Elvis. A Life In Music - Ernst Jorgensen - E-Book

Elvis. A Life In Music E-Book

Ernst Jorgensen

0,0

Beschreibung

Zum ersten Mal in deutscher Sprache erhältlich und vollständig aktualisiert und überarbeitet erzählt Elvis Presley - A Life In Music die faszinierende Geschichte von Elvis Presleys außergewöhnlicher musikalischer Karriere. Als Verwalter von Presleys Katalog mit exklusivem Zugang zu RCAs Archiven erweckt Ernst Jorgensen jede einzelne Minute, die Elvis im Aufnahmestudio verbracht hat, zum Leben: von seinen ersten unbeholfenen Aufnahmeversuchen bis hin zur unglaublich kreativen Phase seiner späteren Karriere. Dieses Buch erzählt die Geschichte jeder einzelnen Aufnahme-Session, liefert Hintergrundinformationen zu allen beteiligten Musikern und Songwritern und blickt hinter die Kulissen aller Proben, Live-Aufnahmen und TV-Auftritte. Der Leser erhält so einen Einblick in das musikalische Denken und Schaffen von einem der größten Künstler, der je gelebt hat, und hält zugleich ein umfassendes Nachschlagewerk zu allen offiziell veröffentlichten Songs und Tonträgern in den Händen. Eine spannende, oft überraschende Reise zu den Ursprüngen eines musikalischen Vermächtnisses, die einen weiten Bogen um alle Skandale und Gerüchte um die Figur Elvis Presley macht und sich stattdessen auf das konzentriert, wofür der King noch heute auf der ganzen Welt verehrt wird: seine Songs. - Vollständige Aufnahmeinformationen zu jeder Session zwischen Sommer 1953 und Sommer 1977. - Alle offiziellen Tonträger von 1954 bis 2016. - Vollständige diskografische Informationen, inklusive privater Aufnahmen, Konzertmitschnitten und Alternate Takes. - Mehr als 150 Fotos in Farbe bzw. Schwarz und Weiß.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 1351

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cosoc Grand PalacePublishing

ELVISPRESLEY

A Life In Music

Die kompletten Aufnahme-Sessions 1953 – 1977Alle offiziellen Tonträger 1954 – 2016

Ernst Jorgensen

Aktualisierung: Helmut Radermacher

ELVIS PRESLEY: A LIFE IN MUSIC

Copyright © 2016, Cosoc Grand Palace Publishing

Originalausgabe: St. Martin’s Press, New York

Übersetzung des englischen Originals: Michael Widemann

Aktualisierung: Helmut Radermacher

Layout: Mattias Schelbert

Satz: Christian W. Huber

Coverdesign: Stephan Eibel

Cover Satz: Claudia Nothhelfer

www.cosoc.de

Alle Texte und Bilder sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Ausgenommen hiervon sind auszugsweise Zitate mit Quellenangabe. Alle Rechte vorbehalten.

Vielen Dank für die Erlaubnis zur Verwendung der Bilder in diesem Buch: Showtime Archives (Toronto) / Colin Escott, Motion Picture & Television Photo Archive, RCA Record Label Archive, Ger Rijff, Roger Semon, Joseph A. Tunzi / JAT Publishing und Elvis Presley Enterprises Inc. Fotos vom 14. April 1956, © Don Cravens / Time Inc. Fotos vom 2. Juli 1956, © Alfred Wertheimer. Alle Rechte vorbehalten. Foto vom 23. April 1977, © Bob Heis.

Cover: Aufnahme des Loving You Soundtrack auf der Paramount Soundstage, Januar 1957, © Bill Avery / MPTV Rückseite: Proben zu „That’s The Way It Is“, The International Hotel, August 1970; mit freundlicher Genehmigung von JAT Enterprises

CGP1001

ISBN 3-86543-958-1

eISBN 978-3-98210-164-4

Printed in the EU

INHALT

Danksagung

Vorwort Peter Guralnick

Vorwort Helmut Radermacher

Einleitung

Legende zu den Session-Informationen

Abkürzungen und Fachbegriffe

1935-55 Musik liegt in der Luft

1956 Es geschah alles so schnell

1957 The King of Rock’n’Roll

1958 Das Ende der Straße

1958-59 Goethestraße

1960 Elvis Is Back

1961 Ein Bild zeichnet sich ab

1962-63 Die Formel

1964-65 Auf Irrwegen in Hollywood

1966 How Great Thou Art

1966-67 Double Trouble

1967-68 Harte Zeiten

1968 Das Comeback

1969 From Elvis In Memphis

1969 Wieder am Leben

1969 Ein Wiedersehen in Nashville

1970 Obenauf

1971 Unerreichbare Träume

1972 Separate Ways

1973 Aloha From Hawaii

1974-75 T-R-O-U-B-L-E

1976-77 Elvis Leaves The Building

1980-2010 - Die Jahre danach

Diskografie: Die deutschen Singles 1956-2015

Diskografie: Die deutschen EPs 1956-1983

Diskografie: LPs USA und Deutschland 1956-2000

Diskografie: LPs / CDs RCA 1956-2015

Diskografie: CDs Follow That Dream 1999-2016

Diskografie: LPs / CDs Helmut Radermacher 1979-2014

Index

Danksagung

Ernst Jorgensen

Ohne gleich tiefstapeln zu wollen, möchte ich behaupten, dass dieses Buch ohne die umfassende Unterstützung von Erik Rasmussen, Alexandra Guralnick und Peter Guralnick nicht möglich gewesen wäre. Solltet ihr jemals vergessen, wie wichtig ihr für dieses Projekt gewesen seid, ruft mich einfach an und ich werde eurem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.

Mein aufrichtiger Dank für eine wundervolle Zeit gilt Calvert D. Morgan von St. Martin’s Press. Du hast das Endlektorat zu einer wahrlich aufregenden Erfahrung gemacht. Offen gesagt gab es eine Zeit, in der ich glaubte, ich wäre der Experte. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher!

Mein Dank gilt auch:

Mary und Felton Jarvis;

Carmen Fanzone von der American Federation of Musicians in Los Angeles und Harold Bradley und Buddy Harman von der Nashville Union für ihren Einsatz, der weit über ihre Pflicht hinausging;

den vielen Angestellten von RCA Records, die mir im Lauf der Jahre halfen: Joan Deary, Rocco Laginestra, Gregg Geller, Ole Jochimsen, Bruce Hailstalk, Bernadette Moore, Steve Sholes, Joyce Triplett, meinem guten Freund Chick Crumpacker und seiner Frau Bunny, und meinem wundervollen Kollegen Roger Semon;

den Produzenten, Tontechnikern und Musikern: Steve Binder, David Briggs (Ich glaube, ich habe dich zu Tode gelangweilt, aber du hast es gut weggesteckt), Tom Brown, Tony Brown, Hayward Bishop, Hal Blaine, James Burton, Kenneth Buttrey, Jerry Carrigan, Al Casey, Floyd Cramer, Jimmy Day, Ray Edenton, D. J. Fontana, Tilman Frank, Emory Gordy, Bones Howe, Jerry Kennedy, Jim Malloy, Charlie McCoy, Bob Moore, Scotty Moore, Mike Moran, Shaun Nielsen, Thorne Nogar, Ron Olson, Al Pachucki, Knox Phillips, Sam Phillips, Sandy Posey, Norbert Putnam, Thurl Ravenscroft, Gordon Stoker, Billy Strange, Sonny Trammel, Ray Walker, Margaret und Alton Warwick, Richard Weise, Bobby Wood, Chip Young und Reggie Young;

und anderen: Freddy Bienstock, Trevor Cajaio, Al Cooley, Joe Esposito, Lamar Fike, Barbara Franchino, Paal Granlund, Johnny Mikkelsen, Bent Moeller, Red und Pat West, Charlie Hodge, Gary Hovey, Gregg Howell, Scott Perry, Randy Pope, Ger Rijff, Shelly Ritter, Bernhard Seibel, Jerry Schilling, Tom Schultheis, Jack Soden, Mike Stoller, Joe Tunzi, Morten Vandborg, Ben Weisman und Larry Zwisohn.

Vorwort

PETER GURALNICK

Als ich ein kleiner Junge war, brachte mir mein Großvater einige wichtige Lektionen bei. „Halte durch“, war eine davon. „Keep the faith, baby“ (nach Adam Clayton Powell) war eine weitere. Die Grundaussage all dieser Sprüche war dieselbe wie die, die ich später von Wilson Picketts 99 1/2 Won’t Do übernehmen sollte, nämlich die, dass man niemals aufgab. Lange nachdem andere vielleicht dachten, die Schlacht wäre vorbei, machte man weiter. Ich war der Meinung, dies wäre eine Lektion, die man nicht toppen könnte. Doch manchmal treibt es Ernst Mikael Jorgensen zu weit.

