Strategisch Behaviorale Therapie (SBT) - Gernot Hauke - E-Book

Strategisch Behaviorale Therapie (SBT) E-Book

Gernot Hauke

0,0
16,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Von der Überlebensstrategie zum selbstbestimmten und freien Leben Der Mensch tut nichts ohne Grund! – Unser Verhalten ist darauf ausgerichtet durch Bedürfnisbefriedigung inneres Gleichgewicht zu erreichen und aufrecht zu erhalten. Lernprozesse lassen dabei im Laufe des Lebens bestimmte Regeln, Gebote und Verbote entstehen. Solche automatisierten, nicht bewusstseinspflichtigen Verhaltensanweisungen werden in der SBT als „Überlebensstrategien“ bezeichnet. Im Falle psychischer Erkrankung sind sie jedoch dysfunktional geworden. In diesem Buch werden die theoretischen Grundlagen der SBT sowie die verschiedenen Interventionsmodule praxisnah beschrieben. Das Embodimentkonzept prägt dabei insbesondere die praktische, für Patienten und ihre Therapeuten erfrischende und aktivierende, Arbeitsweise. Durch das Embodiment wird der heute erweiterte Kognitionsbegriff – Denken und Handeln mit dem Körper – berücksichtigt. Dies erlaubt es, auf wissenschaftlich fundierte Weise, nicht nur die wichtige emotionale Aktivierung sondern auch die problemlösenden Aktivitäten zu unterstützen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 175

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gernot Hauke & Christina LohrStrategisch Behaviorale Therapie (SBT)

Reihe Therapeutische Skills kompakt

Über dieses Buch

Von der Überlebensstrategie zum selbstbestimmten Leben

Unser Verhalten ist darauf ausgerichtet, durch Bedürfnisbefriedigung inneres Gleichgewicht zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Lernprozesse lassen dabei im Laufe der Entwicklung bestimmte Regeln, Gebote und Verbote entstehen. Solche automatisierten Verhaltensmuster werden in der Strategisch Behavioralen Therapie (SBT) als „Emotionale Überlebensstrategien“ bezeichnet. Im Falle psychischer Erkrankung sind sie dysfunktional geworden. In diesem Buch werden die theoretischen Grundlagen der SBT sowie die verschiedenen Interventionsmodule praxisnah beschrieben. Durch das Embodiment wird der heute erweiterte Kognitionsbegriff – Denken und Handeln mit dem Körper – berücksichtigt. Dieses Verständnis prägt dabei insbesondere die praktische, für Patienten und ihre Therapeuten erfrischende und aktivierende, Arbeitsweise.

Dr. Gernot Hauke hat jahrzehntelange Erfahrung als Managementcoach, Ausbilder für Coaches, Dozent und psychologischer Psychotherapeut. 

Dr. Christina Lohr ist Diplom-Psychologin und Business Coach (zert. CIP). Sie arbeitet als klinische Psychologin, Referentin und Coach in München.

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2017

Coverfoto: © beletskaya18 – fotolia.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Fotos © Christina Lohr: Abb. 5.1, Abb. 6.1, Abb. 7.1 (Schildkröten), Abb. 7.1 (Paar am Strand)

Fotos © Shahin Shokati: Abb. 7.1 (Bilder links und rechts oben), Abb. 7.2, Abb. 7.3

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2017

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-678-3

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-699-8 (EPUB), 978-3-95571-701-8 (PDF), 978-3-95571-700-1 (MOBI).

