GRAF KOKS & DER IMPERTINENTE FREVELMUT DER LEMMA PRANZ - Mäander Visby - E-Book

GRAF KOKS & DER IMPERTINENTE FREVELMUT DER LEMMA PRANZ E-Book

Mäander Visby

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Beschreibung

GRAF KOKS beschreibt die Fehde zwischen dem mächtigen Wilhelm Koks und der bescheidenen Blumenverkäuferin Judika Raguhn, die es ablehnt, einen Brunnen aus der Produktion des Grafen zu erwerben. DER IMPERTINENTE FREVELMUT DER LEMMA PRANZ handelt von dem Schüler Moritz Flamberg, der sich in der Deutschstunde weigert, ein Gedicht auswendig vorzutragen. Seine Lehrerin allerdings kann ihm diesen unerhörten Entschluss nicht ohne Weiteres durchgehen lassen.

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Mäander Visby

GRAF KOKS & DER IMPERTINENTE FREVELMUT DER LEMMA PRANZ

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

GRAF KOKS

PROLOG

I. AKT

II. AKT

III. AKT

EPILOG

DER IMPERTINENTE FREVELMUT DER LEMMA PRANZ

I. AKT

II. AKT

III. AKT

Impressum neobooks

GRAF KOKS

EINE TRAGIKOMÖDIE IN 3 AKTEN

VON MÄANDER VISBY

PERSONEN

GRAF WILHELM KOKS

– Adlig, neureich, macht in Jungbrunnen

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

– Freund des Grafen, Hausherr

ALEA VON SÜSSHOLZ

– Frau von Emilian, französischen Ursprungs

LEXIAN FUHNE

– Brunnenbauer, Angestellter des Grafen

JUDIKA RAGUHN

– Verlobte von Lexian, Blumenhändlerin

MAEVA KATARAKT

– Naturheilkundlerin

PFARRER SOTTE

– Geistlicher der Gemeinde

Der Brennnessel ganz nah ist oft die Rose.

Ovid

PROLOG

Auf dem Anwesen von Emilian und Alea von Süssholz:

Lexian Fuhne baut einen Brunnen.

LEXIAN FUHNE

Oh, wie berauschend ist das tiefe Wasser,

Das liegt verborgen auf dem Grund der Erde,

Geschützt vor einem Rausch des derben Windes,

Verschont geblieben von der Macht des Feuers,

Versunken bis zum Ursprung wahrer Liebe.

Wohin sich Wurzeln nur vergraben können,

Da sitzt ein Brunnenbauer an der Quelle,

Eröffnet rund die Sicht zum blauen Himmel,

Gestützt durch einen Kranz, der wurd' gemauert

Nach oben, von der Sohle, im Verfahren

Der Senkung, dass herabgeteuft wird stetig

Der Kranz, bis er entspringt frisch aus der Erde,

Gestreift, getroffen wird von dreizehn Winden,

Auf dem nicht Kerzen brennen, lodert Feuer,

Noch sich umgarnen kann das Herz der Liebe,

Jedoch zur Geltung kommt das stille Wasser,

Wie ein geformtes Eisen, ein Gemälde,

Auf dem die weichen Züge sich verhärten,

Entlang der reichen Kunst den Rahmen sprengen,

Den Schatten nähren bis zu vierzig Meter,

Denn tiefer wird die Sehnsucht niemals toben

Und süßer nicht das leise Plätschern locken,

Als dass aus Ost und West es tun die Winde,

Entfachend aus dem Funken rasch ein Feuer,

Das selbst so schnell entzündet's nicht die Liebe

Und löschen kann ein Eimer voller Wasser,

Ja, noch ersticken könnt' ein Häufchen Erde.

Nur Stein auf Stein bezwingt den Hauch der Schöpfung,

In einer Welt, in der wir uns besinnen,

Gestapelt werden, wie manch feuchte Bretter,

Vereitelt um zu trocknen, zu bestechen,

Dass auch das Schlagzeug treffen kann den Nagel,

An der gewünschten Stelle, immer wieder,

Wo Köpfe rauchen, schüren sich am Feuer,

Vergelten können ernst die schwache Liebe,

Die wird gewaschen mit verdrecktem Wasser,

Gezogen und gewälzt auf nasser Erde,

Getrocknet, doch sogleich verweht vom Winde.