Ich traf Ernst zum ersten Mal wegen Elvis – natürlich. Wir hatten bereits seit einiger Zeit immer wieder telefoniert und waren miteinander im Briefwechsel gestanden, als Ernst nach New York kam, um an dem 50er Jahre 5-CD-Box-Set Elvis: The King Of Rock’N’Roll für RCA zu arbeiten. Ich hatte mich zu jenem Zeitpunkt bereits seit fünf Jahren an dem ersten Band meiner Elvis-Presley-Biographie abgemüht und Ernst hatte mich die letzten zwei oder Jahre davon mit lästigen Sachfragen genervt, die ausnahmslos gute Geschichten in einem zweifelhaften Licht erschienen ließen. Während ich ihm dabei über die Schulter schaute, wie er sorgfältig die Sammlung zusammen stellte, beobachtete, wie er sich weigerte, selbst noch so aussichtslose Spuren abzuschreiben, längst verschollene Bänder auftrieb, die definitiv verschollen bleiben wollten, und penibelst deren Sound studierte, wurde mir klar, dass er sich selbst gegenüber wahrscheinlich genauso hart war wie mir gegenüber. Als wir dann einige Zeit später das ehemalige RCA-Studio in New York besuchten, wo Elvis Hound Dog und Don’t Be Cruel aufgenommen hatte (es war mittlerweile ein Lehrstudio fürs Fernsehen in einem Gebäude, das der Baruch University gehörte), und Ernst insistierte, dass die Anordnung der Akustikplatten an der Wand eindeutig darauf hinwies, dass hier bereits vor Elvis’ erstem Besuch in New York – oder das was wir für den ersten Besuch gehalten hatten – Promofotos aufgenommen worden waren, wurde mir klar, dass ich mich in der Gegenwart entweder eines Wahnsinnigen oder eines großartigen Detektivs befand. Ich freue mich behaupten zu können, dass weitere Recherchen Ernst Recht gaben, was mich dazu bewog, mich für letztere Kategorie zu entscheiden.

Selbstverständlich wird kein Leser dieses Buchs solche Zweifel hegen. Elvis Presley: A Life in Music ist ein Triumph aufrichtiger Forschung – und noch viel mehr als das. Was dieses Buch so wundervoll macht, ist das Gefühl einer sich entfaltenden Geschichte, eines differenzierten Bildes, das sich nicht allein aus bloßen Fakten heraus kristallisiert, sondern auch aus der Klarheit einer Vorstellungskraft, gepaart mit scharfsinnigem und kritischem Denken. Auf den Seiten dieses Buchs werden Sie nicht nur alles erfahren, was Sie jemals über die Aufnahme-Sessions von Elvis Presley wissen wollten. Dies ist eine Geschichte, die mit Anmut erzählt wird, mit Verständnis und mit Differenziertheit und ein weitaus breiteres Gebiet erschließt, um schließlich unweigerlich an der Schnittstelle zwischen Business und Kreativität anzugelangen.

Doch selbst nachdem er nun sein Magnum Opus fertiggestellt hat, würde ich mir nicht anmaßen Ernst zu fragen, ob er seine Recherchen damit beendet hat. Wie könnte er auch, wenn er die weiter oben zitierten Maximen in Gedächtnis behält? Ernst, da bin ich mir sicher, wird unverdrossen seine Forschungen weiterführen und dabei seine unerschütterliche Ruhe beibehalten, sich weiterhin für sein makelloses Englisch entschuldigen, seine Angst bekräftigen, Amerika wäre noch nicht bereit für ihn (gut, da hat er Recht) und uns nicht nur mit der wissenschaftlichen Vortrefflichkeit seiner Arbeit und dem Erfolg der maßgeblichen Wiederveröffentlichungen, die er zusammen mit Roger Semon bei RCA betreibt, in Verlegenheit bringen, sondern mittlerweile auch mit dem Ausmaß seines umfassenden Wissens.

Vorwort

HELMUT RADERMACHER

Es gibt Tausende von Elvis-Büchern, aber wichtige in deutscher Sprache kann man an ein oder zwei Händen abzählen. Und ausgerechnet das wichtigste aller Bücher, eines über Elvis’ Studioarbeit und seine Live-Auftritte mit allen Informationen zu allen Songs, erscheint jetzt erstmalig in Deutsch.

1997 nannte Ernst Jørgensen eine neue RCA-Box über Elvis A Life In Music, es war die sogenannte Platinum-Box. Dieser Titel ist natürlich optimal für das Werk des Jahrhundert-Künstlers Elvis Presley. Kein Wunder, dass Ernst sein Buch, das nun vor Ihnen liegt, ebenfalls so benannte und so erhielten wir 1998 das Buch A Life In Music – The Complete Recording Sessions.

1999 schrieb er, zusammen mit Peter Guralnick, ein weiteres Buch – Day By Day. Dieses großformatige Nachschlagewerk der Elvis-Zeit von 1935 bis 1977, mit tatsächlich vielen täglichen Einträgen, gilt heute ebenfalls als Standard, als Muss für die Fans, die wirklich Interesse an Elvis zeigen (nur in Englisch). Dieses Buch wurde nur 2012 übertroffen von Ernsts über 500 Seiten-Werk über den Boy From Tupelo mit drei beiliegenden CDs, die alles beinhalten, was von Elvis vor seiner RCA-Zeit (von 1953-1955) als Output noch vorhanden ist.

1999 kam auch die erste FTD-CD auf den Markt, von dem Sammler-Label Follow That Dream für den wahren Elvis-Fan, oder besser Elvis-Kenner. Nun klingt es logisch, ja, es ist sogar überfällig, dass das erstgenannte Buch nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch als Update erscheint, mit Allem, was 1998 nicht erwähnt werden konnte, danach jedoch veröffentlicht wurde, jetzt also lückenlos dem Leser dieses Buches vorliegt.

Von FTD gibt es – bis Ende 2015 – exakt 145 CDs, viele davon sogar als Doppel-CD, also ca. 200 CDs in nur 16 Jahren. Und natürlich gab es den Großteil davon vorher nicht zu kaufen, da es Aufnahmen sind, die man bis dato hinter verschlossenen Türen gehalten hatte – Proben, Takes, Konzerte usw. Ein Paradies für alle begeisterten Musikliebhaber weltweit. Und die Optik stimmt auch noch. Die meisten CD-Hüllen sind im „großen“ Format, ähnlich einer Single, aufklappbar mit sehr guten Booklets, die vor Informationen nur so strotzen. Klar, Ernst hat ja auch Zugang zum „Allerheiligsten“, dem riesigen Archiv der Elvis Presley Enterprises (EPE), die sich um das Erbe von Elvis Presley kümmern. Sogar die kompletten Unterlagen von Elvis-Manager Thomas Parker wurden dort nach dessen Tod eingelagert, sind jetzt also in diversen Büchern und eben auch in diesen Booklets zu finden.

Diese CDs sind in der Regel nur über Fanclubs oder spezielle Elvis-Händler zu bekommen, aber auch in den Shops gegenüber von Graceland ist mehr oder weniger das komplette Sortiment käuflich zu erwerben. So manch einer entdeckt diese Schätze dort zum ersten mal, muss also die Reisekasse ordentlich plündern. Aber so sind wir nun mal, diese verrückten Sammler, die von ihrem „King“ alles besitzen wollen.

Und FTD ist noch nicht am Ende: Wir warten noch auf viele weitere Outtakes, Konzerte und Raritäten.

Es hat unglaubliche Freude bereitet, dieses Buch auf den neuesten Stand zu bringen, alle RCA- und FTD-Veröffentlichungen zu ergänzen.

An dieser Stelle möchte ich Robert Schwarzgruber aus Linz, Österreich, danken. Er ist auch bei meinem Magazin GOLDEN BOY ELVIS (www.goldenboyelvis.de) für den Fakten- und Daten-Check zuständig, hat auch das richtige Gespür und Gehör, um herauszufinden, an welchen Stellen RCA bzw. FTD Gesprächsfetzen oder Musikteile verschoben haben; er weiß genau, wohin sie eigentlich gehören. Und natürlich hat er, wie ich auch, alle Songs von Elvis in allen Variationen, ob Studio oder Live, vorliegen, sodass so ein absoluter Vergleich erst möglich ist. Uns beiden ist bei der Arbeit an diesem Update noch mehr bewusst geworden, wie viel Songmaterial von Elvis zwischen 1954 und 2016 bereits an Songs, Takes, Live-Versionen usw. regulär erschienen ist. Der Fan sollte sich keineswegs über noch nicht auf CD gepresste Schätze aus dem Archiv ärgern; wird werden noch ordentlich „bedient werden“. Danke für die gute Team-Arbeit.

Wir haben auch kleine Fehler aus dem Buch von 1998 ausgebügelt. Alles soll so wahrheitsgetreu wie nur möglich sein. Mein Dank geht auch an Robert Flecht von der täglichen Elvis-News-Seite www.Elvis-Memories.de, die im Vorfeld zur Veröffentlichung des Buches dieses entsprechend publik machten.

Ebenso danke ich der Elvis Presley Gesellschaft www.EPG-ev.de, die das Buch ebenfalls frühzeitig vorgestellt haben.

Eins steht fest – Es macht nach wie vor Spaß, Elvis-Fan zu sein.

Einleitung

Ich habe immer gespürt, dass eines Tages, irgendwie, etwas geschehen würde, das alles für mich ändern würde. Und ich habe dann vor mich hingeträumt, wie es wohl sein würde.