Geleitwort

Ich freue mich sehr, dass nun das zweite SBT-Buch von Gernot Hauke – dieses Mal mit seiner Mitautorin Christina Lohr – veröffentlicht wird. Nachdem Gernot Haukes erstes im Springer Verlag erschienenes Buch vielen PsychotherapeutInnen zu einem unverzichtbaren Helfer und Begleiter wurde, ist nun ein kompaktes Buch der beiden Autoren erschienen, in dem anschaulich und prägnant Verständnis und Therapie bei mehreren konkreten Patienten dargestellt werden. Das Buch hebt sich von anderen verhaltenstherapeutischen Büchern dadurch ab, dass es einen wesentlich größeren Verstehenshorizont hat und im Menschenbild weit über die kognitive Verhaltenstherapie hinausgeht, die ja in ihren Denkmodellen sehr einfach und oft technisch wirkt. Hier wird der ganze Mensch mit seinem ganzen Körper und seiner ganzen Seele betrachtet, sodass eine humanistische Haltung eingenommen wird. Der theoretische Hintergrund ist absolut wissenschaftlich und die im Buch gemachten Aussagen sind durch empirische Forschung vielfach belegt. Gegenwärtig vermitteln die Zweiprozesstheorien, die eine Verbindung von Neurobiologie und Psychologie herstellen, das weitestgehende Verständnis des Menschen – so wie es benötigt wird, um psychisch erkrankten Menschen zu helfen. Der SBT-Ansatz (Sulz & Hauke, 2010) geht auf eine dieser Zweiprozesstheorien zurück, die erstmals 1994 veröffentlicht wurde (Sulz, 1994). Dort wird das emotionale System, das wir heute überwiegend älteren kortikalen Strukturen zuordnen, die limbisches System genannt werden, als „autonome“ Psyche bezeichnet (autonom, weil der bewussten Steuerung nicht zugänglich). Und das kognitive oder rationale System wird „willkürlich“ bezeichnet, analog zum autonomen und willkürlichen Nervensystem.

Von den Neurowissenschaften haben die Autoren das Konzept des Embodiments übernommen und als zweite wichtige Grundannahme zu einer innovativen psychotherapeutischen Konzeption ausgebaut. In dieser Hinsicht sind sie Vorreiter und Pioniere, die allerdings Geduld haben müssen, bis die Psychotherapie diesen notwendigen Entwicklungsschritt zu gehen bereit ist.

Die Leser dieses Buchs können sich freuen, von dieser Innovation schon heute zu profitieren, und zwar so, dass sie eine gut verständliche und praktisch gut umsetzbare Konzeption und Strategie für ihre konkrete Arbeit mit ihren Patienten verfügbar haben.

Prof. Dr. Dr. Serge Sulz, München im Juli 2017

Vorwort

Wir freuen uns sehr darüber, liebe Leserinnen und liebe Leser, Ihnen in diesem Buch eine innovative Form der Verhaltenstherapie präsentieren zu dürfen.

Wie setzen darauf, dass dieser verhaltenstherapeutische Ansatz Ihre Erfahrungen würdigt, aber Sie ganz besonders auch in Ihrer Kreativität abholt! Wandlungsprozesse, die in der verhaltenstherapeutischen Landschaft als „die dritte Welle der Verhaltenstherapie“ beschrieben werden, wurden bereits in früheren Darstellungen zur SBT vorgestellt (Sulz & Hauke, 2010; Hauke, 2013). In diesem Buch bemühen wir uns darum, der Forderung vieler Theoretiker und Praktiker noch mehr gerecht zu werden: „Psychotherapie ist mehr als Reden!“

