Emotionale Aktivierungstherapie (EAT) (Leben Lernen, Bd. 312) - Gernot Hauke - E-Book

Emotionale Aktivierungstherapie (EAT) (Leben Lernen, Bd. 312) E-Book

Gernot Hauke

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Beschreibung

Mit den hier dargestellten Embodiment-Techniken lernen PsychotherapeutInnen, den Körper als Verbündeten in einem für PatientInnen notwendigen Veränderungsprozess zu sehen und einzusetzen. Die enge Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche wird genutzt, um eine gute Selbst- und Emotionsregulation zu fördern. - Ansatz ist in der »Dritten Welle der Verhaltenstherapie« verankert - Neurowissenschaftlich fundiert - Mit vielen praktischen Beispielen und Fallgeschichten Neurowissenschaftliche Forschungen bestätigen auf eindrucksvolle Weise die enge Wechselwirkung zwischen Körper und Kognition. Moderne Ansätze in der Psychotherapie tragen dem zunehmend Rechnung, indem nicht nur darauf geachtet wird, wie sich psychische Emotionen in Körper, Mimik, Gestik und Stimmlage ausdrücken, sondern die Tatsache genutzt wird, dass diese auch umgekehrt unser Denken und Fühlen beeinflussen. In diesem Buch zeigen die Autoren auf praktisch nachvollziehbare Weise, wie Handeln, Wahrnehmung und Emotion miteinander verzahnt sind und wie sich diese Erkenntnisse fruchtbar in die Psychotherapie umsetzen lassen. Die anschaulich beschriebenen Embodiment-Techniken ermöglichen eine behutsame Entschlüsselung der emotionalen Mechanismen beim Klienten und fördern eine tiefere und schnellere Einsicht, als dies allein mit Gesprächen möglich wäre. Gleichzeitig wird die Kraft der Emotionen für erfolgreiche Handlungsplanung und Veränderungsprozesse genutzt. Dieses Buch richtet sich an: - Psychologische PsychotherapeutInnen - Ärztliche PsychotherapeutInnen - VerhaltenstherapeutInnen - Integrativ arbeitende TherapeutInnen - Coaches

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Seitenzahl: 274

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Gernot Hauke

Christina Lohr

Emotionale Aktivierungstherapie (EAT)

Embodiment in Aktion

Zu diesem Buch

Die Autoren zeigen auf praktisch nachvollziehbare Weise, wie Wahrnehmung, Emotion und Handeln miteinander verzahnt sind und wie sich diese Erkenntnisse fruchtbar in der Psychotherapie umsetzen lassen. Die anschaulich beschriebenen Embodiment-Techniken ermöglichen eine behutsame Entschlüsselung der zugrunde liegenden emotionalen Mechanismen und fördern eine tiefere und schnellere Einsicht, als dies allein mit Gesprächen möglich wäre. Gleichzeitig wird die Kraft der Emotionen für erfolgreiche Handlungsplanung und Veränderungsprozesse genutzt.

Die Reihe »Leben Lernen« stellt auf wissenschaftlicher Grundlage Ansätze und Erfahrungen moderner Psychotherapien und Beratungsformen vor; sie wendet sich an die Fachleute aus den helfenden Berufen, an psychologisch Interessierte und an alle nach Lösung ihrer Probleme Suchenden.

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2020 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Jutta Herden,

unter Verwendung eines Fotos von © adobe stock/FotoDesignPP.

Illustrationen: Dipl.-Psych. Samar Ertsey

Grafiken, Fotos und Illustrationen: © Gernot Hauke und Christina Lohr

Printausgabe: ISBN 978-3-608-89240-6

E-Book: ISBN 978-3-608-11611-3

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20453-7

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1

Der therapeutische Prozess im Überblick

1.1 Einstieg mal anders: Patient Harry F. gibt dem Embodiment eine Chance

1.2 Die drei Module der EAT: dynamisch-zyklische Arbeit nach Embodiment-Prinzipien

Kapitel 

2

Körper und emotionales Überleben

2.1 Was ist Embodiment?

2.2 Nicht ohne meinen Körper: Kognition durch Simulation

2.3 Zwei Seelen in der Brust: Das duale System der Verhaltensgenese

2.4 Vom Körpergefühl zur Erzählung: Bilder als Brücke zwischen den beiden Systemen

2.5 Emotionale Überlebensstrategie: Verhalten dient der Befriedigung von Bedürfnissen

2.6 Manchmal trügt der Schein: Primäre und sekundäre Emotion

Kapitel 3

Der Körperfokus

3.1 Der Körper ist Ausgangspunkt für die Entwicklung des Selbst und seiner Grenzen

3.2 Wenn Bedrohliches in die Zone des Schutzes eindringt: Formen des Abwehrverhaltens

3.3 Der Körper liefert entscheidende Informationen für die Therapie

3.4 Praxis des Körperfokus

Kapitel 4

Das Emotionale Feld: Inneres Erleben im Raum darstellen

4.1 Die Rolle des Therapeuten: Mittendrin statt nur dabei!

4.2 Der Start – alles beginnt mit dem Problem

4.3 Kipppunkte – emotionalen Reaktionsmustern auf der Spur

4.4 Mithilfe von Emotionsmustern Gefühle vertiefen, verstehen und akzeptieren

4.5 Praxis des Emotionalen Feldes

Kapitel 5

Der Interaktionsfokus

5.1 Elementarformen sozialer Beziehungen: Die vier Beziehungsmodelle von Fiske

5.2 Beziehungsmodelle realisieren sich in Interaktionssequenzen

5.3 Embodiment: Typen der Beziehung im Raum verkörpern

5.4 Praxis des Interaktionsfokus

Kapitel 6

Fallbeispiele, die den Mehrwert einer Arbeit mit Embodiment verdeutlichen

6.1 Der Fall Doris M.: Komplexe posttraumatische Belastungsstörung – Leid ohne Worte

6.2 Der Fall Nina A.: Bulimia Nervosa – Der Körper als Feind

Kapitel 7

Körper und Zone des Schutzes in Zeiten von sozialer Vernetzung und Globalisierung