– Elvis Presley, August 1956

Ich erinnere mich an diese Träume – nicht an die von Elvis, sondern an meine eigenen: Diese intensive Sehnsucht, dass etwas geschehen möge, dass mein Leben doch irgendwie anders sein soll als all seine vorhersehbaren Elemente, seine Garantie einer anscheinend sicheren, langweiligen Zukunft eines Kindes, das in Dänemark aufwuchs.

Während ich morgens um halb sechs mit dem Fahrrad durch den Schnee zum Postamt fuhr, hatte ich ausreichend Zeit zum Träumen. Als Teenager musste ich meinen Lebensunterhalt und mein Studium an der Universität von Kopenhagen selbst finanzieren, indem ich morgens als Postbote arbeitete, doch es war sicher nicht meine vorhersehbare Zukunft als Lehrer, die mir an jenen kalten Morgen im Kopf herum spukte, während ich die Post austrug. Meine Träume drehten sich vielmehr darum, dass ich irgendwie etwas mit Elvis Presleys Musik zu tun haben wollte. Dass ich verstehen würde, wie, wann und warum sie zustande kam. Und dass ich schließlich eines Tages auch begreifen würde, warum sie einen größeren Einfluss auf die Welt zu haben schien als jede andere Art von Musik, die ich kannte.

Ich war nicht alt genug, um mich an die Anfänge von Elvis Presley zu erinnern, damals, als er die kontroverse neue amerikanische Gesangssensation der 50er war. Man konnte seine Platten in Dänemark nicht vor Ende 1958 kaufen, und davon abgesehen bekam ich erst 1963, im Alter von dreizehn Jahren, einen Plattenspieler. Wie so viele andere Europäer kam auch ich hauptsächlich mit Elvis’ Material aus den frühen 60ern in Kontakt, mit Stücken wie It’s Now Or Never, Are You Lonesome Tonight?, Can’t Help Falling In Love und dem einen Song, der mich wirklich faszinierte – Little Sister. Für die meisten Teenager ging es bei Musik vor allem darum, einen Standpunkt zu beziehen. In meinem Land hatte man nur zwei Alternativen – Elvis Presley und Cliff Richard aus England – und wenn deine Position auch nicht definierte, wer du warst, so gab sie doch zumindest einen Anhaltspunkt, welche Art von Person du sein wolltest. Doch all das änderte sich sehr schnell – schon bald lautete die Wahl Beatles oder Rolling Stones – und im Verlauf der nächsten paar Jahre verschwand Elvis langsam von der Bildfläche und nur die wirklich eingefleischten Fans gaben zu, dass sie nach wie vor Elvis-Presley-Platten kauften.

Ich war keiner dieser eingefleischten Fans. Ich kaufte Platten von den Stones und Dylan und später dann von den Doors und Jefferson Airplane. Doch ich begann auch damit, die frühen Presley-Platten zu sammeln – eine Schatztruhe wundervoller, unbekannter Musik. Schon bald war ich nicht nur von Rock’n’Roll fasziniert, sondern auch von der Musik, aus der der Rock’n’Roll hervorgegangen war, und das öffnete mir neue Türen zu Country, R&B und Gospel. Ich hatte keinerlei Probleme damit, Jimi Hendrix’ und Mahalia Jacksons Alben hintereinander zu spielen.

Meine anderen großen Interessen während jener Jahre waren ein unersättliches Verlangen nach Detektivromanen und ein anhaltendes Interesse an den Geschichtskursen, die ich an der Schule besuchte. Irgendwie liefen all diese Interessen in meiner Beschäftigung mit Elvis Presley zusammen. Für mich war es unmöglich, meinen frühesten Helden einfach aufzugeben, doch ich war immer noch mit den historischen Widersprüchen, den Rätseln seiner Musik konfrontiert: Wie er binnen weniger Monate von dem vollkommen lächerlichen Old MacDonald zu dem meisterlichen Big Boss Man gelangen konnte. Irgendwann fand ich dann zwei neue Freunde, Johnny Mikkelsen und Erik Rasmussen, die nicht nur meine Leidenschaft für Musik teilten, sondern genauso fasziniert waren von Elvis Presley wie ich – und die, genau wie ich, unendlich verwundert waren über die absolute Widersprüchlichkeit und unberechenbare Logik seiner Aufnahmen und über die Art und Weise, wie diese veröffentlicht wurden. Zusammen begannen wir Informationen über Elvis’ Musik zu sammeln, nur um zu erfahren, dass Elvis’ Plattenfirma und Management eine strikte „Kein Kommentar“-Politik verfolgten. Aufnahmedaten, Musiker, Hintergrundinformationen – dies alles war für die Öffentlichkeit tabu.

Meine Freunde und ich ließen uns nicht leicht entmutigen. Schon bald schrieb ich Briefe an seine Plattenfirma, an Sessionmusiker, Gewerkschaftsbüros, Tontechniker – an praktisch jeden, von dem wir dachten, er hätte vielleicht ein paar Antworten. Bestenfalls schrieb vielleicht einer von zehn zurück, doch so waren wir Stück für Stück in der Lage, unsere Sammlungen von Presleys Aufnahmen zu organisieren und viele der Fragen zu beantworten, die wir (und zweifelsohne viele andere Elvis-Fans auch) hatten. Wir erzielten einen ersten bedeutenden Durchbruch, als wir an alle frühen Unterlagen von Steve Sholes herankamen; einen weiteren, als RCA-Präsident Rocco Laginestra Joan Deary bat, uns eine komplette Liste mit Seriennummern von Elvis’ Mastern zu schicken; und schließlich als Elvis’ Produzent Felton Jarvis mit uns zu korrespondieren begann. Doch zu keiner Zeit waren wir Drei stolzer als in dem Moment 1974, als uns Felton eine komplette Liste der Stax-Sessions zuschickte, die er einige Monate zuvor mit Elvis abgehalten hatte, und damit den drei dänischen Forschern ungefähr zehn neue Titel verriet, die erst zwölf Monate später veröffentlicht werden sollten.

Und irgendwann erlangt man dann bei solchen Unternehmungen einen gewissen Ruf und die Türen öffnen sich nach und nach ein wenig einfacher. Für uns kam dieser Zeitpunkt erst nachdem wir ein paar kleine Infobroschüren mit all den von uns zusammengetragenen Informationen veröffentlicht hatten. Plötzlich erhielten wir Rückmeldungen in Form von Zusätzen, Korrekturen und ganz allgemein Zuspruch von Gleichgesinnten aus der ganzen Welt.

Da ich nach wie vor von einem anderen Leben träumte, verließ ich schließlich die Universität für eine Laufbahn in der dänischen Tonträgerindustrie und wurde letztendlich Geschäftsführer für die kurz vor der Eröffnung stehende Niederlassung von BMG in Kopenhagen. BMG hatte erst zwei Jahre zuvor, 1986, RCA Records übernommen, und auf einmal arbeitete ich bei der Firma, der Presleys Aufnahmen gehörten. Einige Leute bei dem Label hatten bereits von mir und von meinem Interesse an Elvis gehört. Tatsächlich war es sogar so, dass einige Abteilungen von BMG unser aktuellstes „Recording Sessions Booklet“ als Leitfaden für den enormen Presley-Katalog hernahmen. Zwei Jahre zuvor hatte ich mich mit Roger Semon, RCAs geschäftstüchtigem Marketing-Direktor in London, zusammengetan und ihm dabei geholfen, einige Presley-Alben speziell für Europa zusammenzustellen. Als wir dann plötzlich für dieselbe Firma arbeiteten, begannen wir unserer gemeinsamen Sorge darüber Ausdruck zu verleihen, wie mit dem Presley-Katalog umgegangen wurde, und waren überrascht, als sich das neue deutsche internationale Management als äußerst entgegenkommend und ermutigend erwies.

Das Musikgeschäft ist so turbulent wie jedes andere auch, und ein paar Jahre später sah es so aus, als würden sowohl Roger Semon als auch ich schon bald die Firma verlassen, als plötzlich ein weiteres unerwartetes Ereignis eintrat. Aus heiterem Himmel fragte die New Yorker Niederlassung von RCA an, ob wir nicht für sie ausschließlich an der Aufarbeitung des Elvis-Presley-Katalogs arbeiten wollten. Die Organisation der Veröffentlichungen und Überprüfung der Bänder, ein Prozess an dem ich damals bereits seit neun Jahren gearbeitet hatte, hat mir die Möglichkeit gegeben, jedes Band im RCA-Archiv anzuhören. Ich habe buchstäblich Tausende von Stunden damit verbracht, Elvis’ Musik zu katalogisieren und dabei über zufällig aufgenommen Gesprächsfetzen zwischen den einzelnen Songs gebrütet, nach Hinweisen gelauscht, alle möglichen Fakten und Daten überprüft, und das Alles in dem Bestreben, jeden einzelnen Aspekt von Elvis’ Aufnahmen zu rekonstruieren. Als Folge davon lernte ich viele der Leute kennen, die mit Elvis und seiner Musik gearbeitet hatten – jeder neue Kontakt eine weitere Gelegenheit, an mehr Insiderinformationen zu gelangen. Diesen Prozess verfolgen wir noch heute, und es bleibt noch viel zu tun.