Damit dies in wissenschaftlich seriöser Weise passieren kann, bietet es sich an, das Verständnis von Kognition der kognitiv-behavioralen Therapien um die Zutaten der neurowissenschaftlich basierten Embodied Cognition zu erweitern. Diese wiederum ermöglicht sowohl einen direkteren Zugang zu den Emotionen als auch eine neuartige, noch betont erlebnisorientiertere Arbeitsweise im Umgang mit emotionalen Prozessen. Die SBT bietet Klienten die Möglichkeit, mithilfe von Embodimenttechniken mit verschiedenen für sie relevanten Emotionen oder Gefühlen (beide Begriffe werden im Buch synonym verwendet) vertrauter zu werden. Dabei werden Emotionen bottom-up hergestellt, erlebt und erforscht. Erst danach wird darüber gesprochen. Sprache ist und bleibt natürlich auch in der SBT ein wesentliches Verständigungsmittel. Mit unserer Arbeitsweise wollen wir jedoch sicherstellen, dass auch vorsprachliche Inhalte einbezogen werden. Unser Bewusstsein, d. h. der sprachlich gefasste Bereich – unsere „willkürliche“ Psyche –, ist, im Vergleich zum vorsprachlichen, unbewussten Bereich, vergleichsweise unwissend und unzureichend im Hinblick auf den Umgang mit problematischen Situationen. Logisch-rationales Herangehen dokumentiert immer nur unsere eng begrenzte Rationalität und befasst sich deshalb oft nicht mit den wirklichen Bestimmungsfaktoren menschlichen Erlebens und Verhaltens. SBT geht darüber hinaus, erschließt jene vorsprachlichen Inhalte und nutzt sie als Ressource für das Erreichen von Zielen sowie das Anstoßen und Fördern persönlicher Entwicklung.

Dank

Die innige konzeptionelle Zusammenarbeit mit unseren lieben Kolleginnen der Emodiment Resources Academy (ERA), Dipl.–Psychologin Evelyn Beverly Jahn, Leipzig, und Dr. Tania Pietrzak, Melbourne, ist unerlässlich, um die Substanz unserer Arbeitsweise zu entwickeln, zu klären und zu „raffinieren“. Danke für eure Inspiration und die damit verbundene Motivation!

SBT hat eine Geschichte, die in den Neunzigerjahren beginnt. G. H. möchte an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Dr. Serge Sulz herzlich Danke sagen, dass er ihn vor so vielen Jahren mit der Strategischen Kurzzeittherapie vertraut gemacht hat. Weiterhin hat er auch die Weiterentwicklungen des Ansatzes mit Wohlwollen begleitet sowie auch die Durchführung einer aufwendigen Studie unterstützt. Sie wurde von Dr. Miriam Sichort-Hebing geleitet und konnte die Wirksamkeit von SBT eindrucksvoll belegen.

Der Kontakt zur wissenschaftlichen Psychologie ist uns immer sehr wichtig gewesen. Bei aller Faszination für die Befunde der Grundlagenforschung ist es jedoch nicht immer ganz einfach, sie für klinische Zwecke in ein anwendungsbezogenes Format zu bringen. Hier sind wir immer wieder auf Unterstützung angewiesen. Unser besonderer Dank gilt dabei Frau Prof. Dr. Dr. Olga Pollatos sowie Dr. Mathias Messner, beide von der Universität Ulm. Sie ließen sich von unserer Begeisterung für das Thema Embodiment anstecken und unterstützen tatkräftig die Untersuchungen der Doktorandin, unserer lieben Kollegin Felicitas Weineck, zum Thema. Danke, Felicitas, für deine Brillianz und Umsicht; du bist uns sehr wichtig! Prof. Dr. Fritz Strack, Universität Würzburg, sind wir sehr dankbar für seine Offenheit und sein Interesse an anwendungsbezogenen Fragestellungen. Er hat uns entscheidend bei der Anwendung seines Reflective-Impulsive Models (RIM), des zurzeit integrativsten dualen Prozessmodells, unterstützt. Prof. Dr. Manfred Holodynski, Universität Münster, hat bei Fragestellungen zur Emotionspsychologie sehr geholfen. Wir möchten ihm an dieser Stelle erneut ganz herzlich für seine Freigebigkeit und sein Interesse an unseren Themen danken. Einige emotionsbezogene Embodimenttechniken profitieren von den Arbeiten der Neuropsychologin Prof. Dr. Susana Bloch, Santiago, Chile. Das von ihr entwickelte Verfahren, das es ermöglicht, mithilfe des Körpers willkürlich Emotionen herzustellen, verkörpert die Embodimentperspektive in Reinkultur. G. H. verdankt ihr die praktische Einführung in das Verfahren.