Sachverzeichnis

Literatur

Vorwort

Das Buch »Emotionale Aktivierungstherapie (EAT) – Embodiment in Aktion« soll Ihnen, liebe Leserinnen, liebe Leser, eine schlüssige Methodik an die Hand geben, um im Bereich sämtlicher Störungsbilder mit den Emotionen Ihrer Patienten zu gehen. Wir laden Sie ein, dabei Ihre eigene und die Vitalisierung Ihrer Patienten zu erleben und die Problematik schnell und zielgenau auf den Punkt zu bringen.

Hiermit liegt eine vollständige Überarbeitung und Weiterentwicklung des Konzeptes von Hauke & Dall’Occhio (2015) vor, wie es damals im Buch »Emotionale Aktivierungstherapie (EAT): Embodimenttechniken im Emotionalen Feld«, erschienen im Schattauer-Verlag, dargestellt war.

Dieses Konzept war uns ein wichtiger Leitfaden und gleichzeitig Ausgangspunkt für gravierende Veränderungen: Praktische Erfahrungen der vergangenen fünf Jahre als auch die rasant fortschreitenden Ergebnisse der neurowissenschaftlich fundierten Embodiment-Forschung ließen eine weitere Auflage jenes Buches als wenig sinnvoll erscheinen.

Wir haben uns deshalb für eine neu konzipierte und frische Variante des ursprünglichen Konzeptes entschieden: Neben gänzlich neuen inhaltlichen Aspekten sind nun auch Struktur und Prozesse noch stimmiger und besser aufeinander abgestimmt.

Unsere Arbeit versteht sich als eine Erweiterung der kognitiv-behavioralen Tradition, in der sich beide Autoren beheimatet fühlen. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es sich geradezu anbietet, hier die um den Körper erweiterte, aktuellere Konzeption von »Kognition« so, wie sie durch die moderne Embodiment-Forschung repräsentiert wird, praktisch umzusetzen. Dies wiederum ermöglicht sowohl einen direkteren Zugang zu den Emotionen als auch eine neuartige, noch betonter erlebnisorientierte Arbeitsweise beim therapeutischen Umgang mit emotionalen Prozessen.

Wir stellen Ihnen in unserem Buch nun drei Prozessmodule vor, in denen wir dem Embodiment noch mehr Platz als bisher einräumen:

Embodiment nimmt den Körper ernst. Deshalb wird der Körper unserer Patienten in den Mittelpunkt gerückt. Dieser Körperfokus ist verbunden mit der Fragestellung:

»Wie können sich Patienten in ihrem Körper ruhig und geborgen fühlen, sich ihm gelassen zuwenden, damit er sie in ihren Zielsetzungen wirksam unterstützt?«

Die Herstellung eines solchen Zustandes ist wesentliche Voraussetzung, damit die Probleme der PatientInnen wirklich effizient angepackt werden können. |Der Problemlösungsprozess beginnt mit einer emotionsaktivierenden Arbeit, denn Emotionen liefern dabei schnell und zielgenau Navigation und Vitalität. Sie entfaltet sich im sog. Emotionalen Feld. Hier lautet die Fragestellung:

»Was ist das Netzwerk der Erfahrungen und Emotionen, das die PatientInnen immer wieder in problematische Richtungen steuert?«

Ganz im Sinne des Embodiment wird hier der Körper genutzt, um z. B. Emotionen zu intensivieren und zu differenzieren. Dabei wird auch schon die Architektur für einen Veränderungsprozess sichtbar. Verstehen ist wichtig, aber in der Regel nicht ausreichend, um tatsächlich hinreichende Problemlösungen und stabile Verhaltensänderungen zu erzielen. Deshalb wird dazu ermuntert, neue Verhaltensweisen zu planen und auch zu erproben. |Im Interaktionsfokus werden die erarbeiteten Erkenntnisse auf verschiedene problematische Situationen übertragen und auf unterschiedliche Rahmenbedingungen abgestimmt. So kann etwa ein zielführendes Verhalten davon abhängen, inwieweit es gelingt, Bedeutung und Kraft eigener Emotionen auf persönliche Merkmale des Gegenübers abzustimmen. Wenn Beziehungen funktionieren, dann klappt auch die gegenseitige Bedürfnisbefriedigung. Dabei kann eine Art »Grammatik sozialer Beziehungen« rasche Orientierung im Interaktionsfokus bieten. Diese Relational-Models-Theorie des Anthropologen und Sozialpsychologen Alan P. Fiske führen wir hier erstmals in den therapeutischen Kontext ein. Die Arbeit im Interaktionsfokus wird von der folgenden Fragestellung geleitet:

»Wie kann ich stimmige Beziehungen gestalten, meine Ziele erreichen und mich dabei (›agentiv‹) selbstwirksam fühlen?«

Befunde der Embodiment-Forschung ermuntern dazu, solche Interaktionen auch zielführend im Raum darzustellen sowie auch persönliche Werte als Ressourcen körperlich zu verankern.

