Einladung zur Selbstliebe - Robin Gerdsmeier - E-Book

Einladung zur Selbstliebe E-Book

Robin Gerdsmeier

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Beschreibung

Seelische Verletzungen gehören zum Leben dazu. Jeder von uns erfährt sie und ist auf der Suche nach Heilung. Aber wie können wir sie finden? Der Weg zur Heilung führt nach innen zu uns selbst, denn wir alle tragen ein bedürftiges Kind in uns. Ich möchte dir zeigen, wie wir uns selbst in Liebe und Akzeptanz begegnen. Die Heilung beginnt, wenn wir es schaffen, das bedürftige Kind in unserem Inneren zu erlösen und das wilde, das natürliche Kind wieder zum Leben zu erwecken. Erst dann können wir endlich im Augenblick leben, frei, lebendig, glücklich und wild. Wir können für uns selbst sorgen und finden Sicherheit und Liebe in uns selbst. Komm mit auf eine Reise zu dir selbst! Sie ist die Wichtigste deines Lebens.

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Seitenzahl: 180

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Was dich erwartet

Alles, was du brauchst, ist in dir

Was ist Gesundheit?

Das Denkmodell

Von Ängsten, Problemen und Blockaden

Selbstheilung durch Selbstliebe

Den Körper benutzen

Achtsame Ernährung – bewusst, gesund, lebendig

Zum Abschied

1. Alles, was du brauchst, ist in dir

Hallo, lieber Leser, liebe Leserin und alle dazwischen und daneben. Du hast dich für dieses Buch entschieden. Damit ist etwas von dir mit mir in Resonanz getreten und jetzt befinden wir uns hier auf der ersten Seite dieses Buches am Beginn einer gemeinsamen Reise. Ich freue mich und fühle mich geehrt, dass du diese Reise mit mir antreten möchtest.

Wer ich bin? Mein Name ist Robin. Ich bin weder Psychologe noch Prominenter, ich bin kein Guru, Coach und kein anerkannter Experte. Ich bin Heilpraktiker für Physiotherapie und habe eine zusätzliche Ausbildung in Traditioneller Chinesischer Medizin absolviert. Ich habe mein Leben der Heilung verschrieben, der körperlichen und seelischen, die bei näherer Betrachtung eins sind.

Auf meiner Reise zu mir selbst – denn das ist es, was das Leben ist – hatte ich immer wieder das Gefühl, mit »angezogener Handbremse« unterwegs zu sein. Etwas geschah und in mir reagierte etwas darauf, doch es fühlte sich nicht echt, nicht wahrhaftig an. Ich nahm wahr, dass mir etwas fehlte, doch was es war, das konnte ich einfach nicht in Worte fassen. Nie lebte ich im Augenblick. Doch das wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich steckte mitten in einer Blase falscher Realität, einer allumfassenden Illusion, die ihren Ursprung in mir selbst hatte.

Du magst dich fragen: Wie kann das sein? Zugleich beschleicht dich das unangenehme Gefühl, dass du das, was ich dir beschreibe, kennst. Du bist müde, ausgelaugt, doch egal, wie viele Stunden du auf der Couch vor dem Fernseher verbringst, du erholst dich nicht? Du treibst Sport, bist aktiv, aber irgendwie hast du vergessen, warum du es machst?

Statt im Hier und Jetzt leben wir in Vergangenheit und Zukunft. Wir leben in der Vergangenheit, weil wir uns aus Erfahrungen, die wir als Kinder, Kleinkinder und Heranwachsende gemacht haben, eine Illusion bauen. Und wir leben in der Zukunft, weil wir ständig hoffen, dass irgendwann doch noch etwas geschieht, das uns echte Gefühle schenkt, und dass damit auch die Lebendigkeit kommt.