Gefährlich ist die Arbeit auf dem Grunde

Und lange dauert's bis dann steht der Brunnen.

Doch denken einmal wir an seinen Nutzen:

Er klagt nicht und ist stets bereit zu geben!

Er bellt nicht noch miaut, gibt aber Laute

Von sich, die deren ähnlich sind der Liebe,

Wenn Herz und Geist verschmelzen unter Wasser,

Dadurch verrücken einen Teil der Erde,

Hinweg – und haben's eilig auch die Winde,

Beherrschen können sich am Rand die Feuer.

Ein Dach, das schützen soll den edlen Brunnen,

Dass sich kein Regen traut hineinzutropfen,

Ob in den Schacht noch in den Wassereimer,

Der wird gekurbelt bloß, herauf und runter –

Herauf je schwerer, desto mehr geladen,

Gewiss, und kostbar sind die größten Lasten,

Wie die des hier geschöpften klaren Wassers,

Das wurd' gepresst aus reinem Fleisch der Erde,

Gestärkt, gestaltet durch die rauen Winde,

Verziert, entfaltet mit beherztem Feuer –

Oh, wie ich meine Arbeit liebe. Liebe:

Wohl einzig teurer als das Wasser heute!

Ach nein, wahrscheinlich teurer ist das Leben...

Das eigne aber ist mir nicht gewichtig –

Mein Herz ist größer als der Wassereimer

Und schwerer als es ziehen kann die Kurbel.

Ja, in der Tat, ich gleiche einem Brunnen...

I. AKT

I. Szene

Auftritt Emilian von Süssholz mit seiner Frau Alea, die vollkommen verschleiert ist.

ALEA VON SÜSSHOLZ (französischer Akzent)

Nun endlich hab' auch ich solch einen Brunnen!

Ich musst' ja lang genug auf ihn schon warten,

Obwohl er wurd' bestellt vor sieben Tagen,

Vor sechs gezahlt, mon Dieu, die halbe Summe,

Vor fünf zum ersten Mal ich wurd' vertröstet,

Vor vier er meinem Mann versichert wurde,

Vor drei zum zweiten Mal ich wurd' vertröstet,

Vor zwei der Graf sich kümmern wollt' persönlich,

Und gestern wurd' gezahlt die andre Hälfte,

Bis heute in der Früh ein Lärm mich weckte,

Der ohne Zweifel mich beglücken sollte –

Aufgrund der Morgenstunde aber – ABER! –

Den sehr geschätzten schönen Schlaf mir störte,

Dass mehr denn je ich brauch' die Kraft des Brunnens,

Mit seinem Wasser, das bewirkt ein Wunder.

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Ein Wunder, das mich kostet ein Vermögen,

Wenngleich wir schon Rabatt bekommen haben

Von unsrem Freund, den ehrenwerten Grafen,

Den einmal mehr wir sind zu Dank verpflichtet,

Für seinen Großmut, seinen Sinn für Güte,

Mit der er uns verwöhnt, bis in die Spitze

Des längsten Haares meines teuren Weibes...

ALEA VON SÜSSHOLZ

Und bis ins tiefste Mark hervorgedrungen

Von Euch, mein Herr und mein solider Gatte.

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Solide? Ach, das klingt ja ganz entzückend.

Wie selten fandet Ihr so schöne Worte,

Die wahrhaft trefflich einen Geist beschreiben,

Der nicht sich selbst bewertet, seinen Namen

Benutzt, um ihn ins rechte Licht zu rücken,

Entfernt von Einsicht, dem realen Wirken,

Um bloß bewusst den eignen Schein zu wahren.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Solide! Alles ist an Euch solide!

Alleine ich, mein Herr, an Eurer Seite

Betone Eure Aura, ziehe Blicke

An, die verfehlen würden Euch ansonsten.

Um aber stets auf dem Niveau zu bleiben,

Bedarf es ab und an ein kleines Sümmchen,

Das für den guten Zweck die Mittel heiligt,

Damit ein jeder zieht draus seinen Nutzen,

Ob er erkauft ist günstig oder teuer.