Gebrauchsanweisung für dieses Buch

Wir empfehlen Ihnen, zunächst das erste Kapitel zu lesen. Es vermittelt Ihnen anhand eines konkreten Fallbeispiels einen Überblick über Philosophie und Praxis von EAT. Wir haben hier eine Form der Darstellung gewählt, die ohne größere Voraussetzungen verständlich sein sollte. Dabei ist es uns ein Anliegen, möglichst viele Leserinnen und Leser anzusprechen, egal in welcher therapeutischen Schule sie sich beheimatet fühlen. An dieser Stelle gibt es neben dem systematischen Durchlesen mehrere Möglichkeiten des Einstiegs in die Lektüre:

Falls Sie unser Fallverständnis im ersten Kapitel gewinnbringend finden, so können Sie ein solches Interesse in Kapitel 6 noch vertiefen. Hier beschreiben wir – wiederum anhand konkreter Fälle aus der Praxis – ausführlicher unsere Arbeit mit EAT. Dabei werden Sie möglicherweise auf Aspekte stoßen, die ohne die Lektüre der vorherigen Kapitel nicht mehr ohne Weiteres verständlich sind. Aber vielleicht haben Sie ja nun Lust, die vorherigen Kapitel auch zu lesen.

Ein guter Weg ist auch, nach dem ersten Kapitel die ausformulierten Handlungsanleitungen in den Kapiteln 3, 4 und 5 anzuschauen. Fragen Sie sich dabei: »Wie würde ich mich in meiner Rolle und Arbeitsweise als Therapeutin bzw. Therapeut fühlen und wie würde ich mich als Patientin bzw. Patient angeleitet fühlen?« Auch dies kann Motivationsquelle für ein systematischeres Lesen sein.

Wir möchten Sie aber auch dazu ermutigen, beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses oder beim ersten Durchblättern des Buches schlicht und einfach Ihren »somatischen Markern« zu vertrauen.

Dank

Die Gebiete der »Embodied Cognition« sowie der Emotionspsychologie sind dynamische und nicht immer leicht überschaubare Forschungslandschaften. Intensive Zusammenarbeit gewähren uns hier Prof. Dr. Ada Kritikos und MA Jennifer Day, University of Queensland, und Prof. Dr. Dr. Olga Pollatos, Universität Ulm. Sie unterstützen mit verschiedenen experimentellen Studien die Umsetzung unseres Embodimentparadigmas in die therapeutische Praxis. Der Enthusiasmus und die Expertise der Mitarbeiter an der Universität Ulm, den Dres. Dana Schultchen, Eva Messner, Matthias Messner und Felicitas Weineck an den Tag legen, sind ein Geschenk bei Planung, Durchführung und Auswertung der Experimente. Ihnen allen gelten unsere Hochachtung und unser herzlicher Dank! Dank schulden wir auch Frau Prof. Dr. Susana Bloch, die uns in Alba Emoting praktisch eingeführt hat. Diese von ihr für Schauspieler entwickelte Technik hat uns damals mit großer Neugier für das Embodiment von Emotionen erfüllt und uns letztlich darin bestärkt, eine Methode zu entwickeln, die sich insbesondere für eine vertiefende Induktion von Emotionen bei Patienten unterschiedlichster Erkrankungen eignet.

Den Weg zur Fertigstellung dieses Buches hätten wir nicht so unbeschwert gehen können, wenn wir unterwegs nicht auch reich beschenkt worden wären. Die beiden Autoren haben hier unterschiedliche Adressaten.

G. H.: In meinen Rollen als Supervisor und Therapeut konnte ich mich intensiv mit wertvollen Fallkonzeptionen schwerster Traumatisierungen, Traumafolgestörungen und Persönlichkeitsstörungen auseinandersetzen. Besondere Horizonterweiterungen verdanke ich dabei meiner supervisorischen Tätigkeit in den Kitzberg-Kliniken, insbesondere Herrn Prof. Dr. Dr. Nils Bergemann, Chefarzt und ärztlichem Direktor und seinen Mitarbeitern. Ebenso verdanke ich den Behandlerteams unter der Leitung des Chefarztes Prim. Dr. Friedrich Rieffer und des Prim. Dr. Kaiser, Psychotherapeutisches Zentrum Eggenburg, spannende und aufschlussreiche Einblicke in komplexe Behandlungsverläufe.

Innerhalb dieses Spektrums stellen forensische Patienten ganz besondere Herausforderungen an TherapeutInnen und erfordern geradezu eine »Masterclass« therapeutischer Fertigkeiten. Herrn Dr. Markus Feil und seinen Mitarbeitern an den psychotherapeutischen Fachambulanzen für Sexual- und Gewaltstraftäter verdanke ich hierzu wesentliche Einsichten.

Allen Kolleginnen und Kollegen, die ich bei diesen Gelegenheiten kennenlernen durfte, danke ich sehr herzlich für ihre Offenheit und das mir entgegengebrachte Vertrauen.

Sowohl freundschaftliche und fachliche Unterstützung verdanke ich Prof. Dr. Bernd Birgmeier, dem Psychotherapeuten Prof. Dr. Martin Fegg, der Psychotherapeutin Dipl.-Psych. Jennifer Hathway, der Psychotherapeutin Dr. Julia Hülz, dem Geschäftsführer und therapeutischen Leiter von ANAD Dipl.-Psych. Andreas Schnebel, dem Psychotherapeuten Dipl.-Psych. Jan Spreemann, dem Psychotherapeuten und Psychoonkologen Dr. Dr. Gérard Tchitchekian, der Psychotherapeutin Dr. Tania Pietrzak, dem Psychotherapeuten Dr. med. Lars Theßen sowie meinem geschätzten Mentor aus »alten« Zeiten, Herrn Prof. Dr. Jörn Manz. Meine Frau Silvia hat mir mit ihrer Liebe und Fürsorge eine fantastische Work-Life-Balance ermöglicht.