Als Elvis starb, hatte es den Anschein, als wäre jede Perspektive auf seine musikalische Karriere verloren gegangen. Von dem ausgesprochenen Spott der Boulevardpresse bis hin zur beinahe religiösen Verehrung der leidenschaftlichsten Fans – jeder Wunsch, den Sänger Elvis Presley zu verstehen, schien nahezu vollkommen überdeckt zu werden von der unvermeidbaren Tatsache seiner Berühmtheit und den nicht enden wollenden Geschichten über Essgewohnheiten, Freundinnen, Medikamentenabhängigkeit und alles, was dazu gehört. Zu seinen Lebzeiten wurde nur eine maßgebliche Biographie veröffentlicht: Elvis von Jerry Hopkins. Seit dem 16. August 1977 sind Hunderte von Büchern erschienen. Einige versuchen aufrichtig, ein populäres Phänomen zu erklären, doch viele wollen aus diesem Phänomen lediglich Kapital schlagen oder, in den meisten Fällen, den Autor ins Zentrum von Elvis’ Leben rücken. Mit Albert Goldmans Buch haben diese Manipulationen einen neuen alarmierenden Höhepunkt erreicht, da Fakten neu arrangiert wurden, um zu den persönlichen Interessen des Autors zu passen, und eine Rhetorik der Geringschätzung an die Stelle ehrlicher Bewertung trat. Genau diese Zerrbilder waren es, die den Wunsch in mir weckten, so gut ich nur irgend konnte, die Dinge – und die Aufnahmen – ins rechte Licht zu rücken. Dieses Buch, zusammen mit den vielen Wiederveröffentlichungen, die Roger Semon und ich für RCA/BMG produziert haben, ist das Ergebnis.

Wie jeder andere Autor auch, werde auch ich Fehler gemacht haben. Zweifellos habe ich einige Situationen falsch interpretiert, oder die eine oder andere interessante Information ausgelassen. Doch zwischen den Deckeln dieses Buchs stecken mehr Fakten über Elvis’ Musik und Aufnahmen als in jedem anderen Buch. Es ist der Versuch, so viel wie möglich zu vermitteln, und zwar nicht nur über die Einzigartigkeit von Elvis’ Karriere, sondern auch über deren schiere Gewöhnlichkeit.

Dieses Buch ist so subjektiv wie jedes andere auch, da bin ich mir sicher, doch ich hoffe es gibt Ihnen die Gelegenheit, sich Ihre eigene Meinung zu bilden, in die Musik einzutauchen und dieselben endlosen Stunden an Spaß und Hörvergnügen zu erleben wie ich. Meine Hoffnung und mein Ziel ist es, dass die Geschichte, die ich auf diesen Seiten erzähle, das Phänomen Elvis Presley leichter zu verstehen macht, und zwar durch die Betonung dessen, was die Grundlage von allem ist: seine Musik.

Wie der andere Elvis (Costello) sagte: My aim is true.

– Ernst Jorgensen

Dänemark, 1997

Legende

ZU DEN SESSION-INFORMATIONEN

Abkürzungen und Fachbegriffe

Informationen zu den Remixen der LPs / CDs Our Memories Of Elvis

Diese Master-Remixe für die beiden damaligen LPs (1979) wurden erstellt, um den Fans den „puren“ Elvis zu bieten - ohne die teils überladenen Songs mit Streichern, Bläsern, Chören usw. Aber man hat damals eben nicht auf die tatsächlichen Mastertakes, wie sie im Studio entstanden, zurückgegriffen. Es wurden die Original Masterbänder genommen, dann daraus einen neuen Mix produziert, bei dem man den Großteil der nachträglichen Overdubs aussparte. Der Chor jedoch sang meistens zusammen mit Elvis im Studio, war also deshalb bei den Aufnahmen noch zu hören. So vernimmt man nun hier Versionen, die eigentlich nicht so gedacht waren. Oft ertönt im Hintergrund noch leise der Sound der Background-Sänger, da der auch am Aufnahmetag, bedingt durch das Elvis-Gesangsmikrofon im Studio, immer noch wahrzunehmen ist.

1935 - 55

MUSIK LIEGT IN DER LUFT

Als Elvis Presley am 8. Januar 1935 zur Welt kam, war die Musik, die er eines Tages berühmt machen sollte, bereits überall um ihn herum. Sie war in den Kirchen, in den Kneipen, an den Straßenecken, im Radio, überall dort, wo Freunde sich versammelten. Alle Elemente, die er letztendlich in seiner Musik vereinte, ganz egal wie er oder der Lauf der Zeit diese noch veränderten, waren bereits Teil des Lebenselixiers von East Tupelo, Mississippi, und der Südstaaten Amerikas.

39 Jahre nach jenem Januartag fand Elvis sich in den Stax Studios in Memphis wieder, einem jener zahlreichen musikalischen Schmelztiegel, die in den zwanzig Jahren seit seinen ersten professionellen Gesangsversuchen aus dem Boden geschossen waren. Ein paar Zeilen eines Stückes, an das er sich nur vage erinnern konnte, Columbus Stockade Blues, kamen ihm in den Sinn, und wie er es schon so viele Male zuvor getan hatte, sang er sie vor sich hin, für sich selbst genauso wie für jeden anderen, der ihm zuhörte. Sein Cousin Billy Smith war auch anwesend, und Elvis witzelte: „Mann, der Song ist alt. Den hab ich schon gesungen als ich drei Jahre alt war.“ Zumindest chronologisch gesehen war das möglich: Der Titel war zum ersten Mal 1927 von Thomas Darby und Jimmie Tarlton aufgenommen worden, im selben Jahr, in dem sowohl Henry Burr als auch Vaughn Deleath große Hits mit Are You Lonesome To-Night? gehabt hatten. 1938 war das Stück dann bereits fest etabliert. Die Musik, die Elvis in diesem und in jedem anderen Jahr seiner Kindheit aufsaugte, die Musik, die er liebte und sang und aufnahm, kam aus jedem Genre und aus jeder Gesellschaftsschicht.

Nichts bedeutete ihm mehr als die Musik der Kirche. In einem Zitat, das in den Liner Notes zu seinem ersten religiösen Album abgedruckt wurde, erinnerte sich seine Mutter Gladys: „Als Elvis noch ein kleiner Kerl war, ist er immer von meinem Schoß gerutscht, durch den Gang gerannt und auf die Bühne geklettert. Da stand er dann, schaute zum Chor hinauf und versuchte mitzusingen. Er war natürlich zu klein, um die Texte zu kennen, aber er konnte die Melodie halten.“ Während Elvis noch Kniebundhosen trug, bereitete sich das Golden Gate Quartet auf seine ersten Aufnahmen vor, darunter einige Stücke, die Elvis später singen und aufnehmen sollte. Er war bekannt dafür zu sagen: „Ich kenne praktisch jedes religiöse Lied, das jemals geschrieben wurde.“ Elvis führte häufig Country & Western (C&W), Rhythm & Blues (R&B) und Gospel als musikalische Inspirationen an, doch er kannte auch – und liebte – das Material von Popstars wie Dean Martin und Bing Crosby und selbst von opernhaften Sängern wie Mario Lanza. Sein ganzes Leben lang, sowohl im Privaten als auch in der Öffentlichkeit, summte er, sang er, spielte er und nahm Songs auf, die er aus seinem musikalischen Gedächtnis hervorkramte, so als würde er sich und jeden in seiner Umgebung daran erinnern wollen, wo alles seinen Anfang genommen hatte.

Man kann unmöglich mit Bestimmtheit sagen, wann Elvis beschloss, Musiker zu werden. Später erinnerte er sich daran, dass sein Vater zu ihm sagte: „Ich habe nie einen Gitarristen gesehen, der auch nur einen Pfifferling wert gewesen wäre.“ Doch es war auch sein Vater, dessen angenehmen Bariton man im Presley-Haushalt während Elvis’ Kindheit Gospel- und Country-Stücke singen hörte. Seine Eltern schenkten ihm seine erste Gitarre, seine Onkels gaben ihm seine ersten Unterrichtsstunden. Das früheste Anzeichen ließ sich vielleicht im Alter von zehn ausmachen, als er bei der Mississippi-Alabama Fair die Bühne erklomm, sich auf einen Stuhl stellte und mit Red Foleys Old Shepden fünften Platz bei einer Talentshow belegte. Später, so wissen wir, drückte er sich bei Tupelos Radiosender WELO herum, in der Hoffnung, dass die lokale Berühmtheit, der Sänger Mississippi Slim, ihm ein paar Akkorde zeigte oder ihm ein paar Geschichten über die Stars erzählte, die er getroffen hatte. In diesem frühen Teenager-Alter schien er die Musik als seine Zukunft auserkoren zu haben.