LEXIAN FUHNE

Auch dies ist freilich eine Art von Liebe.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Die Liebe ist nicht wiederzuerkennen,

Doch könnt' man sie getrost erkennbar machen,

Wenn jedes Weib im Alter von fast dreißig

Und jeder Mann, der zugeht auf die vierzig,

Entschließen würde sich für einen Brunnen,

Der fähig ist zu leisten, wie der diese,

Nach außen hin den Körper zu verjüngen,

Nach innen ihn zu leeren und zu säubern,

Entlastet von dem Schmerz der dunklen Jahre,

Die, flinken Fußes, um die Ecke rennen,

Gewillt sind, um die Ecke den zu bringen,

Der sich verewigt durch Verschleiß und Falten,

Und seinem Schicksal lässt genug an Leine,

Dass letzten Endes läuft davon die Liebe,

Und ist alsbald nicht wieder einzufangen,

Geschweige denn nicht wiederzuerkennen,

Wie nun, steht noch kein Brunnen zur Verfügung.

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Für den Moment, Geliebte, hält die Leine,

Gespannt zwar, wie die Saiten der Gitarre,

Der Klang jedoch erreicht die tauben Ohren,

Die müden Augen und die träge Zunge.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Das käm' mir so nicht über meine Lippen:

Gesang!

LEXIAN FUHNE

Warum?

ALEA VON SÜSSHOLZ

Es schickt sich nicht zu singen,

Den Mund zu voll zu nehmen mit Gereime,

Mit Worten, die ein Weib bezirzen sollen,

Den kargsten Mann gar ein totales Handeln

Ermöglicht, ohne Rücksicht auf Verluste,

Die schließlich stets das arme Weib betreffen,

Weil sich die armen Weiber ärmlich machen,

Indem herein sie auf die Männer fallen,

Wie in solch einen Brunnen, nur viel tiefer,

Durch ein naives Krönen eines Königs,

Der nicht berechtigt ist gekrönt zu werden.

LEXIAN FUHNE

Und wieder frage ich: Warum?

ALEA VON SÜSSHOLZ

Ganz einfach:

Ein Mann, der Tag und Nacht singt Liebeslieder,

Der bettelt nur um Macht und Ruhm und Liebe –

Was einen König wär' gewiss nicht würdig,

Dass er sich so bemüht und fälschlich eifert,

Denn, ach, der wahre Mann ist, in natura,

Entschieden, fraglos, durch und durch despotisch –

Ganz wie der Graf, ein Beispiel von Charakter.

Die Herren könnten viel vom Grafen lernen...

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Gewiss, mein Herz, der Graf ist sehr akribisch,

Für jeden Mann ein Vorbild, ohne Zweifel.

LEXIAN FUHNE

Und seine Wirkung auf fast alle Frauen,

Beinahe jeden Alters, lässt mich staunen.

Begehr und Macht jedoch vergießen Tränen,

Wenn auch nur eine Stunde sie am Tage

Nicht recht zur Geltung kommen, oder schlimmer:

Zu einem Zeitpunkt nicht bestätigt werden.

Da lob' ich mir ein Stück das wahre Leben:

Die harte Arbeit und die große Liebe.

Da ist der Schweiß und sind die Tränen ehrlich.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Das ich nicht lache! Ehrlich?

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Liebes, sachte!

So lasst dem Brunnenbauer seinen Glauben –

Erlaubt ist jede Art von Denken heute.

Doch Ihr in Rage, tragt davon nur Falten.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Das sieht Euch ähnlich, Gatte...

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Was?

ALEA VON SÜSSHOLZ

Das Schlichten!

Ein wahrer Mann, der würd' Partei ergreifen

Für seine Frau, in allen Lebenslagen,

Egal mit wem sie kommt sich ins Gehege.

Ein wahrer Mann vereitelt nicht die Kriege

Noch steht er zwischen zwei besetzten Fronten.

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Ich bin auf Eurer Seite, meine Schöne!

