontakt zu einer terroristischen Vereinigung aufnimmt, die – angeführt von einem Model – Hotels in die Luft jagt und Flugzeuge sprengt. Ob in Manhattan oder in Europa, Victor weiß, dass er in der Falle sitzt, und Fluchtwege gibt es nicht.

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EPUB

Seitenzahl: 950

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Bret Easton Ellis

Glamorama

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Joachim Kalka

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Bret Easton Ellis

Über dieses Buch

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Dank

Motto

Teil 1

33. Kapitel

32. Kapitel

31. Kapitel

30. Kapitel

29. Kapitel

28. Kapitel

27. Kapitel

26. Kapitel

25. Kapitel

24. Kapitel

23. Kapitel

22. Kapitel

21. Kapitel

20. Kapitel

19. Kapitel

18. Kapitel

17. Kapitel

16. Kapitel

15. Kapitel

14. Kapitel

13. Kapitel

12. Kapitel

11. Kapitel

10. Kapitel

9. Kapitel

8. Kapitel

7. Kapitel

6. Kapitel

5. Kapitel

4. Kapitel

3. Kapitel

2. Kapitel

1. Kapitel

0. Kapitel

Teil 2

16. Kapitel

15. Kapitel

14. Kapitel

13. Kapitel

12. Kapitel

11. Kapitel

10. Kapitel

9. Kapitel

8. Kapitel

7. Kapitel

6. Kapitel

5. Kapitel

4. Kapitel

3. Kapitel

2. Kapitel

1. Kapitel

0. Kapitel

Teil 3

14. Kapitel

13. Kapitel

12. Kapitel

11. Kapitel

10. Kapitel

9. Kapitel

8. Kapitel

7. Kapitel

6. Kapitel

5. Kapitel

4. Kapitel

3. Kapitel

2. Kapitel

1. Kapitel

0. Kapitel

Teil 4

38. Kapitel

37. Kapitel

36. Kapitel

35. Kapitel

34. Kapitel

33. Kapitel

32. Kapitel

31. Kapitel

30. Kapitel

29. Kapitel

28. Kapitel

27. Kapitel

26. Kapitel

25. Kapitel

24. Kapitel

23. Kapitel

22. Kapitel

21. Kapitel

20. Kapitel

19. Kapitel

18. Kapitel

17. Kapitel

16. Kapitel

15. Kapitel

14. Kapitel

13. Kapitel

12. Kapitel

11. Kapitel

10. Kapitel

9. Kapitel

8. Kapitel

7. Kapitel

6. Kapitel

5. Kapitel

4. Kapitel

3. Kapitel

2. Kapitel

1. Kapitel

0. Kapitel

Teil 5

9. Kapitel

8. Kapitel

7. Kapitel

6. Kapitel

5. Kapitel

4. Kapitel

3. Kapitel

2. Kapitel

1. Kapitel

0. Kapitel

Teil 6

0. Kapitel

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

Inhaltsverzeichnis

für Jim Severt

Inhaltsverzeichnis

ich danke

gary fisketjon

amanda urban

julie grau

heather schroder

sonny mehta

Inhaltsverzeichnis

Nie gab es eine Zeit, da du und ich und diese Könige nicht auf der Welt waren.

Krishna

Wer den Nationalsozialismus nur als politische Bewegung versteht, weiß fast nichts von ihm.

Hitler

Inhaltsverzeichnis

1

33

Flecken – das ganze dritte Paneel ist voller Flecken, da! – nein, das – das zweite von unten, und ich wollte das ja schon gestern jemandem sagen, aber da kam der Fototermin dazwischen, und Yaki Nakamari oder wie zum Teufel der Designer schon heißt – ein Meister seines Fachs, hahaha – hat mich mit jemand anderem verwechselt, also könnt ich mich nicht gleich beklagen, aber meine Herren – und Damen –, da SIND sie, die Flecken, sehr sehr ärgerliche kleine Flecken, und die sehen mir gar nicht zufällig aus, eher wie mit der Maschine gemacht – also ich will jetzt keine langen Opern hören, nur kurz die Story bitte, zack, kein großes Gesülze: Wer, was, wo, wann bitte sehr und vor allem warum, obwohl ich jetzt echt den Eindruck hab, wenn ich mir eure mitleidigen Gesichter anschaue, dass es auf dieses Warum keine Antwort gibt – also los, los, verdammt noch mal, was läuft hier eigentlich?«

Hier muss niemand lange warten, bis irgendjemand irgendwas sagt.

»Baby, diesen Bereich hier um die Bar hat George Nakashima entworfen«, korrigiert mich JD leise. »Nicht, ääh, Yaki Nakamashi, ich meine … Yuki Nakamorti, will sagen – ach Scheiße, Peyton, hilf mir.«

»Yoki Nakamuri hat für diese Etage den Zuschlag gekriegt«, sagt Peyton.

»Ach ja?«, sage ich. »Von wem hat er denn den Zuschlag gekriegt?«

»Nun ja, von moi«, sagt Peyton.

Pause. Böse Blicke durchbohren Peyton und JD.

»Wer ist denn Moi?«, frage ich. »Ich habe keine blasse Ahnung, wer hier Moi sein soll, Baby.«

»Victor, bitte«, sagte Peyton. »Ich bin ganz sicher, dass Damien das alles mit dir durchgesehen hat.«

»O ja, das hat Damien, JD. Das hat Damien gemacht, Peyton. Aber sag mir doch, wer Moi ist, Baby«, rufe ich laut. »Weil ich nämlich anfange zu hyperventilieren.«

»Moi ist Peyton, Victor«, sagt JD leise.

»Moi, das bin ich«, nickt Peyton. »Moi ist, öh, französisch.«

»Bist du sicher, dass diese Flecken hier wirklich nicht drauf sein sollen?« JD berührt das Paneel vorsichtig. »Ich meine, vielleicht ist das Ganze irgendwie so gemeint, vielleicht ist das in oder so?«

»Moment.« Ich hebe eine Hand. »Du willst mir sagen, diese Flecken sind in?«

»Victor – wir haben eine lange Liste mit Sachen, die wir checken müssen, Baby.« JD hält die lange Liste mit Sachen, die wir kontrollieren müssen, in die Höhe. »Um die Flecken wird sich gekümmert. Die Flecken werden diskret hinauskomplimentiert. Unten wartet ein Zauberkünstler.«

»Bis morgen Abend?«, brülle ich. »Bis mor-gen A-bend,JD?«

»Kann doch bis morgen Abend erledigt werden, was?« JD sieht Peyton an, und der nickt.

»Hier heißt ›bis morgen Abend‹ ja so ziemlich alles von drei Tagen bis einem Monat. Herrgott, fällt eigentlich niemandem auf, dass ich koche?«

»Wir haben alle nicht gerade die Füße hochgelegt, Victor.«

»Ich würd sagen, die Situation ist doch ziemlich eindeutig. Das« – ich deute darauf – »sind Flecken. Brauchst du jemanden, der dir diesen Satz buchstabiert, JD, oder was meinst du, ist das okay für dich?«

Die »Reporterin« von Details steht neben uns. Auftrag: Mir eine Woche lang überallhin zu folgen. Headline: EIN KLUB ENTSTEHT. Das Girl: Push-up-BH, Überdosis Eyeliner, sowjetische Matrosenmütze, Schmuck aus Plastikblumen, zusammengerollte Nummer von W unter dem blassen, studiotrainierten Arm. Uma Thurman, wenn Uma Thurman eins achtundfünfzig groß wäre und schlafwandelte. Hinter ihr folgt uns ein Typ mit einer Velcro-Weste über einem Rugbyhemd und mit einer ledernen Segeljacke und filmt alles mit dem Camcorder.

»Na, Baby.« Ich nehme einen tiefen Zug aus einer Marlboro, die mir jemand gegeben hat. »Was hältst du denn von den Flecken?«

Die kleine Reporterin zieht ihre Sonnenbrille ein Stückchen runter. »Ich weiß nicht so recht.« Sie überlegt sich, welchen Standpunkt sie hier einnehmen sollte.

»East-Coast-Girls sind einfach hip«, sage ich achselzuckend. »Und ich steh auch voll auf diesen Stil.«

»Ich glaube, ich bin eigentlich nicht Teil der Geschichte«, sagt sie.

»Glaubst du, irgendeiner von diesen Pennern hier ist das?«, frage ich. »Erbarmen.«

In der oberen Etage lehnt sich Beau übers Geländer und ruft runter: »Victor – Anruf von Chloe auf zehn.«

Die Reporterin hebt sogleich das W, ein Notizblock kommt zum Vorschein, auf den sie jetzt etwas krakelt, na klar, einen Augenblick lang wird sie lebendig.

Ich rufe nach oben, starre dabei kalt die Flecken an: »Sag ihr, ich hab zu tun. Ich bin in einer Besprechung. Oder es ist ein Notfall. Sag ihr, ich bin in einer Besprechung wegen einem Notfall. Ich ruf zurück, wenn ich den Brand unter Kontrolle habe.«

»Victor«, ruft Beau herab. »Das ist das sechste Mal, dass sie heute anruft. Das dritte Mal in der letzten Stunde!«

»Sag ihr, ich treff sie um zehn im Doppelganger’s.« Ich knie mich mit Peyton und JD hin und fahre mit der Hand an dem Paneel entlang, ich zeige, wo diese Flecken anfangen und aufhören und wieder beginnen. »Flecken, Mann, schau dir das Saupack an hier. Die leuchten richtig. Die glänzen, JD«, flüstere ich. »Herrgott, sie sind überall.« Plötzlich fällt mir eine ganze Horde neuer Flecken auf, und ich reiße die Augen auf und schreie: »Und ich glaube, die breiten sich aus! Ich glaube, die hier waren vorher noch gar nicht da!« Ich schlucke und krächze hastig: »Mein Mund ist unglaublich trocken von alldem hier – kann mir mal jemand einen Arizona-Light-Eistee in der Flasche holen, nicht in der Dose?«

»Hat Damien das Design nicht mit dir durchgesprochen, Victor?«, fragt JD. »Hast du von diesen Flecken nichts gewusst?«

»Ich weiß überhaupt nichts, JD. Gar nichts. Nada. Denk da immer dran: Ich – weiß – nichts. Du darfst nie voraussetzen, dass ich irgendwas weiß. Nada. Ich weiß nix. Schluss. Aus. Nie …«

»Schon gut, schon gut«, sagt JD müde und steht auf.