Ein Ansatz bleibt qualitativ unterentwickelt, wenn nicht ausgiebig Erfahrungen damit gesammelt und ausgewertet werden. Zu großem Dank sind wir den zahlreichen Patientinnen und Patienten verpflichtet, die dabei mitgewirkt haben. Unser Dank gilt ganz besonders den Kolleginnen und Kollegen, die mit Begeisterung und besonderen therapeutischen Fähigkeiten Material erarbeitet haben, das sie im Rahmen von Fallbesprechungen, Supervisionen und Intervisionen zur Verfügung gestellt haben.

Der betreuenden Lektorin vom Junfermann Verlag, Frau Katharina Arnold, sind wir zu großem Dank verpflichtet für ihre ebenso kompetente wie geduldige Anleitung und Unterstützung.

Ihnen allen unser herzliches Dankeschön.

München, im Sommer 2017

Dr. Gernot Hauke 

Dr. Christina Lohr

TEIL I: THEORETISCHE GRUNDLAGEN DER SBT

1. Die Strategisch Behaviorale Therapie (SBT) – eine Verhaltenstherapie der „dritten Welle“

1.1 Verortung der SBT in der verhaltenstherapeutischen Landschaft

Der Name der SBT leitet sich aus dem zentralen Konzept der sogenannten Emotionalen Überlebensstrategie ab. Aus Sicht der Strategisch Behavioralen Therapie (SBT) ist Verhalten nämlich darauf ausgerichtet, grundlegende Bedürfnisse, wie z. B. nach Geborgenheit oder nach Selbstwirksamkeit, zu befriedigen. Lernprozesse führen dabei zur Internalisierung bestimmter Regeln, Gebote und Verbote, die eingehalten werden müssen, damit wenigstens minimale Bedürfnisbefriedigung garantiert ist und somit das innere Gleichgewicht einigermaßen erhalten bleibt. Solche Verhaltensanweisungen werden hier als Überlebensstrategien bezeichnet. Es handelt sich dabei um automatisierte, nicht bewusstseinspflichtige Schemata. Es können Situationen eintreten, in denen diese Schemata massiv dysfunktional werden. Selbst erhöhte Anstrengungen, danach zu handeln, können dann scheitern, zum Energiebankrott und massiver Symptomatik führen.

In der SBT stellt die Erarbeitung der Überlebensstrategie den Ausgangspunkt der Therapie dar. Dabei entsteht eine neuartige Herangehensweise im Hinblick auf Fallkonzeption und Therapiedurchführung. Die hier dargestellte Form der SBT basiert auf wesentlichen Grundannahmen, die Sulz (1994, 2001) formuliert hat. Diese frühe Version des Ansatzes – als Strategische Kurzzeittherapie (SKT) bezeichnet – wurde von Sulz und Hauke (2009, 2010) umbenannt und weiterentwickelt. Es entstand die SBT. Hier wurden zuvor schon enthaltene Gemeinsamkeiten mit Verfahren der dritten Welle der Verhaltenstherapie noch prägnanter herausgearbeitet (Hauke & Sulz, 2006; Hauke, 2013). Eine empirische Untersuchung zur Wirksamkeit der SBT ergab hohe bis sehr hohe Effektstärken (Hebing, 2011). Die gefundenen Effektgrößen sind vergleichbar mit Effektstärken aus Metaanalysen, welche ebenfalls die Wirksamkeit ambulanter psychotherapeutischer Interventionen im Vergleich zu unbehandelten Kontrollgruppen am Ende einer Therapie beurteilt haben (Lambert & Ogles, 2004).