C. L.: Auch ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei all denen bedanken, die mir ermöglicht haben, meinen Beitrag zu diesem Buch zu leisten. An erster Stelle sind hier meine Patienten und Klienten zu nennen, die sich immer wieder aufs Neue mit viel Mut ihren Themen und dieser Art zu arbeiten stellen. Ihnen eine wertvolle Begleitung zu sein und die passende Methodik zu finden, spornt mich immer wieder an und lässt mich kreativ werden. Diese Ideen und Erfahrungen mit anderen zu teilen, macht einen Großteil meiner Motivation zu diesem Buch aus. Auch möchte ich mich bei all meinen Studierenden und Seminarteilnehmenden bedanken, die mich mit ihren neugierigen Fragen und ihrer Lernfreude immer wieder aufs Neue inspirieren und begeistern.

Auch meinen Kollegen, Psychotherapeut und Psychoonkologe Dr. Dr. Gérard Tchitchekian, Psychotherapeutin Dr. Julia Hülz, Psychotherapeut Dipl.-Psych. Christoph Fischer und Psychotherapeut Dipl.-Psych. Christian Wiesholler, die mich nun schon seit Jahren, jeder auf seine ganz persönliche Art, auf meinem beruflichen Weg begleiten, möchte ich danken. Ein ganz besonderer Dank gilt meinem Co-Autor Dr. Gernot Hauke, mit dem mich seit vielen Jahren nicht nur die Freude am gemeinsamen Schreiben und an dieser Art zu arbeiten verbindet, sondern zu dem ich eine besonders vertrauensvolle Verbindung genieße. Letztere entstand nicht zuletzt durch das gemeinsame Wachsen an den Herausforderungen, die ein solcher Entwicklungs- und Schreibprozess mit sich bringt. Es waren wichtige Meilensteine auf dem Weg zu der Psychotherapeutin und Autorin, die ich heute bin.

Aber auch meinen Freunden und meinen Eltern möchte ich danken, die durch ihre Zuneigung, ihren Stolz und ihre Geduld im Verzicht auf gemeinsame Zeit mir den Rücken für solche Projekte stärken. Ein großer Dank gilt auch meiner Yogalehrerin Bernadette, die mit ihrer unverwechselbaren Art des Unterrichtens immer wieder dafür sorgt, dass mein Körper und Geist auch in langen Schreibphasen gut verbunden bleiben. Der größte Dank gilt meinem Partner Dag-Michael, der mit seiner Liebe und Ehrlichkeit all meine Projekte – so auch dieses Buch – bereichert und beflügelt.

Beide danken wir sehr herzlich unseren zahlreichen Patienten, Supervisanden und Kursteilnehmern, die dabei mitgewirkt haben, das Verfahren noch besser an die Anforderungen der Praxis anzupassen und weiterzuentwickeln.

Samar Ertsey hat für uns viele Abbildungen gestaltet und uns dabei buchstäblich neue Perspektiven vermittelt. Für seinen kreativen Input sind wir ihm ganz besonders dankbar.

Unsere Lektorin, Frau Dr. Christine Treml-Begemann, war uns stets eine sehr kompetente Ratgeberin und hat uns mit Weitblick und großem Wohlwollen begleitet. Dafür sind wir ihr herzlich dankbar.

München im Herbst 2019

Dr. Gernot Hauke

Dr. Christina Lohr

Kapitel 1

Der therapeutische Prozess im Überblick

Wenn einem als therapeutisch(1) Tätiger eine interessante neue Art zu arbeiten in Buchform begegnet, so steht man vor der Herausforderung, nur durch das Gelesene herauszufinden, ob sie bei den eigenen Patienten wohl auch das bewirkt, was die Autoren beschreiben, und ob sie zu der eigenen bisherigen Arbeitsweise passt. Denn nur, wenn das der Fall ist, lohnt sich für viele der Einsatz, die eigene gut laufende Routine zu unterbrechen und etwas Neues auszuprobieren. Aber genau dieser Einsatz ist nötig, um aus einem gelesenen Text eine lebendige Erfahrung und schließlich eine neue erweiterte Routine zu machen. Es erfordert zunächst Zeit, Energie und die Lust, etwas Neues ausprobieren zu wollen. Und zu Letzterem möchte dieser, etwas anders gewählte Einstieg seinen Beitrag leisten. Denn bevor in den folgenden Kapiteln ausführlich der theoretische Hintergrund und die Methodik beschrieben werden, steht an erster Stelle dieses Mal ein Erfahrungsbericht. Er enthält viel von dem, was Patienten uns seit der Entstehung der Emotionalen Aktivierungstherapie(1) vor nunmehr 5 Jahren zurückmelden. Er möchte zudem einen Einblick geben, wie Patienten diesen Ansatz erleben, und auch, wie sich die Prinzipien und Methoden des Embodiment in den bekannten (verhaltens-)therapeutischen Prozess einfügen.