Die kleine Familie – Vernon, Gladys und Elvis – zog 1948 nach Memphis und in eine neue musikalische Umgebung. Memphis war kosmopolitisch. Die Beale Street atmete den Blues, und die Radiosender der Region spielten so genannte „Race Records“ mit der Musik, die später als Rhythm & Blues bekannt werden sollte. Es gibt viele Geschichten über den Teenager Elvis, wie er sich an den verschiedenen musikalischen Schauplätzen der Stadt herumtrieb – die einen fundiert, andere wiederum nicht – doch jeder erinnert sich daran, wie er ihn singen hörte und ihn mit seiner Gitarre sah, und vielen fiel auch sein verändertes Aussehen auf. Gegen Ende seines letzten Schuljahrs hatte er bereits ganz bewusst versucht, sich von seinen Klassenkameraden abzuheben und sich seinen persönlichen Dresscode direkt aus dem Schaufenster der Lansky Brothers zugelegt. Doch selbst als er allmählich begann, sich nach und nach dem Look der R&B- und Honky-Tonk-Stars anzupassen, so schien er selbst doch nichts außer Balladen gesungen zu haben. Nachdem er berühmt geworden war, erinnerte er sich, bis zu seiner ersten offiziellen Aufnahme-Session niemals „einen schnellen Song gesungen“ zu haben. Dixie Locke, in jenen Jahren seine feste Freundin, erinnert sich, von ihm ausschließlich Stücke wie Tomorrow Night und My Happiness gehört zu haben. In den Lauderdale Courts, wo er während seiner frühen Highschool-Tage mit seiner Familie lebte, hörten ihn die Nachbarn Lieder singen, die Bing Crosby, Eddy Arnold und Joni James berühmt gemacht hatten. Er unternahm ein paar halbherzige Versuche einige der älteren, erfahreneren und ehrgeizigeren Musiker in den Courts dazu zu bringen, ihm das eine oder andere beizubringen, doch dies erwies sich als nicht so einfach: Sein Nachbar Lee Denson erinnert sich daran, wie er von seiner Mutter (einer Freundin von Gladys) gezwungen wurde, Elvis bei ein paar Gitarrengriffen zu helfen, und auch an die langsamen Fortschritte seines jungen Schülers.

Im Lauf der Jahre kamen die meisten von Elvis’ Freunden und Bekannten mit seinen schüchternen, aber dennoch hartnäckigen Gesangsversuchen in Berührung. Für sie mag es eine Art Traum gewesen sein, doch Elvis’ Wunsch Sänger zu werden war immer mehr eine Hoffnung, die Hoffnung, etwas Gutes oder gar Glorreiches aus seiner unbestimmten Zukunft zu machen. Viele hielten ihn für einen Einzelgänger, doch er war immer in der Nähe, beobachtete, hörte zu – und wartete darauf, den entscheidenden Schritt zu tun.

Die Geschichte jenes Schritts ist legendär. An einem Sommertag im Jahr 1953 saß Marion Keisker an ihrem Schreibtisch im Phillips Recording Studio in der Union Avenue 706 in Memphis. Von dort aus leitete der Studiobesitzer und -Betreiber Sam Phillips ein Plattenlabel namens Sun. Der in Alabama geborene Phillips hatte das Studio 1950 eröffnet, um einige der vielen afro-amerikanischen Musiker aus der Umgebung von Memphis und dem fruchtbaren Farmland des Mississippi-Deltas südlich der Stadt aufzunehmen. Was er hier anzapfte, war eine explodierende R&B-Szene, die bereits eine der aufregendsten in ganz Amerika war. Die Musik war mit der langsam schwindenden Popularität der Big-Bands nach dem 2. Weltkrieg immer beliebter geworden, und in der gesamten Region – in Memphis, auf der anderen Seite des Flusses in West Memphis, Arkansas, bis runter nach Helena, Arkansas, und Clarksdale, Mississippi – machten schwarze Künstler ein gutes Geschäft, indem sie ihrem reichen Blues-Erbe neue und aufregende Sounds entlockten. Sam Phillips machte in der Union 706 Aufnahmen von B. B. King, Howlin’ Wolf, Junior Parker, Joe Hill Louis und vielen anderen. Er hatte sogar die Platte aufgenommen, die später als die erste Rock’n’Roll-Scheibe bezeichnet werden sollte: Rocket 88 von Jackie Brenston und Ike Turner. Das kleine Studio bot auch den Service, dass sich jeder für 8,25 Dollar ein zweiseitiges Azetat anfertigen lassen konnte. Es gab in der Stadt andere, billigere und weniger professionelle Einrichtungen, wo man Aufnahmen machen konnte und die auch von anderen Musikern genutzt wurden, doch Elvis entschied sich für Sun. Später sollte er behaupten, dass er seine Mutter überraschen wollte. Vielleicht aber, und das erscheint wahrscheinlicher, trieb ihn sein brennendes, unausgesprochenes Verlangen Musik zu machen und ein Star zu werden.

Marion Keisker arbeitete für Sam und mit ihm. Sie hatte ihre eigene Radio-Talkshow und ein Gespür für Musik. Als sie den nervösen, nahezu unverständlichen jungen Mann fragte, „Was für eine Art Sänger bist du denn?“, antwortete er umgehend: „Ich singe alles“. „Nach wem klingst du?“, hakte sie nach. „Ich klinge wie niemand“, war seine Antwort. Er hoffte, so sagte er, dass sie ihm jemand empfehlen könnte, der einen Sänger suchte. Vielleicht versuchte er aber auch ein wenig, sich zu verkaufen. Tatsache war, dass er eigentlich nichts außer Balladen sang, und für ein ungeübtes Ohr, so wissen wir mittlerweile, klang er wie viele andere lokale C&W-Sänger. Für Marion jedoch war da etwas – ein stärkeres Verlangen? Eine größere Leidenschaft? Eine größere Entschlossenheit? Was auch immer es gewesen sein mochte, sie wollte ihn im Auge behalten. Nachdem der Junge sein Azetat aufgenommen hatte, machte sie sich folgende Notiz: „Guter Balladensänger. Merken“.

Private Aufnahmen

1953: Memphis Recording Service (Sun Studio), Memphis, Tennessee

Gitarre: Elvis Presley

WPA5 2531

My Happiness

The Great Performances

 

Peterson/Bergantine

2227-1/1990

WPA5 2532

That’s When Your Heartaches Begin

The King Of Rock’N’Roll

 

Raskin/Brown/Fisher

66050/1992

That’s When Your Heartaches Begin endet (mit den Worten „That’s the end“) direkt nach dem Teil, der normalerweise ein gesprochener Mittelteil sein sollte. Es ist nicht klar, ob dies beabsichtigt war.

An jenem Tag klimperte und sang Elvis mit äußerst rudimentären Gitarrenfertigkeiten eine 20 Jahre alte Ballade mit dem Titel My Happiness, gefolgt von dem Hit der Ink Spots aus dem Jahr 1951, That’s When Your Heartaches Begin. Der Sound muss genau der gewesen sein, den seine Familie, Freunde und Nachbarn seit Jahren gehört hatten, während das Repertoire eine Musikbranche widerspiegelte, in dem die Grenzen zwischen Genre, Rasse und sozialer Herkunft bereits am Verschwimmen waren. My Happiness war bereits eine Pop-Platte gewesen, eine Country-Platte und eine Jazz-Platte, ehe Elvis sich das Stück vornahm. Seine Version war eine Art von nur bedingt selbstbewusst vorgetragenem Klagelied. Die andere Seite – ein Song, auf den er im Verlauf der Jahre immer wieder zurückgreifen sollte – war voller Sehnsucht. Sollte er auf eine unmittelbare Anerkennung gehofft haben, oder dass Sam Phillips seinen Regieraum verließ um mit ihm zu sprechen, so wurde er leider enttäuscht. Marion notierte sich geflissentlich seinen Namen und seine Nummer, doch Wochen und Monate vergingen und er hörte nichts.

Es wurde Januar – oder vielleicht auch einige Monate später; diese Daten sind nach wie vor schwer festzumachen – und da er es nicht mehr aushielt, begann er immer wieder mal im Studio vorbei zu schauen und sich mit Miss Keisker zu unterhalten. Zu ungefähr der gleichen Zeit bewarb er sich um einen Platz bei den Songfellows, eine Art Nachwuchs-Gruppe für das in Memphis sehr populäre Gospel-Quartett der Blackwood Brothers. Er wurde nicht genommen. Er könne keine Harmonien singen, sagten sie, und das war’s. Er unternahm keine weiteren konkreten Anstrengungen um seine Karriere voranzutreiben. Er schloss sich nie einer Band an, noch gründete er seine eigene Band oder versuchte es beim Radio. Doch schließlich ging er zurück zu Sun und bezahlte für die Aufnahme eines weiteren Azetats.

Private Aufnahmen (Sun Studio)

4. Januar 1954: Memphis Recording Service, Memphis, Tennessee

Gitarre: Elvis Presley

CPA5 5101

I’ll Never Stand In Your Way

Platinum: A Life In Music

 

Hy Heath/Fred Rose

67469-2/1997

CPA5 5102

It Wouldn’t Be The Same Without You

Sunrise

 

Jimmy Wakely/Fred Rose

RCA, 1999

Alle vier privaten Aufnahmen sind auf der FTD-Box A Boy From Tupelo erstmalig in herausragender Qualität zu hören. Das gilt auch im Besonderen für die fünf SUN-Singles, die so klar und trocken – sprich original – noch nie veröffentlicht wurden.