Was ist Lebendigkeit? Lebendigkeit ist »ich bin«. Mehr nicht. Einatmen. Pause. Ausatmen. Mehr nicht. Mehr im Moment sein kann man nicht. Der Moment schenkt dir die Beobachtung des Augenblicks, nimmt dir den Zwang, zu handeln, lässt dich weder hoffen noch bangen noch trauern oder euphorisch sein, lässt dich dir selbst begegnen und erkennen, dass alles ist und zugleich vergeht. Die Trennung zwischen innen und außen, zwischen ich und wir, zwischen Verstand und Umwelt löst sich auf. Alles ist eins. Was nach einem schwer erreichbaren Zustand von Transzendenz klingt, kann tatsächlich mit ein wenig Übung durch regelmäßige Meditation erreicht werden und ist kein Hokuspokus, sondern lässt sich neurobiologisch messen.

Ich wusste, dass das möglich war, vermutlich weil ich wie die meisten Kinder schon durch versunkenes Spiel immer mal wieder in diesen Zustand hineingeriet. Doch je älter ich wurde, umso unerreichbarer schien er, bis ich fast glaubte, ihn mir nur eingebildet zu haben. Aber halt! Wenn ich am Leben bin, warum fühle ich mich dann nicht lebendig? Was steht zwischen mir und dem Leben, der unbändigen Freude am Erleben?

Diese Erkenntnis brachte mich dazu, mich zu fragen, was in meinem Inneren dafür sorgte, dass ich nicht ständig im Moment bin. Um es genau zu formulieren: Etwas in mir erinnerte sich an die unbändige Freude am Erleben und ich erkannte sie als einen Teil meiner Kindheit. Schön wäre es, wenn ich behaupten könnte, es sei der größte Teil meiner Kindheit gewesen und ich hätte möglichst viel davon in mein Erwachsenenleben retten können. Tatsächlich hatte meine Freude am Erleben, meine Neugier, meine Faszination an allem, was ist, mit jedem Jahr, das ich älter wurde, abgenommen.

Mag sein, dass man das gemeinhin »Erwachsenwerden« nennt, doch ich sehe keinen Grund darin, warum wir nur in einer sehr begrenzten Zeit unseres Heranwachsens Zugang zu diesem Zustand haben sollten, um dann den allergrößten Teil unseres Lebens unglücklich, entfremdet und sinnentleert an uns vorbeiziehen zu sehen, ohne ihn zu erleben. Leben will doch erlebt werden – das ist sein Wesen! Wenn uns das nicht gelingt, dann liegt das nicht am Leben, sondern an uns.

Das Leben ist immer da, sprudelt im Moment, drückt sich aus in dem, was aus dem Feld der unzähligen Möglichkeiten in die Wirklichkeit geholt wird, will wahrgenommen, will erlebt werden. Daraus spinnt sich unser Lebensfaden.

Das Tragische: Dieser Lebensfaden spinnt sich auch von selbst, bis er abgeschnitten wird. Doch es fehlt ihm an den schillernden Farben, die wir ihm verleihen, wenn wir unser Leben leben.

Irgendwo in mir, das erfühlte ich mehr, als dass ich es wusste, gab es also dieses Kind, das unbändige Lust auf das (Er-) Leben hatte. Dieses kindliche Sein dürfen wir nicht unterschätzen. Es ist die Triebkraft in unserem Inneren, die uns dazu bringt, überhaupt etwas zu erleben und so, hier schließt sich der Kreis, uns selbst zu begegnen, in uns und im anderen. Je unterdrückter, verschütteter und vergessener dieses ursprüngliche Kind ist, umso weniger sind wir in der Lage, uns überhaupt ein Erleben zu verschaffen. Stattdessen bleiben wir in einer Routine verhaftet, in der wir nichts über uns und über das Leben erfahren, sondern nur die Zeit verstreichen lassen.

Das ist das sogenannte »wilde Kind«. Es kennt keine Angst, keine Regeln, es kennt keine Scham, keine Schuld, kein schlechtes Gewissen, es kennt nur diese unbändige Lust auf das Leben. Dazu gehören auch schlechte Erfahrungen, mit denen wir, solange wir sie in den Teil unseres Erlebens integrieren können und einen Sinn in ihnen sehen, erstaunlich gut umgehen können.