Die Wende zur Erfahrungsorientierung in Therapien der dritten Welle

Frühere kognitive Ansätze á la Beck, Ellis u. a. werden in den Verhaltenstherapien der dritten Welle nicht negiert. Diese setzen aber einen anderen Schwerpunkt (Hayes, 2004). Das Modifizieren von Inhalten dysfunktionaler Kognitionen steht hier nicht im Vordergrund. Stattdessen werden Patienten darin gefördert, unter verschiedensten Bedingungen neue Erfahrungen zu sammeln. Dieser angeleitete Prozess zur Generierung neuer Erfahrungen kann dann alternative Bewertungen und ein Umdenken zur Folge haben. Patienten werden dabei zu Beobachtern, die ihre Gedanken und Gefühle als Formen „mentaler Ereignisse“ registrieren lernen, ohne sich gegen sie zu wehren oder sich weiter darin zu verstricken. Konzepte von Achtsamkeit und Akzeptanz spielen in der SBT eine ebenso wichtige Rolle wie die persönlichen Werte der Patienten (Hauke, 2006; 2010b, Sulz & Schmalhofer, 2010). Die besonderen Merkmale des „Erfahrens und Erlebens“ werden in der SBT sehr ernst genommen. Mit unserer Arbeitsweise folgen wir insbesondere den Bemühungen der Embodimentforschung, den Kognitionsbegriff zu erweitern, wonach intelligente Kognition ohne den Körper nicht machbar ist. Die Therapie aktiviert Patienten1 und ihre Therapeuten. Es wird nicht nur miteinander gesprochen. Der therapeutische Dialog in der SBT ist weitaus mehr als der verbale Austausch. Von der ersten Stunde an beziehen wir den gesamten Körper mit ein: Mimik und Gestik, Körperhaltung, Bewegung, Stimme und Atem.

1.2 Was macht die SBT?

Die Arbeit in der SBT stützt sich auf sieben unterscheidbare Module, die in Kapitel 7 praxisorientiert erläutert werden (Sulz & Hauke, 2010; Hauke, 2013; s. Abb. 1.1).

Abbildung 1.1: Die Arbeitsmodule der Strategisch Behavioralen Therapie (SBT)

Erarbeiten der Überlebensstrategie

.

Die Überlebensstrategien unserer Patienten sind das „Gravitationszentrum“ in der SBT. Mit ihnen beginnt der therapeutische Prozess. Alle weiteren Module docken dort immer wieder an und nehmen darauf Bezug. Ist die Überlebensstrategie erarbeitet, so erfahren Patienten im Rahmen angeleiteter systematischer Selbstbeobachtung nochmals sehr eindrucksvoll – jetzt freilich sehr viel bewusster – die damit verbundenen Restriktionen und Anstrengungen. Damit wird der Boden bereitet, um deren Griff zu lockern. Daraus ergibt sich in überzeugender Weise die Strategie der Therapie.

Achtsamer Körper

fokus.

Nachdem die Entscheidung zur Therapie gefallen ist, erlernen Patienten Fertigkeiten der systematischen Selbstbeobachtung und der Aufmerksamkeitslenkung durch Achtsamkeit gegenüber Gedanken und Gefühlen. „Körperfokus“ bezieht sich dabei auf eine Haltung, die den Körper als Bestandteil der Therapie ernst nimmt. Achtsamkeit gegenüber Körpersignalen hilft dabei, nicht bewusste, vorsprachliche Prozesse einzubeziehen. In der SBT wird die Achtsamkeitspraxis noch durch eine Interozeptionsübung angereichert. Das Gewahrsein für Körpersignale ist wesentliche Voraussetzung für Wahrnehmung und Regulation von Affekten und Emotionen.

Symptomtherapie

.

Voraussetzung für eine gelingende Symptomtherapie ist ein gut ausgeprägter achtsamer Körperfokus. Vorläufersignale und Symptomsignale sowie erste Mikroanalysen helfen unseren Patienten, die Funktion des Symptoms zu verstehen. Ihm kann dadurch eine Bedeutung zugewiesen werden, sodass man nicht zwingend in eine Form der Gegnerschaft dazu verfallen muss. Nachdem Verständnis und dadurch auch Akzeptanz für das Symptom aufgebaut wurde, folgen Schritte des Symptomabbaus. Dabei integriert die SBT bewährte Methoden der verhaltenstherapeutischen Praxis.