»Ich kann echt nichts sehen, Baby«, sagt Peyton, immer noch am Boden kauernd.

JD seufzt. »Nicht mal Peyton kann sie sehen, Victor.«

»Dann sag dem Vampir, er soll seine verdammte Sonnenbrille absetzen«, knurre ich. »Erbarmen, Mann.«

»Dass man mich einen Vampir nennt, also das kann ich nicht hinnehmen, Victor«, schmollt Peyton.

»Wie? Sodomie nimmst du hin, aber nicht, dass man dich im Scherz Dracula nennt? Bin ich auf demselben Planeten? Weiter jetzt.« Ich schwenke den Arm, gestikuliere zu etwas Unsichtbarem hinüber.

Die ganze Gruppe folgt mir hinunter in die dritte Etage, und der Koch – Bongo aus Venezuela via Vunderbahr, Moonclub, Paddy-O und Masa Masa – zündet sich eine Zigarette an, schiebt die Sonnenbrille auf die Nase runter und versucht, mit mir Schritt zu halten. »Victor, wir müssen miteinander reden.« Er hustet, wedelt Rauch beiseite. »Bitte! Meine Füße bringen mich noch um.«

Die Gruppe bleibt stehen. »Uno momento, Bongo«, sage ich und bemerke, wie er Kenny Kenny besorgte Blicke zuwirft, der auf irgendeine zwielichtige Weise mit Glorious Food zusammenhängt und noch gesagt bekommen muss, dass er mit dem Catering fürs Essen morgen Abend nichts zu tun haben wird. Peyton, JD, Bongo, Kenny Kenny, Camcorderboy und Details-Girl warten, dass ich was tue, und weil mir nichts einfällt, spähe ich übers Geländer von der dritten Etage. »Kommt schon, Jungs. Scheiße, ich meine, ich hab hier noch drei Etagen und fünf Bars durchzuchecken. Lasst mir doch mal Luft zum Atmen. Das ist alles sehr schwierig. Von diesen Flecken ist es mir buchstäblich fast schlecht geworden.«

»Victor, niemand würde das Vorhandensein dieser Flecken bestreiten«, sagt Peyton vorsichtig. »Aber du musst diese Flecken in einen, hmmm, einen gewissen Kontext setzen.«

Auf einem der Monitore, die in der dritten Etage die Wände bedecken, läuft MTV, ein Werbespot, Helena Christensen, »Rock the Vote«.

»Beau!«, brülle ich hoch. »Beau!«

Beau lehnt sich über das oberste Geländer. »Chloe sagt, sie ist um halb zwölf im Metro CC.«

»Warte mal, Beau – Ingrid Chavez? Hat Ingrid Chavez schon RSVPt?«

»Ich schau mal – Moment: Zum Essen?«

»Ja, und ich beiß die Zähne zusammen, Beau. Schau beim Essen nach, unter C.«

»O mein Gott, Victor, ich muss mit dir sprechen«, sagt Bongo mit einem derart starken Akzent, dass ich schon gar nicht mehr weiß, wo der nun herkommt, und packt mich am Arm. »Du musst dir jetzt Zeit für mich nehmen.«

»Bongo, warum haust du hier nicht einfach ab«, sagt Kenny Kenny mit verkniffenem Gesicht. »Hier, Victor, probier mal einen Croûton.«

Ich reiße ihm einen aus den Händen. »Mmmm, Rosmarin. Herrlich.«

»Es ist Salbei, Victor. Salbei.«

»G-geh doch zum T-Teufel«, stottert Bongo. »Und nimm diese widerlichen Croûtons mit.«

»Könntet ihr beiden Idioten vielleicht einfach eine Xanax schlucken und die Fresse halten? Verpisst euch, backt Pastetchen oder sonst was. Beau – verdammt noch mal! Sag mir’s!«

»Naomi Campbell, Helena Christensen, Cindy Crawford, Sheryl Crow, David Charvet, Courteney Cox, Harry Connick Jr., Francesco Clemente, Nick Constantine, Zoe Cassavetes, Nicolas Cage, Thomas Calabro, Cristi Conway, Bob Collacello, Whitfield Crane, John Cusack, Dean Cain, Jim Courier, Roger Clemens, Russell Crowe, Tia Carrere und Helena Bonham Carter, aber bei der weiß ich nicht, ob sie unter B oder C gehört.«

»Ingrid Chavez! Ingrid Chavez!«, brülle ich hoch. »Hat Ingrid Chavez zugesagt oder gottverdammt noch mal nicht?«

»Victor, die Promis und ihre ganzen überhöflichen Publicityfiguren beklagen sich, dass dein Anrufbeantworter nicht funktioniert«, ruft Beau runter. »Sie sagen, der spielt dreißig Sekunden lang ›Love Shack‹, und dann hat man grade mal fünf Sekunden für die Nachricht.«

»Es handelt sich um eine schlichte Frage. Die Antwort lautet ja oder nein. Was sollten diese Leute mir sonst auch zu sagen haben? Die Frage ist auch gar nicht schwierig: Kommen Sie zum Abendessen und zur Eröffnung des Klubs oder nicht? Ist das so schwer zu begreifen? Und du siehst aus wie Uma Thurman, Baby.«

»Victor, Cindy ist nicht ›diese Leute‹, Veronica Webb ist nicht ›diese Leute‹, Elaine Irwin ist nicht ›diese Leute‹ …«

»Beau? Wie sieht’s denn bei A aus? Kenny Kenny, lass das. Kneif Bongo nicht.«

»Alle neun?«, ruft Beau herunter. »Carol Alt, Pedro Almodóvar, Dana Ashbrook, Kevyn Aucoin, Patricia, Rosanna, David und Alexis Arquette und Andre Agassi, aber kein Giorgio Armani und keine Pamela Anderson.«

»Scheiße.« Ich zünde mir wieder eine Zigarette an, dann schaue ich zu der Details-Frau rüber. »Also ich mein das positiv.«

»Also ist es … gute Scheiße?«, fragt sie.

»Mhm. He, Beau!«, ruf ich rauf. »Sieh zu, dass alle Monitoren entweder mit dem Virtual-Reality-Video laufen oder jedenfalls mit MTV oder so. Ich bin vorher an einem Bildschirm vorbeigekommen, auf dem VH-1 lief, und da flennte irgendein fetter Hinterwäldler im Cowboyhut …«

»Triffst du dich jetzt mit Chloe bei Flowers – ich meine, Metro CC?«, schreit Beau runter. »Weil ich jetzt nämlich nicht weiter rumlüge.«

»O doch, du lügst weiter!«, brülle ich hoch. »Du tust ja nix anderes.« Dann nach einem beiläufigen Blick zu Miss Details: »Frag Chloe, ob sie Beatrice und Julie mitbringt.«

Das Schweigen von oben lässt mich zusammenzucken, dann fragt Beau, gründlich verärgert: »Meinst du Beatrice Arthur und Julie Hagerty?«

»Nein!«, schreie ich und beiß die Zähne zusammen. »Julie Delpy und Beatrice Dalle. Erbarmen. Mach’s einfach, Beau.«

»Beatrice Dalle dreht diesen Ridley Scott …«

»Diese Fleckensache macht mich echt fertig. Weißt du, warum?«, frage ich das Details-Girl.

»Weil es … so viele sind?«

»Nee. Weil ich ein Perfektionist bin, Baby. Und das kannst du aufschreiben. Ich wart jetzt auch einen Augenblick, bis du’s hast.« Plötzlich renne ich zu dem Paneel unter der Bar zurück, alles läuft mit mir zusammen wieder die Treppe hoch, und ich heule: »Flecken! Lieber Gott! Warum hilft mit denn keiner? Bitte! Ich meine, hier tun alle so, als ging’s darum, ob diese Flecken Einbildung oder Wirklichkeit sind. Ich würde sagen, die sind gottverdammt real.«

»Die Realität ist Einbildung, eine Illusion, Baby«, sagt JD begütigend. »Die Realität ist eine Illusion, Victor.«

Niemand sagt etwas, bis man mir einen Aschenbecher reicht, in dem ich die Zigarette ausdrücke, die ich soeben angesteckt habe.

»Das ist ähhh ziemlich heavy«, sage ich und schaue die Reporterin an. »Das ist schon ziemlich heavy, was?«

Sie zuckt die Achseln, rollt die Schultern, krakelt wieder.

»Ganz genau so seh ich das auch«, murmele ich.

»Ach, ehe ich’s vergesse«, sagt JD. »Jann Wenner schafft es nicht, aber er möchte auf jeden Fall gerne einen« – JD schaut rasch auf seinen Notizblock – »Scheck schicken.«

»Einen Scheck? Einen Scheck wofür?«

»Einfach einen« – JD schaut wieder auf seinen Block –, »einen, aah, Scheck?«

»O Gott, Beau! Beau!«, rufe ich hoch.