Ich habe mir vorgenommen, in diesem Buch ohne viele Fachbegriffe auszukommen, wir brauchen sie nicht. Nicht umsonst lautet der Titel des Kapitels »Alles, was du brauchst, ist in dir«. Das meine ich auch so. Ich bin nur hier, um dir zu zeigen, was ich gefunden habe, damit du deine eigene Suche beginnen kannst. Nimm mit, was für dich funktioniert, lass bleiben, mit was du nicht in Resonanz trittst. Doch das Beste, was dieses Buch erreichen kann, ist, dass du über die Lektüre in einen neuen Kontakt mit dir selbst trittst.

Wer bist du? Kannst du diese Frage einfach so beantworten? Ich meine damit nicht die Rollen, Aufgaben, Klassen, in die wir uns stecken, Mann, Frau, Eisenbahner, Vorstandsmitglied, Europäer, Asiate, Christ, Atheist. Ich meine damit: Wer bist du?

Es war diese Frage, die ich mir selbst stellte. Wer bin ich? Ich war erschrocken, als ich erkannte, wie wenig ich eigentlich über mich wusste – und da war ich immerhin schon Ende 20. Wie beim Häuten einer Zwiebel hob ich Lage für Lage meiner Identität ab, bis nicht mehr viel übrig blieb. Doch aus dem Wenigen, das ich in der Kuhle meiner Hand halten konnte, lächelte mich mein wildes Kind an und rief: »Kommst du spielen?«

Ich erkannte, dass ich mich schon viel zu lange nicht mehr mit diesem wilden Kind in mir verabredet hatte oder mein bedürftiges Kind nicht versorgt hatte. Das Glück, das ich empfand, war so pur und kam nur aus meinem Inneren, dass ich wusste, dass kein anderes Glück der Welt mit diesem Gefühl mithalten konnte. Mehr noch: Ich wusste auf einmal, das war das Gefühl, das ich schon viel zu lange vermisst hatte.

Doch warum war ich meinem wilden Kind nicht mehr begegnet? Ich hatte es verleugnet, ignoriert, zum Schweigen gebracht, betäubt, beschimpft, verdrängt. All das war nicht bewusst geschehen, es war einfach irgendwie passiert. Erneut musste ich Haut um Haut durchdringen, was mich von meinem wilden Kind trennte.

Dabei stellte ich fest, dass es da in meinem Inneren ein weiteres Kind gab. Und dieses Kind war mir neu. Es war das sogenannte »bedürftige Kind«. Das bedürftige Kind hat sehr früh in seinem Sein, häufig direkt nach der Geburt, die Erfahrung gemacht, dass seine Bedürfnisse nicht adäquat erfüllt werden. Die Bedürfnisse sind Nahrung, Nähe, Schutz, Wärme.

Wenn wir geboren sind, sind wir hilflos. Wir können uns ohne Hilfe nicht bewegen, geschweige denn für uns selbst sorgen. Wir sind auf die Fürsorge und Zuwendung anderer angewiesen. Nahrung und Wärme allein genügen nicht.

Nun macht zum Glück nicht jeder die schreckliche, frühkindliche Erfahrung, bewusst vernachlässigt zu werden. Noch als ich Mitte der 1980er Jahre ein Baby war, war es üblich, dass man ein Baby sehr früh, ab dem vierten Lebensmonat, daran gewöhnen sollte, im eigenen Bett durchzuschlafen. Durchschlafen hieß von abends bis morgens, ohne wach zu werden, oder besser: ohne die Eltern zu wecken. Wer sich ein wenig mit der Physiognomie eines Babys auskennt, weiß, dass ein so kleiner, mit dem Wachstum beschäftigter Körper, kaum genug Nahrung aufnehmen kann, um nicht binnen weniger Stunden wieder Hunger zu bekommen.