Emotionale Aktivierung

und Emotionsregulation

.

Jede Problemsituation ist nicht nur mit einer, sondern mit einem Netzwerk von Emotionen und affektiv geladenen Fragmenten der Lerngeschichte assoziiert. Die Arbeit im Emotionalen Feld (vgl.

Abschn. 6.3

) vermag deshalb mehrere unterscheidbare Emotionen zu identifizieren. Im nächsten Schritt werden primäre und sekundäre Emotionen unterschieden und in ihrer Funktionalität verstanden. Über Emotionen wird hier nicht nur gesprochen. Embodimenttechniken helfen dabei, sie ganz direkt zu spüren und auf diese Weise ihre Botschaft mit verblüffender Unmittelbarkeit und Klarheit zu erfassen.

Arbeit mit der therapeutischen Beziehung

.

Ohne eine gute therapeutische Beziehung geht gar nichts. Sie berührt sowohl das emotionale als auch das Zielerreichungsbündnis und schafft damit wesentliche Voraussetzungen für korrigierende Beziehungserfahrungen. Sie wird nicht nur in stagnierenden Therapiesituationen zum Thema gemacht. Jede Zeile der Überlebensstrategie bietet wertvolle Anhaltspunkte für einen Blick auf die aktuelle Beziehung zwischen Patientinnen und Therapeuten sowie des Transfers in deren Alltag (Sulz, 2015). Embodiment hilft, die Themen schnell auf den Punkt zu bringen, wobei hier wiederum die positive Beziehungserfahrung aufgrund der Wärme und Empathie der SBT-Therapeuten wichtig ist.

Persönliche Werte

als Ressourcen

.

Sie legen fest, was einer Person wertvoll und wichtig ist. Werte trennen sozusagen die Spreu vom Weizen und machen deutlich, in was man involviert sein will und in was nicht. Sie sind eng mit der jeweiligen Identität verwoben. Das qualifiziert sie als Haltungsziele, was der Identität Kontur verleiht. Angesichts schwieriger Situationen vermittelt diese Arbeit in der SBT Aufbruchstimmung, löst ein Gefühl von Würde aus und wirkt sich günstig auf den Stresslevel aus. Deswegen passt der Begriff der Werthaltung hier sehr gut, wobei diese Bezeichnung ganz wörtlich genommen wird. Eine Embodimenttechnik hilft dabei, diese innere Haltung über den Körper zu fühlen und zum Ausdruck zu bringen. Werthaltungen steuern die nachgeordneten Regulationsebenen, insbesondere aber die Umsetzung von Handlungszielen. Das Thema, in welcher Werthaltung Patienten die Realisierung ihrer Handlungsziele anpacken wollen, ist daher von größter Bedeutung.

Behaviorale Therapie

.

Die Bahnung alternativer Verhaltensweisen kann nur dann zuverlässig und dauerhaft erfolgen, wenn die gewonnenen Einsichten auch durch konkretes Handeln umgesetzt werden. Wenn Patienten dabei nicht unterstützt werden, dann könnte es sein, dass sie sich zu sehr daran gewöhnen, immer nur Vorsätze zu fassen, die dann ohnehin nicht umgesetzt werden. Im Vordergrund steht dabei zunächst nicht die Änderung kognitiver Inhalte. Stattdessen werden konkrete Veränderungsprojekte geplant und umgesetzt. Das Augenmerk liegt dabei auf der Entwicklung und Erprobung von Verhaltensalternativen, die im Hinblick auf die Bedürfnisbefriedigung adaptiver sind. Die daraus resultierende Veränderung der emotionalen Verfassung und des Denkens wird anschließend thematisiert.

1  Gemeint sind stets beide Geschlechter. Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die Nennung beider Formen verzichtet.