»Ich glaub, die Leute wundern sich sowieso, dass wir keinen Dingens haben«, sagt Peyton. Dann, nach längerem Fingerschnippen: »Ja! – keinen guten Zweck.«

»Einen guten Zweck?«, stöhne ich. »O Gott, ich kann mir vorstellen, was für ein guter Zweck dir vorschwebt. Stipendium für Keanu. Ein schwules Hirn als Transplantat für Marky Mark. Linda Evangelista in den Regenwald schicken, damit wir Kyle MacLachlan bespringen können. Nein, danke.«

»Victor, sollten wir nicht einen guten Zweck haben?«, sagt JD. »Globale Erwärmung vielleicht oder der Amazonas? So was. Irgendwas.«

»Alles passé. Passé. Passé.« Ich halte inne. »Moment – Beau! Kommt Suzanne DePasse?«

»Oder Aids vielleicht?«

»Passé. Passé.«

»Brustkrebs.«

»Wahnsinn, echt stark«, seufze ich und verpasse ihm einen leichten Schlag ins Gesicht. »Jetzt beherrsch dich mal. Für wen denn? David Barton? Der ist der Einzige, der noch Titten trägt.«

»Du weißt doch, was ich sagen will, Victor«, sagt JD. »So was wie … Don’t Bungle the Jungle.«

»Dich forste ich gleich so was von ab.« Ich überlege. »Einen guten Zweck, hm? Weil wir dann« – ich zünde mir gedankenlos noch eine Zigarette an – »mehr Geld machen können?«

»Und die Leute Spaß haben«, erinnert mich JD und kratzt an seiner Tätowierung, einem kleinen Muskelmännchen auf dem Bizeps.

»Hm. Und die Leute Spaß haben.« Ich ziehe an der Zigarette. »Ich überleg’s mir, weißt du. Allerdings, bis zur Eröffnung sind es, oh, keine vierundzwanzig Stunden mehr.«

»Weißt du was, Victor?«, fragt Peyton aufgekratzt. »Ich spür langsam die, ääh, perverse Versuchung, Baby – jetzt erschrick nicht, ja, versprochen?«

»Nur wenn du mir nicht erzählst, mit wem du letzte Woche geschlafen hast.«

Mit großen Augen klatscht Peyton in die Hände und säuselt: »Die Flecken zulassen.« Dann, als er sieht, wie mein Gesicht sich verzerrt, schüchterner: »Die Flecken behalten?«

»Die Flecken behalten?«, stößt JD mit erstickter Stimme hervor.

»Ja, die Flecken behalten«, sagt Peyton. »Damien will Techno haben, und diese hübschen Kleinen können allemal als Techno durchgehen.«

»Wir wollen alle Techno, aber wir wollen Techno ohne Flecken«, klagt JD.

Der Camcorderboy zoomt voll auf die Flecken, und es ist still, bis er schließlich gähnend sagt: »Gut, Spitze.«

»Leute Leute Leute.« Ich hebe die Hände. »Wäre es vielleicht möglich, dass wir den Klub eröffnen, ohne uns dabei total zu erniedrigen?« Ich will hier weg. »Weil ich nämlich glaube, dass das unmöglich ist. Comprende?«

»Victor, o mein Gott, bitte«, sagt Bongo, als ich weggehe.

»Victor, warte doch.« Kenny Kenny kommt hinterher, eine Tüte Croûtons in der ausgestreckten Hand.

»Es ist alles so … so … neunundachtziger!«, stoße ich hervor.

»Ein gutes Jahr, Victor«, sagt Peyton und versucht, mit mir Schritt zu halten. »Ein triumphales Jahr.«

Ich bleibe stehen, warte, drehe mich dann langsam zu ihm um. Peyton steht da und sieht mich hoffnungsvoll bebend an.

»Hör mal, Peyton, du bist echt total zugeknallt, hm?«, frage ich ruhig.

Beschämt nickt Peyton, als hätte ich ihn überzeugt. Er schaut zur Seite.

»Du hattest ein ziemlich schweres Leben, was?«, frage ich sanft.

»Victor, bitte.« JD fährt dazwischen. »Peyton hat mit den Flecken nur Spaß gemacht. Wir lassen die Flecken nicht. Ich bin ganz deiner Ansicht. Die sind ’s einfach nicht wert. Die werden ausgelöscht.«

Während er sich einen gigantischen Joint anzündet, filmt der Camcordertyp zur mächtigen Fensterfront raus, die Linse starrt in den laublosen Union Square Park, auf einen vorbeirollenden Laster mit einem knalligen Snapple-Logo, auf Limousinen, die am Straßenrand geparkt sind. Wir rennen noch eine Treppe zum Erdgeschoss runter.

»Kann nicht irgendjemand mal spontan nett zu mir sein? Die Flecken wegmachen? Bongo, geh wieder in die Küche. Kenny Kenny, du bekommst einen Trostpreis. Peyton, sieh zu, dass Kenny Kenny auf jeden Fall ein paar Salatsiebe und einen hübschen flachen Bratenwender kriegt.« Ich starre sie böse an und winke sie weg. Wir lassen Kenny Kenny zurück, er heult fast und reibt zitternd an dem Caspar-der-kleine-Geist-Tattoo auf seinem Bizeps herum. »Ciao.«

»Komm, Victor. Die durchschnittliche Lebenserwartung von einem Klub ist – was? Vier Wochen? Wenn wir dann zumachen, hat sie niemand gesehen.«

»Wenn das dein Standpunkt ist, JD, dort ist die Tür.«

»Victor, seien wir realistisch. Oder tun wir wenigstens so. Wir haben nicht mehr 1987.«

»Ich bin nicht realistisch aufgelegt, JD, also bitte. Erbarmen.«

Als wir an einem Billardtisch vorbeikommen, schnapp ich mir den Eightball und feure ihn in das Loch in der Ecke. Die Gruppe geht weiter in den Klub hinunter. Wir sind jetzt im Erdgeschoss, es wird dunkler, und Peyton stellt mir einen großen breiten schwarzen Typ mit Panorama-Sonnenbrille vor, der am Eingang steht und eine Portion Take-out-Sushi isst.

»Victor, das ist Abdullah, aber wir werden ihn Rocko nennen. Er kümmert sich um die ganze Sicherheitskiste, war in dem TLC-Video, wo Matthew Ralston Regie geführt hat. Sieht nicht schlecht aus, dieser Stier.«

»Mein zweiter Vorname ist Grand Master B.«

»Sein zweiter Vorname ist Grand Master B«, sagt JD.

»Wir haben uns letzte Woche in South Beach die Hand gegeben«, sagt Abdullah zu mir.

»Sehr nett, Abdullah, aber ich war letzte Woche nicht in South Beach, obwohl ich dort sozusagen berühmt bin.« Ich schaue zu Miss Details rüber. »Das kannst du aufschreiben.«

»Ja doch, Mann, du warst in der Halle vom Flying Dolphin, bist fotografiert worden«, teilt mir Rocko mit. »Von Schalentieren umgeben.«

Aber ich schaue Rocko nicht an. Mein Blick ist an den drei Metalldetektoren kleben geblieben, die im Foyer aufgereiht stehen – darüber hängt schwach glitzernd ein riesiger weißer Leuchter.

»Das mit denen, aah, das hast du doch gewusst, ja, alles klar?«, fragt JD. Unterwürfige Pause. »Damien … möchte die haben.«

»Damien möchte was haben?«

»Ähh!« Peyton schwenkt die Arme, als wären die Metalldetektoren wertvolle Preise. »Die da.«

»Na, warum nicht noch zwanzig Check-in-Schalter, ein paar Stewardessen und eine DC-10? Ich meine, was zum Teufel soll das?«

»Wegen der Sicherheit, Mann«, sagt Abdullah.

»Sicherheit? Warum filzt ihr nicht gleich den ganzen Abend lang die Prominenz?«, frage ich. »Hm? Glaubt ihr, das ist eine Party für Ganoven?«

»Mickey Rourke und Johnny Depp haben beide fürs Essen zugesagt«, flüstert mir Peyton ins Ohr.

»Wenn ihr wollt, dass wir die Gäste filzen …«, fängt Rocko an.

»Was? Soll ich Donna Karan filzen lassen? Marky Mark? Die gottverdammte Diane von Fürstenberg?«, schreie ich. »Wohl kaum!«

»Nein, Baby«, sagt Peyton. »Dafür hast du ja die Metalldetektoren, damit Diane von Fürstenberg und Marky Mark nicht gefilzt werden.«

»Chuck Pfeiffer hat eine Metallplatte in seinem gottverdammten Schädel! Princess Cuddles eine Stahlstange im Bein!«, brülle ich.

JD sagt zu der Reporterin: »Skiunfall in Gstaad, aber fragen Sie mich bloß nicht, wie man das schreibt.«

»Was ist denn, wenn Princess Cuddles da durchgeht und der Alarm anfängt und alles heult und blinkt und – Herrgott, die kriegt ja ’nen Herzschlag. Wollt ihr das etwa, Princess Cuddles mit ’nem Herzinfarkt?«

»Wir machen einen Vermerk auf der Gästeliste, dass Chuck Pfeiffer eine Metallplatte im Kopf hat und Princess Cuddles eine Stahlstange im Bein«, sagt Peyton und kritzelt das erst mal auf einen Notizblock.

»Hör zu, Abdullah, ich will bloß sichergehen, dass niemand reinkommt, den wir hier nicht haben wollen. Ich will nicht, dass irgendjemand Einladungen in anderen Klubs rumreicht. Mir soll bloß nicht so ein kleiner Wichser beim Essen Barry Diller eine Einladung ins Spermbar rüberschieben – klar? Ich will nicht, dass irgendjemand Einladungen in anderen Klubs rumreicht.«

»Was für andere Klubs?«, wimmern Peyton und JD. »Es gibt keine anderen Klubs!«

»Ach! Erbarmen!«, wimmere ich und renne im Erdgeschoss hin und her. »Jesus – glaubt ihr, dass Christian Laetner unter einem von den Dingern durchpasst?« Es wird dunkler, als wir nach hinten gehen, in Richtung der Treppe, die zu einer der Tanzflächen im Souterrain führt.