Ja, selbst verschleiert strahlt Ihr wie die Sonne,

Die zwar verdeckt wird von den dunklen Wolken,

Dahinter aber, wissend, immerwährend

Fürwahr die Welt gebührend hell erleuchtet.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Von oben, Liebster, habt Ihr ganz vergessen...

Von oben strahle ich herab als Sonne,

Die einmal nur vertreten, wärmt, erheitert,

Ja, unter großen Menschen sorgt für Leben,

Wie keine andre Sonne tun es könnte.

LEXIAN FUHNE

Bloß für die großen Menschen? Und die kleinen?

Was ist mit denen?

ALEA VON SÜSSHOLZ

Weit entfernt sind diese

Von Macht und Ruhm, von Schönheit und von Größe,

Dass keine meiner Strahlen sie erreichen –

Worum ich mich, gelinde, auch nicht schere,

Denn wer nicht blühen kann und will nicht wachsen,

Der zieht zurück sich in die finstren Ecken

Und steht bewusst im Kühlen und im Schatten,

Wo zur Entfaltung kommen kann kein Leben

Und nicht geprägt wird, was man nennt Charakter.

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Wie wahr, Geliebte! Recht habt Ihr!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Schon wieder...

Ich sage: Nieder mit den Schattenmenschen!

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Ach, wie ich lieb' den Eifer der Franzosen,

Wenn sie zu allem eine Meinung haben

Und für ihr Leben auf die Meinung pochen,

Gar auf die Straße gehen mit Gewehren,

Als würde sich zu kämpfen heut' noch lohnen.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Es lohnt sich für das Schöne stets zu kämpfen!

LEXIAN FUHNE

Madame, ich denke, dass die Schattenmenschen

Vielleicht sich nur nicht blenden lassen wollen,

Von einer Sonne, die, statt auf die Köpfe,

Auch in den Kopf hinein versucht zu dringen...

ALEA VON SÜSSHOLZ

Ihr sprecht von Eurer Frau, nicht wahr?

LEXIAN FUHNE

Verlobte!

Und nein, ich denk' nicht dran mich zu beklagen,

Denn spreche ich von ihr, tu's ich im Guten:

Sie macht mich stolz und glücklich.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Stolz und glücklich?

Das ist gewiss kein Maßstab einer Ehe –

Vergänglich ist der Stolz, das Glück, die Freude!

Bevor Ihr Euch verseht, seid Ihr geschieden,

Denn eines Tages sehnt Ihr nach der Sonne,

Die außen wie auch innen mag erscheinen

In Schönheit, Jugend und im rechten Lichte.

LEXIAN FUHNE

Vielleicht beschäftigt Euch, Madame, die Wirkung,

Auf wen und was Ihr strahlt, schon so dermaßen,

Sodass Euch längst abhanden ist gekommen

Das Strahlen, was den Geist beglücken sollte.

Die Sonne leuchtet um der Leben Willen,

Nicht weil sie Eindruck schinden möcht' auf Leben.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Es fehlt wohl an Respekt dem Brunnenbauer...

Wie könnt' Ihr's wagen auf das Licht zu zeigen?!

Das Süssholz wird Euch die Leviten lesen,

Sofern der schlichte Herr nicht wieder schlichtet.

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Ich muss schon sagen: Wehe!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Wehe?

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Wehe!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Was seid Ihr für ein Mann?! Un homme sans partie...

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Ihr wisst doch, dass ich kein französisch spreche.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Bloß eine Schande wärt Ihr für die Sprache,

Die recht betont und wirken tut betörend,

Statt dieses lasche deutsch der Phrasendrescher.

(zu Lexian Fuhne)

Sofort verweis' ich Euch des schönen Platzes!

Mit all dem Staub und Dreck an Eurer Kleidung,

Da werdet Ihr gerecht dem Werk mitnichten.

Und nicht zuletzt bewert' ich die Entscheidung,

Entgegen jeder Logik eines Lebens,

Die Sonne zu beschatten, zu verspotten,

Als nicht gebührlich und den größten Fehler,

Den Ihr auf diesen ehrenwerten Boden –

Auf meinem Land – nur hättet machen können.

Verschwindet nun, sonst ruf' ich nach den Hunden!

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Wir haben aber keine Hunde...

