Emotionsregulationstraining (ERT) für Kinder im Grundschulalter - Nina Heinrichs - E-Book

Emotionsregulationstraining (ERT) für Kinder im Grundschulalter E-Book

Nina Heinrichs

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Beschreibung

Es gibt viele Hinweise darauf, dass Defizite in der Emotionsregulation bei Kindern mit der Entwicklung psychosozialer Probleme in Verbindung stehen. Das in diesem Manual vorgestellte Emotionsregulationstraining (ERT) richtet sich an Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren. Es zielt darauf ab, die Emotionsregulationskompetenzen zu stärken. Das ERT wurde für die Durchführung in Gruppen konzipiert und umfasst sechs Sitzungen im Umfang von jeweils ca. 60 bis 75 Minuten. Einleitend gibt der Band theoretische Hintergrundinformationen zur Emotionsregulation und erläutert das Konzept des Trainings. Anschließend wird die Durchführung der einzelnen Sitzungen beschrieben. Zum einen enthält das Training Übungen zur Wissensvermittlung über Emotionen, um das Emotionsverständnis der Kinder zu stärken. Zum anderen umfasst es Übungen zu den Teilprozessen der Emotionsregulation. Auf spielerische Weise werden Strategien zur Situationsselektion, Situationsmodifikation, Aufmerksamkeitslenkung, kognitiven Veränderung und Reaktionsmodulation vermittelt. Trainingsbegleitend sind weiterhin zwei Elternsitzungen vorgesehen. Abschließend werden Ergebnisse zur Evaluation berichtet. Das Manual beinhaltet Arbeitsblätter mit zahlreichen Illustrationen, die direkt von der beiliegenden CD-ROM ausgedruckt werden können.

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Nina Heinrichs

Arnold Lohaus

Johanna Maxwill

Emotionsregulationstraining (ERT) für Kinder im Grundschulalter

Prof. Dr. Nina Heinrichs, geb. 1973. Studium der Psychologie in Marburg. 2001 Promotion. 2003–2007 Juniorprofessorin, Abteilung Klinische Psychologie, Psychotherapie und Diagnostik an der Technischen Universität Braunschweig. 2007–2012 Professorin für Klinische Kinder- und Jugendlichenpsychologie und Psychotherapie an der Universität Bielefeld. Seit 2012 Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Technischen Universität Braunschweig.

Prof. Dr. Arnold Lohaus, geb. 1954. Studium der Psychologie in Münster. 1982 Promotion. 1987 Habilitation. 1996–2006 Professor für Entwicklungspsychologie an der Universität Marburg. Seit 2006 Professor für Entwicklungspsychologie und Entwicklungspsychopathologie an der Universität Bielefeld.

Dipl.-Psych. Johanna Maxwill, geb. 1985. Studium der Psychologie an der Universität Bielefeld. 2011 Diplom. 2011–2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Hochschuldozentin in der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität Bielefeld. Seit 2012 tätig an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Lüneburg.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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37085 Göttingen

Deutschland

Tel. +49 551 999 50 0

Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Illustrationen: Claudia Styrsky

Fotos Testmaterialien: Marco Bühl Photography, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2017

© 2017 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2766-9; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2766-0)

ISBN 978-3-8017-2766-6

http://doi.org/10.1026/02766-000

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Audiodateien.

Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1 Theoretischer Hintergrund

1.1 Unterscheidung von emotionaler Reaktivität und Emotionsregulation

1.2 Entwicklung von Emotionsregulationskompetenzen

1.3 Emotionsregulationsstrategien und ihre Klassifikation

1.4 Emotionsregulationsprobleme und die Entwicklung von Psychopathologien

1.5 Phasen des Emotionsregulationsprozesses

Kapitel 2 Bereits vorhandene Trainingsprogramme

Kapitel 3 Programmkonzept

3.1 Elemente des ERT für Kinder

3.2 Begleitende Elternsitzungen

3.3 Allgemeines zum Training

Kapitel 4 Das Emotionsregulationstraining für Kinder

4.1 Sitzung 1: Emotionsverständnis und Emotionsausdruck – „Gefühlsachterbahn“

4.1.1 Begrüßung und Ausblick

4.1.2 Namens-Ball

4.1.3 Seelenvogel

4.1.4 Gefühle raten

4.1.5 Mitfühlgeschichte

4.2 Sitzung 2: Situationsselektion und Situationsmodifikation – „Gefühlslenkrad“

4.2.1 Kurzaustausch

4.2.2 Gefühlswirrwarr

4.2.3 Gefühlsdetektiv

4.2.4 Autofahrt durch die Gefühlswelt

4.2.5 Gefühlsberater

4.3 Sitzung 3: Aufmerksamkeitslenkung – „Gefühlsscheinwerfer“

4.3.1 Rückblick und Austausch

4.3.2 Malrunde

4.3.3 Tannenzapfenexperiment

4.3.4 Rollenspiele mit Scheinwerfereinsatz

4.3.5 Bilder-Lösungen mit Scheinwerfereinsatz

4.4 Sitzung 4: Kognitive Veränderung – „Gefühlsbrille“

4.4.1 Rückblick und Austausch

4.4.2 Brillenexperiment

4.4.3 Bewegungsspiel

4.4.4 Rosa Gedanken

4.4.5 Bilder-Lösungen mit Brille

4.5 Sitzung 5: Reaktionsmodulation – „Gefühlsaufheller“

4.5.1 Rückblick und Austausch

4.5.2 Was mir gut tut

4.5.3 Austob-Spiele

4.5.4 Traumreise

4.5.5 Blinder Parcours

4.5.6 Gefühlsprofi

4.6 Sitzung 6: Emotionsbezogenes Problemlösen – „Gefühlsampel“

4.6.1 Rückblick und Austausch

4.6.2 Plakat-Malen

4.6.3 Ampel

4.6.3 Ampel-Spiele

4.6.4 Problemlöse-Memory

4.6.5 Übergabe der Abschlussurkunde

Kapitel 5 Elternsitzungen

5.1 Sitzung 1: Trainingshintergründe

5.2 Sitzung 2: Trainingsreflexion

Kapitel 6 Trainingsevaluation

6.1 Pilotstudie

6.2 Interventions-Kontrollgruppen-Studie

Kapitel 7 Allgemeine Hinweise zur verhaltensorientierten Gruppenarbeit mit Kindern

Überlegungen zum Kinderschutz

Literatur

Anhang

Materialien auf CD-ROM

|7|Vorwort

In diesem Manual wird ein Training zur Emotionsregulation für Kinder vorgestellt. Es gibt viele Hinweise darauf, dass Emotionsregulationsdefizite im Zusammenhang stehen mit der Entwicklung psychosozialer Probleme. So kann beispielsweise eine Störung des Sozialverhaltens mit einer mangelnden Regulation von Emotionen wie Wut oder Ärger assoziiert sein. Auch bei internalisierenden Problemen (wie ängstlichen oder depressiven Beschwerden) kommt es zu einer verstärkten Aufmerksamkeit auf negative Emotionen, während positiven Emotionen zu wenig Raum geschenkt wird. Mit einem Emotionsregulationstraining soll das Ziel verfolgt werden, die Emotionsregulationskompetenzen zu stärken, um dadurch zu einer Reduktion psychosozialer Probleme beizutragen.

Das Emotionsregulationstraining (ERT) richtet sich an Kinder im Vor- und Grundschulalter (Altersbereich zwischen 6 und 10 Jahren), um frühzeitig Emotionsregulationskompetenzen aufzubauen bzw. zu stärken. Das Training kann sowohl primärpräventiv eingesetzt werden als auch im Bereich der indizierten Prävention, wenn bereits erste Anzeichen für psychosoziale Probleme erkennbar sind, um frühzeitig korrektive Maßnahmen zu ergreifen. Da derzeit noch keine Hinweise auf besondere Indikationen vorliegen, wird ein transsymptomatischer Maßnahmeneinsatz angestrebt, der keine Einengung auf spezifische Symptome oder Symptomgruppen vorsieht.

Es liegen erste Evaluationsstudien vor, die darauf hinweisen, dass mit dem Emotionsregulationstraining in ausgewählten Bereichen positive Wirkungen im Kindesalter erzielt werden können. Die bisher bestehenden Evaluationsergebnisse werden im Manual kurz dargestellt. Es wäre wünschenswert, wenn zukünftig noch weitere Evaluationsstudien folgen würden, um das Wirkungs- und auch das Indikationsspektrum genauer eingrenzen zu können.

Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um uns bei allen zu bedanken, die bei der Entstehung des Trainings mitgewirkt haben. Besonders erwähnenswert ist die Unterstützung durch Jan Greuel, der im Rahmen seines Dissertationsprojektes einen Teil der Trainingsevaluation übernommen hat. Wir möchten uns weiterhin bei Claudia Styrsky bedanken, die die Zeichnungen, die im Training Verwendung finden, erstellt hat. Unser besonderer Dank gilt weiterhin dem Hogrefe-Team für die Unterstützung bei der Publikation unseres Manuals.