Dieses Mal entschied er sich für einen neuen Pop-Song von Joni James, I’ll Never Stand In Your Way, der bereits in einer Country-Version veröffentlicht worden war. Für die Rückseite sang er It Wouldn’t Be The Same Without You von einer Platte des hochgeschätzten Country-Sängers Jimmy Wakely. Seit den letzten Aufnahmen hatte er nur geringe Fortschritte gemacht. Die schwermütige, unsichere, aber dennoch seltsam leidenschaftliche Stimme schien nicht den geringsten kommerziellen Erfolg zu versprechen. Und so wartete Elvis weiter und schaute ab und an beim Studio vorbei, fest entschlossen, dass etwas geschah. Das musste es einfach, er wollte es so sehr.

Dann, am 26. Juni, rief Marion an. Könnte er um 15 Uhr da sein? „Ich war in dem Moment dort, als sie den Hörer auflegte“, witzelte er später. Sie vermutete, dass er den ganzen Weg gerannt war, vollkommen aufgedreht von der Vorstellung, dass Mr. Phillips vielleicht etwas für ihn gefunden hatte.

Im Jahr zuvor hatte Sun einen ansehnlichen Hit mit einer Gruppe namens The Prisonaires gehabt, allesamt Insassen des Staatsgefängnisses in Nashville. Deren Song Just Walking In The Rain war ebenfalls von einem Häftling geschrieben worden. Jetzt hatte Sam ein Stück von einem weiteren Insassen, dieses Mal eine Ballade mit dem Titel Without You, und er glaubte, dass sie gut zu dem ruhigen jungen Sänger passen würde. Und vielleicht hätte sie das auch, doch Elvis fand einfach keinen Zugang zu dem Stück. Nichtsdestotrotz bat Sam ihn weiter zu singen, ihn hören zu lassen, welche anderen Songs er noch kannte. Der ältere Mann ermutigte den Jungen, hörte ihm zu und versuchte ihn zu verstehen, doch als alles vorbei war, wusste er nicht wirklich, was er empfehlen sollte. Er wusste nur, dass da etwas war. „Ich habe dieses eine Talent“, sagte Sam Phillips später, „und dieses Talent ist es, einem Menschen in die Augen zu schauen und sagen zu können, ob er etwas zu geben hat, und wenn er das hat, dann habe ich diese Gabe, ihn von dem zu befreien, was ihn zurückhält.“ An jenem Nachmittag ist das nicht geschehen, aber irgendwann im Verlauf der folgenden zehn Tage. Sams Menschenkenntnis und seine geduldige Beharrlichkeit sollten ihm dabei helfen, einer der genialsten und produktivsten Schallplattenproduzenten traditioneller amerikanischer Musik zu werden.

Zu ungefähr derselben Zeit trieb sich auch ein junger Gitarrist namens Winfield Scott „Scotty“ Moore III beim Studio herum, und schließlich gab Sam seiner Band, den Doug Poindexter’s Starlite Wranglers, die Chance zu einer Aufnahme. Scotty war ehrgeizig – er wollte im Musikgeschäft arbeiten – und Sam hatte ihn wirklich gerne. Eines Tages bei einer Tasse Kaffee schlug er Scotty vor, er solle einen jungen Balladen-Sänger kontaktieren, den Sam eventuell aufnehmen wollte, um zu sehen, ob sie etwas für eine Session auf die Beine stellen könnten. Scotty bekam keine weiteren Anweisungen, doch er wusste, dass er es zumindest einmal versuchen sollte, wenn er mit Sam etwas ins Rollen bringen wollte. Er rief den jungen Sänger an und die beiden verabredeten sich. Bill Black, der Bassist der Wranglers, würde auch vorbeischauen. Bills jüngerer Bruder Johnny war einer jener jungen Musiker, mit denen Elvis sich die Zeit in den Lauderdale Courts vertrieben hatte, in einer lockeren Gruppe, zu der auch Lee Denson und die Burnette-Brüder Johnny und Dorsey gehörten.

Da während der Woche alle arbeiten mussten, traf sich das Trio am darauffolgenden Sonntag bei Scotty zu Hause und sie begannen sich durch alle Songs zu arbeiten, die Elvis in den Sinn kamen. Bei den beiden älteren Musikern hinterließen seine Gesangskünste keinen besonderen Eindruck, doch sie waren beeindruckt von seinem extravaganten Aussehen. Er war in einem schwarzen Hemd erschienen, einer pinkfarbenen Hose mit schwarzem Streifen, weißen Schuhen und gegelten Haaren inklusive Kotletten und Tolle. Gleich am nächsten Abend nach der Arbeit setze das Trio seine Probe im Studio fort, wo ein entschlossener Sam Phillips bereit zu sein schien, der Sache endlich auf den Grund zu gehen – zu verstehen, warum er die Vorstellung von diesem Jungen einfach nicht aus dem Kopf bekam.

Studio-Session für Sun

5.–6. Juli 1954: Sun Studio, Memphis, Tennessee

Produzent/Tontechniker: Sam Phillips

Gitarre: Scotty Moore | Bass: Bill Black | Gitarre: Elvis Presley

G2WB 1086-sp

I Love You Because

Elvis Presley

 

Leon Payne—Fred Rose Music

LPM 1254/1956

Der RCA-Master ist ein Splice aus Take 3 und Take 5 ohne den gesprochenen Teil. Als Elvis zu RCA wechselte, erhielt die Firma ein Tonband, auf dem laut Steve Sholes’ Notizen auf „That’s All Right plus zwei weitere Stücke“ verwiesen wird. Es ist nicht klar, ob diese „weiteren Stücke“ Aufnahmen von Elvis Presley waren.

Take 2

Elvis: A Legendary Performer Vol. 1

RCA, 1974

Takes 1, 3, 4, 5

The Complete Sun Sessions

RCA, 1987

Ab Take 3 pfeift Elvis beim Intro. Daher ist das Pfeifen auch beim Splice aus Take 3 und 5 zu hören.

EPA3 2742-03

Harbor Lights

Elvis: A Legendary Performer Vol. 2

 

J. Kennedy/H. Williams-Peter Maurice Music Co./Chappell

CPL1 1349/1976

Hier kam es durch die neu aufgetauchten Takes zu einer anderen Nummerierung, womit bekannte Take-Angaben hinfällig werden. Dies wird man später noch öfter vorfinden.

Take 4

Today, Tomorrow & Forever

RCA-Box, 2002

Takes 1-8

A Boy From Tupelo

FTD-Box, 2012

F2WB 8040-4

That’s All Right

Single A-Seite

 

Arthur Crudup—St. Louis Music/Wabash Music

Sun 209/1954

Takes 1-3

A Golden Celebration

RCA-Box, 1984

F2WB 8041-na

Blue Moon Of Kentucky

Single B-Seite

 

Bill Monroe—Peer International

Sun 209/1954

Take 3 (+Dialog)

A Golden Celebration

RCA-Box, 1984

Zurück im Studio, dieses Mal zusammen mit Scotty und Bill, probierte Elvis wieder alles aus, was ihm in den Sinn kam. Sam nahm ihn auf, wie er Leon Paynes Country-Hit I Love You Because sang, doch das war kaum von Erfolg gekrönt; nicht dass Elvis schlecht gewesen wäre (mal abgesehen von dem fürchterlichen gesprochenen Mittelteil), doch was brachte es schon, dass Elvis den Song sang, wenn das bereits jemand besser gemacht hatte? Dann, so gegen Ende der Nacht, war Sam gerade mit irgendetwas im Regieraum beschäftigt, als er von einem der bedeutendsten musikalischen Momente in seinem Leben und dem von Elvis, Scotty und Bill überrumpelt wurde. Geduld mag vielleicht nicht gerade die offensichtlichste Tugend des umtriebigen Sam Phillips gewesen sein, doch sie war sicher eine seiner wichtigsten, was die Stunden, die er mit Elvis und den Jungs verbracht hatte, nun endlich bewiesen. In seiner vierjährigen Arbeit mit lokalen schwarzen Musikern hatte er festgestellt, dass deren Talent häufig von einer lebenslangen Unsicherheit überlagert wurde, und darauf zu warten, dass die Musiker dieses „Minderwertigkeitsgefühl“ abschüttelten und ihre natürliche Angst vor dem Versagen überwanden, brauchte natürlich Geduld. Sam hatte immer an den Amateurgeist geglaubt: Für ihn konnte man nur mit frischen, unverbrauchten und nicht professionellen Musikern wahrhaft kreative und innovative Arbeit leisten. Und nun – wenn er dem Sound, den er über die Monitorboxen hörte, trauen konnte – zahlte sich seine Geduld endlich aus. Nach all seinen Fehlversuchen begann Elvis langsam warm zu werden.