Dennoch ließ man Kinder noch bis in die jüngste Generation bewusst schreien, wenn sie abends oder nachts aufwachten. Erst nur ein paar Minuten, dann von Nacht zu Nacht immer länger. Anfangs ging man noch hinein und sprach das Kind an, ohne es aber aus dem Bettchen zu heben oder ihm anderen Trost anzubieten. Dann ließ man es einfach schreien. Und tatsächlich, irgendwann schrien die Babys nicht mehr, wenn sie nachts wach wurden. Das lag aber nicht daran, dass sie jetzt das Schlafen »gelernt« hatten. Sie resignierten schlicht und einfach. Sie hatten gelernt: Wenn ich schreie, dann kommt niemand. Eine schreckliche, eine vernichtende Erfahrung für dieses so junge Sein, das diese existenziell bedrohliche Erfahrung weder verarbeiten noch in Kontext zu anderen Erfahrungen bringen kann.

Betrachten wir das ruhig menschheitsgeschichtlich: Die Aufzucht aller Säugetiere beinhaltet das Moment der Nähe. Bis in die jüngste Vergangenheit schliefen Babys da, wo ihre Mütter waren und vor allem deren milchspendende Brüste. Wo Nahrung war, gab es Wärme und Nähe, und umgekehrt. Absolute Sicherheit, totale Geborgenheit, schönstes Urvertrauen.

Doch auf einmal kommen wir auf die Idee, Babys müssten das Schlafen lernen, als handelte es sich dabei nicht um eine körperliche Reaktion auf ein Bedürfnis, das sich wie kein anderes unserem Willen entzieht. Wir können eher auf Nahrung verzichten als auf Schlaf. Die Spuren für unseren Körper, unseren Geist und unsere Seele sind nachhaltig. Und genau das sollen wir jetzt lernen? Das ist nur eine von vielen Formen mannigfaltiger Verletzungen, denen wir während unserer Kindheit ausgesetzt sind. So war es auch lange Zeit üblich, dass Babys kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und nicht nur in einem separaten Bett, sondern auch in einem separaten Zimmer untergebracht wurden und so eine sehr schmerzhafte und frühe Erfahrung der Trennung machen mussten.

Irrtümern dieser Art saß eine ganze Generation von Müttern in der westlichen Welt auf. Indigene Gruppen oder traditioneller geprägte Gesellschaften oder Kulturen können das nicht nachvollziehen, doch wir halten uns eben auch für wahlweise »zivilisierter« und »kultivierter«.

Was sind die Gegenbegriffe zu »zivilisiert« und »kultiviert«? Ich würde meinen, es sind Begriffe wie natürlich, unverändert, ungeformt, seiner Neugier und seinen Interessen folgend, verbunden mit dem Rest der Natur. Aus diesem Grund kann das »wilde Kind« auch als das »natürliche Kind« bezeichnet werden. Es ist das Kind in uns, das noch nicht von Erziehung, Pädagogik, von Zwang und schlimmstenfalls von Gewalt und Vernachlässigung geprägt ist.

Aus dem geformten, eingenormten, begrenzten natürlichen Kind wird das bedürftige Kind, das nur aus der schrecklichen Angst besteht, dass es erneut hilflos den eigenen Bedürfnissen ausgeliefert im Dunkeln liegen muss. Dieser Zustand gehört zu den furchtbarsten, die unsere Existenz bereithält und würde schon einen Erwachsenen an seine Grenzen bringen. Ein wenige Wochen altes Baby hingegen versetzt es in Todesangst, denn ja: Wenn wirklich niemand kommt und nach dem Baby sieht, dann wird es sterben. Babys verfügen noch über keinerlei Zeitgefühl. Sie leben zwangsweise im Hier und Jetzt und können einer solchen Situation weder durch schöne Erinnerungen noch angenehme Fantasien entfliehen.