Braunschweig, Bielefeld und Hamburg im April 2017

Nina Heinrichs,

Arnold Lohaus und

Johanna Maxwill

|8|Kapitel 1Theoretischer Hintergrund

Im Folgenden sollen die wichtigsten theoretischen Hintergründe der Entwicklung eines Emotionsregulationstrainings (ERT) für Kinder im Grundschulalter dargestellt werden. Dazu wird zunächst auf die Differenzierung unterschiedlicher emotionaler Kompetenzen und auf ihre Entwicklung eingegangen. Im Anschluss wird auf die Bedeutung von Emotionsregulationskompetenzen für die Entwicklung von Psychopathologien eingegangen, um die potenzielle Indikationsbreite der Intervention darzustellen. Es folgt die Darstellung der Umsetzung der theoretischen Grundlagen in eine Trainingskonzeption.

Betrachtet man die Entwicklung der Psychotherapieforschung, so lässt sich konstatieren, dass auf eine stark behavioristisch geprägte Phase seit den 1950er Jahren ein Paradigmenwechsel folgte, mit dem die Bedeutung kognitiver Prozesse für menschliches Erleben und Verhalten stark in den Vordergrund des Interesses gerückt wurde. Als Konsequenz wurden psychische Störungen zunehmend durch das Vorhandensein spezifischer Denkmuster erklärt (wie beispielsweise die kognitive Triade bei Depressionen; Beck, 1970), wobei mit der kognitiven Verhaltenstherapie dazu beigetragen werden soll, maladaptive Denkmuster zu verändern. Erst in jüngerer Zeit ist eine zunehmende Beachtung von Emotionen und Emotionsregulationsprozessen bei der Erklärung der Störungsgenese und bei der Therapie von psychischen Störungen zu erkennen. Dies wird beispielsweise durch die rasant und exponenziell ansteigenden Publikationsanzahlen im „Web of Science“ zum Thema Emotionsregulation deutlich (Gross, 2013; Kullik & Petermann, 2012). Es geht dabei nicht darum, einen Erklärungsansatz durch einen neuen zu ersetzen, sondern um eine Vervollständigung des Gesamtbildes sowohl hinsichtlich der Erklärung psychischer Störungen als auch möglicher Interventionen. Vor diesem Hintergrund ist das hier dargestellte Emotionsregulationstraining einzuordnen.

1.1 Unterscheidung von emotionaler Reaktivität und Emotionsregulation

Emotionsregulation kann als eine Form der Affektkontrolle verstanden werden (neben weiteren Unterformen wie beispielsweise Stimmungsregulation, Impulsregulation und Stressregulation; vgl. Gross, 2013). Sie ist zu unterscheiden von emotionaler Reaktivität. Emotionale Reaktivität bezieht sich auf die emotionale Reaktion auf einen Reiz hin, z. B. die Reizstärke, die notwendig ist, um eine emotionale Reaktion auszulösen. So können z. B. ängstliche Kinder eine größere Reaktivität auf einen bedrohlichen Reiz zeigen, haben aber im Vergleich zu wenig ängstlichen Kindern nicht notwendigerweise ausgeprägtere Defizite in einer wirksamen Emotionsregulation (Carthy et al., 2010). Sie sind aber u. U. häufiger (heraus)gefordert, ihre ängstlichen Gefühle zu regulieren. Obwohl die Anwendung einer Regulationsstrategie (in der Studie von Carthy et al., 2010: cognitive reappraisal) ähnlich wirksam war wie bei weniger ängstlichen Kindern, wurde sie von den ängstlichen Kindern im Alltag seltener eingesetzt. Die Wirksamkeit einer eingesetzten Emotionsregulationstrategie ist also zu unterscheiden von der Häufigkeit ihres Einsatzes. Für eine Intervention bedeutet dies, dass bei ihrer Entwicklung darauf geachtet wird, die Anwendung der Strategie im Alltag zu fördern, z. B. indem der Zugang zu der Strategie erhöht wird.

1.2 Entwicklung von Emotionsregulationskompetenzen

Nach Lewis (1998) gilt es als eine zentrale Entwicklungsaufgabe, mit den eigenen Emotionen und mit den Emotionen anderer umgehen zu lernen. Dabei lassen sich mindestens drei Entwicklungslinien unterscheiden (Holodynski & Friedlmeier, 2006; Lohaus & Glüer, 2017):

a)

|9|Von basalen zu komplexen Regulationsprozessen: Die ontogenetisch frühesten Regulationsprozesse beziehen sich auf die Regulation basaler Bedürfnisse (wie die Regulation von Hunger- und Sättigungsgefühlen etc.). Im Laufe der ersten Lebensjahre übernehmen dann höhere kortikale Regionen (wie der präfrontale Kortex) zunehmend die Regulationsteuerung. Da auch im Jugendalter noch kortikale Restrukturierungen stattfinden, kommt es in diesem Lebensabschnitt nicht selten zu Problemen bei der Emotionsregulation. Erst im Übergang vom Jugend- zum Erwachsenalter kommt es zu einer allmählichen Stabilisierung der Emotionsregulationskompetenzen.

