ENDOGEN - Mäander Visby - E-Book

ENDOGEN E-Book

Mäander Visby

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Beschreibung

Eine Auslese an seinen Gedichten präsentiert Mäander Visby in seinem Buch ENDOGEN. Dabei blickt er zurück auf fünfzehn Jahre Dichtkunst, herausgefiltert aus seinen zahlreichen Dramen und seiner Trilogie DER DICHTUNG ZAUBERISCHE HÜLLE. Das Pendant zu ENDOGEN ist der Gedichtband EXOGEN.

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Seitenzahl: 241

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Mäander Visby

ENDOGEN

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

A

B

D

DAS

DER

DIE

E

F

G

H

I

J

K

L

M

N

O

P

R

S

T

U

V

W

Z

Impressum neobooks

A

ENDOGEN

VON MÄANDER VISBY

ABSCHIED

Der Abschied fühlt sich schrecklich an.

Ich weiß, er ist für immer.

An Rückkehr glaube ich nicht dran,

Denn Hoffnung macht's nur schlimmer.

Die Koffer sind schon längst gepackt.

Und nichts ist hinterlassen.

Die Uhr schlägt im Minutentakt.

Den Zug bloß nicht verpassen!

Dein Bild ist nach wie vor präsent.

Es kommt mir stets entgegen.

Im Flur, der Tod und Leben trennt,

Kann ich mich kaum bewegen.

Ich winke. Und ein letzter Blick

Sieht dich zu meiner Linken.

Es bricht mein Herz, mir mein Genick,

Im Abschied zu versinken.

ALLES ODER NICHTS

Willst du kämpfen oder sterben?

Was liegt dir denn an dieser Welt?

Willst du von der Menschheit erben,

Wenn diese von dir gar nichts hält?

Alles oder nichts! Doch nur zu zweit,

Wenn die eine endlich mir verzeiht!

Ach, muss ich erst im Sterben liegen,

Um, Liebchen, dich zurückzukriegen?!

AMOK

In meinem Kopf, die Mädchen, werd' ich nicht mehr los.

Sie wandern stets umher.

Mein Kopf ist mir so schwer.

Die Last ist viel zu groß.

Auf meinem Weg, die Mädchen, sind zu weit gegangen.

Sie laufen und sie fragen.

Ob sie zurück sich wagen?

Wir spielen doch nur Fangen.

Und jene Mädchen, mit der List in dem Gesicht,

Die mich nicht recht verstehen

Und mich glatt übersehen,

Die nehm' ich in die Pflicht!

Die Mädchen, die ich richte, schicke ich zurück

Auf eine sichre Seite,

Wo suchen sie das Weite.

So logisch ist Physik!

Was ist denn Trug und was real, ihr Fabelwesen?

Die Kluft ist ganz schön klein.

Sie sollte gar nicht sein.

Das ist bald nachzulesen!

Die Mädchen in dem Raum verschließen sich vor Bange.

Doch ich brech' auf die Tür!

Ich nehme einfach mir

Den Reif, das Tuch, die Spange!

Zum Abschied noch ein Kuss auf eine schlichte Weise.

Und wer sich dann beklagt,

Dem sei erneut gesagt:

Dir Mädchen, gute Reise!

Des Fuhrmanns neuer Auftrag ist indes erstellt:

Es ist der Fahrtenschein.

Wie sollte es auch sein?

Bezahlt mit Taschengeld.

Nun, was der Mensch nicht hört im Leid,

Im Zorn, in Liebe, Lust, im Neid:

Tja, dieser Ruf nach Schutz und Halt.

Und so verliert sich die Gestalt...

Der unbeherrschten Lebewesen,

Die kaum nur einmal dagewesen

Und kurz und knapp an denen brechen,

Die Seelen schlicht mit Nadeln stechen.

AN ALLE

An alle, die verblieben sind:

Ich komm' nicht mehr zurück!

Der Mensch benimmt sich wie ein Kind

Und ist vor lauter Habsucht blind,

Dass er das größte Kuchenstück

Verwechselt mit dem höchsten Glück.

Wo ich jedoch von nun an bin,

Wird nicht im Leben dran gedacht,

Wie man am besten macht Gewinn.

Hier legt man Wert auf Kunst und Sinn –

Vom eignen klugen Geist entfacht

Und von der eignen Hand vollbracht.

AN EINEM TAG WIE DIESEM (2)

An einem Tag wie diesem, einmal mehr,

Als aus dem Nichts, so schien mir, kam daher

Ein Brief – ich hielt zuerst ihn nicht dafür –,

Der rutschte durch den Schlitz an meiner Tür

Und fiel zu Boden, wie ein Brief so fällt,

Den lustlos man, phlegmatisch überstellt,

Was eben nicht der Sache wird gerecht –

Als wär' per se gleich jede Nachricht schlecht.

Ich ging zur Tür, besah den Frevel mir

Und war erstaunt, entzückt von dem Papier,

Als mit dem Fuß ich schob es hin und her

Und dacht' dabei: In Teufels Namen wer

Verschickt solch schönen Brief denn heute noch?

Ich hielt kurz inne, griff dann aber doch

Nach diesem Stück, was mir ins Auge stach

Und über das ich mir den Kopf zerbrach.

Ich schaute mir den Brief genau nun an.

Ich wog ihn in der Hand und roch daran.

Ich fühlte ihn und schätzte sein Gewicht.

Ich hielt ans Fenster ihn ins Sonnenlicht.

Ich kam zum Schluss: Der Brief ist weder schwer

Noch reich gefüllt. Vermutlich ist er leer,

Dacht' ich, und man erlaubt sich einen Scherz,

Durch den, nebst Kopf, auch brechen soll mein Herz.

Ich bückte mich und lugte durch den Schlitz,

Hielt Ausschau nach dem Ursprung für den Witz –

Dem Schurken, Unhold, der dahintersteckt,

Oh, der den Brief zu feucht hat angeleckt,

Ja, viel zu schwammig meinen Namen schrieb

Und seinen Namen, wohl bedacht, verrieb,

Wodurch ich wusst' zwar, dass für mich war er,

Doch nicht erkannte, wo er stammte her.

Durch meinen Kopf ging dies und das und der.

Und wieder fragt' ich mich: Zum Teufel wer

Versendet denn solch schönen Brief noch heut'

Und hat nicht Kosten oder Müh' gescheut,

Wobei – was für das Posthorn wirklich zählt –

Das Porto und der Stempel hat gefehlt –

Verständlich, wenn da wär' nicht der Verstand,

Für den die Nachricht liegt nicht auf der Hand.

Die Nachricht liegt beim Worte aus dem Mund,

Für das zu schreiben braucht es keinen Grund.

Selbst wenn da einer wie die Feuerwehr

Zum Einsatz kommt geflogen wie ein Speer,

Und helfen will, indem er auf bloß blitzt,

Statt Wasser Öl durch einen Türschlitz spritzt

Und hofft, er hätt' ein Wunder hübsch vollbracht,

Obwohl dies einzig Wut in mir entfacht.

Was nach dem Feuer leuchten wollt' mir ein:

Verfasser muss auch Überbringer sein!

Sonst hätt', so dacht' ich, wär' die Eigenart,

Er an dem Porto nicht gezielt gespart.

Und falls er kommt von etwas weiter her –

Aus Moskau, Kairo oder sur la mer –,

Dann ist gewiss er hier noch in der Stadt,

Wo er es abgesehen auf mich hat.

So nahm nun die Schimäre ihren Lauf:

Ich riss mit meinem Zeigefinger auf

Den Brief – wie eine Klinge vom Barbier,

Geschärft – und das Kuvert warf ich von mir,

Worauf ich hielt – gefaltet und geknickt –

Ein Blatt – hätt' doch ein Kärtchen er verschickt –

Allein, das zog ich aufrecht, drehte quer,

Las einen Satz und warf es zum Kuvert.

Und wieder schreib' ich einen Brief an dich,

Verschließe ihn und sende ihn an mich,

Weil dich der eine Teil von mir vermisst

Und du der andre Teil noch immer bist,

Der vor dem Schreck sogar zurück nicht schreckt

Und wie ein Dorn der Rose in mir steckt –

An einer Stelle, die zu jenen zählt,

Mit der ein Mensch herum sich lange quält.

Doch auch der Teil, wohin der Schmerz nicht führt,

Bleibt von der andren Pein nicht unberührt:

So fühlt er mit, ist ständig auf der Hut,

Als wär' der Teil sein eignes Fleisch und Blut –

Nicht wie ein Vater, auch nicht wie ein Sohn.

Wer kennt sich besser als ein Zwilling schon?

Wer weiß denn jemals mehr von wem Bescheid?

Wer meint zu spüren eines andren Leid?

Wer kann erahnen heut' noch, was es heißt

Zusammen – in der Tat – zu sein geschweißt?

Alleine sind die Menschen doch gefühlt,

Verschlossen, wertlos, schwach und unterkühlt,

Als wären, was sich Herz und Köpfchen nennt,

Auf eine Meile von dem Leib getrennt,

Der weder sieht noch riecht und hört,

Tagtäglich aber auf die Sinne schwört.

Mein eigner Leib jedoch spielt da nicht mit,

Auch wenn er wie kein zweiter Körper litt.

So zeigt im Einklang er sich mit dem Geist,

Was Anstand, Klugheit und Gefühl beweist.

Er zweifelt nicht, solang' der Bund besteht,

Selbst wenn die heile Welt zu Grunde geht,

Ja, wenn die Menschheit sich in Stücke reißt,

So bleiben wir einander fest verschweißt.

Dein Brief ist da. Ich öffne ihn für dich.

Was dich nicht stört, ist kein Problem für mich.

Ich lese ihn. Ich lese ihn dir vor.

Du bist gespannt, ich weiß. Du bist ganz Ohr.

Ich spüre dich in mir. Du willst hinfort.

Mein Bruder, du bist sicher an dem Ort!

Denn sollt' ich lassen wieder dich aus mir,

So wirst du schädlich sein und schaden dir.

Du hilfst mir mehr, wenn du verborgen bleibst!

Du hilfst der Welt, wenn du nie wieder schreibst!

Dir kann geholfen werden, wenn du ruhst!

Ich kann dir helfen, wenn du gar nichts tust!

Wir können helfen, wenn wir werden blind!

Wir werden helfen, wenn wir einsam sind!

Uns wird geholfen, wenn die Welt verroht!

Uns hilft wohl letzten Endes nur der Tod!

Ich falte das Papier – wie immer schief –,

Greif' nach dem Umschlag und zerreiß' den Brief.

Es soll nichts deuten auf dich, Bruder, hin!

Man soll nicht wissen wer und was ich bin!

Es würde übersteigen den Verstand,

Denn was dem Fleisch nicht liegt gleich auf der Hand,

Hebt er nicht auf, als wäre es nichts wert,

Obwohl wir sind, was jeder Mensch begehrt.

Was soll's?! Den Schatz, den man nicht finden will,

Verliert man nicht! Doch nun, mein Bruder, still!

Es bricht die Nacht herein. Der Kopf wird schwer.

An einem Tag wie diesem, einmal mehr,

Bekommt der Geist zum Ende hin den Raum,

Sich zu begeben in den nächsten Traum,

Wo wir, von unsrer innren Uhr verstellt,

Uns so begegnen, wie es uns gefällt.

AN SOPHIE

Ich blieb Zuhaus',

Bloß in der Stadt –

Tat, was ein Bote heut' zu tun so hat.

Wie eine Maus

Verkroch ich mich,

Als meine Zeit im Schatten prompt verstrich.

Oh, Liebessinn –

Hier bist du groß.

Ich seh', dein Ausblick ist stets wolkenlos.

Und was ich bin,

Weiß ich genau,

Das wurd' ich erst durch die wohl schönste Frau.

Ich ging voran,

Hatt' endlich Schneid.

Durch dich hab' ich mein wahres Ich befreit.

Ich denke dran,

Mit dir zu sein –

Für alle Zeit, bis in den Tod hinein.

Oh, Liebessinn –

Du bist ganz nah.

Du bist das Beste, was mir je geschah!

Und was ich bin,

Gehört nur dir!

Was wirklich zählt am Ende, das sind wir!

Oh, Liebestraum –

Du bist fürwahr

Und stellst dich mir als großen Glücksfall dar.

Ich glaub' es kaum,

Doch erdet's mich,

Und laut verkünd' ich: Ja, ich liebe dich!

ANFANG BIS ENDE VOM SEIN

Leichtgläubig, ängstlich, verträumt,

Anhimmelnd, flüchtig, erstaunt,

Aufsagend, scherzhaft und bunt:

Menschen am Anfang vom Sein.

Hartnäckig, schützend, verträumt,

Scheinheilig, süchtig, erhitzt,

Ansagend, herzlich und braun:

Menschen zur Hälfte vom Sein.

Schwermütig, furchtlos, verträumt,

Feindselig, tüchtig, beschämt,

Absagend, schmerzhaft und grau:

Menschen am Ende vom Sein.

ANTONIA

Ach ja,

Die Antonia

War lang' nicht zu erreichen –

Ließ Tag um Tag verstreichen,

Dass mir mein Herz sich bang' verengte,

Das ich mit Freuden ihr einst schenkte.

Ich sah

Liebst' Antonia

Mir aus dem Herz entweichen –

Und dies als schlechtes Zeichen –,

Obwohl ich wollte sie begleiten

Bis an das Ende aller Zeiten.

Doch da

War Antonia

Nun wieder zu erreichen

Und, schön wie ihresgleichen,

Bin ich erneut ihr treu ergeben.

Und nochmals schlägt mein Herz vor Leben.

AUF DASS DU ENDLICH WEINST

Ja, keine Tränen sah ich je

Verlassen deine Augen.

Gab nie es Grund für Ach und Weh?

Willst du dafür nicht taugen?

Auf dass du endlich weinst,

Auch wenn du dauernd meinst,

Den Schmerz doch zu vermeiden!

Dann müssen wir halt scheiden!

So blutleer, wie du scheinst –

Es steht dir im Gesicht –,

Bist du nun wirklich nicht.

Du kannst wie jeder leiden.

Bist du jetzt nicht den Tränen nah?

Kaschiere nicht Gefühle!

Ein Herz ist, um zu wärmen da!

Dein Herz schlägt für die Kühle!

Auf dass du endlich weinst,

Auch wenn du dauernd meinst,

Den Schmerz doch zu vermeiden!

Dann müssen wir halt scheiden!

So blutleer, wie du scheinst –

Es steht dir im Gesicht –,

Bist du nun wirklich nicht.

Du kannst wie jeder leiden.

Und nach den Zeilen, sei erwähnt –

Ich wollt' dich eben meiden –,

Da hat ein Auge dir getränt.

So ließ ich mich nicht scheiden.

AUF DEM WEG ZU DIR

Zur Hüfte ragt der Rasen und die Hecken türmen sich.

Die Stängel wilder Gräser, sie verschlingen beinah' mich.

Die Stiche spitzer Dornen, sie zerkratzen mir die Haut.

Ach, die Natur hat schlicht ein Heer von Schutzwall sich erbaut.

Doch hinter jenem Dschungel, da blitzt goldig schon hervor,

In übergroßem Maße ein verschlossnes edles Tor,

An dem der rankend' Efeu manch Geschichte hat verdrängt

Und, wie ein Häufchen Elend, von dem Himmel runterhängt.

Von Bäumen ist gesäumt der Weg, und gleicht dem der Allee,

Mit Tierfiguren an dem Rand, egal wohin ich seh'.

Ein Schatten fällt von einem Stein und zeigt mir sein Profil.

Er sucht zur frühen Stunde noch den Sinn in seinem Stil.

Und nach den Metern voll von Furcht – hindurch gemimter Fratzen –,

Da sitzen auf der Treppe, keck, zwei schnurrend schwarze Katzen,

Die Schritt für Schritt nun mich genau, wie fehl am Platz, beäugen,

Doch, unerwartet dann für mich, sich tief vor mir verbeugen.

Ich klopfe an die Eingangstür und warte sehr diskret.

Mir ist so als ob an der Tür dahinter jemand steht.

Ich warte wie die Zeit vergeht, doch keiner öffnet mir.

Drauf sagt die eine Katz' zu mir: Es wohnt gar niemand hier!

Im Leben dacht' ich nie daran, mit Tieren je zu sprechen.

Stattdessen war ich drauf und dran die Tür bald aufzubrechen.

Die Katze spricht: Ach sie, mein Herr, Sie sind ja kriminell!

Da sträubt sich mir das Nackenhaar und bleicht mein schwarzes Fell!

Nun, ungeachtet von der Katz', zerbrach ich doch die Tür.

Und beider Katzen Nackenhaar stand, wie zur Wehr, Spalier.

Die eine meinte noch zu mir: Mein Herr, das war nicht schlau!

Ich ging sogleich ins Haus hinein und sagte nur: Miau!

Durchleuchtet glüht das Haus voll Glanz. Welch Prunk schon am Empfang!

Ja, fünfzig Stufen führen rauf zum ersten großen Rang.

Ein satter Marmor ziert das Rund und küsst die Flut aus Strahlen.

Es wirkt, als würde Gott, der Herr, mit seinem Werk hier prahlen.

Und hinter einem Aufgang, rechts, die vielen Stufen rauf,

Da tut in weiter Ferne auch ein langer Flur sich auf,

Der wie ein Tunnel der Begier im hellen Licht erscheint

Und, trotz gewöhnlich und banal, sich als besonders meint.

Verwunschen sind die Wände und porös so manches Bild.

Wer weiß, ob eins der Dinger heut' als Meisterwerk noch gilt?!

Und üppig glänzt das Silber, so wie jeden Tag poliert.

Es sind sogar die Bücher nach den Sparten einsortiert.

Ein Buch in dem Regal jedoch steht nicht in Reih' und Glied:

An einem Tag wie diesem ist's, wenn man's genau besieht.

Der braungefärbte Umschlag hat ins gelb sich jäh gemischt

Und ist durch das sich Nehmen recht verworren und verwischt.

Da tut sich beim Berühren just ein Teil des Schrankes auf,

Eröffnet so mir einen Gang mit Wendeltreppenlauf,

Der eng und düster ist und wirr im Kreise abwärtsführt.

Und bloß, weil man mein Büchlein nur hat einmal leicht berührt?!

Nun, Schritt um Tritt ertast' ich mir den Weg gen Dunkelheit.

Und ging' es nicht so tief hinab, tät' ich's mit Frömmigkeit.

Doch dann lauf' ich, erblindet fast, direkt vor eine Tür.

Das kann ja nur bedeuten, dass die Stufen enden hier.

Allmählich fühl' im Dunkeln ich ein Schloss an dieser Tür,

Das, via eine Kennzahl, wohl sich erst eröffnet mir.

Ich rate in die Nacht hinein und drücke auf gut Glück:

Von vier der sieben Knöpfe! Ja, dann zieht's das Schloss zurück.

Ein langes Kerzchen brennt im Raum, als wurd' es erst entfacht.

Ein Bett steht in der Ecke, schlicht, noch warm, doch frisch gemacht.

Ja, ohne Fenster ist der Raum, die Wände trist und kahl.

Es ist zwar bloß ein Schlafgemach, doch schöner als manch Saal.

Von da an führt nun, tunnelgleich, ein Weg hinaus ins Licht.

Ein Vogelzwitschern schallt ins Ohr, wie ein Naturgedicht.

Der Morgen hellt sich wieder auf, als ich die Nacht verließ.

Es grüßt ein süßes Lächeln mich als Gartenparadies.

Exakt sind alle Hecken, strikt. An Reben reifen Trauben.

Und Vögel sind mit Gier dabei die Bäume leer zu rauben.

Ein Teich, inmitten von dem Grün, ziert rosig diesen Garten.

Um einen Fisch zu sehen drin, muss man nicht lange warten.

Da ragt, so hochgeschossen her, ein dichtes Labyrinth,

Das wie ein Feuer, toll vom Wahn, nicht nach Entrinnen sinnt.

Hindurch jedoch, hindurch mit Mut, selbst wenn der Tod dort lauert,

Wenn ich im Zunder mich verlier' und es gar Stunden dauert!

Von Liebe spricht das Scheitern gern als einen treuen Freund.

Und wenn ich glaub' zu träumen, dann war das wohl auch geträumt.

Und als ich glaub' zu gehen, dann stand ich entschieden da.

Und als ich dacht' zu stehen, dann wusst' ich nicht, wo ich war.

Und als ich dacht' zu wissen, dann sah ich den Weg nicht mehr.

Und als ich wusst' zu wenden, dann ging ich auf einmal quer.

Und als ich wusst' zu scheitern, dann kam mir so in den Sinn,

Dass ich womöglich längst am Ziel schon angekommen bin.

Hinaus jedoch, hinaus bin ich! Ach, frisch bläst auf der Wind.

Wo vormals Bäume standen, da nun Blumenfelder sind:

Mit Tulpen, Nelken, Veilchen und... – soweit das Auge reicht!

Ein Garten, der beachtlich dem des Farbenursprungs gleicht.

Und an der Pracht von Blüten und dem feucht besprühten Rasen,

Seh' ich, nach den zwei Katzen, jetzt ein andres Paar von Hasen,

Die wie zwei stille Wächter tun den bunten Flor bewachen,

Und schon beim Anblick meiner sich ins Fäustchen herzlich lachen.

Ein Hase kommt und sagt zu mir: Der Mieter ist verzogen!

Und wer behauptet andres, ja, der hat gewiss gelogen!

Und einmal mehr halt ich zurück mich vor begabten Tieren.

Ich wollte nach dem Labyrinth nicht noch mehr Zeit verlieren.

Die beiden Hasen, voll von Wut, versperren mir den Weg,

Der durch ein Meer aus Sträuchern führt, entlang zu einem Steg,

Der über einen zweiten Teich so schwungvoll sich erstreckt

Und einen wüsten Reiterhof, dahinter, noch verdeckt.

Ein Hase sagt dann: Fremder du, den Blick gestatt' ich dir,

Doch deine Reise, armer Tor, die endet nunmehr hier!

Die Häschen sind sich so gewiss, als würden sie drauf schwören.

Da zieh' ich aus dem Hemdchen raus zwei knackig frische Möhren.

Die Möhren werf' ich rechts und links ins fein gestutzte Gras.

Und beide Hasen hoppeln los in Richtung von dem Fraß.

Sie knabbern dort mit viel Genuss und großem Appetit

An dem Gemüse, dass sie nicht bemerken, was geschieht.

Und stolz stolzier' ich auf dem Steg und über jenen Teich,

Ach, dessen Schilf weht seicht im Wind, so frisch und leicht und weich.

Ich aber zöger nicht ein Stück, denn niemand wird mich fassen!

Ich kann es bei der Sehnsucht nur am Ende nicht belassen!

Der Hinterhof, in dem ich steh', hat einen alten Schuppen

Und einen offnen Pferdestall, aus Stroh gemachte Puppen.

So viel an Werkzeug liegt verteilt, wie Spaten, Äxte, Sägen.

Ein Brunnen ziert den Hof zentral, des Regenwassers wegen.

Ich gehe in den Stall hinein, in dem zwei Pferde starren

Und, als ich ihnen nahe komm', schon mit den Hufen scharren.

Das eine Pferd sagt gleich zu mir: Du Narr, was willst du hier?

Hast du noch immer nicht kapiert, dass hier herrscht das Getier?!

Wie schon so oft, ich sage nichts und bleib' darin mir treu

Und greif' ein Bündel frisches Stroh und mach' die Pferde scheu.

Das andre Ross ist wild darauf und völlig außer sich.

Erst recht als ich das Bündel Stroh an dessen Nase strich.

Ich geh' beharrlich durch den Stall, zu einem Schiebetor.

Und komme dann, ans Ziel gelangt, wie ein Rebell mir vor.

Das eine Pferd sagt noch zu mir: Wohin des Wegs so flott?!

Ich sage, wie es sich gehört, dies eine Mal bloß: Hott!

Und wuchtig reiß' das Tor ich auf, das an den Schienen knarrt.

Ich fühl' mich wie ein drittes Pferd, das mit den Hufen scharrt.

Da bahnt sich mir ein trauter Blick, bei dem ich seufzen muss:

Ein Bilderbuch von Weideland, das grenzt an einen Fluss.

Ach, jemand sitzt am Ufer dort, auf einer Bank allein,

Und schaut so schön gen Himmel rauf und in den Sonnenschein.

Ich mach' mich langsam zu ihr auf und kämm' mir übers Haar

Und zupfe mir das Hemd zurecht. Nun endlich bin ich da!

Ich grüße dich, verbeuge mich und setz' mich zu dir hin,

Gesteh' nicht meinen Hang zu dir noch meinen Lebenssinn.

Wir schauen einfach fern ins Land, mit einem simplen Drang:

So da zu sitzen, neben uns, zum Sonnenuntergang!

AUF DEM WEG ZUR LIEBE

Es führen zu der Liebe zwei Alleen,

Die auf dem ersten Blick sich ähnlichsehen,

Jedoch betrachtet auf den spitzen Zehen

Erhält ein andres Bild man vom Geschehen,

Bei dem schon einem Mal die Worte fehlen.

Es ist nicht immer einfach zu verstehen,

Wie schnell sich in der Liebe Köpfe drehen,

Wie heftig um die Ohren Reize wehen,

Warum im Herz Gefühle ewig schwelen

Und Menschen sich auf beiden Wegen quälen.

Die Liebe aber lässt sich nicht umgehen!

Sie weiß, ein jeder würde an sie flehen

Und für sie töten, lügen, sterben, stehlen,

Das schlimmste Schicksal ohne Zögern wählen

Und mit dem Teufel sich sogar vermählen.

Und wie es vorkommt in den besten Ehen,

Dass Männer freudig die Kartoffeln schälen

Und Frauen nichts mehr haben zu erzählen,

So wissen auch die vielen armen Seelen

Auf ihrem Weg zur Liebe zu krakeelen.

AUF DER SUCHE NACH DIR

Wo bist du?

Um den Hals ein Amulett.

Und ein Ring im Nasenflügel.

Wunderschön und so adrett.

Ach, ein Leben ohne Zügel.

Wo bist du?

Stiefel, eine Lederhose,

Lederjacke, Waver-Kluft:

Blühend! Was für eine Rose?!

Ach, und welch besondrer Duft!

Wo bist du?

Elfter im April bei Nacht,

Nymphenburger Straße stand

Eine Zelle, wie gemacht

Als ein Sicherheitsgarant.

Wo bist du?

Schwester, komm zum Apparat!

Doch der Hörer hob nie an.

Nicht zu glauben ist die Tat,

Die man sich wohl denken kann.

Wo bist du?

Liebste, ach, du wirst vermisst

Seit nun mehr als vielen Jahren.

Ganz egal, wo du jetzt bist,

Oh, mein Herz wird dich bewahren!

AUF KRIEGSFUß MIT DEM ZEH

Wenn ich am Morgen barfuß geh',

Dann fiel am Abend massig Schnee.

Doch ist der Boden elend trocken,

Dann trag' ich gerne doppelt Socken.

Ich steh' auf Kriegsfuß mit dem Zeh.

Soll er erfrieren von dem Schnee!

Am linken Fuß, der große Dicke,

Meint ehrlich, wie es sich doch schicke,

Denn schlau wie Einstein hält er sich:

Wie dessen Zeh hat Punkt vor Strich

An einem schönen Teich beschlossen,

Als auf ihm Wasser wurd' vergossen,

Sodass sein Nagel wuchs entspannt,

Aus seiner Nageldeckenwand.

Der linke Fuß, der große Dicke,

Verkrümmt, wenn ich hinunterblicke,

Doch schlau wie Einstein bin ich nun:

Ich weiß den Strich vorm Punkt zu tun,

Indem ich mich entschließen konnte,

Den Zeh, als er sich kürzlich sonnte,

Zu amputieren, wenig zart.

Es sind ja neun noch seiner Art.

AUF VIELE JAHRE ZU

Der Zeit Triumph, der Wonne Ehr',

Des Segens große Tat,

Des Wunders lieb gespitzter Speer,

Der Feinheit jüngste Naht.

An einem schönen Tag im Mai –

Das Grün war längst erblüht –,

Da zog ein edler Schweif vorbei,

Wie Feuer, das verglüht.

Vom Himmelsdorn, der Welten Thron,

Kam sie daher entsandt:

Der erste Mensch sah's Seelchen schon

Und nahm sie an die Hand

Und führte sie und sprach zu ihr –

Im engelsgleichen Laut –

Und gab dem Herz, zu ihrer Zier,

Ein Kleid aus süßer Haut.

Auf Erden nun, im bunten Tal,

Traf sie auf einen Mann,

Der sah sofort und ohne Wahl

Durch sie die Liebe an.

Er ahnte recht, woher sie kam,

Aus wessen hohem Stand.

So nahm er sie in seinen Arm

Und küsste ihr die Hand.

Sie war verschreckt – dem Aufruhr gleich –

Der flammend heißen Glut,

Verstand den Hang als Menschenstreich

Und brausend raue Flut.

Er sprach zu ihr – wie Wasser steht –

Im schonend stillen Laut,

In dem nicht Liebe untergeht

Noch Unmut an sich staut.

Fortuna lacht durch ihren Mund,

Vom Herz indes bestaunt:

Ach, Liebe du, bleib' bloß gesund,

Für deinen Zweck gelaunt!

Und lebe das, was in dir wohnt –

Es hebt dich sanft empor!

Das Glück, es sagt dir, was sich lohnt

Und gibt den Weg dir vor!

Im Augenbraun und Wangenrot

Befeuert sich ihr Schweif.

Des Maies sieben rückt ins Lot!

Sie trägt im Haar ein Reif,

Der ihr gebührt, ihr Vorzug gibt,

In friedlich trauter Ruh',

Denn, ach, sie wurd' und wird geliebt,

Auf viele Jahre zu!

AUGENBLICK

Ab dem Moment, der Mensch kann sehen

Und sich versteht auf dies Geschick,

Hat jeder Schritt, den er wird gehen,

Die Eignung zu dem Augenblick.

Doch mancher Schritt hat seine Tücke,

Indem was einem widerfährt.

Erzwingbar sind nicht Augenblicke!

Erzwingt man sie, sind sie nichts wert!

Die Summe aller Augenblicke,

Ist meist ein starrer Eigensinn:

Ein jedem nur zu seinem Glücke!

Man sieht allein nicht richtig hin.

Drum sollte man genauer schauen

Und teilen jeden Augenblick!

Den Zeitpunkt gleich in Stein zu hauen,

Ist schöner als der Blick zurück.

AUS FREIEN STÜCKEN

Freiheit ist ein Recht, für das du auf dich bäumst.

Und die weite Welt ist es, wovon du träumst.

Häufig wollen Zweifel dich zum Stillstand zwingen,

Doch du lässt dich ab von deinem Weg nicht bringen.

Freude ist ein Anspruch, den du an dich stellst.

Und im Einklang sein ist, wie du dir gefällst.

Vielfach wollen Ängste dich zur Weißglut treiben,

Doch du wirst auf Erden immer treu dir bleiben.

Liebe ist ein Reiz, nach dem du stets dich sehnst.

Und die Schulter ist's, woran du gern dich lehnst.

Oftmals wollen Schmerzen dich vom Herz verbannen,

Doch du ziehst aus freien Stücken nie von dannen.

B

BEGINN

Als einst der Mensch begann

Zu haben eine Wahl,

Entschied er sich sodann

Aufgrund von Kopf und Zahl.

Wie eine Münze fällt,

So wird der Tag gelebt –

Ob Liebe, Glück und Geld,

Der Wahl wird nachgestrebt.

Und so auch der Beginn,

Nur ohne rechte Wahl,

Denn weiß ich, wer ich bin,

Steht Kopf vor jeder Zahl.

Viel teurer als gedacht

Verkauft der Mensch doch sich,

Mit seiner eignen Macht,

Dem Sein und einem Ich.

Und mit Beginn geprägt,

Der ersten Qual der Wahl –

Der Mensch, der das erträgt,

Lebt dankbar nur ein Mal.

BEIDE TEILE

Ein Teil von mir ist dortgeblieben,

An diesem Ort, der zehrt von dir.

Es ist nicht leicht, ein Teil zu lieben,

Ist dieser Teil nicht hier bei mir.

Du bist und bleibst ein Fest der Sinne,

Ja, und ich sehne mich nach dir.

Ich kämpf' um dich und ich gewinne!

Selbst eine Hälfte reicht von mir.

Aufs Ganze sind wir schon gegangen.

Umschlungen waren Teil um Teil.

Wir hatten zärtlich uns verfangen,

Ganz ohne Schranke, ohne Keil.

Bis gestern waren sie noch heile,

In ihrer Obhut hübsch vereint.

Doch dann entzweite beide Teile

Ein Keil sie heut' in Freund und Feind.

BLAU ZU SCHWARZ

Oh, ich bin nicht mehr zu sprechen,

Wer immer es denn ist!

Sollt' man mir ein Bein auch brechen,

So endet nicht die Frist!

Die Sturheit wurd' mir nicht vererbt –

Ich lernte sie mir an.

Das Blaue hab' ich schwarz gefärbt

Wie einen schwarzen Mann!

BLICK NACH VORN

Allein mein Hintern ist noch trocken.

Die andre Seite trieft vor Nässe.

Die Hose ließ ich ganz herunter.

Ich stand im Sturm und im Gewitter.

Ach, das Gefühl war schlicht erdrückend –

Wie unter Wasser hält man Köpfe –,

Erfrischend, aber übertrieben:

Ein Meer für einen vollen Eimer!

Ein Auftritt wie in alten Zeiten.

Getan ist endlich meine Buße!

Nun könnt' ich sterben und verzagen.

Doch vieles steht auf halber Strecke.

Ich geh' zurück ins schlechte Wetter.

Ich weiß, es ist mein fester Wille.

Doch weit entfernt – so möcht' ich meinen –,

Da seh' ich schon die Sonne strahlen.

BLÜMLEIN

Das Blümlein meiner Schaffenskraft:

Von innen ist's erblüht.

Mit jedem Vers, steh' ich im Saft,

Bin fröhlich vom Gemüt.

Nach außen doch, ist's Blümlein karg,

Noch nicht so recht erblüht.

Ich zweifle viel zu sehr, zu stark,

Bin schaurig vom Gemüt.

Mit Dornen bin ich übersät.

Das rohe Fleisch erglüht.

Mein Feuer aber, es verrät:

Ich bin um Glanz bemüht.

Bemüht nach außen auch zu sein –

So fröhlich vom Gemüt –,

Dass eines Tages von allein

Dies Blümlein voll erblüht.

BRAUNE BLITZE

Die schönsten Blitze sind die braunen!

Doch nur bei einem musst' ich staunen:

Der Blitz, der sich hernieder streckte,

Gleich als mein Haupt sich nach ihm reckte.

Der Augenaufschlag, ach, im Ganzen,

Ließ mich wie eine Puppe tanzen

Und packte mich an meinem Kragen.

Ich wusste: Das hat eingeschlagen!

Nun, jeden Tag vom Blitz getroffen,

Erklärt mein Herz sich zu ihr offen:

Zu allen andern zugeschnürt,

Weil keinen man wie ihren spürt!

Auf Zeiten unter Strom gestanden,

Versteh' ich nicht mehr sanft zu landen,

Denn lässt man sich von Blitzen leiten,

Erkennt man an sich dunkle Seiten.

D

DE SADE

Vergib mir, strenger Vater,

Dein Sohn ist ein Sadist!

Er quält den Schmusekater,

Bis er verendet ist.

Er hängt ihn auf am Zaune

Und schlitzt ihm auf den Bauch

Und sieht, bei guter Laune,

Den Vater hängen auch.

Denn schließlich ist das Zeugen –

Für einen, ach, Sadist –

Kein Grund sich dem zu beugen,

Was voll von Sperma ist.