Aus dem obersten Stockwerk ruft Beau runter: »Alison Poole auf vierzehn! Sie will dich jetzt sprechen, Victor.«

Alle schauen weg, als das Details-Girl was auf ihren kleinen Notizblock schreibt. Camcorderboy flüstert was, und sie nickt, immer noch am Schreiben. Irgendwo läuft was Altes von C + C Music Factory.

»Sag ihr, ich bin weg. Sag ihr, ich sprech auf sieben.«

»Sie sagt, es ist sehr wichtig«, leiert Beau.

Ich halte inne und sehe die anderen an, alle schauen irgendwohin, bloß nicht zu mir. Peyton flüstert JD etwas zu, der nickt knapp. »He, Schluss damit!«, fahre ich sie an. Ich folge mit den Augen der Linie von Camcorder-Manns Linse zu einer Reihe Kerzenhalter an der Wand und warte auf Beau, der sich schließlich übers oberste Geländer beugt und sagt: »Ein Wunder. Sie hat ein Einsehen. Sie trifft dich dann um sechs.«

»Okay, Herrschaften.« Ich drehe mich plötzlich zu der Gruppe um. »Jetzt machen wir mal kurz Pause. Bongo, du kannst dich jetzt zurückziehen. Sprich mit niemandem über deine Zeugenaussage. Geh. JD, komm hier rüber, ich muss dir was flüstern. Ihr anderen könnt an die Bar gehen und nach Flecken gucken. Meister Camcorder – dreh das Ding von uns weg. Kurze Auszeit.«

Ich ziehe JD zu mir her, und sofort fängt er zu plappern an.

»Victor, wenn es wegen Mica ist, dass die noch nicht da ist und wir sie nicht finden können, fang um Gottes willen jetzt nicht davon an. Wir können jederzeit einen anderen JD finden …«

»Schnauze. Um Mica geht’s nicht.« Ich stocke. »Aber he, wo ist Mica?«

»O Gott, ich weiß es nicht. Am Dienstag hat sie im Jackie 60 aufgelegt, dann auf Edward Furlongs Geburtstagsparty, und dann puff!«

»Was soll das heißen? Was meinst du mit puff?«

»Sie ist verschwunden. Niemand kann sie finden.«

»Ach, Scheiße, JD. Was sollen wir – nein, nein – du bringst das in Ordnung«, sage ich ihm. »Ich will jetzt was anderes mit dir besprechen.«

»Will Kenny Kenny uns verklagen?«

»Nein.«

»Die Sitzordnung fürs Essen?«

»Nein.«

»Dieser schrecklich schnucklige Zauberkünstler unten?«

»Herrgott, nein.« Ich senke die Stimme. »Es ist jetzt mehr ein, wie soll ich sagen, persönliches Problem. Ich brauche deinen Rat.«

»O zieh mich bitte nicht in eine fiese Sache rein, Victor«, sagt JD bittend. »Ich halt’s einfach nicht aus, wenn man mir mit so schrillen Geschichten kommt.«

»Pass auf …« Ich schaue hinüber zu Miss Details usw., die alle an der Bar rumhängen. »Hast du irgendwas gehört wegen … einem Foto?«

»Einem Foto von wem?«, sagt er laut.

»Psssst, Schnauze, Herrgott noch mal.« Ich sehe mich um. »Also gut, obwohl du glaubst, Erasure ist ’ne gute Band, vertraue ich dir immer noch.«

»Das sind sie auch, Victor, und …«

»Jemand hat ein, sagen wir mal einfach, belastendes Foto von mir und einer gewissen jungen« – ich huste –, »jungen Dame, und du musst für mich rauskriegen, ob das, ääh, in absehbarer Zeit gedruckt wird, morgen vielleicht sogar, in einer der miesesten, aber immer noch viel gelesenen Zeitungen der Stadt, oder ob das durch irgendein Wunder nicht passiert, und das wär’s eigentlich.«

»Du könntest dich noch undeutlicher ausdrücken, Victor, aber schließlich bin ich’s gewohnt«, sagt JD. »Lass mir nur zwanzig Sekunden zum Dechiffrieren, und ich meld mich wieder.«

»Ich hab keine zwanzig Sekunden.«

»Die junge Dame, nehme ich an – hoffe ich, besser gesagt –, ist doch deine Freundin Chloe Byrnes?«

»Wenn ich mir’s recht überlege, lass dir besser gleich dreißig Sekunden.«

»Geht’s hier um so einen Augenblick von That’s Me in the Corner/That’s Me in the Spotlight?«

»Okay, also, ich darf mal klarstellen: Ein kompromittierendes Foto eines gewissen grad mächtig angesagten Mannes mit einem Mädchen, das … Und es ist gar nicht so schlimm oder irgendwie so was. Sagen wir nur, dieses Mädchen ist bei einer Premiere letzte Woche im Central Park über ihn hergefallen, und jemand hat das ohne Wissen der beiden fotografiert, und jetzt wirkt’s irgendwie komisch, weil ich der Typ auf dem Foto bin … Ich habe das Gefühl, wenn ich mich selber erkundige, wird man das – ahem – missverstehen … Muss ich noch mehr sagen?«

Plötzlich ruft Beau schrill herunter: »Chloe trifft dich dann um halb zehn im Doppelganger’s!«

»Was ist mit Flowers? Ich meine, halb zwölf im Metro CC?«, schrei ich zurück. »Was ist mit zehn Uhr im Café Tabac?«

Längere Pause. »Jetzt sagt sie, neun Uhr dreißig, Bowery Bar. Das wär’s, Victor.« Dann Stille.

»Was soll ich denn nun Entsetzliches für dich tun?« JD macht eine Pause. »Victor, würde dieses Foto – falls veröffentlicht – die Beziehung dieses Typs zu einem gewissen jungen Model namens Chloe Byrnes ruinieren und zu einem gewissen launischen Klubbesitzer, dem Besitzer von … sagen wir einfach mal hypothetisch, diesem Klub, einem gewissen Damien Nutchs Ross?«

»Aber das ist nicht das Problem.« Ich ziehe JD dichter an mich heran, und er blinzelt überrascht und klappert mit den Wimpern, dass ich ihm sagen muss: »Bild dir bloß nix Falsches ein.« Ich seufze, hole Luft. »Das Problem ist, dass wirklich ein Foto existiert. Ein bestimmter debiler Klatschjournalist wird dieses Foto abdrucken, und wenn wir glauben, ein Infarkt von Princess Cuddles wäre peinlich … das ist im Vergleich gar nichts.« Ich schaue mich immer wieder um und sage schließlich zu allen: »Wir müssen mal runter und uns den Zauberkünstler angucken. Entschuldigt uns.«

»Aber was ist mit Matthew Broderick?«, fragt Peyton. »Was ist mit den Salaten?«

»Kann zwei kriegen!«, rufe ich und ziehe JD die lange steile Treppenflucht ins Souterrain hinunter, das Licht wird dämmriger, wir bewegen uns beide vorsichtig.

JD plappert unablässig. »Du weißt, ich bin für dich da, Victor. Du weißt, ich häng dir den Himmel voller Stars. Du weißt, ich hab geholfen, diese Party bis zum Dach mit Promis vollzupacken. Du weißt, ich würde alles tun, aber hier kann ich dir nicht helfen, weil …«

»JD. Morgen habe ich, die Reihenfolge spielt jetzt keine Rolle, einen Fototermin, eine Modenshow, ein MTV-Interview mit ›House of Style‹, Mittagessen mit meinem Vater, Bandprobe. Ich muss sogar noch meinen scheiß Smoking abholen. Ich bin ausgebucht. Und dieser Scheiß-Laden hier macht auf. Ich – habe – keine – Zeit.«

»Victor, wie üblich sehe ich, was ich tun kann.« JD turnt vorsichtig die Stufen hinunter. »Und wegen des Zauberers …«

»Scheiß drauf. Warum mieten wir nicht einfach ein paar Clowns auf Stelzen und lassen ein, zwei Elefanten ankarren?«

»Er macht Kartentricks. Er ist eben bei Brad Pitts Geburtstag im Jones in L.A. aufgetreten.«

»Ja?«, frage ich misstrauisch. »Wer war da?«

»Ed Limato. Mike Ovitz. Julia Ormond. Madonna. Models. Jede Menge Juristen und Leute, die auf ›Spaß‹ stehen.«

Es wird sogar noch kälter, als wir uns dem Fuß der Treppe nähern.

»Ich meine«, fährt JD fort, »vergleichsweise ist das ziemlich in.«

»Aber in ist out«, erkläre ich und kneife die Augen halb zusammen, um zu sehen, wo’s langgeht. Es ist so kalt, dass unser Atem dampft, und als ich das Geländer anfasse, fühlt es sich an wie Eis.

»Was meinst du, Victor?«

»Out ist in. Klar?«

»In ist … nicht mehr in?«, fragt JD. »Ja?«

Ich sehe ihn an, während wir die nächste Treppe hinuntergehen. »Nein, in ist out. Out ist in. Ganz einfach, n’est-ce pas?«

JD zwinkert zweimal und erschauert, wir beide gehen tiefer hinab in die Dunkelheit.