b)

Von der Fremd- zur Selbstregulation: Wenn ein Säugling seine Bedürfnisse regulieren will, ist er in den meisten Fällen auf die Unterstützung durch eine Bezugsperson angewiesen. Erst allmählich ist er in der Lage, erste Selbstregulationsstrategien einzusetzen (z. B. durch Lutschen an den eigenen Fingern). Im Laufe der Entwicklung kommt es zunehmend zu einem Übergang von der Fremdregulation von Emotionen durch Bezugspersonen zur Selbstregulation. Bei diesem Übergang von der Fremd- zur Selbstregulation spielt u. a. das emotionale Referenzieren eine Rolle. Dies bedeutet, dass das Kind die emotionale Bedeutung einer Situation aus dem Emotionsausdruck und der Reaktion der Bezugsperson (z. B. aus dem ängstlichen Gesicht der Mutter) abzuleiten versucht (Feinman, 1992). Das Kind nutzt also zunächst noch Signale aus der sozialen Umgebung (z. B. den Gesichtsausdruck), die ihm bei der Einschätzung der emotionalen Bedeutung einer Situation helfen. Im Laufe des Entwicklungsprozesses gelingt es dem Kind in zunehmendem Maße, Strategien zu entwickeln, um selbstständig mit den eigenen Emotionen (und auch den Emotionen anderer) umzugehen. Das Repertoire an Emotionsregulationsstrategien steigt also zunehmend an.

c)

Vom äußeren zum inneren Emotionsausdruck: Im Laufe der Entwicklung wird der Emotionsausdruck zunehmend nach innen verlagert. Während man einem kleinen Kind sein emotionales Erleben (z. B. seine Traurigkeit) häufig unmittelbar ansehen kann, fällt dies mit zunehmendem Alter schwerer, weil das ältere Kind gelernt hat, seine Emotionen zu verbergen und über das eigene emotionale Erleben hinweg zu täuschen. Der Emotionsausdruck folgt zunehmend den jeweils geltenden sozialen Normen und kann vom tatsächlichen emotionalen Erleben abgekoppelt sein. Da hier die sozialen Normen eine wichtige Rolle spielen, kann es auch zu kulturellen Unterschieden hinsichtlich des Emotionsausdrucks (und den damit verbundenen Ausdrucksregeln) kommen.

Diese grundsätzlichen Entwicklungsschritte sind notwendig, um Kompetenzen zum Umgang mit Emotionen aufzubauen. Emotionale Kompetenzen sind jedoch vielschichtig und umfassen eine Reihe unterschiedlicher Teilkompetenzen. Nach Rindermann (2009) sind zumindest die folgenden Kompetenzen zu unterscheiden:

Erkennen eigener Emotionen: Hierbei geht es um die Fähigkeit, Gefühle bei sich selbst wahrnehmen und verstehen zu können;

Erkennen von Emotionen bei anderen: Darunter wird die Fähigkeit gefasst, die Gefühle bei anderen Personen an ihrem Verhalten, ihren sprachlichen oder mimisch-gestischen Äußerungen zu erkennen;

Regulation und Kontrolle eigener Emotionen: Dies bezieht sich auf die Fähigkeit, mit eigenen Gefühlen umgehen zu können (Bewältigung extremer Gefühlszustände, Veränderung negativer in positive oder neutrale Gefühlszustände);

Fähigkeit zum Emotionsausdruck: Hierbei geht es um die Kompetenz, eigene Emotionen in angemessener Form zeigen zu können;

Regulation und Umgang mit den Gefühlen anderer: Hierbei geht es darum, mit den Gefühlen anderer Personen umgehen und sie ggf. positiv beeinflussen zu können;

Einstellungen zu Gefühlen: Dies bezieht sich auf positive Einstellungen zu Gefühlen (Bereitschaft, sich mit Gefühlen zu befassen und sie verstehen zu wollen).

An dieser Aufzählung wird deutlich, dass die oben aufgeführten drei Entwicklungslinien zwar wichtige Grundlagen für die emotionale Entwicklung legen, dass die Emotionsregulationskompetenzen jedoch vielschichtiger sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass auf allen sechs Dimensionen, die bei Rindermann (2009) beschrieben werden, Entwicklungsprozesse stattfinden, die weit in das Erwachsenenalter hineinreichen. Ein Emotionsregulationstraining sollte dementsprechend auf die Förderung eines breiten Spektrums an emotionalen Kompetenzen ausgerichtet sein.