1.1 Einstieg mal anders: Patient Harry F. gibt dem Embodiment eine Chance

Die Therapeutensuche – Harry F. will es noch mal wissen

Als ich mit Anfang 40 mal wieder auf der Suche nach einem Therapeuten war – ich leide regelmäßig unter Depressionen, seit ich ein Teenager war –, bekam ich von einem guten Freund und ehemaligen Mitpatienten den Tipp, es noch mal mit Verhaltenstherapie zu probieren. Aber er riet mir, darauf zu achten, dass es jemand ist, der nach dem sogenannten Embodiment-Ansatz arbeitet. Auf die Frage, was das denn genau sei, meinte er nur: »Bei denen wird einfach nicht nur in Sesseln gesessen und geredet, sondern du bist viel in Bewegung und lernst deinen Körper besser kennen. Das ist schwer zu erklären. Probiere es einfach mal aus, Harry. Mir hat das sehr geholfen.« Ich war zugegebenermaßen äußerst skeptisch, und das nicht nur, weil ich den Begriff Embodiment nicht kannte und es nach neumodischem Kram klang. Zwar weiß ich aus Erfahrung, dass mir Therapien stets geholfen haben. Schließlich hatte ich insgesamt vier ambulante und zwei stationäre Behandlungen in den letzten 20 Jahren und kannte somit all das, was meine Krankenkasse an Therapierichtungen bezahlt. Aber aus dem gleichen Grund wächst seither meine Skepsis und Therapiemüdigkeit. Denn blicke ich auf die letzten Jahre zurück, so sind es trotz all der Erkenntnisse und neuen Fähigkeiten immer wieder die gleichen Themen, die mich ins Straucheln bringen. Und dieses Resümee frustriert mich mehr und mehr: Ich weiß viel über mich und kann trotzdem nicht verhindern, dass ich wieder depressiv werde. Letztendlich ist es das gleiche Spiel wie mit meinen chronischen Rückenschmerzen. Wenn es schlimm wird, gehe ich zum Arzt, lasse mir Schmerzmittel verschreiben und nehme diese für eine gewisse Zeit. Danach geht’s dann auch wieder eine Zeit lang ohne, bis zur nächsten unbedachten Bewegung. Und so scheint es auch mit meiner Depression zu sein. Wenn es ganz schlimm wird, gehe ich wieder zur Therapie, und danach geht es wieder eine Weile ohne, bis zum nächsten Stress, und dann geht alles wieder von vorne los.

Die Probatorik – ein alter Hase auf neuen Spuren

Nach ein wenig Internetrecherche und herumtelefonieren saß ich genau mit dieser Mischung aus Skepsis, (1)Resignation und Erwartung auf Besserung in meiner ersten Stunde bei Frau B., ihres Zeichens Verhaltenstherapeutin mit besagtem Embodiment(1)-Ansatz. Der Praxisraum sah von innen nicht viel anders aus, als ich es gewohnt war: zwei Sessel, ein Tisch, ein Flipchart und was sonst noch so dazugehört. Das Einzige, was mir auffiel, war, dass das ganze Arrangement auf mich irgendwie geräumiger wirkte. Die erste Stunde lief dann auch ähnlich ab, wie ich es gewohnt war mit allerhand Aufklärung, Papierkram und den üblichen Fragen, warum gerade jetzt und was es an Symptomen gibt. Ich erzählte brav meine Beschwerden, die von Antriebslosigkeit über innere Unruhe, Gereiztheit bis hin zu schlechter Stimmung und starken Selbstzweifeln reichten. Und natürlich gab ich den üblichen Abriss der letzten Jahre zum Besten. Ich war mittlerweile sehr routiniert darin. Die Therapeutin Frau B. ließ es sich jedoch nicht nehmen, am Ende der Stunde nochmals darauf hinzuweisen, dass es schon in der kommenden Stunde darum gehen werde, nicht nur im Sitzen zu arbeiten, sondern die Embodimenttechniken(1) auch schon in der Probatorik auszuprobieren. Die Dame war mir ausreichend sympathisch und mein Leidensdruck hoch genug, sodass wir gleich einen neuen Termin vereinbarten.

In der kommenden Stunde ging es schon nach den ersten 10 Minuten, die dem üblichen »wie war die Woche und wie geht es Ihnen heute« gewidmet war, direkt zur Sache. Frau B. bat mich aufzustehen und sorgte dafür, dass die Mitte des Raums von den beiden Sesseln und dem Flipchart befreit wurde. Sie gab mir eine ca. sieben Meter lange fingerdicke Wolle und bat mich, einen Raum um mich herum zu definieren, der sich für mich gut anfühlt. Ich war sichtlich irritiert. Zum einen, weil mir so eine Aufgabe bisher noch niemand gestellt hatte, und zum anderen – das irritierte mich fast noch mehr –, weil ich die Antwort aus irgendeinem Grund ziemlich genau wusste. Ich legte eine geschlossene kreisförmige Fläche um mich herum und stellte mich mitten hinein. Meine Therapeutin begann dann mit weiteren, für mich seltsamen Fragen, nämlich wo in meinem Körper ich feststellen konnte, dass dieser Raum passend für mich war. Zunächst hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich darauf antworten sollte, aber sie half mir ganz gut, indem sie gezielt einzelne Körperpartien abfragte. Zögerlich konnte ich benennen, dass ich mich in dem Kreis recht entspannt in den Schultern fühlte und gut atmen konnte. So richtig interessant wurde es aber dann, als sie mich bat, meinen eigenen Kreis sehr viel kleiner und kurz darauf sehr viel größer zu legen. Ich war überrascht, dass mein Körper hier auf beide Varianten mit ordentlich Stress reagierte. Als der Raum zu eng war, konnte ich kaum atmen. Als er viel zu groß war, wurde ich unruhig in den Beinen. Jedes Mal fragte Frau B. mich, ob ich solche Empfindungen auch in anderen Situationen aus meinem Alltag kenne. Zu meiner Verwunderung fielen mir jede Menge Situationen aus dem Büro und auch aus meinem Familienalltag ein. In nur 20 Minuten waren wir beide an zentralen Themen von mir angelangt. Nicht schlecht, dachte ich mir.