Scotty und Bill selbst fühlten sich noch nicht so wirklich wohl, stimmten aber umgehend mit ein und zogen so gut sie konnten mit Elvis mit. Herumzualbern war definitiv ein wichtiger Teil von Elvis’ und Bills Charakter, und so hätte es eigentlich keine große Überraschung sein dürfen, als die beiden mit einem bekannten Blues-Song herumzuspielen begannen: Arthur „Big Boy“ Crudups That’s All Right. Als dann auch noch der sonst eher zurückhaltende Scotty mit einstieg, spürte Sam, dass der geduldige Teil seines Jobs vorbei war. Dies war etwas wahrhaft Unerwartetes, etwas Originelles – es hatte seine eigene Logik, obgleich Sam einige Elemente erkannte, die seinen eigenen Aufnahmen von Jackie Brenston oder Junior Parker entliehen waren. Dies war das „gewisse Etwas“, auf das er gewartet hatte, der Beat, der der Musik bislang gefehlt hatte, und ohne zu zögern ergriff Sam die Initiative. Er stoppte die Band mitten in der Strophe, bat sie noch einmal zu beginnen und drückte die Aufnahmetaste der Bandmaschine. Zum ersten Mal vollkommen entspannt und locker verpasste Elvis dem traditionellen Blues eine fröhliche, beschwingte und melodiösere Note, und mit nur zwei Gitarren und dem Wummern von Bills Bass erzeugten sie einen Sound, der Sams Augen zum Leuchten brachte. Plötzlich machten sie eine Platte.

Vielleicht versuchten sie sich in jener Nacht an weiterem Material, versuchten andere Stücke auszuarbeiten, die in dieselbe Richtung gingen wie That’s All Right. Sie könnten Tiger Man gespielt haben, einen Song, den Sam (unter dem Namen Burns) zusammen mit dem Blues-Musiker Joe Hill Louis geschrieben und Rufus Thomas zum Aufnehmen gegeben hatte. (Wir wissen, dass Elvis 1970 das Stück mit einer kryptischen Einleitung ankündigte: „Das war meine zweite Platte, doch nicht allzu viele Leute haben sie gehört.“) Vielleicht noch vor I Love You Because haben sie Harbor Lights versucht, doch sie bekamen den hawaiianisch angehauchten Pop-Song einfach nicht hin. Letztendlich jedoch kamen sie mit einem Song an, der noch abwegiger war als That’s All Right – doch ebenso vielversprechend. Seit seiner Kindheit, während der er Samstagabend den Übertragungen der Grand Ole Opry gelauscht hatte, kannte Elvis die Bluegrass-Musik von Bill Monroe und seinen Bluegrass Boys. Das Walzertempo von Blue Moon Of Kentucky war so weit von Crudups Rhythm & Blues entfernt wie man sich nur vorstellen konnte, doch die Band passte das Stück an, verpasste ihm einen 4/4-Takt und zog das Tempo wie bei der vorangegangenen Nummer an. Nach einem frühen Take schwärmte Sam: „Klasse, Mann. Zur Hölle, das ist anders. Das ist jetzt ein Pop-Stück, zumindest fast.“ Nach ein paar weiteren Takes und ein paar Verfeinerungen entfernte sich der Song sogar noch weiter von seinen Country-Wurzeln hin zu einem waschechten Rhythm & Blues. Das Resultat passte zu That’s All Right und war – was noch wichtiger war – die perfekte B-Seite zu einer Platte.

Scotty und Bill waren sich sicher, „dass sie aus der Stadt gejagt werden würden“, sollte das Stück jemals veröffentlicht werden. Doch Sam wusste, was er tat. Umgehend schickte er eine Testpressung an den coolsten DJ in Memphis und ganz Amerika: Dewey Phillips (nicht verwandt) von WHBQ. Als Dewey dann Elvis’ Platte in seiner Show „Red, Hot and Blue“ spielte, war dies Elvis so peinlich, dass er sich im Suzore No. 2, einem Kino, versteckte, bis ihn seine Eltern abholen kamen. Dewey Phillips rief an: Die Telefonzentrale im Sender war komplett überlastet und bestätigte Sams Bauchgefühl. Das war etwas Neues, etwas Interessantes, ein Sound, auf den sich alle einigen konnten. Und plötzlich wurden all die alten Hoffnungen von Elvis zu unmittelbaren Tatsachen seines Lebens. Aufgrund der großen Nachfrage nach der Platte bei „Red, Hot and Blue“ wurde die kleine Band, die noch nie öffentlich aufgetreten war, für einen Gastauftritt im Bon Air Club in Memphis gebucht. Und dann dauerte es auch nicht mehr lange bis Elvis’ Name ganz unten auf einem Konzertplakat für die „Folk Music“-Show draußen in der Overton Park Shell erschien, bei der Slim Whitman Headliner war und die von dem bekannten Memphis-DJ Bob Neal veranstaltet wurde. Ein Medien-Hype, inklusive Foto und Artikel im Memphis Commercial Appeal, begleitete den überraschenden lokalen Erfolg der Platte. Bei der Show im Overton Park kämpfte sich Elvis, nahezu überwältigt von Panik, durch sein erstes Stück, doch nicht ohne eine weitere unerwartete Wendung: Sein Bein begann unkontrolliert zu zittern, genau wie er es bei Jim „Big Chief“ Wetherington, dem Bass-Sänger der Statesmen, gesehen hatte, während der das Publikum anheizte. Die Reaktion der Mädchen folgte postwendend. Jenen ganzen Sommer über war die Platte überall in Memphis zu hören, und durch die Macht des Radios machte sie sich auch in den benachbarten Regionen breit.

Elvis Presley, Bill Black und Scotty Moore mit Sam Phillips am Mischpult von Sun.

Das erste Pressefoto für Sun, 1954

Studio-Session für Sun

19. August 1954: Sun Studio, Memphis, Tennessee

Produzent/Tontechniker: Sam Phillips

Gitarre: Scotty Moore | Bass: Bill Black | Gitarre: Elvis Presley

F2WB 8117-09

Blue Moon

Elvis Presley

 

Rodgers/Hart—Robbins Music

LPM 1254/1956

Das Band ist mit einem Aufkleber auf der Plastikspule datiert: „19.8. Mittwochnacht.“

Take 4

The King Of Rock’N’Roll

RCA-Box, 1992

Take 5

Platinum: A Life In Music

RCA-Box, 1997

Takes 6-8

Sunrise

RCA, 1999

Takes 1-3

A Boy From Tupelo

FTD-Box, 2012

Auf der FTD-Box befinden sich alle 9 Takes.

Das kleine Sun Studio wurde zum Mittelpunkt seines Lebens, ein Ort, an dem er sich mit Freunden treffen und neue Ideen ausprobieren konnte. Eines Tages wollte er Blue Moon von Rodgers und Hart aufnehmen, doch woher er diese Idee hatte, ist vollkommen unklar. Vielleicht von Slim Whitman (obwohl Slim das Stück noch gar nicht aufgenommen hatte), doch der Musikhistoriker Colin Escott legt nahe, dass das nicht sein einziger Einfluss gewesen sein konnte: Elvis lässt die Bridge und die letzte Strophe mit dem Happy End weg und macht aus dem klassischen Pop-Song mit 32 Takten einen beklemmenden 16-Takt-Blues. Es war eine faszinierende Mischung unterschiedlichster musikalischer Stile, doch – wie Sam letztendlich entschied – noch keine Platte.

Für Plattenfirmen war es üblich, alle drei Monate eine neue Single zu veröffentlichen, doch mit solch einer heißen Geschichte wie Elvis wusste Sam, dass er am Drücker bleiben musste: Der richtige Hit mit ausreichend Unterstützung durchs Radio könnte sich für ein Jahr oder noch länger in den Charts halten. Es ist ein Indiz für die Art des Vertrauens, das Sam Phillips in Elvis hatte, dass er nach Elvis’ erfolgreichem Debüt keine neuen Platten von irgendeinem anderen Künstler veröffentlichte – bis es dann Zeit für eine zweite Veröffentlichung von Presley wurde.

Studio-Session für Sun

10.–? September 1954: Sun Studio, Memphis, Tennessee

Produzent/Tontechniker: Sam Phillips

Gitarre: Scotty Moore | Bass: Bill Black | Gitarre: Elvis Presley

F2WB 8115-07

Tomorrow Night

The King Of Rock’N’Roll

 

Sam Coslow/Will Grosz—Bourne Company

66050-2/1992

Bei dieser Version hört man ab ca. 1:30 das „Solo“. Hierzu zum besseren Verständnis die originalen Zeilen aus dem Buch von 1998:

Die Angaben zu Tomorrow Night beziehen sich auf die Erstveröffentlichung des vollständigen Masters ohne Overdubs, welches in der Mitte eine lange Pause enthielt, die offenbar für ein Gitarrensolo vorgesehen war. Das Stück wurde zum ersten Mal 1965 auf dem RCA-Album Elvis For Everyone (LSP/LPM 3450) veröffentlicht, und zwar in einer Version mit Overdubs (Gitarre, Mundharmonika und Backgroundgesang). Eine überarbeitete Version des Original-Masters ohne Overdubs, bei der die Pause für das Solo herausgeschnitten wurde, wurde auf The Complete Sun Sessions (6414-2-R) veröffentlicht.