2. Das duale Prozessmodell: Der größte Teil verhaltensbestimmender Faktoren ist unbewusst

Wir werden von zwei Kräften gesteuert. Dies sind einerseits impulsive, nicht gut kontrollierbare und andererseits rationale, auf bewusstem Denken und Entscheidungen basierende Verhaltenstendenzen. Ersteres bezeichnen wir mit Strack und Deutsch (2004) als Impulsives, das zweite als Reflexives System. Inzwischen ist die Annahme, dass unbewusste Prozesse einen Großteil des psychischen Geschehens ausmachen, wissenschaftliches Gemeingut geworden und insbesondere in den letzten 20 Jahren durch unzählige Untersuchungsergebnisse gestützt worden (Sherman et al., 2014). Baumeister et al. (2011) haben in einer Übersicht nachgewiesen: Kein Verhalten wird durch bewusstes Denken allein verursacht. Es gilt als erwiesen, dass beide Prozesstypen – bewusste wie unbewusste – zusammenwirken. Verhalten wird wahrscheinlich nicht einmal ausschließlich im Bewusstsein geboren. Das Ergebnis der Übersicht: Verhalten beginnt mit einer Wechselwirkung äußerer situativer Bedingungen – Hinweisreize aktivieren unbewusste Motive und Handlungstendenzen. Natürlich macht es dabei einen Unterschied, ob man die mögliche Handlung bewusst überdenkt und simuliert. Dennoch setzt sich in vielen Fällen das Impulsive System kraftvoll durch.

Beispiele:

Aufgrund vernünftiger, gesundheitsbezogener Überlegungen hat man beschlossen, abzunehmen, kauft aber immer wieder Süßigkeiten ein oder erliegt ständig der Versuchung, ein leckeres Stück Kuchen zu essen.

Ein Mann freut sich darauf, mit seiner geliebten Freundin eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Am Tag des Umzugs erlebt er eine massive Panikattacke und sucht einen Arzt auf.

Eine in zwei Wochen anstehende Prüfung fordert zwingend, die noch erheblichen Wissenslücken zu schließen. Die Studentin findet aber immer wieder neue Ausreden, die Prüfungsvorbereitung aufzuschieben.

Eine Frau hat erkannt, dass die berufliche Tätigkeit ihr keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten mehr bietet, und langweilt sich. Sie vollzieht aber nicht den Schritt, über etwas Neues nachzudenken.

Das Impulsive System liefert schnelle, automatisierte Verhaltensantworten, die ohne Nachdenken oder bewusstes Entscheiden zustande kommen. Sie korrespondieren mit den entwicklungsgeschichtlich älteren Hirnbereichen, die permanent mit den Gefahren und Bedürfnissen des gegenwärtigen Moments – dem Hier und Jetzt – beschäftigt sind, mit dem ursprünglichen Ziel, den nächsten Moment noch zu erleben. Diese besondere Funktion des Impulsiven Systems ist auch der Grund dafür, dass es stets aktiv ist, während das Reflexive System ausgesetzt sein kann. Dieses Wirken des Impulsiven Systems entlastet in erheblichem Maße das Reflexive System bzw. das Bewusstsein von der Bürde des Moments und erspart ihm „Kapazitätsaufwand“. Aufgrund dieses Vorteils können bewusste Prozesse „Zeitreisen“ in die Vergangenheit oder die Zukunft unternehmen und dabei gegenwärtige Ereignisse mit entsprechenden Erfahrungen der Vergangenheit vergleichen und daraus geeignete Pläne für die Zukunft entwickeln. Dieses duale Prozessmodell ist in Abbildung 2.1 veranschaulicht.