Aber die Stunde war ja noch nicht vorbei, und so bekam ich erneut den Auftrag, den Kreis wieder in die für mich passende Größe zu bringen. In der Zeit hörte ich, wie Frau B. drei Luftballons aufblies. Ich wunderte mich, aber das war ich ja mittlerweile schon gewohnt. Als ich wieder in der Mitte meines gelegten Raumes stand, dort, wo ich mich am wohlsten fühlte, bat mich Frau B., genau darauf zu achten, was in meinem Körper passiert, wenn sie einen Ballon in meinen Raum wirft. Der erste Ballon schwebte hinein, und mich bestieg ein Gefühl von Unbehagen. Mit jedem weiteren Ballon wurde dies stärker und stärker. Frau B. bat mich, die Ballons aus meinem Raum zu entfernen, und als dieser wieder leer war, kehrte auch bald mein Wohlbefinden zurück. Erstaunlich, dachte ich mir. Das waren doch nur Luftballons. Als letzte Übung für heute schwebten die Ballons ein zweites Mal in meinen Kreis, aber diesmal sollte ich Impulsen meines Körpers folgen, und siehe da, mein Körper wollte, dass ich den Ballons aus dem Weg ging, und so zog ich mich an das hinterste Ende meines Raums zurück. Damit endete die Übung für heute, und Frau B. bat mich, meinen Kreis aufzulösen und für eine Abschlussbesprechung wieder auf dem Sessel Platz zu nehmen. Sie fragte mich ausführlich nach meinem Erleben während der Übung und erläuterte mir dabei, worum es bei der Arbeit nach dem Embodiment-Ansatz geht.

Zum einen geht es darum, den Körper als wichtige Informationsquelle nutzen zu lernen. Nicht nur in der Therapie, sondern vor allem auch im eigenen Alltag. Denn er reagiert blitzschnell und zeitnah bei Veränderungen in unserer unmittelbaren Umgebung, und genau das hatte ich ja in der letzten halben Stunde selbst erlebt. Zum anderen geht es darum, dass unser Körper und der ihn unmittelbar umgebende Raum für uns eine Art Schutzzone bilden, der für ein Sicherheitsgefühl sorgt und damit für unser Wohlbefinden sehr wichtig ist. Frau B. nannte die Arbeit mit diesem Raum den sogenannten Körperfokus(1)herstellen und nutzen lernen. Das Stressgefühl, welches sich in mir blitzschnell einstellte, als sich etwas im Außen veränderte, sollte ein kleiner Vorgeschmack auf die Arbeit im sogenannten Emotionalen Feld1 sein,(1) erklärte mir Frau B. Denn das innere Erleben steht dabei im Mittelpunkt und wird anhand einer konkreten Problemsituation(1) in den Therapieraum geholt. Ziel ist es, exakt zu verstehen, was dort in mir im Einzelnen passiert. Denn wie ich dank dieser kleinen Übung verstanden hatte, läuft da eine Menge verschiedener Sachen gleichzeitig ab. Ich war gespannt, auch wenn ich mir darunter noch nicht viel vorstellen konnte. Frau B. erklärte mir, dass das Emotionale Feld in der Tat eine Art Feld hier im Therapieraum sei, bei dem es vor allem ums körperliche und emotionale Erleben geht, und dass es für die Besprechung am Rand des Feldes einen extra Platz gäbe. Das soll dazu dienen, dass ich mich auf das jeweils Bedeutsame leichter konzentrieren kann, also entweder auf das Erleben oder auf das Besprechen. Dies leuchtete mir ein, fand ich es doch schon bei der Übung mit dem Kreis oft schwierig, die passenden Worte zu finden. Zu den Luftballons erklärte mir Frau B., dass diese symbolisch für alles stünden, mit dem ich mich täglich beschäftige und auf das ich reagiere: Menschen, Situationen, Ereignisse, Nachrichten. Es sei wichtig herauszufinden, welche Strategien ich dabei automatisch nutze, wie erfolgreich sie sind und ob sie passend zur Person und meinem Verhältnis zu ihr sind. Frau B. sprach hier vom sogenannten Interaktionsfokus. (1)Denn um gesund zu bleiben und meine Ziele zu erreichen, sollte ich ja in der Lage sein, Beziehungen so zu gestalten, dass ich wichtige Bedürfnisse erfüllt bekomme und lerne, wie ich eigene Ziele langfristig verfolge. Am Ende der Stunde ging ich mit einem Gefühl aus der Praxis, hier etwas zu erleben, das ich bisher noch nicht kannte, und mit einer gehörigen Portion Neugierde. Mein Optimismus kehrte ein Stückchen zurück. Das gefiel mir.