»Du begreifst, out ist in, JD.«

»Victor, ich bin eh schon echt nervös«, sagt er. »Bitte fang heute nicht mit mir an.«

»Du musst nicht einmal drüber nachdenken. Out ist in. In ist out.«

»Warte, ja? In ist out? Hab ich das bis hierher richtig verstanden?«

Unten ist es so kalt, dass Kerzen, wie mir auffällt, nicht lange brennen, sie erlöschen, als wir vorbeigehen, und auf den TV-Monitoren ist nur Schnee. Am Fuß der Treppe neben der Bar mischt ein Zauberkünstler, der aussieht wie eine junge deutsche Version von Antonio Banderas mit einem 3-mm-Haarschnitt, müßig ein Päckchen Karten, mit hängenden Schultern raucht er einen kleinen Joint, trinkt eine Diet-Coke, trägt zerfetzte Jeans und ein T-Shirt mit Brusttaschen, der Back-to-Basics-Look, übertrieben schlampig, die Reihen leerer Champagnergläser hinter ihm spiegeln das wenige Licht, das es hier unten gibt.

»Richtig. Out ist in.«

»Aber was genau ist dann in?«, fragt JD, sein Atem dampft.

»Out natürlich, JD.«

»Also …in ist dann nicht in?«

»Das ist der springende P-punkt.« Es ist so kalt, dass ich am Bizeps eine Gänsehaut hab.

»Aber was ist dann out? Ist es immer in? Nenn doch mal ein Beispiel!«

»Wenn man dir das erklären muss, bist du vielleicht in der falschen Welt«, murmele ich.

Der Zauberkünstler macht vage das Peacezeichen.

»Sie waren bei Brad Pitt auf der Party?«

Der Zauberkünstler lässt ein Päckchen Karten, den Schemel, auf dem er gesessen hat, einen von meinen Slippern und eine große Flasche Absolut Currant verschwinden und sagt dann: »Abracadabra.«

»Sie waren bei Brad Pitt auf der Party?«, seufze ich.

JD stößt mich an und deutet nach oben. Ich sehe das dicke rote Hakenkreuz, das an die gewölbte Decke über uns gemalt ist.

»Sollten wir vielleicht besser wegmachen.«

32

Im Zickzack Richtung Chemical Bank am neuen Gap vorbei, es ist Mittwoch, aber draußen fühlt sich’s montäglich an, und die Stadt sieht irgendwie unwirklich aus, es hängt ein Himmel wie vom Oktober 1973 oder in der Art drüber, und eben jetzt um halb sechs haben wir Manhattan hier als Ort des LÄRMS: Presslufthämmer, Hupen, Sirenen, splitterndes Glas, Recyclinglaster, Trillerpfeifen, dröhnender Bass von der neuen Ice Cube, überflüssiges Geräusch, das hinter mir herweht, als ich meine Vespa in die Bank schiebe, mich in die Schlange vor dem Geldautomaten einreihe, die ist hauptsächlich aus Asiaten gebildet, die mich böse anstarren, während sie zurückweichen, ein paar beugen sich vor, flüstern miteinander.

»Was gibt das mit dem Moped da?«, fragt so ein Wichser.

»He, und was gibt das mit deiner Hose da? Hör zu, das Rad hat keine Karte, es holt kein Geld aus dem Automaten, also reg dich ab. Herrgott.«

Nur einer von den zehn Automaten scheint Geld zu haben, also heißt’s warten, und währenddessen muss ich zu meinem Spiegelbild in den blanken Stahlplatten an den Säulen über den aufgereihten Geldautomaten hochsehen: Hohe Wangenknochen, Elfenbeinhaut, rabenschwarzes Haar, halbasiatische Augen, eine makellose Nase, volle Lippen, klar umrissenes Profil, aufgefetzte Jeansknie, T-Shirt unter einem Hemd mit langem Kragen, rote Weste, Samtsakko, und ich stehe ein bisschen in mich zusammengesunken da, Rollerblades flott über die Schulter gehängt, erinnere mich plötzlich daran, dass ich vergessen habe, wo ich heute Abend Chloe treffen soll, und in dem Moment geht der Beeper los. Beau ist dran. Ich lass das Panasonic EBH 70 aufschnalzen und ruf ihn zurück, im Klub.

»Ich hoffe, Bongo dreht nicht durch.«

»Es sind die Rückmeldungen, Victor. Damien dreht durch. Er hat eben angerufen, hat total rumgetobt …«

»Hast du ihm gesagt, wo ich bin?«

»Wie denn, wenn ich selber nicht weiß, wo du bist?« Pause. »Wo bist du? Damien war in einem Hubschrauber. Stieg grade aus einem Hubschrauber, genau gesagt.«

»Ich weiß nicht mal, wo ich bin, Beau. Na, ist das ’ne gute Antwort?« Die Schlange kriecht langsam voran. »Ist er in der Stadt?«

»Nein. Ich sag doch, er war in einem Hubschrauber. Ich sagte: In einem Hub-schrau-ber.«

»Aber wo war der? Der Hub-schrau-ber?«

»Damien glaubt, wir sitzen in der Scheiße. Etwa vierzig haben auf die Einladung zum Diner nicht geantwortet, also könnte man wohl sagen, unsere Sitzordnung ist eher sinnlos.«

»Beau, das kommt immer darauf an, was man unter ›sinnlos‹ versteht.«

Eine lange Pause. »Sag mir nicht, dass es mal den Sinn hat und mal den, Victor. Beispielsweise haben wir hier im Falle O folgende Situation: Tatum O’Neal, Chris O’Donnell, Sinead O’Connor und Conan O’Brien alle ja, aber nix von Todd Oldham, dem hängt anscheinend einer ständig an der Hacke, der dreht völlig ab, nix von Carrie Otis oder Oribe …«

»Keine Angst«, flüstere ich. »Das kommt, weil sie alle in den Shows sind. Ich red morgen mit Todd – ich seh ihn auf der Show – aber ich meine, was läuft hier eigentlich, Beau? Conan O’Brien kommt, aber Todd Oldham und Carrie Otis möglicherweise nicht? Das ist einfach kein akzeptables Szenario, Baby, aber ich bin hier grade mit meiner Vespa am Geldautomat, ich kann jetzt eigentlich nicht – he, was glotzte denn so blöd? –, aber ich will jedenfalls Chris O’Donnell beim Essen nicht irgendwo an meinem Tisch haben. Chloe findet ihn ja so wahnsinnig süß, und auf den ganzen Scheißdreck kann ich morgen aber so was von verzichten.«

»Mhm. Alles klar, kein Chris O’Donnell, okay, hab ich. Also, Victor, gleich morgen früh müssen wir die Langen durchgehen, die M und S …«

»Wir kriegen’s auf die Reihe. Heul nicht, Beau. Du klingst so traurig. Jetzt bin ich dran mit Abheben. Ich muss jetzt …«

»Warte noch! Rande Gerber ist in der Stadt …«

»Tu ihn unter G, aber bitte nicht fürs Essen, wenn er nicht mit Cindy Crawford kommt, in dem Fall ist er eingeladen, und dann weißt du ja auch unter welchem Buchstaben, Baby.«

»Victor, du solltest mal versuchen, mit der Publicityfrau von Cindy zurande zu kommen. Versuch mal, von Anthony Sabato Jr.s Publicitytyp eine ehrliche Antwort zu kriegen …«

Ich schalte aus, schiebe endlich meine Karte rein, tippe den Code (COOLGUY) ein und warte, ich denke dabei an die Sitzordnung für Tisch 1 und 3, und dann teilen mir grüne Wörter auf dem schwarzen Schirm mit, dass dieses Konto über kein Bargeld mehr verfügt (Kontostand 143 Dollar Soll) und mir kein Geld ausgezahlt wird, und ich habe mein letztes Bares für einen Eisschrank mit Glastür ausgegeben, weil Elle Decor was über mein Apartment aufgenommen hat, was dann nie erschienen ist, also knalle ich die Faust gegen den Automaten, stöhne »Erbarmen«, und weil ein erneuter Versuch ja völlig hoffnungslos ist, wühle ich meine Taschen nach einem Xanax durch, bis mich jemand wegschiebt und ich das Moped rausrollere, total fertig.

Ich fahre langsam die Madison hoch, halte vor Barneys an einer Ampel, und Bill Cunningham knipst mich und schreit: »Is das ’ne Vespa?«, und ich zeig mit dem Daumen nach oben, er steht neben Holly, einer kurvigen Blondine, sie sieht aus wie Patsy Kensit, und als wir letzte Woche zusammen Heroin gequalmt haben, hat sie mir erzählt, sie sei vielleicht lesbisch, was in gewissen Kreisen natürlich eine gute Nachricht ist, und sie winkt mich rüber, Satin-Hotpants, rot-weiß gestreifte Plateaustiefel, ein silbernes Peacezeichen, und sie ist ultradünn, diesen Monat auf dem Cover von Mademoiselle, und nach einem Tag Modenschau im Bryant Park sieht sie etwas hektisch aus, aber doch sehr cool.

»He Victor!« Sie winkt mich immer noch her, nachdem ich schon die Vespa an den Bordstein geschoben habe.