Als man das Stück zusammen mit den Overdubs vom 18.3.65 veröffentlichte, wurde die Version um ca. 8% verlangsamt; jetzt betrug die neue Laufzeit 2:52. Auf der CD-Veröffentlichung von 1990 befand sich dann aber genau die Overdub-Version in der richtigen Geschwindigkeit, jetzt nur noch 2:39 lang. So hört man hier den echten jungen Elvis von 1954. Auf der FTD-CD Elvis For Everyone und der Tupelo-Box wurde jedoch wieder der Master mit einer Länge von 2:52 verwendet.

Anmerkung: 1987 erschien die Doppel-LP The Complete Sun Sessions mit 33 Titeln, als CD aber nur mit 28 Titeln (The Sun Sessions).

Ohne Solo

Reconsider Baby

RCA, 1985

 

The Complete Sun Sessions

RCA, 1987

Man hat das praktisch nicht existierende Gitarrensolo von Scotty Moore ausgespart, dafür Elvis eine Strophe ein weiteres Mal singen lassen. So hat es die Aufnahme nie gegeben.

Overdub-Version

Elvis For Everyone

RCA-LP, 1965

Gitarre: Chet Atkins und Grady Martin | Bass: Henry Strzelecki | Schlagzeug: Buddy Harman | Mundharmonika: Charlie McCoy | Backgroundgesang: Anita Kerr Singers

-01

Satisfied

 

 

Martha Carson

 

F2WB 8116-na

I’ll Never Let You Go (Little Darlin’)

Elvis Presley

 

Jimmy Wakely—Sunshine Music

LPM 1254/1956

Alternate Take

A Golden Celebration

RCA-Box, 1984

2WB 8042-03

I Don’t Care If The Sun Don’t Shine

Single B-Seite

 

Mack David—Famous Music

SUN 210/1954

Takes 1-3

A Golden Celebration

RCA-Box, 1984

FF2WB 8118-na

Just Because

Elvis Presley

 

Bob & Joe Shelton/Sid Robin—Leeds Music

LPM 1254/1956

Hier könnte Buddy Cunningham mit Besen auf einer Snare-Drum spielen.

F2WB 8043-2

Good Rockin’ Tonight

Single A-Seite

 

Roy Brown—Blue Ridge Pub.

SUN 210/1954

 

A Boy From Tupelo

FTD-Box, 2012

Mit Fragment von 0:10 Sekunden.

Laut Steve Sholes’ Originalaufzeichnungen zu den 15 Sun-Bändern, die RCA erworben hatte, wurde definitiv die folgende Anzahl von Takes aufgenommen: Satisfied (1), I’ll Never Let You Go (10), I Don’t Care If The Sun Don’t Shine (3), Just Because (17), Good Rockin’ Tonight (2). Es könnten noch viel mehr gewesen sein, doch Sam Phillips überspielte viele Presley-Bänder immer wieder. Die Sun-Bänder, die RCA von diesen Sessions erhielt, gingen 1959 beim „Ausmisten“ des Archivs verloren.

Seine langjährige Erfahrung und die vorangegangene Session sagten Sam, dass Elvis etwas Zeit brauchen würde, um sich wieder an die Studioumgebung zu gewöhnen und die richtige Stimmung zu finden. Und so war es nur natürlich, den jungen Sänger mit dem beginnen zu lassen, was er am meisten liebte: Balladen. Dieses Mal versuchte er sich an Lonnie Johnsons Tomorrow Night, ein Song, den er andauernd zu Hause zusammen mit Dixie sang. Sam aber wusste, dass dies nicht die Art von Song war, die er Elvis aufnehmen lassen wollte. Dean Martin, Perry Como, Teresa Brewer, Doris Day und zig andere populäre Sänger und Sängerinnen hatten dieses Gebiet bereits abgedeckt, alle von ihnen auf Major-Labels mit hohem Werbeetat und gut getimten Fernsehauftritten im Rücken. Es war auch nicht so, dass Elvis den Song nicht gut gesungen hätte, denn dieses Mal tat er das definitiv. Das gewonnene Selbstvertrauen war bereits in seiner Stimme zu hören, genauso wie eine nicht zu leugnende Leidenschaft. Aber wie alle von Elvis’ Sun-Balladen hatte Tomorrow Night kein richtiges Arrangement aufzuweisen. Elvis’ Stimme ging im Echo beinahe unter und Scotty klimperte nur vor sich hin, so als würden Sie Cowboy-Songs aufnehmen. In einem Versuch zu erklären, warum er Elvis so viele Balladen aufnehmen ließ, sagte Sam: „Ich brachte es einfach nicht übers Herz ihn zu stoppen.“

Und sollte Sam jemals mit dem Gedanken gespielt haben, Elvis davon abzuhalten seinem Riecher zu folgen, so war da That’s All Right als Mahnung, dass der Junge die Freiheit zum Ausprobieren brauchte, sich auf alles stürzen zu können, was ihm in den Sinn kam. Ab und an kam etwas Vielversprechendes zum Vorschein, so wie Martha Carsons Satisfied, das aber umgehend wieder fallen gelassen wurde, als Elvis einer anderen Idee folgte. Auf seinem zweiten Azetat hatte Elvis Jimmy Wakelys It Wouldn’t Be The Same Without You gesungen, und nun entschied er sich für eine weitere Wakely-Ballade, I’ll Never Let You Go (ursprünglich 1941 für Gene Autry geschrieben). Bis zu den letzten beiden Refrains sang er ganz normal, bis er dann versuchte, doppelt so schnell zu singen. Die Band arbeitete immer und immer wieder an der Nummer, schaffte aber nie ganz den Übergang von einer Ballade zu einem rhythmusbetonten Song, so wie sie es sich vorstellten.

Die Songs, die Elvis in den Sinn kamen, waren ein bunt zusammen gewürfelter Haufen, doch jeder einzelne von ihnen stammte aus seiner eigenen Lebenserfahrung. Sein außergewöhnliches Gedächtnis half ihm dabei, Songs aus den seltsamsten Orten hervorzukramen, und der Film Scared Stiff (Starr vor Angst) mit Dean Martin und Jerry Lewis war einer davon. Er erinnerte sich an Martins Interpretation eines Stückes mit dem Titel I Don’t Care If The Sun Don’t Shine, das ursprünglich für Cinderella geschrieben, in dem Disney-Film aber nie verwendet worden war. Die Filmversion unterschied sich von Martins Aufnahme aus dem Jahr 1950, und die Filmversion war es auch, die er im Kopf hatte. Er führte Martins Herangehensweise noch einen Schritt weiter, machte das Stück schneller, verdichtete den Beat und verpasste dem Ganzen einen dynamischen Gesang. Just Because, ein weiterer Song aus diesen Sessions, ist etwas schwerer festzumachen. Das 1933 geschriebene Stück war 1948 in einer populären Polkaversion von Frankie Yankovic erschienen, welche gut und gerne die Interpretation gewesen sein mag, die Elvis gehört hatte. Genauso gut aber hätte es auch die Originalaufnahme der Shelton Brothers oder das Cover von Cliff Carlisle gewesen sein können. Was auch immer die Quelle gewesen sein mochte, die Band arbeitete hart daran, Sams Vorgaben bei beiden Songs umzusetzen. Um seine Künstler anzutreiben, schlug er oft vor, ein Stück etwas schneller zu spielen, um anschließend wieder in einen langsameren Groove zurück zu wechseln. Just Because wurde in beiden Versionen aufgenommen, doch als RCA den Song auf Elvis’ Debütalbum veröffentlichte, war es die schnelle Version, die verwendet wurde.

Da sie nach wie vor keinen echten Gewinner in der Tasche hatten, griffen sie auf die Formel zurück, die sich bei That’s All Right als so erfolgreich erwiesen hatte, und polierten eine alte R&B-Nummer auf, was sich zusehends zu einem neuen charakteristischen Stil entwickelte. In diesem Fall war es Roy Browns Good Rockin’ Tonight – ein perfektes Motiv für eine Überarbeitung. Sams Vision drehte sich um den Rhythmus. Andauernd warnte er Scotty Moore, er solle die Finger von dem Stil seines Idols Chet Atkins lassen: Nettes Fingerpicking war gut und schön für Country oder Pop, doch Sam war auf der Suche nach etwas Einfacherem, etwas Mutigerem. Good Rockin’ Tonight erwies sich als würdiger Nachfolger: Es stammte aus derselben aktuellen R&B-Szene, es war flott, und mit Scotty, der sich an einen neuen Stil herantastete und selbst während der Soli den Beat aufrechterhielt, funktionierte es blendend. Es war eine überzeugende Demonstration, dass Elvis’ erste Platte kein Zufallstreffer gewesen war. Hier war ein aufstrebendes Talent, das seinen nächsten logischen Schritt tat. Unmittelbar nach Ende der Session wurde das Band zu Buster Williams’ Presswerk Plastic Products auf der Chelsea Avenue gebracht. Good Rockin’ Tonight, zusammen mit I Don’t Care If The Sun Don’t Shine, sollte die nächste Single werden.