Die weitere Probatorik lief dann ähnlich ab. Es gab Stunden, in denen das passierte, was ich kannte, es wurden verschiedene Fragebogenergebnisse besprochen, diagnostische Interviews mit mir geführt und die Lebensgeschichte erfragt. Dazwischen gab es aber immer wieder Zeiten, in denen wir mit meinem Raum arbeiteten. Eine Sequenz blieb mir dabei besonders im Gedächtnis. Es ging um das Thema Achtsamkeit(1). Und ganz ehrlich, seit meinem zweiten Klinikaufenthalt bekomme ich schon bei dem Wort schlechte Laune. Die Theorie der Achtsamkeit leuchtete mir damals wie heute ein, aber die Übungen fand ich einfach nur unangenehm. In unserer wöchentlichen Achtsamkeitsgruppe lief das nämlich wie folgt ab: Wir saßen in einem Stuhlkreis und erhielten von der Leiterin der Gruppe die Aufforderung, beim Ertönen der Klangschale die Augen zu schließen und entsprechend der jeweiligen Übung entweder auf den Atem zu achten, Gedanken zu zählen oder Ähnliches zu tun. Aber egal, um was es ging, stets stieg die Anspannung in mir, ich wurde unruhig und fühlte mich danach schlechter als vorher. Als Frau B. mich nach meinen Erfahrungen fragte, erzählte ich ihr das entsprechend. Sie schlug mir vor, die Achtsamkeitsübung einmal in meinem Raum auszuprobieren mit der Option, diese jederzeit abzubrechen, falls es mir zu unangenehm würde. Darauf konnte ich mich einlassen, und so legte ich wie gewohnt meinen Kreis, der von Stunde zu Stunde stets etwas in der Größe variierte. Frau B. startete erst mit der Übung, als sich das für mich bekannte Wohlgefühl eingestellt hatte. Sie bat mich auch, die Augen nicht vollständig zu schließen, sondern nur die Lider zu senken und meinen Blick auf der Kreisgrenze vor mir ruhen zu lassen. Zwar merkte ich schon jetzt eine leichte Unruhe, da ich ja ahnte, was mich erwartete, aber der Blick auf meine eigenen Grenzen gab mir irgendwie Sicherheit. Die eigentliche Übung lief dann so ab, wie ich es kannte, aber mit einem entscheidenden Unterschied: Ich konnte der Übung zum ersten Mal in Ruhe folgen, und das gänzlich unangenehme Körpergefühl stellte sich nicht ein. Ganz im Gegenteil, nach der anfänglichen Aufregung spürte ich die meiste Zeit das Wohlgefühl aus meinem Raum. Ich war verblüfft und sprach mit Frau B. über mein Erlebnis. Wir kamen zu dem Schluss, dass mir die Achtsamkeitsübungen in der Klinik deshalb so schwerfielen, weil im Stuhlkreis meine Nebensitzer quasi in meinem Kreis saßen, und da ich diese kaum kannte, war mir das eigentlich unangenehm. Durch die geschlossenen Augen wurde dann ein Bedrohungsgefühl erzeugt, denn nun konnte ich noch nicht mal mehr sehen, was sich in meiner unmittelbaren Nähe ereignete. Und so konnte ich Woche für Woche nur meine äußerst unangenehme Stressreaktion beobachten. Wie ich heute weiß, gehört das zwar auch zur Achtsamkeit, motivierte mich aber nicht gerade zum Üben. Das Training ist aber notwendig, um diese Art der wertfreien Beobachtung und Aufmerksamkeitslenkung nach innen zu erlernen.

Das erste Drittel der Therapie – den Körper verstehen lernen

Nach all diesen positiven Erfahrungen der (1)ersten Stunden entschied ich mich für eine Therapie bei Frau B., und als die Krankenkasse den 60 Stunden zugestimmt hatte, begannen wir mit der wöchentlichen Arbeit. Frau B. riet mir, wie auch schon zwei meiner Therapeuten davor, mir ein Therapietagebuch zuzulegen, um auch zwischen den Stunden meine Gedanken zu notieren und wichtige Ereignisse für die kommenden Stunden festzuhalten. Ich folgte ihrer Empfehlung, da sich das Tagebuchschreiben von jeher für mich bewährt hatte. Sie bat mich aber auch, mir entsprechend dicke Wolle zu kaufen, mit der ich auch zu Hause meinen inneren Raum legen konnte. Zwar hatte ich »meinen Kreis«, wie ich diesen Raum von Anfang an nannte, als wohltuend erlebt, aber ich wäre wohl nicht auf die Idee gekommen, auch zu Hause damit zu arbeiten. Frau B. bat mich zu überlegen, wo im Haus ich genügend Ruhe und Platz hätte, um diesen Raum für mich zu legen. Und in der Tat ist das mit Hund, zwei Kindern und Frau zu Hause gar nicht so einfach gewesen. Aber mir fiel dann mein ziemlich verwaister Hobbyraum im Keller ein, und als ich die kaum genutzten Fitnessgeräte beiseiteschob, gab es genügend freie Fläche für meinen Kreis. Denn die Aufgabe war nun, den Kreis einmal täglich zu legen und darin eine kurze Achtsamkeitsübung zu machen. Frau B. erklärte mir, dass das eine wichtige Grundlage für unsere gemeinsame Arbeit sei, nicht nur, weil ich auf diese Weise lernen konnte, mich schneller zu entspannen, denn das passierte, sobald ich länger in meinem Kreis stand, sondern auch zu lernen, meine inneren Vorgänge wertfrei zu beobachten, also achtsam zu werden. Unsere gemeinsamen Therapiestunden starteten wir daher auch meistens mit dem Kreis. Und es fiel mir immer leichter, diesen zu legen, bis ich mich darin sicher und wohlfühlte.