Abbildung 2.1: Reflective-Impulsive Model (RIM; nach Strack & Deutsch, 2004)

2.1 Die autonome Psyche übernimmt die Regie: das Impulsive System

Die Basis für die Arbeitsweise des Impulsiven Systems ist unser gigantisches Erfahrungsgedächtnis. Hier wird jegliche Erfahrung in einer ähnlichen Weise gespeichert, wie wir sie tatsächlich erlebt haben, nämlich situationsspezifisch und konkret. Zeit, Ort, anwesende Personen, aber auch Szenen, Bilder, körperliche Empfindungen, z. B. bei Berührungen, beim Hantieren mit Gegenständen, beim Einnehmen von Körperhaltungen, ebenso bei Bewegungen, z. B. der Augen, des Halses, sowie – besonders wichtig – erlebte Emotionen werden als Elemente eines Netzwerks miteinander verbunden. Diese miteinander verbundenen Elemente werden durch ausgedehnte neuronale Netzwerke realisiert. Seine Arbeitsweise ist nicht bewusst. Wie schon erwähnt, kommt ein Großteil unseres Verhaltens aus diesem unbewussten Bereich. Dies verdeutlicht der Anteil des Eisberges, der sich in Abbildung 2.1 unterhalb der Wasseroberfläche befindet. In den meisten Fällen wird über dieses Verhalten nicht weiter nachgedacht. Es ist einfach da, etwa wie das Gangschalten beim Autofahren.

 BEISPIEL

Die 86-jährige Mutter macht der verheirateten 54-jährigen Tochter, Abteilungsleiterin in der städtischen Verwaltung, Ehefrau und dreifache Mutter, schwere Vorwürfe, dass sie sich nicht um sie kümmern würde. Die rüstige, vitale Dame beklagt die „unsagbare Undankbarkeit“ der Tochter und fordert von ihr mehr Initiative im Kontakt, insbesondere mehr Telefonanrufe und Besuche. Sie hätte sich als Alleinerziehende schließlich aufgeopfert und sich alles vom Munde abgespart, damit aus der Tochter etwas wird. Kommt es zu Kontakten, so ist die Mutter meistens schlecht gelaunt und nörgelt herum. Die Tochter (Patientin) entwickelt schwerste Schuldgefühle und schrumpft innerlich unter dieser Last. Sie versucht, während ihrer dicht gefüllten Arbeitswoche zusätzliche Besuche bei ihrer Mutter einzuplanen. Inzwischen hat sie beobachtet, dass sie auf das fordernde Verhalten einer etwas älteren, untergebenen Arbeitskollegin mit ganz ähnlichen Verhaltensweisen reagiert. Nach und nach wird ihr deutlicher, dass sie generell mit dominant auftretenden – weiblichen wie männlichen – Personen ein Problem hat.

Das Beispiel zeigt uns, wie eine intelligente, beruflich erfolgreiche, erwachsene Frau von ihrer Lerngeschichte eingeholt werden kann. Obwohl sie schon lange nicht mehr bei ihrer Mutter lebt, mittlerweile viele Fähigkeiten sowie Kompetenzen erworben und auch beruflich inzwischen viel erreicht hat. In der Sprache der Verhaltenstherapie erklärt sich dies folgendermaßen:

Vermeidung

.

Ihre Angst vor solchen Situationen, in der sie sich darin bedroht sah, sämtlichen Halt, alle notwendige Sicherheit zu verlieren, wollte sie nie wieder erleben. Mithilfe ihres emotionalen Radarsystems, ausgeprägtem sozialem Geschick und hohem Energieaufwand gelang es ihr im Laufe der Zeit immer zuverlässiger, solche Situationen zu vermeiden und damit vermeintlich Sicherheit zurückzugewinnen.

Generalisierung

.

Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass ähnliche Reize die gleiche Vermeidungsreaktion auslösen. Dabei gilt: Je ähnlicher der neue Stimulus dem konditionierten Reiz, umso stärker wird die Vermeidungsreaktion ausfallen. Im Laufe der Zeit wirken auch nur entfernt ähnliche Situationen, z. B. dominante Personen unterschiedlichen Geschlechts und Alters, sogar ärgerliche Verkäufer, schon alarmierend und aktivieren bereits im Vorfeld Vermeidungsstrategien, damit das Befürchtete auf keinen Fall eintritt.