Das prägt sich ein. Und: Das hält niemand aus. Deshalb entsteht fast zeitgleich mit dem bedürftigen Kind der sogenannte »Retter und Beschützer«. Das klingt gut, denn erst einmal »beschützt« er das Baby vor dieser unerträglichen Situation. Er lenkt es ab und tut so, als sei das alles nicht real. Er fokussiert sich auf Reize und Gefühle, die ablenken, etwa das Einmachen in der Windel oder die Lichtreflexion über uns. Vor allem aber: Mit dem Retter und Beschützer sind wir nicht mehr allein. Da ist jemand, der immer und überall für uns da ist und auf jedes unserer Bedürfnisse reagiert. Ist das nicht wunderbar?

Das natürliche Kind

Das bedürftige Kind

Leider nein. Denn dieser Retter und Beschützer nimmt in der Folge seine Aufgabe viel zu ernst. In jedem Erleben wittert er die Gefahr, dass wir wieder verletzt werden, also hindert er uns daran, überhaupt etwas zu erleben. Er hält uns gefangen in vertrauten Routinen, in denen nicht ein Moment echter Lebendigkeit ist, lenkt uns ab, täuscht uns etwas vor, macht uns zu Gefangenen einer Illusion. Er ist der Ursprung der eingangs erwähnten Blase, in der sich so viele von uns bewegen und nur hin und wieder ahnen, dass das nicht das echte Leben ist.

Da ist er also, der Retter und Beschützer, und für den Rest unseres Lebens müssen wir mit ihm umgehen. Nur, um es deutlich zu machen: Jeder von uns hat so einen Retter und Beschützer. Auch die allerschönste Kindheit birgt furchterregende Erfahrungen, Ängste, nicht erfüllte Bedürfnisse. Deshalb ist die Beschäftigung mit dem inneren Kind kein Vorwurf an die Eltern.

Mir hat es sehr geholfen, überhaupt zu erkennen, dass es diesen Retter und Beschützer gibt und welche Rolle er für mich spielt. Mit ihm als dritten Teil meines Innenlebens war ich allmählich in der Lage, mir eine Vorstellung meiner seelischen Landschaft zu machen. Es ist mir wichtig, zu sagen, dass alles, was ich in diesem Buch beschreibe, ein Resultat meiner Selbstbeobachtung ist und was sich mir nach längerem Wahrnehmen, Nachdenken, Fühlen und Gesprächen als wahr erwiesen hat.

Andere haben dafür den Begriff der »spirituellen Psychologie« geprägt, auf den ich im nächsten Kapitel noch eingehen werde. Es handelt sich also zum großen Teil um Erfahrungswissen aus der Begegnung mit mir selbst und erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit, auf Allgemeingültigkeit, darauf, ohne Widersprüche zu sein. Alles, was ich tun möchte, ist dir zu zeigen, was mir geholfen hat – und jeden Tag hilft.

Der Retter und Beschützer

Wenn sich in mir ein Gefühl regt, etwa die Angst, dann habe ich gelernt, mich zu beobachten und genau in mir zu forschen, woher diese Angst kommt. Ist es eine reale Gefahr? Oder ist es eine Angsterinnerung an etwas, das in der Vergangenheit liegt, für das Jetzt aber keine Relevanz hat? Oder ist es gar eine vollständige Täuschung meines Retters und Beschützers, um mich davon abzuhalten, etwas zu tun oder zu fühlen, bei dem ich etwas über mich selbst erfahren könnte?

Diese Selbstbeobachtung werde ich im Verlaufe dieses Buches noch als zentralen Teil meiner Selbstheilung beschreiben, ebenso wie meinen inneren Dialog. Ich spreche mit meinem bedürftigen Kind, höre ihm zu, zeige ihm, dass ich als Erwachsener jetzt sehr gut für meine Bedürfnisse sorgen kann und löse es so von seiner Fixierung auf den Retter und Beschützer. Ich zeige ihm, dass es den Retter und Beschützer nicht braucht. Das ist ein Prozess, der mal besser und mal schlechter gelingt.