Daher bekam ich nun eine neue Aufgabe: Ich sollte Frau B. anhand der Form des Kreises zeigen, wie ich mich aktuell fühlte. Und da war fortan alles Mögliche dabei, von sehr kleinen Kreisen, die sich sehr eng anfühlten, Kreisen, die irgendwie nicht geschlossen waren oder chaotisch aussahen. Es war eine interessante Variante, in die Stunde zu starten, und für mich eine willkommene Abwechslung zu der sonst so gewohnten Frage, wie es mir gehe und wie meine Woche war. Der Vorteil war auch, dass ich mein Körpergefühl(1) immer besser nutzen konnte, um diese Frage zu beantworten, und nicht nur meinen Verstand. Und ich lernte besser zu beschreiben, wie es mir geht. Dabei kamen mir immer öfter Bilder in den Kopf wie: ich fühle mich zerrissen, wie eingeschnürt, außer mir oder ohne Boden unter den Füßen. Frau B. erklärte mir, dass diese bildhafte Sprache besonders wichtig sei, denn sie helfe dabei, körperliches Erleben in Worte zu fassen, und tatsächlich half sie mir stets, ein passendes Bild zu finden.

In einer der ersten Stunden stellte Frau B. mir außerdem das Bild vom Elefanten(1) und seinem Reiter2 vor, davon hatte ich noch nie zuvor gehört, aber es leuchtete mir sofort ein. Der Elefant symbolisierte dabei den Körper, der im Hier und Jetzt lebt, sanftmütig und stark ist. Der Reiter wiederum steht für den Verstand, der viel kleiner, aber dafür wendiger ist und sich sowohl mit der Zukunft als auch mit der Vergangenheit beschäftigen kann. Keiner der beiden ist wichtiger als der andere, sondern es ist wichtig, dass sie ein gutes Team bilden. Wie schwer das oft ist, leuchtete mir noch mehr ein: Die beiden sprechen ja nicht mal die gleiche Sprache und haben oft unterschiedliche Ziele im Alltag. Mein Reiter zum Beispiel ist aktuell vor allem mit Grübeln und Sorgen machen beschäftigt. Seit ich vor sechs Monaten den neuen Job begonnen habe, hat er nur Angst, das alles nicht zu schaffen und zu versagen. Mein Elefant hingegen rebelliert mit Schlafstörungen, Antriebslosigkeit und Rückenschmerzen gegen die vielen Überstunden und das ständige Grübeln des Reiters. Beide sind zudem nicht gut im Kontakt miteinander und vertrauen sich wohl nicht. Keine Verbindung oder eine sehr schlechte, so Frau B., sei ein Grund für die Entstehung von psychischen Erkrankungen. Denn wenn beide nicht gut im Kontakt sind, bekommt keiner das, was er eigentlich braucht: Der Elefant fühlt sich vernachlässigt, und der Reiter fühlt sich im Stich gelassen vom Elefanten bei der täglichen Arbeit. So eine einfache und trotzdem passende Erklärung hatte ich bisher noch nicht gehört. Das Bild gefiel mir so gut, dass ich es auch nutzte, um meinen beiden kleinen Mädchen zu erklären, warum Papa gerade mal wieder so schlecht drauf ist. Klara, 7, und Laura, 9, merken natürlich auch, was los ist, sind verunsichert und versuchen mich aufzumuntern.

Welchen Umgang Reiter und Elefant miteinander pflegen, sollte in den folgenden Stunden immer wieder Thema sein, und vor diesem Hintergrund verstand ich auch besser, warum die Atmung so eine wichtige Rolle spielt. Denn diese läuft automatisch in meinem Körper ab, aber ich kann sie auch bewusst vom Verstand her steuern, wenn ich möchte. Sie ist also wie eine Art Verbindung zwischen Reiter und Elefant. Aber um sie beobachten zu können, müssen Reiter und Elefant sich am gleichen Ort einfinden und sich einigermaßen sicher fühlen. In meinem Alltag, der durch all die Herausforderungen mittlerweile zu einem echten Spießrutenlauf geworden war, klappte das für mich nicht mehr. Deshalb machte es Sinn, meine Atemachtsamkeitsübungen(1) abends in meinem Kreis zu machen. Ich begriff zum ersten Mal für mich: Sicherheit geht vor, danach kommt alles andere. Und sicher fühle ich mich dann am schnellsten, wenn ich allein bin und alle Störungen vor der Tür lasse, dazu gehören auch das Familientelefon, der Hund und mein Handy.

Als die Arbeit mit dem Kreis schon fast zur Routine geworden war und es mir leichtfiel, mich darin zu beobachten und mein körperliches Erleben zu beschreiben, kam das erste Emotionale Feld(2). Frau B. klärte mich nochmals auf, wie ich mir die »Feldarbeit« vorzustellen hatte und wie sie den Raum dafür aufteilen würde, sodass es Platz für mein Erleben und Platz für die Reflexion gab. Sie erläuterte mir die verschiedenen Positionen. Besonders gefiel mir die »Ich-mag-nicht-Position«,(1) die ich einnehmen konnte, falls ich die Arbeit auf der Stelle abbrechen wollte. Und die Neutral-Position(1)(1) gab mir Sicherheit, denn die Übung dazu hatte Frau B. vor einigen Stunden bereits mit mir gemacht und ich war damals überrascht, wie schnell es mir mit dieser Körperübung gelang, für mich unerträglich starke Gefühle wieder loszuwerden, z. B. wenn ich nach der Therapie wieder ins Büro fuhr. Ich durfte diese beiden Positionen und die Expertenposition(1)