»Hallo Holly.«

»Anjanette, Victor.«

»Hallo Anjanette, was liegt an, Pussycat. Du siehst äußerst Uma-mäßig aus. Scharfes Outfit.«

»Das ist Retro-abgedreht. Sechs Shows heute. Ich bin erschöpft«, sagt sie und gibt jemandem ein Autogramm. »Ich hab dich bei der Calvin-Klein-Show gesehen, wie du Chloe moralisch unterstützt hast. War ja derart cool von dir.«

»Baby, ich war nicht bei der Calvin-Klein-Show, aber du siehst trotzdem äußerst Uma-mäßig aus.«

»Victor, ich bin mir völlig sicher, dass du bei der Calvin-Klein-Show warst. Ich hab dich in der zweiten Reihe gesehen, neben Stephen Dorff und David Salle und Roy Liebenthal. Ich hab dich gesehen, wie du auf der 42. Straße für ein Foto posiert hast, und dann rein in so ein wüstes schwarzes Auto.«

Pause, während ich mir dieses Szenario überlege, dann: »In der zweiten Reihe? Niemals, Baby. Da bist du noch nicht warmgelaufen. Seh ich dich denn morgen Abend, Baby?«

»Ich komm mit Jason Priestley.«

»Warum kommst du nicht mit mir? Bin ich eigentlich der Einzige, der meint, dass Jason Priestley aussieht wie eine kleine Raupe?«

»Victor, das ist aber nicht nett«, schmollt sie. »Was würde Chloe denn denken?«

»Die denkt auch, dass Jason Priestley wie eine kleine Raupe aussieht«, murmele ich gedankenverloren. »In der gottverdammten zweiten Reihe?«

»Das meine ich nicht«, sagt Anjanette. »Was würde Chloe denken, wenn …«

»Erbarmen, Baby, aber du bist megatoll.« Ich lass die Vespa wieder an. »Nimm deine ganze Leidenschaft zusammen, lass es passieren.«

»Ich hab ohnehin gehört, dass du ein böser Junge warst, also überrascht’s mich nicht«, sagt sie und droht mir müde mit dem Finger, was Scooter, der Leibwächter, der aussieht wie Marcellus in Pulp Fiction, als Signal interpretiert, näher zu kommen.

»Was meinst du damit, Pussilein?«, frage ich. »Was hört man denn so?«

Scooter flüstert was und deutet auf seine Uhr, Anjanette zündet sich eine Zigarette an. »Immer wartet irgendein Auto. Immer haben wir einen Fototermin mit Steven Meisel. Jesus, wie schaffen wir’s bloß, Victor? Wie überleben wir den ganzen Krampf?« Eine spiegelnde schwarze Limousine gleitet heran, und Scooter öffnet die Tür.

»Bis dann, Baby.« Ich reiche ihr eine geflammte Tulpe, die ich zufällig in der Hand habe, und rolle langsam vom Bordstein weg.

»Ach Victor«, ruft sie und reicht Scooter die Tulpe. »Ich hab den Job! Ich hab den Vertrag.«

»Großartig, Baby. Ich muss weiter. Welchen Job, du verrücktes Huhn?«

»Rat mal.«

»Matsuda? The Gap?« Ich grinse, hinter mir hupen diverse Limos.

»Baby, hör zu, bis morgen Abend dann.«

»Nein. Rate mal.«

»Hab ich doch schon, Baby. Du wirfst mich echt um.«

»Victor! Raten!«, ruft sie, als ich wegfahre.

»Baby, du bist super«, rufe ich zurück. »Ruf mich an. Hinterlass ’ne Nachricht. Aber nur im Klub. Also dann. Peace.«

»Rat mal, Victor!«, ruft sie laut.

»Baby, du bist ein Gesicht mit Zukunft«, sage ich, zieh mir schon den Walkman über, bin schon auf der 61. »Ein Star von morgen!«, schreie ich und winke. »Wir trinken dann was, Monkey Bar, wenn Sonntag die Shows alle durch sind!« Ich sprech jetzt mit mir selber und fahre Richtung Alisons Wohnung. Als ich an einem Kiosk neben dem neuen Gap vorbeikomme, sehe ich, dass ich immer noch auf dem Cover der letzten Ausgabe von YouthQuake bin und mächtig cool aussehe – die Headline über meinem lächelnden, ausdruckslosen Gesicht heißt 27 UND HIP, in dicken violetten Lettern, und ich muss mir einfach noch ein Exemplar kaufen, aber weil ich kein Bargeld hab, geht das nun mal nicht.

31

Von der 72. und Madison rufe ich bei Alisons Portier an, und er sieht nach, ob vor ihrem Haus an der 80. und Park auch keine Gorillas von Damien in einem schwarzen Jeep warten, also fahr ich am Eingang vor und rolle meine Vespa ins Foyer, wo Juan – ein recht gut aussehender Typ, vielleicht vierundzwanzig – in seiner Uniform rumhängt. Ich zeige ihm das Peace-Zeichen, schiebe das Moped in den Fahrstuhl, und da hüpft Juan hinter der Rezeption vor.

»He Victor, hast du schon mit Joel Wilkenfeld geredet?«, fragt Juan und kommt hinter mir her. »Ich meine, letzte Woche hast du gesagt, du machst’s, und …«

»Hey Baby, alles ist cool, Juan, alles in Ordnung«, sage ich, schiebe den Schlüssel rein, stelle den Fahrstuhl an, drücke den Knopf fürs oberste Stockwerk.

Juan drückt einen anderen Knopf, damit die Tür offen bleibt. »Aber Mann, du hast gesagt, er lässt mich kommen und arrangiert was mit …«

»Ich sorg dafür, Amigo, ist alles cool«, sage ich betont, drücke wieder meinen Knopf. »Du bist der nächste Marcus Schenkenberg, du bist der weiße Tyson.« Ich lange rüber und schiebe seine Hand weg.

»He Mann, ich bin Latino …« Er haut immer wieder auf den TÜR-AUF-Knopf.

»Du bist der nächste Latino-Schenkenberg. Du bist der äääh Latino-Tyson.« Ich lange rüber und schiebe wieder seine Hand weg. »Du bist ein Star, Mann. Jederzeit.«

»Ich will bloß nicht, dass das jetzt so wie im Nachhinein …«

»He, Mann, Erbarmen.« Ich grins ihn an. »Nachhinein gehört gar nicht zum Vokabular von dem hier«, sage ich und deute auf mich selbst.

»Okay, Mann«, sagte Juan und lässt den TÜR-AUF-Knopf in Ruhe.

Er streckt etwas zittrig den Daumen nach oben. »Ich, also ich vertrau dir.«

Der Fahrstuhl zischt rauf in die oberste Etage, wo sich die Tür zu Alisons Penthouse öffnet. Ich schiele angestrengt in den Eingangskorridor, sehe und höre die Hunde nicht, rolle dann leise die Vespa rein und lehne sie im Foyer an die Wand neben eine Vivienne-Tam-Bettcouch.

Ich schleiche auf Zehenspitzen Richtung Küche, bleib aber stehen, als ich den heiseren Atem der beiden Chow-Chows höre, die mich vom anderen Ende des Korridors aus konzentriert beobachtet haben, leise knurrend, was ich jetzt erst höre. Ich drehe mich um und offeriere ihnen ein schwaches Lächeln.

Ich kann kaum »Ach du Scheiße«, sagen, ehe sie beide wild loszurennen beginnen und auf ihr Ziel zustürzen: mich.

Die beiden Chows – einer schoko-, einer zimtfarben – springen an mir hoch, blecken das Gebiss, schnappen nach meinen Knien, tatzen nach meinen Knöcheln, bellen wie wild.

»Alison! Alison!«, rufe ich und versuche verzweifelt, die Viecher mit Schlägen der flachen Hand wegzuscheuchen.

Bei diesem Namen hören beide auf zu bellen. Dann schauen sie den Korridor hinunter, um zu sehen, ob sie kommt. Als sie nach einer Pause nichts von ihr gehört haben – wir sind erstarrt in unseren Positionen, der rötliche Chow auf den Hinterbeinen, die Pfoten bei mir im Schritt, der schwarze Chow auf die Vorderpfoten gekauert, einen Gucci-Stiefel im Maul –, fangen sie sofort wieder an, mich zu traktieren, knurrend und im Grunde total durchgedreht, wie immer.

»Alison!«, kreische ich. »Herrgott noch mal!«

Ich schätze die Entfernung von meinem Standort zur Küchentür ab und entscheide mich zu einem Ausbruch, und als ich losrenne, sausen die Chows mit hinterher, blaffend, nach meinen Knöcheln schnappend.

Ich erreiche die Küche, schmeiß die Tür hinter mir zu, ich höre beide über den Marmorfußboden gegen die Küchentür knallen, zweimal ein lautes Wumm, höre die Hunde umfallen, aufspringen, die Tür attackieren. Noch etwas zittrig mach ich ein Snapple auf, trink’s zur Hälfte aus, zünde mir dann eine Zigarette an und untersuche mich auf Bisswunden. Ich höre Alison in die Hände klatschen, dann kommt sie in die Küche, nackt unter einem offenen Aerosmith-Kimono, ein Handy in die Halsbeuge geklemmt, einen noch nicht angezündeten Joint zwischen den Lippen. »Mr. Chow, Mrs. Chow, hinlegen. Hinlegen, verdammt, hinlegen!«

Sie schleudert die Hunde in die Speisekammer, zieht eine Handvoll bunter Hundekuchen aus der Manteltasche und wirft damit nach den Kötern, ehe sie die Speisekammertür zuknallt, was den Lärm der um die Hundekuchen raufenden Chows gnädig abschneidet.

»Okay, mhm, alles klar, Malcolm McLaren … Jawoll, nein, Frederic Fekkai. Jaha. Alle haben wir ’nen Kater, Baby.« Sie schneidet eine Grimasse. »Andrew Shue und Leonardo DiCaprio? … Was? … O Baby, niiie im Leben. Läuft nicht.« Alison blinzelt mir zu. »Du bist jetzt nicht am Fenstertisch im Mortimer’s. Wach auf! Ach Gottchen … Ciao, ciao.« Sie klickt das Handy aus, legt den Joint sorgfältig auf die Küchentheke und sagt: »Das war ’ne Konferenz mit Dr. Dre, Yasmine Bleeth und Jared Leto.«

»Alison, diese beiden kleinen Scheißer wollten mich umbringen«, sage ich nachdrücklich, als sie hochspringt und die Beine um meine Hüften schlingt.