Oder ich achte auf die Regungen meines »natürlichen Kindes«, auf seine Entdeckerfreude, seine Abenteuerlust, seine unvoreingenommene wertfreie Freude an allem, was ist. Denn in allem um mich herum drückt sich das Leben aus und ich bin ein Teil von ihm. Wenn ich im Moment sein will, dann brauche ich nur meine Umgebung zu beobachten, Notiz nehmen, ohne zu bewerten. Dann kann nur sein, was auch wirklich ist.

Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, dass es neben dem »natürlichen Kind«, dem »bedürftigen Kind« und dem »Retter und Beschützer« noch zwei weitere Anteile in mir gibt, die Aufgaben in meiner Seelenlandschaft übernehmen. Da ist zum einen mein väterlicher Anteil, der Erleben, Lernen, Handeln und Mut bedeutet, und mein mütterlicher Anteil, der im Verborgenen wirkt und Quell unendlicher Liebe ist. Liebe für mich selbst, für alle meine Anteile und für alles, was ist. Diese nunmehr fünf Anteile sind es, die in mir sind und in mir wirken, ebenso wie in dir und gemeinsam mit ihnen lässt sich alles heilen, was deine Seele vielleicht erfahren und nie verarbeitet haben mag.

Das meine ich mit dem Satz »Alles, was du brauchst, ist in dir«. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich weder Medikamente, noch Strategien noch teure Ratgeber brauchte, um mir selbst und der Heilung jeden Tag ein wenig näherzukommen. Ganz klar: Es gibt psychische Zustände und Erkrankungen, die behandlungsbedürftig sind. Doch auch da kann die Behandlung nur wirken, wenn ich wieder in Kontakt mit meinen echten Gefühlen trete und mich nicht von den durch die Krankheit vorgetäuschten in die Irre führen lasse. Selbstbeobachtung und Kontakt zu sich selbst schaden hier also nicht, sondern sind sogar die Voraussetzung.

Mir ist wichtig, dass du verstehst, dass du nicht krank bist. Du bist nicht die Depression, du bist nicht der Burnout. Du bist deine Seele in ihrem Sein. Nur, wenn du dich nach innen aufmachst, um ihr zu begegnen, dann lebst du wirklich. Und dieses Lebendigsein ist unabhängig von allen äußeren Umständen, von Erfolg oder Misserfolg, von partnerschaftlicher Liebe oder Reichtum, diese Lebendigkeit entsteht immer dann, wenn du in Kontakt mit dir selbst bist.

Du bist wunderbar hell scheinend und glänzend und auf dem Weg zu deiner wahren Seelennatur.

Wie dir das ganz einfach gelingt, im Alltag, ganz egal, wo du gerade stehst, darum geht es in diesem Buch. Ich freue mich darauf, mit dir diese Reise zu dir selbst anzutreten.

2. Was ist Gesundheit?

»Das Einzige, was wirklich hilft, ist die Selbsterkenntnis.« Dieses Zitat wird C. G. Jung zugeschrieben, dem Begründer der Jungianischen Psychologie, die heute ein wenig in Vergessenheit geraten ist.

Jung ging von einer riesigen, unentdeckten Landschaft unserer Seele aus, die über das kollektive Unbewusste mit allen anderen Seelen verbunden ist. In Träumen und Symbolen äußert sich sowohl unser Unbewusstes als auch das kollektive Unbewusste. Diese Landschaft zu ergründen und zu kartografieren, war C. G. Jungs Lebensziel. Von bewusstseinsverändernden Drogen hielt er nicht viel, denn das Bewusstsein und das Unbewusste seien viel zu groß und unbekannt, um darin »herumzupfuschen«. Für ihn war klar, dass das Leben letztlich nichts anderes ist als eine große Selbsterfahrung. Indem wir uns über das Leben selbst erfahren, erfüllen wir unseren Seelenplan. Wir lernen und erkennen, wir verstehen, dass jedes Getrenntsein nur eine Illusion ist. Alles, was ich im anderen ablehne, lehne ich in mir selbst ab. Wir sind alle eins.

Das Getrenntsein ist als Ichhaftigkeit zu verstehen. Dadurch dass wir uns nicht mit allem verbunden fühlen, fühlen wir uns allein.