ALEA VON SÜSSHOLZ

Singe!

Auftritt Graf Koks, der sehenswert mit Stock und Hut gekleidet ist und grazil über den Gartenweg geschlendert kommt.

Wie gut, dass endlich ist ein Mann zur Stelle,

Der auch verdient den Titel – wie ein Ritter,

Durch Mut, Erfolg, Ekstase und Benehmen.

GRAF WILHELM KOKS

Je suis heureux de vous revoir, bois noble.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Bois noble? Et quoi d'autre?

GRAF WILHELM KOKS

Admirable!

Et doux!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Oh... comme il fallait s'y attendre.

Der Graf küsst flüchtig die Hand von Alea von Süssholz.

GRAF WILHELM KOKS

La fleur de lys...

ALEA VON SÜSSHOLZ

Verdict?

GRAF WILHELM KOKS

Une friandise!

EMILIAN VON SÜSSHOLZ (zu sich)

Ich hasse Sprachen, die ich selbst nicht spreche!

GRAF WILHELM KOKS

Mein Freund, ich grüße Euch, und wie ich sehe:

Der Brunnen steht!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Jedoch: Es gibt Probleme!

GRAF WILHELM KOKS

Probleme? Welcher Art? Die mich betreffen?

ALEA VON SÜSSHOLZ

Nicht Euch! Den Brunnen nicht! Doch der ihn baute!

Mit dem nun hader' ich...

GRAF WILHELM KOKS

Ich kann versichern:

Herr Fuhne ist mein bester Brunnenbauer!

Es kommt von mir allein zwar die Erfindung,

Herr Fuhne aber weiß sie umzusetzen,

Getreu nach meinen Plänen und Ideen.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Den Anstoß gibt der Stein aus allen Ecken,

Der wird geformt zu einer festen Meinung,

Die heut' Herr Fuhne wacker hat vertreten...

LEXIAN FUHNE

Verzeihung, dieses ist mein Recht!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Mitnichten!

Das ist ein großer Irrtum so zu denken,

Als könnte jeder seine Meinung sagen,

Und reden wie gewachsen ist der Schnabel –

Mir ins Gesicht, auf meinem Grund und Boden!

Ich werd' dem Brunnenbauer etwas sagen,

Das er nie wieder wird vergessen:

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Liebes!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Nein, keine Gnade für den Feind am Rande,

Der glaubt, er könnt' umringen und belagern,

Zu Kaffee und Gebäck, die goldne Mitte,

Als wär' es üblich, ohne Wenn und Aber,

Die Stände zu verschieben, dass der unten

Auf einmal in die Höhe wird gehoben,

Durch denkbar schlechte Willkür schlichter Menschen.

Die Stände aber, hört, sind fest verankert:

So bleibt der oben in der goldnen Mitte,

Und der am Rand auf ewig eben unten!

Die Welt wird sich dazu wohl kaum entschließen,

Ja, auch nur einen Tag am Rad zu drehen,

Dass die Geschichte heute, morgen ändert.

Was gestern war, wird sein auch wieder morgen!

GRAF WILHELM KOKS

Was gestern war, wird sein auch wieder morgen...

Welch Weisheit sich ergießt aus Eurem Munde –

Das können nur Franzosen!

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Und manch Deutscher...

ALEA VON SÜSSHOLZ

Zu denen Ihr nur nicht gehört, mein Lieber...

Mein werter Graf: Wie wollen wir verbleiben?

Ihr wollt die Zukunft sicher nicht verstimmen...

GRAF WILHELM KOKS

Natürlich nicht! Herr Fuhne wird getadelt!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Und wann?

GRAF WILHELM KOKS

Sehr bald...

ALEA VON SÜSSHOLZ

Ich wünsche augenblicklich!

Es wär' mir nämlich eine große Freude

Euch, Herr der Taten, in Aktion zu sehen,

Die Wucht des Zorns zu hören und zu spüren,

Und, um die Schmähung dessen zu verstärken,

Dass er gedrängt wird an den Rand nun wieder,

Wohin er nach der Ausflucht, die missglückte,

Gehört geschickt zurück, mit aller Härte.

GRAF WILHELM KOKS

Madame, ich bin kein Unmensch, müsst Ihr wissen,

Doch will ich Euch Genüge tun, von Herzen,

Wie es verlangt von mir doch die Gesinnung,

Und diesen Herrn und seine Meinung strafen,

Denn gleiches Denken geht vor eignem Blute,

Vor Wissen, Recht, Gefühl, Verstand und Neigung.

Ihr seid entlassen!

LEXIAN FUHNE

Was?

ALEA VON SÜSSHOLZ

Mein Lieber, langsam...

Wo bleibt denn da der ganze Reiz der Strafe?

Dies bisschen Qual erlischt doch mit dem Tode –

So kann man kein Exempel statuieren!

Ich bin enttäuscht.

LEXIAN FUHNE

Und ich erst! Wollt Ihr wissen,

Was Ihr damit mir antut, meinem Leben,

Der Zukunft, die ich stets zu glauben hatte,

Im Reinen mit der kleinen Welt da draußen,

Im Innern rastlos mit der großen Liebe?

ALEA VON SÜSSHOLZ

Ein jeder macht Verluste dieser Tage –

So mancher Tag um Tag ein volles Leben.

Die Spreu vom Weizen trennt sich dahingegen,

Wie sehr vereinzelt Menschen streben wollen

Nach Glück und Geld, nach Macht und Ruhm und Ehre,

Denn Kraft allein dem Geist, der ist gerissen

Und sprudelt vor Ideen höchster Stufe!

Der Herr dagegen baut bloß in die Tiefe...

Das nenne ich Misere!

LEXIAN FUHNE

Ich nenn's Arglist!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Da hört Ihr selbst...

GRAF WILHELM KOKS

Was sind das für Manieren?

ALEA VON SÜSSHOLZ

Das hat er vom promisken Blumenmädchen...

LEXIAN FUHNE

Promisk? Ich warne Euch!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Der Grund?

LEXIAN FUHNE

Verleumdung!

ALEA VON SÜSSHOLZ

Er ballt die Fäuste, doch die Beine zittern...

Er meint es ernst und spielt sich auf als Rächer.

GRAF WILHELM KOKS

Ich fühle mich berufen und bestätigt,

Doch ein Detail, in dem nun steckt der Teufel,

Bescherte mir soeben den Gedanken

Ans Blumenmädchen und an ihren Laden,

Der gegen meinen Brunnen sträubt sich einzig,

Obwohl Herr Fuhne und sein buntes Blümchen

Nicht nur am selben Tisch zu Hause speisen

Ja, sondern auch im Bett zusammen schlafen,

Wenngleich vollzogen wurd' noch nicht die Ehe.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Pfui, Teufel!

LEXIAN FUHNE

Aber...

GRAF WILHELM KOKS

Keine Widerworte!

Mein Vorschlag an Herrn Fuhne: Ködert Eure

Verlobte, dass sie zustimmt einem Brunnen,

Und baut, ab jetzt, ihn binnen einer Woche,

Ansonsten bleibt mein letztes Wort bestehen!

Und ich verspreche Euch, dass keinen Brunnen

In diesem Land Ihr werdet wieder bauen!

ALEA VON SÜSSHOLZ

So auch in Frankreich, dies ist mein Versprechen!

LEXIAN FUHNE

Und sollt' tatsächlich ich den Brunnen bauen?

GRAF WILHELM KOKS

Dann bleibt gewiss Ihr dem Betrieb erhalten

Und könnt darüber noch hinaus, mein Fuhne,

Euch glücklich schätzen, denn es winkt von Weitem

Schon die Belohnung, die ein schweres Leben

Mit einem Paukenschlag versimpeln würde.

Ach, welch Exoten könnten morgen schmücken

Das heut' noch triste Bild vom Blumenladen...

LEXIAN FUHNE

Wenn dieses alles ist, was wollt' Ihr sagen,

So will nun erstmal ich zum Vorschlag schweigen,

Das Weite suchen, um in mich zu gehen.

Die Arbeit ist getan an diesem Brunnen –

Ihn auch zu weihen liegt in Euren Händen.

Lexian Fuhne geht ab.

GRAF WILHELM KOKS

Mein bester Brunnenbauer...

ALEA VON SÜSSHOLZ

Keine Gnade!

Verlust verträgt das Herz nur ohne Gnade,

Obwohl ich glaub': Der Herr hält Euch die Treue.

GRAF WILHELM KOKS

Ich denk's letztendlich auch.

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Das seh' ich anders.

Dies Blümenmädchen gilt als zäher Knochen:

Die beißt in Stängel und sie fasst an Dornen

Und wühlt im Dreck nach jenen Regenwürmern,

Und reicht der Kundschaft so darauf die Hände,

Dass jedes Mal mich packt sogleich der Ekel

Und ich daheim mir schneid' die Fingernägel.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Die Blumen hab' ich aber nie erhalten...

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Mein Freund, Ihr solltet nun den Brunnen weihen,

Damit mein Weib, die Liebe meines Lebens,

Sich endlich von dem Schleier kann befreien –

Im Sommer mahnt die Sonne schon am Morgen.

ALEA VON SÜSSHOLZ

Ich schwitze im Gesicht aus allen Poren,

Mir juckt das Haupt und meine Haare triefen –

Und was ich spür', das kann nur sein die Seele...

GRAF WILHELM KOKS

Die Seele, Liebste, steckt in meinem Hute

Und wird gezaubert jetzt in Euren Brunnen:

Graf Koks nimmt von seinem Kopf den Hut und holt ein kleines oranges Fläschchen hervor, aus dem er fünf Tropfen gewissenhaft in den Brunnen träufelt.

Von einem zu dem andren schweren Tropfen

Verjüngt sich hic et nunc das Brunnenwasser,

Und spiegelt, was wir sehen, nicht mehr wider,

Und wandelt nun stattdessen auf den Spuren

Der uns bekannten, stets ersehnten Jugend,

Die uns zu früh abhanden ist gekommen,

Erneut erweckt wird aber mit den Worten:

Gebannte Quelle, sei bedacht mit Feuer,

Und lass das Blut der frühen Jahre brennen,

Zu straffer Haut und frischer Körpersprache,

Gesunder Sehnsucht und verdienter Ehrfurcht!

Und nun: Hübsch auf! Die Messe ist gelesen...

Emilian von Süssholz kurbelt einen vollen Eimer den Brunnen hinauf, aus dem Graf Koks, mit einer Kelle, Wasser schöpft.

Er schenkt das Wasser in ein Weinglas ein, das Alea von Süssholz in der Hand hält.

Sie trinkt das Glas in einem Zug leer, verschnauft einen Moment und zieht daraufhin den Schleier vorsichtig aus dem Gesicht und übers Haar.

GRAF WILHELM KOKS

Welch wunderschöne junge Frau, beileibe!

EMILIAN VON SÜSSHOLZ

Beileibe, meine Frau, in voller Blüte!

II. Szene

Im Blumenladen der Judika Raguhn:

Sie stellt einen Blumenstrauß zusammen.

JUDIKA RAGUHN

An einem Tag wie diesem erst zwei Sträuße –

Und einer ist in Arbeit. Jede Rose,

Die ich beschneiden muss, ein jedes Dörnchen,

Das ich entreißen soll der Lebensader,

Bereitet mir ein größres Kopfzerbrechen

Und einen tiefren Schmerz in meiner Seele

Als manche Stiche in die Haut mir dringen,

Mir hin und wieder kostbar Blut entnehmen.

Ein Tröpfchen wiegt nicht auf, das fällt herunter,

Und füllt noch längst nicht einen leeren Eimer,

Und spendet kein Gefühl, schon gar nicht Leben.

Was ich an Blut verlier', verloren habe,

Erneuert sich von Zeit zu Zeit im Körper,

Doch äußerst quälend hält sich der Gedanke,

Wie eine Klette am gestrickten Herzen,

Es könnt' mir die Natur verlustig gehen,

Verübeln mir den Handel mit den Pflanzen,

An eine Kundschaft, die's nicht weiß zu schätzen

Und kauft, nur um gekauft zu haben. Gesten

Versichern lang noch keine Überzeugung,

Versprechen aber eine Unterwerfung

Dem Schönen, mit dem Auge des Betrachters.

Ein jeder hat das Recht auf diese Schönheit –

Natur und Mensch, getrennt durch eine Grenze,

Denn bei Respekt entstehen keine Klagen.

Dem pur Gegrünten, in der Welt der Farben –

Jahrtausend um Jahrtausend ist's gelungen,

Gerechten Einfluss auf den Geist zu nehmen,

Bis nun der Mensch beeinflusst hat die Flora,

Es wagte, Grenzen stetig zu verrücken,

Ja, Recht und Ordnung aufs Papier zu bringen,

Als ein verzweigtes Streben, lechzend, weisend

Und, auf Befehl, dem schönen Schein verfallen.

Da ist ein Mensch im Busche – einsam hockend,

Mit Stock und Hut, getarnt als Wiederkäuer...

Es wird geredet trefflich von der Wirkung,

Gewählt nach Anschein und konkret verglichen,

Als hätt' der Mensch ein Recht darauf zu blühen,

Jedoch kein Recht in Bälde zu verwelken.

Vergleicht die Rose sich denn mit der Tulpe?

Berauscht ein Veilchen sich an einer Nelke?

Bewundert die Narzisse die Ranunkel?

Wär' gern der Flieder eine Sonnenblume?

Nein, alle Blumen sind geprägt von Schönheit –

Die Schönheit, die von Gott gegeben wurde.

Der Mensch ist's, der bewertet und das Röschen

Zumeist begünstigt in der Wahl der Blumen,

Allein weil ihre Schöpfung wird gepriesen

Und Rosen als Symbol der Liebe gelten,

Vollendet von dem Geist in unsren Köpfen,

Dem höchsten Maß hernach gerecht zu werden.

Das Röschen? Nichts da! Keine von den Blumen –

Von Kairo bis nach Prag – ist mir die Liebste!

Beschämend ist's in allen Herren Länder!

Auch dieser Strauß besteht aus roten Rosen –

Die Farbe macht's, bei Menschen wie bei Blumen...

Beschämend war's, beschämend bleibt's auf ewig!

Für die, die kommt, könnt' einen Dorn ich lassen,

Verdeckt von all den andern blanken Stängeln,

Dass einmal Blut auch denen wird genommen,

Die bringen häufig fremdes Blut zum Kochen.

Beschämend wird's jedoch von meiner Seite,

Gelangt das Röschen in die falschen Hände,

Und sich am Dorn verletzt dann der Beschenkte,

Der keinen Grund hätt' für den Kauf zu bluten...

Auftritt Maeva Katarakt, die Judika Raguhn so sehr überrascht, dass diese den letzten Dorn vom Stängel nicht mehr entfernt.

Dem forschen Auftritt folgt sofort ein prüfender Blick auf den Blumenstrauß.

MAEVA KATARAKT

Ist etwa dies der Strauß, den ich bestellte?

JUDIKA RAGUHN

Sehr wohl, er ist's! Ihr wolltet rote Rosen...

MAEVA KATARAKT

Die Rede war von Rosen, nicht von Röschen!

Ja, und ich sprach von Rot und nicht von rötlich!

JUDIKA RAGUHN

Dies ist mir im Gedächtnis schon geblieben

Und wurd' mit bestem Wissen und Gewissen,

Nach Art des Hauses, just von mir gefertigt.

MAEVA KATARAKT

Nach Art des Hauses scheint doch zu bedeuten:

Anstatt nun einen Strauß von roten Rosen,

Erhält der Kunde einen Strauß von Röschen,

Die farblich blass, nicht mehr als rötlich wirken.

JUDIKA RAGUHN

Mein Fräulein, dieses sind die besten Blumen,

Die ich zu bieten habe: Rot und rosig!

MAEVA KATARAKT

Ihr selbst errötet mehr als Eure Rosen,

Wenn Ihr mir dieses Machwerk wollt verkaufen.

JUDIKA RAGUHN

Verzeihung, aber eines ist ganz sicher:

Das, was ich tu, tu ich aus tiefstem Herzen –

Dazu gehört die Arbeit mit den Blumen,