»Mr. und Mrs. Chow sind keine kleinen Scheißer, Baby.« Sie presst ihren Mund auf meinen, während ich mit ihr Richtung Schlafzimmer stolpere. Dort angelangt, fällt sie auf die Knie, reißt meine Jeans auf und beginnt, mir souverän einen zu blasen, eine unglücklicherweise höchst geübte Deep-Throat-Nummer, wobei sie mich so fest am Arsch packt, dass ich eine ihrer Hände wegzerren muss. Ich ziehe ein letztes Mal an der Zigarette, die ich immer noch zwischen den Fingern habe, schaue mich nach einer Stelle um, wo ich sie ausdrücken kann, finde eine halb leere Snappleflasche, lass den Rest von der Marlboro reinfallen, hör’s zischen.

»Langsamer, Alison, du bist zu schnell«, murmele ich.

Sie zieht meinen Schwanz aus ihrem Mund, schaut zu mir hoch und sagt mit leiser, »sexy« Stimme: »Eile ist meine Spezialität, Baby.«

Sie steht plötzlich auf, lässt den Mantel fallen und legt sich rücklings aufs Bett, sie spreizt die Beine und drängt mich auf den Fußboden runter, der mit diversen Nummern von WWD übersät ist, mein rechtes Knie zerknittert ein Foto (hinterer Umschlag) von Alison und Damien und Chloe und mir auf Naomi Campbells Geburtstagsparty, wir sitzen in einer engen Nische im Doppelganger’s, und jetzt knabbere ich an einer kleinen Tätowierung auf der Innenseite eines muskulösen Schenkels, und als meine Zunge sie dann berührt, kommt sie schon – einmal, zwei-, dreimal. Da ich weiß, wo das bestimmt nicht enden wird, wichse ich ein wenig an mir rum, bis ich fast komme, und dann denke ich, scheiß drauf, ich hab jetzt einfach keine Zeit für diese Nummer, also tu ich bloß so, stöhne laut, den Kopf zwischen ihren Beinen, das Auf und Ab meines rechten Arms muss auf sie so wirken, als würde ich’s mir tatsächlich besorgen. Die Musik im Hintergrund: Duran Duran, mittlere Periode. Unsere Rendezvous haben sich unter anderem im Remi, in Zimmer 101 im Paramount, im Cooper-Hewitt-Museum abgespielt.

Ich steige aufs Bett hoch und liege da, ich tu so, als müsste ich keuchen. »Baby, wo hast du gelernt, so zu blasen? Sotheby’s? O Mann.« Ich lang nach einer Zigarette.

»Moment mal. Das war’s?« Sie steckt sich einen Joint an, inhaliert so tief, dass er zur Hälfte zu Asche wird. »Was ist mit dir?«

»Ich bin glücklich.« Ich gähne. »Solang du jetzt nicht das, aah, Ledergeschirr rausholst und Fido den großen Arschstöpsel.« Ich erhebe mich vom Bett, ziehe meine Jeans und Calvins hoch und gehe rüber zum Fenster, wo ich die Jalousie ein Stück hochhebe. Unten auf der Park Avenue zwischen 79. und 80. steht ein schwarzer Jeep mit zwei von Damiens Gorillas drin, die sitzen da und lesen etwas, das wie die neue Ausgabe von Interview aussieht, mit Drew Barrymore auf der Titelseite, und der eine sieht aus wie ein schwarzer Woody Harrelson und der andere wie ein weißer Damon Wayans.

Alison weiß, was ich sehe, und sagt vom Bett aus: »Keine Sorge, ich muss mich mit Grant Hill treffen, auf ’nen Drink im Mad. 61. Die fahren mir dann nach, dann kannst du abhauen.«

Ich kippe aufs Bett, schalte das Nintendo an, hol mir den Joystick und fange an, Super Mario Brothers zu spielen.

»Damien sagt, Julia Roberts kommt und Sandra Bullock auch«, sagt Alison abwesend. »Laura Leighton und Halle Berry und Dalton James.« Sie nimmt noch einen Zug von dem Joint und gibt ihn dann mir. »Ich hab Elle Macpherson bei der Anna-Sui-Show gesehen, sie sagt, sie kommt zum Essen.« Sie blättert rasch durch ein Detour mit Robert Downey Jr., auf dem Titelblatt, Beine breit, scharfes Schrittfoto. »Ah ja, und Scott Wolf auch.«

»Schhh, ich spiel jetzt«, sage ich. »Yoshi hat vier Goldmünzen verspeist, und jetzt sucht er nach der fünften. Ich muss mich konzentrieren.«

»O mein Gott, das ist doch so scheißegal«, seufzt Alison. »Geht’s hier vielleicht um einen dicken Zwerg, der auf einem Dinosaurier reitet und seine kleine Freundin vor einem Gorilla rettet? Victor, jetzt mal im Ernst.«

»Ist nicht seine Freundin. Das ist Prinzessin Toadstool. Und es ist kein Gorilla«, sage ich mit erhobener Stimme. »Das ist Lemmy Koopa vom bösen Koopa-Stamm. Und Baby, wie üblich entgeht dir der Witz an der Sache.«

»Dann klär mich bitte auf.«

»Der Witz an Super Mario ist, dass es das Leben widerspiegelt.«

»Ich höre.« Sie sieht sich ihre Fingernägel an. »Weiß Gott, weshalb.«

»Töten oder getötet werden.«

»Mhm.«

»Die Zeit läuft ab.«

»Verstehe.«

»Und am Ende, Baby, da bist … du … allein.«

»Korrekt.« Sie steht auf. »Na, Victor, das fängt das Wesen unserer Beziehung ja wirklich ein, mein Süßer.« Sie verschwindet in einem begehbaren Schrank, der größer ist als das Schlafzimmer. »Wenn du dich von Worth hättest interviewen lassen müssen, all der Quatsch wegen Damiens Nintendo-Aktien, dann würdest du Yoshi auch umbringen wollen.«

»Ich glaube, all das ist irgendwie außerhalb deines Erfahrungshorizonts«, murmele ich. »Hä?«

»Was machst du heut Abend, wo isst du?«, ruft sie aus dem Schrank.

»Warum? Wo ist denn Damien?«

»In Atlantic City. Also können wir beide ausgehen, denn Chloe ist ja sicher très erschöpft von all der vielen böösen böösen Laufstegarbeit heute.«

»Kann nicht«, rufe ich. »Muss zeitig ins Bett. Ich lass das Essen einfach aus. Ich muss die – o Scheiße, Scheiße – Sitzordnung durchgehen.«

»Ooh aber Baby, ich will ins Nobu heut Abend«, jammert sie aus dem Schrank. »Ich will ein Babyshrimptempuraröllchen.«

»Du bist ein Babyshrimptempuraröllchen«, jammere ich zurück.

Das Telefon klingelt, der Anrufbeantworter springt an, es läuft die neue Portishead, dann ein Piepton.

»Hallo Alison, Chloe hier, ich ruf zurück.« Ich rolle die Augen. »Amber und Shalom und ich haben noch was für Fashion TV im Royalton, und dann geh ich mit Victor im Bowery Bar essen, um halb zehn. Ich bin soo, soo müde … Shows den ganzen Tag. Okay, bist wohl nicht da. Wir reden dann bald mal – ach so, ja, du hast dann ’ne Backstage-Karte für Todds Show morgen. Ciao-ciao.« Die Maschine schaltet sich aus.

Schweigen aus dem Schrank, dann leise und wutentbrannt: »Sitzordnung? Du musst zeitig ins Bett?«

»Du kannst mich nicht in deinem Penthouse festhalten«, sage ich. »Ich gehe zurück an meinen Pflug.«

»Du gehst mit ihr essen?«, schreit sie.

»Darling, ich hab keine Ahnung davon gehabt.«

Alison kommt aus dem begehbaren Schrank, sie hält ein Todd-Oldham-Wickelkleid vor sich und wartet auf meine Reaktion, als sie es vorführt: ein nicht gerade schlichtes Schwarz-Schrägstrich-Beiges, trägerlos, Navajostil mit Neonquilt.

»Das ist ein Todd Oldham, Baby«, sage ich schließlich.

»Das zieh ich morgen Abend an.« Pause. »Es ist ein Original«, flüstert sie verführerisch mit funkelnden Augen. »Ich sorg dafür, dass deine kleine Freundin aussieht wie ein Stück Scheiße!«

Alison langt rüber und schlägt mir den Joystick aus der Hand, wirft ein Green-Day-Video an und tanzt zu dem von Vivienne Tam entworfenen Spiegel rüber, betrachtet sich mit dem Kleid vorm Körper und dreht dann eine halbherzige Pirouette, sie sieht sehr glücklich aus, aber auch sehr gestresst.

Ich sehe mir meine Fingernägel an. Es ist so kalt in dem Apartment, dass die Fensterscheiben zufrieren. »Liegt das an mir, oder wird’s hier drin wirklich kalt?«

Alison hält ein letztes Mal das Kleid hoch, quiekt manisch und rennt in den Schrank zurück. »Was hast du gesagt, Baby?«

»Hast du gewusst, dass Vitamine die Nägel kräftigen?«

»Wer hat dir das erzählt, Baby?«, ruft sie.

»Chloe«, knurre ich und beiße an einem Nagelhäutchen herum.

»Das arme Kind. O mein Gott, sie ist so blöd.«

»Sie ist grade von den MTV Awards zurück. Davor hat sie einen Nervenzusammenbruch gehabt, also sei so gut, sei vernünftig.«

»Einen massiven«, ruft Alison rüber. »Ihr Faible für Heroin hat sie hinter sich, nehme ich an.«

»Sei ein bisschen geduldig. Sie ist nicht sehr stabil«, sage ich. »Und, jawohl, ihr Faible für Heroin hat sie hinter sich.«

»Ohne besondere Hilfe von dir, nehme ich an.«

»Hör mal, ich hab ihr sehr wohl schwer geholfen«, sage ich, setze mich auf und höre jetzt genauer zu. »Wenn ich nicht gewesen wäre, dann könnte sie jetzt sogar tot sein, Alison.«

»Wenn du nicht gewesen wärst, Spatzenhirn, dann hätte sie sich ja vielleicht auch überhaupt nichts von der Kacke gespritzt.«

»Sie hat sich nichts ›gespritzt‹«, betone ich. »War nur durch die Nase.« Pause, ich sehe mir wieder meine Fingernägel an. »Sie ist jetzt gerade wirklich nicht sehr stabil.«

»Was soll das? Sie kriegt einen Mitesser und will sich sofort umbringen?«

»He, wer wohl nicht?« Ich setzte mich noch aufrechter hin.

»Gar nicht blöd. Gar nicht blöd. Gar nicht …«

»Axl Rose und Prince haben beide Songs über sie geschrieben, wenn ich dich vielleicht daran erinnern darf.«

»Ja, schon klar, ›Welcome to the Jungle‹ und ›Let’s Go Crazy‹.« Alison kommt in ein schwarzes Handtuch gewickelt aus dem Schrank und winkt mich weg. »Ich weiß, ich weiß. Chloe, das gebo-re-ne Model.«

»Meinst du, bei deiner Eifersucht krieg ich ’nen Steifen?«

»Nein, das schafft nur mein Freund.«

»He, mit Damien hab ich nichts vor.«

»Jesus. Wie üblich nimmst du alles furchtbar wörtlich.«

»O Gott, dein Freund ist ein totaler Gangster. Und vielleicht eitel.«

»Mein Freund ist der einzige Grund, Herzblatt, dass du überhaupt im Geschäft bist.«

»Das ist totaler Quatsch!«, schreie ich. »Ich bin diesen Monat auf dem Cover vom YouthQuake!«

»Genau.« Alison wird plötzlich lieb und kommt zum Bett und setzt sich neben mich, nimmt sanft meine Hand. »Victor, du hast für alle drei ›Real World‹-Programme vorgesprochen, MTV hat dich alle dreimal abgelehnt.« Sie macht – aufrichtig – eine Pause. »Was sagt dir das?«

»Ja gut, aber ich bin nur einen gottverdammten Anruf von Lome Michaels weg.«

Alison sieht mich an, meine Hand liegt immer noch in ihrer, und sie sagt lächelnd: »Armer Victor, du solltest sehen, wie hübsch und unzufrieden du jetzt gerade aussiehst.«

»Ein attraktives Paar«, murmele ich mürrisch.

»Nett, dass du das findest«, sagt sie abwesend.

»Auszusehen wie ein deformierter Spacken und an Selbstmord zu denken ist besser?«, sag ich zu ihr. »Herrgott, Alison, bring mal deine Prioritäten auf die Reihe!«

»Meine Prioritäten – auf die Reihe?«, fragt sie wie betäubt, lässt meine Hand los und legt sich die ihre auf die Brust. »Meine Prioritäten auf die Reihe!« Sie lacht wie ein Teenager.

»Begreifst du nicht?« Ich stehe auf, zünde mir eine Zigarette an, gehe hin und her. »Scheißspiel.«

»Victor, sag mir, was dir solche Sorgen macht.«

»Willst du’s wirklich wissen?«

»Nicht wirklich, aber: Ja.« Sie geht rüber zum Kleiderschrank und zieht eine Kokosnuss raus, was mich völlig ungerührt lässt.

»Mein gottverdammter DJ ist weg. Das ist los. Das macht mir Sorgen.« Ich ziehe so fest an der Marlboro, dass ich sie ausmachen muss. »Keiner weiß, wo zum Teufel mein DJ steckt.«

»Mica ist weg?«, fragt Alison. »Bist du sicher, dass sie nicht auf Entzug ist?«

»Ich bin mir bei überhaupt nix mehr sicher«, murmele ich.

»Da hast du aber recht, Baby«, sagt sie pseudobesänftigend, lässt sich aufs Bett fallen, sucht nach etwas, dann schlägt ihre Stimme um, und sie kreischt: »Und du lügst! Warum hast du mir nicht gesagt, dass du letztes Wochenende in South Beach warst?«

»Ich war letztes Wochenende nicht in South Beach, und ich war auch nicht auf der gottverdammten Calvin-Klein-Show.« Endlich ist es so weit. »Alison, wir müssen da über etwas reden …«

»Sag es nicht.« Sie lässt sich die Kokosnuss in den Schoß fallen und hebt beide Hände, dann bemerkt sie den Joint auf dem Nachttisch und schnappt ihn sich. »Ich weiß, ich weiß«, intoniert sie theatralisch. »Es gibt ein gewisses kompromittierendes Foto von dir mit einer Frau« – sie klappert wie ein Cartoongirl mit den Wimpern –, »die angeblich mit moi identisch ist, blah blah blah, und das wird deine Beziehung mit der dummen kleinen Pute ruinieren, mit der du gehst, aber es wird auch« – und jetzt wird mit gespielter Melancholie der Joint angesteckt – »meine Beziehung ruinieren. Und nun« – sie klatscht in die Hände – »geht das Gerücht, dass das Foto morgen entweder in der Post oder der Trib oder den News erscheint. Ich arbeite dran. Ich hab jede Menge Leute drangesetzt. Die Sache hat bei mir absolute Top-Priorität. Also zerbrich dir bloß nicht deswegen« – sie zieht, sie atmet aus – »deinen wunderschönen Kopfersatz.« Sie entdeckt das, wonach sie gesucht hat, es war in der Tagesdecke verschwunden, und sie packt es: einen Schraubenzieher.

»Warum, Alison? Warum musstest du bei einer Filmpremiere über mich herfallen?«, jammere ich.

»Dazu braucht’s zwei, du schlimmer Junge.«

»Nicht, wenn du mich bewusstlos schlägst und dich auf mein Gesicht setzt.«

»Wenn ich auf deinem Gesicht gesessen hab, wird nie jemand erfahren, dass du das warst.« Sie zuckt die Achseln, steht auf, ergreift die Kokosnuss. »Und so sind wir alle gerettet – tralalalala.«

»Nicht in dem Moment ist das Foto gemacht worden, Baby.« Ich folge ihr ins Bad, wo sie mit dem Schraubenzieher vier Löcher in die Kokosnuss schlägt, um sich dann über das von Vivienne Tam entworfene Waschbecken zu neigen und sich die Milch über den Kopf zu gießen.

»Ich weiß, es stimmt schon.« Sie wirft die leere Schale in einen Abfalleimer und massiert sich die Milch in die Kopfhaut ein. »Wenn Damien das rauskriegt, arbeitest du demnächst in irgendeinem White Castle.«

»Und du zahlst dir selber die Abtreibung, also bitte Erbarmen.« Ich hebe hilflos die Hände. »Warum muss ich dich ständig daran erinnern, dass wir uns gar nicht sehen sollten? Wenn das Foto gedruckt wird, ist es wirklich Zeit, dass wir aufwachen.«

»Wenn das Foto gedruckt wird, sagen wir, das war einfach ein schwacher Moment.« Sie lässt den Kopf in den Nacken schnellen und wickelt ein Handtuch um ihr Haar. »Hört sich doch gut an.«

»Herrgott, Baby, da draußen sitzen Figuren, die dein Apartment beobachten.«

»Ich weiß.« Sie strahlt in den Spiegel. »Ist das nicht süß?«

»Warum muss ich dich ständig daran erinnern, dass ich im Grunde immer noch mit, also, Chloe zusammen bin und du immer noch mit Damien?«

Sie dreht sich vom Spiegel weg und lehnt sich gegen das Waschbecken. »Wenn du mich fallen lässt, Baby, dann kriegst du noch sehr viel größere Schwierigkeiten.« Sie marschiert zum Schrank.

»Was soll das heißen?«, frage ich und folge ihr. »Was meinst du, Alison?«

»Ach, sagen wir einfach, es gibt da Gerüchte, dass du dich nach ’nem Raum für was Eigenes umschaust.« Sie stockt und hält ein Paar Schuhe hoch. »Und wir wissen doch beide, wenn Damien wüsste, dass du auch nur daran denkst, deinen eigenen schäbigen kleinen Restaurant-Schrägstrich-Klub aufzumachen, während du augenblicklich dafür bezahlt wirst, dich um das Superklub-Schrägstrich-Fresslokal von Damien zu kümmern, dass du also auf diese Art und Weise Damiens eigenartigen Sinn für Loyalität verletzt, dann muss man doch irgendwie vage an den Ausdruck ›am Arsch‹ denken.« Sie lässt die Schuhe fallen, tritt aus dem begehbaren Schrank.

»Tu ich nicht«, beteuere ich und folge ihr. »Ich schwör’s. O mein Gott, wer hat dir denn das gesagt?«

»Streitest du’s ab?«

»Nnnein. Ich meine, ja, ich streit’s natürlich ab! Ich meine …« Ich stehe da.

»Ach lass gut sein.« Alison lässt den Hausmantel fallen und zieht ein Höschen an. »Drei Uhr dann morgen?«

»Ich bin morgen total zu, Baby, also bitte Erbarmen«, stammele ich. »Also wer hat dir jetzt gesagt, dass ich mich nach was Eigenem umschaue? Nach einem Raum?«

»Gut, drei Uhr am Montag.«

»Warum drei? Warum Montag?«