Ich stelle dieses Zitat dem Kapitel über Gesundheit voran, weil in unserem westlichen, naturmedizinischen Verständnis Gesundheit die Abwesenheit von Krankheitssymptomen ist. Wenn sich unser Körper nicht bemerkbar macht, halten wir ihn für gesund.

Gleichzeitig akzeptieren wir Krankheit als scheinbar natürlichen Teil unseres Lebens. Zeigen sich Symptome, dann bekämpfen wir sie. Die Krankheit selbst als ein Symptom unserer Seele zu betrachten, die versucht, sich zu äußern, einen Mangel oder ein Zuviel auszudrücken, tun wir leicht als esoterischen Blödsinn ab.

Wir bekämpfen die Krankheit, also das Symptom, und wenn es verschwindet, dann halten wir uns für gesund. Andere, wie etwa der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky, betrachten Gesundheit als einen Prozess, der beschreibt, wo wir uns auf einem Spektrum bewegen. Bei diesem Spektrum ist Krankheit das eine Extrem, Gesundheit das andere.

Er beschäftigte sich mit dem Konzept der »Salutogenese«1, der Entstehung von Gesundheit. Dabei stieß er auf etwas, das die Traditionelle Chinesische Medizin bereits vor tausenden von Jahren entdeckt hat: Gesundheit entsteht nicht in unserem Körper, sondern in der Einheit aus Körper, Geist und Seele. Wir fühlen uns gesund, wenn die Energien in unserem Körper ungehindert fließen.

Aaron Antonovsky wollte wissen, weshalb Holocaust-Überlebende das entsetzliche körperliche und seelische Leid, das sie in den Konzentrationslagern erfuhren, zu einem großen Teil unbeschadet und ohne Spätfolgen überstanden haben. Dabei wurde ihm klar, dass es vor allem um die Sinnhaftigkeit unseres Leidens geht. Anders ausgedrückt: Wenn wir wissen, warum wir leiden, dann überstehen wir das Leiden, ob seelisch oder körperlich, sehr viel besser. Die Sinnhaftigkeit der Holocaust-Überlebenden entstand aus dem Glauben, dass sie als Juden Teil von Gottes auserwähltem Volk seien und deshalb das Leid ein Teil ihrer gottgewollten Bestimmung sei.

Für die Traditionelle Chinesische Medizin steht fest, dass Körper, Seele und Geist eins sind und in einem ständigen Austausch stehen. Der Körper kann nicht gesunden, wenn die Seele leidet, und umgekehrt. In der westlichen Medizin hingegen betrachten wir die körperlichen Symptome abgespalten von den seelischen. Wir berücksichtigen nicht, welche Rolle unser Geist und unser Bewusstsein dabei spielen. Mit unserem Bewusstsein erzählen wir uns selbst unablässig Geschichten über uns selbst. Was wir dabei vergessen, ist, dass in dieses Bewusstsein auch unbewusste Prägungen, etwa aus unserer frühen Kindheit, einfließen.

Wie ich schon im ersten Kapitel anklingen ließ, ist niemand von uns ohne frühkindliche Verletzungen. Das liegt nicht daran, dass wir alle schlechte Eltern haben, im Gegenteil, die meisten Eltern würden alles tun, um ihre Kinder vor Schaden zu bewahren, und geben sich alle Mühe, sie liebevoll und aufmerksam zu versorgen.

Doch Eltern sind, wie im Beispiel mit dem Schreienlassen im ersten Kapitel deutlich wurde, auch dem Außen unterworfen und folgen in ihrer Angst, alles richtig zu machen, vielleicht lieber der aktuellen Expertenmeinung als ihrem Gefühl.

Eltern waren selbst einmal Kinder und tragen entsprechende Verletzungen mit sich herum. Ohne eine bewusste Aufarbeitung, ein Sich-selbst-Begegnen und ohne die Wurzel des Schmerzes zu erkennen, werden diese Verletzungen weitergegeben.

Dazu ein Beispiel: