Engelsmorgen - Lauren Kate - E-Book
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Engelsmorgen E-Book

Lauren Kate

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Beschreibung

Die aufregende, süchtig machende Geschichte einer Liebe durch die Jahrhunderte.

Die Hölle auf Erden. Das ist es für Luce, wenn sie von ihrer großen Liebe, dem gefallenen Engel Daniel, getrennt sein muss. Seit einer Ewigkeit suchen sie nacheinander, und nun, da sie sich endlich gefunden haben, muss Daniel sie schon wieder verlassen. So lange, bis er die Unsterblichen besiegt hat, die Luce töten wollen. Daniel versteckt Luce in Shoreline, einem Internat an der kalifornischen Küste. Dort lernt Luce, die furchterregenden Schatten, die sie seit frühester Kindheit umgeben, zu kontrollieren und mit ihrer Hilfe in die Vergangenheit zu blicken. Doch je mehr Luce dadurch über ihre und Daniels frühere Leben erfährt, desto mehr ahnt sie, dass er ihr etwas verschweigt – etwas Wichtiges und sehr Gefährliches...

Alle Bücher der Engelsnacht-Reihe:
Band 1 – Engelsnacht
Band 2 – Engelsmorgen
Band 3 – Engelsflammen
Band 4 – Engelslicht
Engelsnacht - Cams Geschichte (nur als E-Book erhältlich)
Engelsdämmerung (7 Kurzgeschichten, nur als E-Book erhältlich))

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Seitenzahl: 598

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Lauren Kate

Engelsmorgen

Aus dem Amerikanischen von Doreen Bär

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Für Elizabeth, Irdy, Anne und Vic

Ich bin so glücklich, dass ich euch habe.

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

© 2010 by Tinderbox, LLC and Lauren Kate

Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Torment«

bei Random House Children’s Books, New York

© 2011 für die deutschsprachige Ausgabe cbt, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück, 30287 Garbsen.

Aus dem Amerikanischen von Doreen Bär

Lektorat: Carola Henke

Umschlagkonzeption: Hanna Hörl Designbüro, München,

unter Verwendung eines Motivs von Fernanda Brussi Goncalves

st · Herstellung: AnG

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-05662-9 V005

www.cbt-jugendbuch.de

www.engelsmorgen.de

Schwingt Flügel dann auf Flügel sich, mein und dein, Wird aus Bedrängnis meiner Seele Flug sich lösen.

George Herbert,Easter Wings

Prolog

Neutrale Gewässer

Daniel schaute auf die Bucht hinaus. Seine Augen waren so grau wie der dicke Nebel, der die gegenüberliegende Küste von Sausalito einhüllte. So grau wie die aufgewühlte See, deren Wellen an den Kiesstrand zu seinen Füßen schlugen. Keine Spur von Violett schimmerte in diesem Moment in seinen Augen, das spürte er ganz deutlich. Dafür war er zu einsam, dafür war sie zu weit weg.

Er schlang die Arme fest um sich, aber es hatte keinen Zweck. Vom Wasser wehte ein kalter, beißender Wind. Auch seine dicke schwarze Marinejacke schützte ihn nicht dagegen. Wenn er auf der Jagd war, fror es ihn immer.

Nur eines hätte ihn wärmen können – doch sie war nicht da. Wie gern hätte er jetzt seine Lippen auf ihre gedrückt. Für einen kurzen Moment stellte er sich vor, er würde die Arme um ihren Körper legen, würde sich zu ihr hinunterbeugen, um sie zu küssen. Aber es war gut, dass Luce nicht da war. Was sie zu sehen bekäme, würde sie zu Tode erschrecken.

Das heisere Blöken und Bellen der Seelöwen, die sich hinter ihm an der Südküste von Angel Island drängten, klang so, wie er sich fühlte: innerlich zerrissen, einsam und ohne Hoffnung, dass jemand seine verzweifelten stummen Rufe hörte.

Niemand außer Cam.

Er kauerte vor Daniel und befestigte einen rostigen Anker an der wie ein nasser Sack daliegenden Gestalt zu ihren Füßen. Sogar bei der Verrichtung einer so finsteren Tätigkeit sah Cam noch gut aus. Seine grünen Augen funkelten, seine kurz geschnittenen Haare glänzten schwarz. Es lag an dem Waffenstillstand, der die Gesichter der Engel immer zum Leuchten brachte, ihren Haaren einen ganz anderen Glanz verlieh, ihre makellosen, muskulösen Körper noch männlicher machte. Waffenstillstand war für die Engel, was Strandurlaub für die Menschen war – die reinste Erholung.

Obwohl Daniel jedes Mal innerlich stöhnte, wenn er ein Menschenleben beenden musste, wirkte er nach außen hin wie jemand, der gerade von einer Woche Urlaub in Hawaii zurückkam: entspannt, erholt, braun gebrannt.

Cam zurrte einen komplizierten Knoten fest und sagte: »Typisch Daniel. Tritt vornehm zur Seite und lässt mich die Drecksarbeit machen.«

»Was redest du da? Ich habe ihn schließlich erledigt.« Daniel sah auf den toten Mann hinunter, auf seine borstigen grauen Haare, auf die weiße Stirn, auf die knotigen Hände und billigen Gummigaloschen, auf die klaffende dunkelrote Wunde quer über seiner Brust. Daniel ergriff ein Schauder, ihn fror bis auf die Knochen. Wenn das Töten nicht notwendig wäre, um Luce immer wieder zu retten, würde er nie mehr eine Waffe erheben. Niemals mehr einen Kampf kämpfen.

Es war nicht richtig gewesen, dass sie diesen Mann getötet hatten. Irgendetwas sagte ihm, dass das ein Irrtum und Fehler war. Ein unbestimmtes, verstörendes Gefühl.

»Sie umzulegen, macht ja noch Spaß.« Cam schlang das Seil um die Brust des Mannes und verknotete es unter den Achseln. »Die Leichen dann für immer im Meer verschwinden zu lassen, das ist eine Plackerei.«

Daniel blickte auf den blutrot gefärbten Stock, den er vor Kurzem noch in der Hand gehalten hatte. Cam hatte bei dieser Wahl kichern müssen, aber die Wahl der Waffe spielte überhaupt keine Rolle. Daniel konnte mit allem töten.

»Beeil dich«, blaffte er. Der Spaß, den Cam am Blutvergießen hatte, ekelte ihn an. »Die Zeit verrinnt. Ebbe ist gleich vorbei.«

»Und wenn wir es nicht ordentlich machen, auf meine Weise, dann wird die nächste Flut Slayer sofort wieder an Land spülen. Du bist zu unbeherrscht, Daniel, das war schon immer so. Denkst du jemals einen Schritt voraus?«

Daniel schaute wieder aufs Wasser hinaus, auf die grauen Wogen mit ihren schmutzigen Schaumkronen. Vom Pier in San Francisco glitt ein Katamaran auf sie zu. Der Anblick dieses Schiffs hätte früher alle möglichen Erinnerungen in ihm wachgerufen. An unzählige Schifffahrten, die er in unzähligen Leben mit Luce unternommen hatte. Und wie glücklich er immer mit ihr gewesen war. Aber jetzt – da sie sterben konnte und womöglich nie mehr wiederkam, weil diesmal in ihrem Leben alles anders war und keine weiteren Wiedergeburten mehr stattfinden würden – war Daniel sich nur allzu schmerzhaft bewusst, wie blank Luces eigenes Gedächtnis war. Diesmal ging es um alles, es war der letzte Versuch. Für sie beide. Für alle und jedermann eigentlich. Deshalb kam es darauf an, dass Luce sich erinnerte, nicht er. Wenn sie überleben sollte, müssten viele, so unzählig viele Wahrheiten ans Licht gebracht werden; aber sachte, damit sie all diese Schrecken überlebte. Bei dem Gedanken, was sie alles würde erfahren und lernen müssen, verkrampfte sich Daniel.

Wenn Cam wirklich glaubte, dass Daniel nicht an den nächsten Schritt dachte, irrte er sich gewaltig.

»Du weißt, dass es nur einen Grund gibt, warum ich immer noch hier bin«, sagte Daniel. »Wir müssen unbedingt über sie reden.«

Cam lachte. »Das hab ich mir gedacht.« Ächzend hievte er sich die triefende Leiche über die Schulter. Der tote Mann in seinem Marineanzug war wie ein Bündel verschnürt. Auf die Brust hatte Cam einen schweren Anker gebunden.

»Der war schon ein wenig verknöchert, findest du nicht auch?«, fragte Cam. »Ich finde es fast etwas beleidigend, dass die Ältesten uns keinen Auftragskiller geschickt haben, der eine etwas größere Herausforderung dargestellt hätte.«

Danach ging er wie ein Kugelstoßer ein wenig in die Knie, drehte sich drei Mal um die eigene Achse, um etwas Schwung zu holen, und schleuderte den toten Mann dann in hohem Bogen weit aufs Meer hinaus.

Mehrere Sekunden lang schwebte der Leichnam über den Wellen, bevor der Anker ihn nach unten zog … tiefer … immer tiefer. Mit einem mächtigen Aufspritzen versank er im dunkelgrauen Wasser. Im nächsten Moment war nichts mehr zu sehen, alles war wie vorher.

Cam wischte sich die Hände ab. »Ich glaub, das war gerade ein neuer Rekord.«

Sie glichen sich in so vieler Hinsicht. Aber Cam war von bösartiger Natur, er war ein Dämon, und das befähigte ihn zu schändlichen Taten, ohne danach Gewissensbisse zu verspüren. Daniel dagegen wurde davon geplagt. Und noch etwas quälte ihn, nämlich die Liebe.

»Du nimmst den Tod von Menschen zu sehr auf die leichte Schulter«, sagte Daniel.

»Der Kerl hat es verdient«, sagte Cam. »Du solltest das alles etwas sportlicher sehen, Mann!«

Das war der Moment, in dem Daniel die Beherrschung verlor. »Das ist für mich kein Spiel«, fuhr er Cam an.

»Und genau deshalb wirst du sie verlieren.«

Daniel packte Cam am Kragen seines stahlgrauen Trenchcoats. Am liebsten hätte er ihn ins Wasser geschleudert, wie Cam es soeben mit dem Toten getan hatte.

Kalter Wind fuhr zwischen sie, die Wellen schlugen weiter ans Ufer.

»Mach mal locker«, sagte Cam und schob Daniels Hände weg. »Du hast viele Feinde, Daniel. Aber ich zähle im Augenblick nicht dazu. Denk an den Waffenstillstand.«

»Ein Waffenstillstand zwischen uns«, sagte Daniel. »Achtzehn Tage, in denen die anderen versuchen werden, sie zu töten.«

»Achtzehn Tage, in denen du und ich alle ihre Feinde nacheinander kaltmachen.«

Ein Waffenstillstand dauerte immer achtzehn Tage, das war so Brauch unter den Engeln. Achtzehn war im Himmel die göttliche Glückszahl: die lebensspendende Vereinigung der zwei Sieben (der sieben Erzengel und der sieben Kardinaltugenden), ergänzt durch die Warnung der apokalyptischen Reiter. In manchen Sprachen der Sterblichen war die Achtzehn gleichbedeutend mit Leben – obwohl sie, wie jetzt in ihrem Fall, genauso gut auch Tod bedeuten konnte. Luces Tod.

Cam hatte recht. Die Nachricht von ihrer Sterblichkeit machte in den Himmelssphären allmählich die Runde und damit würde sich auch die Zahl ihrer Feinde von Tag zu Tag vermehren. Sich verdoppeln und vervielfachen. Miss Sophia und ihre Kohorten, die Vierundzwanzig Ältesten von Zhsmaelin, waren immer noch hinter Luce her. Daniel hatte inmitten der Schatten, die von den Verkündern an diesem Morgen geworfen worden waren, einen Blick auf die Ältesten erhaschen können. Er hatte einen Moment lang aber auch noch etwas anderes geschaut – eine andere, noch viel dunklere Finsternis, Machenschaften von einer Düsternis, dass er sie erst gar nicht zu deuten gewusst hatte.

Ein einzelner Sonnenstrahl durchbrach die grauen Wolken und in Daniels Augenwinkel schimmerte etwas auf. Er wandte sich dorthin, kniete nieder und sah einen Pfeil im nassen Sand stecken, dünner als ein normaler Pfeil, von mattem Silber, mit geschwungenen eingravierten Ornamenten. Als er ihn berührte, fühlte er sich warm an.

Daniel stockte der Atem. Es war Äonen her, seit er einen Sternenpfeil gesehen hatte. Seine Finger zitterten, als er ihn vorsichtig aus dem Sand zog. Er passte höllisch auf, dass er nicht die tödliche Spitze berührte.

Nun wusste er, woher diese andere Finsternis am Morgen gekommen war. Diese Botschaft war noch schrecklicher, als er befürchtet hatte. Er wandte sich zu Cam, den federleichten Pfeil zwischen den Fingern balancierend. »Er hat nicht allein gehandelt.«

Cam erstarrte beim Anblick des Pfeils. Er beugte sich fast ehrfürchtig über ihn, streckte die Hand aus und berührte ihn genauso vorsichtig wie Daniel. »Eine so wertvolle Waffe zurückzulassen. Die Outcasts müssen total überstürzt aufgebrochen sein. Offensichtlich wollten sie nichts wie weg.«

Die Outcasts: eine merkwürdige Sekte von Engeln, die weder zum Himmel noch zur Hölle gehörten, gerne große Reden schwangen und schwer einzuordnen waren. Ihr größter Trumpf war der einsiedlerische Engel Aazel, der einzige noch lebende Sternenschmied, der die Kunst, Sternenpfeile zu schmieden, beherrschte. Ein solcher Sternenpfeil, von seinem silbernen Bogen abgefeuert, vermochte einem Sterblichen wenig mehr als einen Kratzer zuzufügen. Aber für Engel und Dämonen handelte es sich um die tödlichste Waffe, die es gab.

Alle wollten solche Sternenpfeile. Doch niemand war bereit, deswegen ein Bündnis mit den Outcasts einzugehen. Der Tauschhandel, um an solche Pfeile zu gelangen, wurde versteckt betrieben, mittels Geheimboten. Was bedeutete, dass der Mann, den Daniel getötet hatte, kein Auftragskiller gewesen war, den die Ältesten geschickt hatten. Er war wohl lediglich ein Unterhändler. Der wirkliche Outcast, ihr Feind, hatte sich entmaterialisiert – wahrscheinlich bereits beim ersten Anblick von Daniel und Cam. Daniel schauderte. Das war keine gute Nachricht.

»Wir haben den Falschen getötet.«

»Was heißt ›falsch‹?«, erwiderte Cam unwirsch. »Ein Feind weniger ist ein Feind weniger. Ist die Welt damit nicht besser dran? Und erst recht Luce?« Er starrte auf die Wellen. »Das einzige Problem …«

»Die Outcasts.«

Cam nickte. »Sie sind also jetzt auch hinter ihr her.«

Daniel konnte spüren, wie die Spitzen seiner Engelsschwingen sich unter seinem weichen Wollpullover und der Marinejacke rührten, wie jedes Mal mit einem brennenden Schmerz, der ihn zusammenzucken ließ. Er stand reglos da, mit geschlossenen Augen, die Arme an den Körper gepresst, und zwang sich dazu, sich zu beherrschen. Am liebsten hätte er jetzt seine Flügel zu ihrer ganzen mächtigen Größe entfaltet, wie die Segel eines prächtigen Segelschiffs, in die der Wind hineinfuhr. Und dann hätte es ihn von dieser Insel fort und hoch in die Lüfte getragen. Hin zu ihr, zu Luce.

Er schloss die Augen und versuchte, sich vorzustellen, wie es Luce in diesem Augenblick wohl erging. Er hatte sich gewaltsam von ihr lösen müssen, aber er sah das Bild noch vor sich. Wie sie da in der Hütte friedlich schlief, auf der winzigen Insel östlich von Tybee. Dort musste es jetzt Abend sein. Ob sie inzwischen aufgewacht war? Ob sie vielleicht Hunger hatte?

Die Schlacht in Sword & Cross, die angedeutete Enthüllung eines großen Geheimnisses, der Tod ihrer Freundin – das war sehr viel, was da auf einmal auf Luce eingestürmt war. Die Engel gingen davon aus, dass sie den ganzen Tag und auch noch die folgende Nacht schlafen würde. Aber bis zum Morgen darauf mussten sie einen Plan gefasst haben. Dann musste entschieden sein, was mit Luce geschehen sollte.

Es war das erste Mal, dass Daniel einen Waffenstillstand vorgeschlagen hatte. Alles festzulegen, dafür die Regeln zu vereinbaren, die Grenzen zwischen den beiden Lagern zu ziehen, die Strafen auszuhandeln, die beiden Seiten drohten, falls Verstöße stattfanden – für Cam und ihn bedeutete das eine große gemeinsame Verantwortung. Aber natürlich tat er das, taten sie beide das, denn sie taten es schließlich für sie … aber er wäre sich gern vollkommen sicher gewesen, dass sie auch das Richtige taten.

»Wir müssen sie irgendwo verstecken, wo ihr keine Gefahr droht«, sagte er. »Es gibt da eine Schule ein Stück weiter im Norden, in der Nähe von Fort Bragg …«

»Die Shoreline School.« Cam nickte. »Meine Seite hat das auch schon geprüft. Da wird es ihr gefallen. Und sie wird die richtige Ausbildung erhalten, ohne durch zu viel Wissen zur falschen Zeit gefährdet zu werden. Und vor allem wird sie dort sicher und geschützt sein.«

Gabbe hatte Daniel bereits erklärt, auf welche Weise die Shoreline School für Luce den perfekten Schutz bot. Nur allzu bald würde sich herumgesprochen haben, dass sie dort versteckt war, aber wenigstens für eine Weile wäre sie auf dem Schulgelände für alle Unbefugten so gut wie unsichtbar. In der Schule würde Francesca, die Gabbe sehr nahestand, über Luce wachen. Außerhalb davon würden Daniel und Cam jedem nachstellen und ihn töten, der es wagte, sich der Schule zu nähern.

Wer konnte Cam von Shoreline erzählt haben? Daniel gefiel es nicht, dass die anderen vielleicht mehr wussten als er und die Seinen. Er machte sich schwere Vorwürfe, dass er die Schule nicht vorher besichtigt hatte. Aber es war so wenig Zeit gewesen, und der Abschied von Luce war ihm so schwergefallen, dass er ihn so lange wie möglich hinausgezögert hatte.

»Sie kann bereits morgen dort anfangen. Vorausgesetzt«, Cam musterte Daniels Gesichtsausdruck. »…vorausgesetzt, du sagst Ja.«

Daniel presste die Hand auf die Brusttasche, in der er ein Foto von ihr bei sich trug. Luce am See in der Nähe von Sword & Cross. Mit glänzenden nassen Haaren. Ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Wie selten sie lächelte. All die anderen Male hatte er sie verloren, sobald er ein Abbild von ihr in den Händen gehalten hatte. Aber diesmal war es anders, diesmal war sie immer noch da, auch wenn er sich jetzt eine Weile von ihr trennen musste.

»Jetzt krieg dich mal ein, Daniel«, sagte Cam. »Wir wissen beide, was sie jetzt braucht. Wir melden sie dort an – und dann lassen wir sie in Ruhe. Mehr können wir im Augenblick nicht für sie tun. Sie braucht eine gewisse Zeit, wir können das nicht beschleunigen.«

»Ich kann sie nicht so lange allein lassen.« Daniel hatte das hastiger als beabsichtigt hervorgestoßen. Er blickte auf den Silberpfeil in seinen Händen hinab und schwieg. Ihm war weh ums Herz. Er wollte den Pfeil in die Wellen werfen, aber er konnte nicht.

Cam musterte ihn erneut. »Dann hast du es ihr nicht gesagt?«

Daniel fror auf einmal. »Ich darf ihr nichts sagen. Wir könnten sie verlieren.«

»Du könntest sie verlieren.« Cam klang gereizt, fast höhnisch.

»Wir wissen beide ganz genau, was ich meine.« Daniels Stimme war hart und kalt. »Wir können einfach nicht davon ausgehen, dass sie das alles verkraftet, ohne zu … Das Risiko ist viel zu groß.«

Er schloss die Augen, weil die alles verzehrende Flamme plötzlich weiß vor seinen Augen glühte. Diese Flamme war als Bedrohung in seinen Gedanken allgegenwärtig, jeden Augenblick konnte sie hervorbrechen und sich zu einer Feuersbrunst ausweiten. Wenn er Luce die Wahrheit erzählte und sie damit tötete, wäre sie diesmal für immer und alle Zeiten tot. Endgültig ausgelöscht. Und es wäre allein sein Fehler. Daniel konnte ohne sie nicht handeln, er konnte ohne sie nicht sein. Bei dem Gedanken, Luce könnte nicht mehr sein, durchfuhr ihn selbst ein brennender Schmerz. Besser, er sagte ihr noch nichts, besser, er beschützte sie noch eine Weile davor.

»Wie gut sich das für dich fügt«, murmelte Cam. »Ich hoffe nur, sie ist nicht enttäuscht.«

Daniel ging darauf nicht ein. »Glaubst du wirklich, dass sie an dieser Schule alles Wichtige lernen wird?«

»Ja«, antwortete Cam. »Aber nur wenn wir uns einig sind, dass sie durch nichts davon abgelenkt wird. Keine äußeren Einflüsse. Kein Daniel und kein Cam. Das muss die Grundregel sein.«

Luce achtzehn Tage lang nicht sehen? Das konnte Daniel sich nicht vorstellen. Und er konnte sich auch nicht vorstellen, dass Luce dieser Bedingung zustimmen würde. Sie beide hatten sich in diesem Leben hier gerade erst gefunden und hatten endlich die Möglichkeit, wirklich zusammen zu sein. Aber wenn sie all die Einzelheiten aus ihrer langen gemeinsamen Geschichte erführe, würde es sie dennoch wie immer töten. Sie durfte nicht von ihren vielen vergangenen Leben erfahren. Nicht aus dem Mund der Engel. Nicht von ihm. Luce war immer noch völlig ahnungslos, aber sehr bald würde sie alles von allein herausfinden … alles.

Die verschwiegene Wahrheit und was Luce dann denken würde, das alles ängstigte Daniel. Aber Luce musste selbst herausfinden, was der Engelssturz für sie alle bedeutet hatte, das war der einzige Weg, um aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Und dafür waren ihre Erfahrungen in Shoreline ganz entscheidend. Achtzehn Tage lang hatte Daniel einen Freibrief, so viele Outcasts zu töten, wie ihnen beiden in die Quere kamen. Doch wenn der Waffenstillstand vorüber war, lag alles bei Luce. Nur bei ihr.

Die Sonne ging hinter dem Mount Tamalpais unter und der Abendnebel senkte sich über die Küste.

»Lass sie mich nach Shoreline bringen«, sagte Daniel. Es würde seine letzte Chance sein, sie noch einmal zu sehen.

Cam schielte ihn merkwürdig an, als fragte er sich, ob er wirklich zustimmen solle. Daniel konnte nur noch schwer seine schmerzenden Flügel unter seiner Haut zurückhalten.

»Gut«, sagte Cam schließlich. »Im Tausch gegen den Sternenpfeil.«

Daniel reichte ihm die Waffe und Cam ließ sie in seinem Trenchcoat verschwinden.

»Bring sie in die Schule und dann treffen wir uns wieder. Mach keinen Fehler, ich werde dich nicht aus den Augen lassen.«

»Und dann?«

»Du und ich wissen, wen wir zu jagen haben.«

Daniel nickte und breitete seine Schwingen aus. Eine tiefe Befriedigung durchströmte seinen ganzen Körper, als er dies endlich tun durfte. Er stand einen Augenblick still da, sammelte all seine Energie, spürte den Widerstand des Windes. Höchste Zeit, diesen verfluchten, hässlichen Strand, und was auf ihm geschehen war, hinter sich zurückzulassen. Seine Flügel würden ihn dorthin tragen, wo er wirklich er selbst sein konnte.

Zu Luce.

Und zurück zu der Lüge, die er ihr noch ein klein wenig länger zumuten musste.

»Der Waffenstillstand beginnt morgen um Mitternacht«, rief Daniel. Dann hob er mit einem mächtigen Flügelschlag vom Strand ab und stieg steil in den Himmel auf.

Eins

Achtzehn Tage

Luce nahm sich vor, die Augen während des gesamten sechs Stunden langen Flugs von Georgia nach Kalifornien geschlossen zu halten. Sie würde sie erst öffnen, wenn das Flugzeug in San Francisco war, genau in dem Moment, wenn die Reifen auf dem Boden aufsetzten. Im Halbschlaf fiel es ihr leichter, davon zu träumen, sie sei bereits wieder mit Daniel vereint.

Seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, waren nur ein paar Tage vergangen. Doch es fühlte sich für sie wie ein ganzes Leben an. Seit sie am Freitagmorgen in der Nähe von Sword & Cross voneinander Abschied genommen hatten, war sie todmüde. In ihrem Körper hatte sich eine nie gekannte Erschöpfung breitgemacht. Die Abwesenheit seiner Stimme, seiner Wärme, der Berührung durch seine Flügel war immer tiefer in sie gesunken, bis auf die Knochen spürte sie schmerzlich, was ihr alles fehlte. Ihre Liebessehnsucht war wie eine Krankheit, von der sie bisher nichts geahnt hatte.

Ein Arm streifte ihren. Luce schlug die Augen auf. Sie sah in das Gesicht eines braunhaarigen Jungen, der nur ein paar Jahre älter war als sie. Sie blickte ihm direkt in die Augen. »Entschuldigung«, sagten sie beide gleichzeitig und zogen dann jeder auf seiner Seite den Arm hastig zurück. Er musste während des gesamten Flugs neben ihr gesessen haben.

Der Blick aus dem Fenster war atemberaubend. Das Flugzeug hatte zum Landeanflug auf San Francisco angesetzt. Noch nie hatte Luce so etwas gesehen. Sie glitten über die Südküste der Bucht hinweg. Ein blaues Band wand sich unter ihnen durch die Ebene zum Meer und zerschnitt die Erde in ein leuchtend grünes Feld auf der einen Seite und eine hellrot und weiß flimmernde Fläche auf der anderen. Sie presste die Stirn an das kleine Fenster, um das prächtige Farbspektakel in sich aufzunehmen.

»Was ist das?«, entschlüpfte es ihr.

»Salzfelder«, antwortete der Junge. »Aus dem Pazifik wird Salz gewonnen.« Er beugte sich vor, um auch einen Blick darauf zu werfen.

Er hatte freundlich geantwortet, klar und einfach … und so verblüffend menschlich. Daran war Luce fast nicht mehr gewöhnt, nicht mehr nach der Zeit in Sword & Cross. Dort hatte sie fast nur noch – sie zögerte, innerlich die Worte auszusprechen – mit Engeln und Dämonen Umgang gehabt. Auch Daniel zählte zu ihnen. Sie wandte den Kopf und schaute wieder zum Fenster hinaus, auf das tiefdunkelblaue Wasser hinunter, das sich endlos gen Westen erstreckte. Die Sonne stand glühend rot über dem Meer am Horizont. An der Atlantikküste, wo Luce aufgewachsen war, hätte dies einen neuen Morgen bedeutet. Aber hier war es Abend, fast schon Nacht.

»Du bist nicht von hier, oder?«, fragte ihr Sitznachbar.

Als Antwort schüttelte Luce nur den Kopf. Sie schaute weiter zum Fenster hinaus. Bevor sie am Morgen Georgia verließ, hatte Mr Cole ihr noch ein paar Anweisungen gegeben. Vor allem dass sie sich möglichst unauffällig verhalten und wenig von sich preisgeben sollte. Den anderen Lehrern in Sword & Cross war mitgeteilt worden, dass ihre Eltern die Unterbringung ihrer Tochter in einer anderen Schule wünschten. Was eine Lüge war. Luces Eltern, ihre Freundin Callie und alle anderen, die sie kannten, glaubten, dass sie sich immer noch in Sword & Cross befand.

Vor ein paar Wochen hätte Luce so etwas noch rasend gemacht. Aber die Ereignisse der letzten Tage hatten sie in jemanden verwandelt, der die Welt mit anderen Augen betrachtete. Sie war ernster und erwachsener geworden. Sie hatte einen Blick auf ein anderes Leben erhascht, hatte sich selbst auf einem Foto wiedererkannt, das sie in einem früheren Leben mit Daniel zeigte – in einem Leben von vielen, in denen sie Daniel begegnet war. Sie war in sich auf eine Liebe gestoßen, die ihr mehr bedeutete, als alles andere ihr jemals bedeutet hatte und bedeuten konnte. Eine Liebe, die größer war, als sie das jemals für möglich gehalten hätte. Und dann hatte sie erleben müssen, dass das alles durch eine verrückte alte Frau mit einem Dolch in der Hand beinahe zerstört worden war. Einer Frau, von der sie davor gedacht hatte, sie könnte ihr vertrauen.

Es gab in der Welt da draußen noch viele, die so waren wie Miss Sophia. Davon war Luce überzeugt. Aber niemand sagte ihr, woran sie zu erkennen waren. Miss Sophia hatte bis zum Schluss ganz normal gewirkt. Sahen all die anderen, die ihr nach dem Leben trachteten, womöglich so harmlos und unschuldig aus wie … wie der braunhaarige Junge neben ihr? Luce schluckte, verschränkte die Arme und dachte an Daniel.

Daniel würde sie an einen sicheren Ort bringen.

Luce malte sich aus, wie er in einem der grauen Plastikstühle am Flughafen auf sie wartete, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, den blonden Kopf eingezogen. Wie er mit seinen schwarzen Converse-Sneakers vor und zurück wippte. Wie er alle paar Minuten aufstand, um auf der Anzeigetafel nachzusehen, wann sie endlich eintraf.

Mit einem leichten Ruck setzte das Flugzeug auf der Landebahn auf. Plötzlich war sie nervös. Würde er genauso glücklich sein wie sie, dass sie sich wiedersahen?

Sie konzentrierte sich auf das braun-beige Stoffmuster der Rückenlehne des Sitzes vor ihr. Ihr Nacken war vom langen Flug steif und sie ertrug die verbrauchte, stickige Luft im Flugzeug nicht mehr. Sie wollte so schnell wie möglich raus. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Flugzeug seine endgültige Parkposition am Terminal erreicht hatte. Sie zitterte vor Ungeduld.

»Wahrscheinlich hast du vor, eine ganze Weile hier in Kalifornien zu bleiben, oder?« Der Junge neben ihr schenkte Luce ein cooles Lächeln, was bewirkte, dass sie nur noch schneller aus dem Flugzeug rauswollte.

»Wie kommst du denn darauf?«, sagte sie hastig. »Warum fragst du das?«

Er zwinkerte. »Na, ich mein ja nur. Mit einem so riesigen roten Seesack und so.«

Luce rutschte in ihrem Sitz von ihm weg. Sie hatte diesen Jungen vor zwei Minuten das erste Mal gesehen, als sie durch seine Berührung am Arm aufgewacht war. Woher wusste er über ihr Gepäck Bescheid?

»Hey, das ist keine Hexerei.« Er warf ihr einen seltsamen Blick zu. »Ich habe am Check-In hinter dir in der Schlange gestanden.«

Luce lächelte leicht gequält. »Ich habe einen Freund«, kam es aus ihrem Mund, und gleichzeitig errötete sie.

Der Junge hüstelte. »Okay, hab’s kapiert.«

Luce schnitt eine Grimasse. Sie wusste nicht, warum sie das gesagt hatte. Sie hatte auch nicht barsch und abweisend klingen wollen. Aber in dem Moment ging die Leuchtanzeige aus, sie ließ ihren Sicherheitsgurt aufschnappen und wollte nur noch an dem Jungen vorbei und so schnell wie möglich aus dem Flugzeug raus. Das musste der Junge gespürt haben, denn er stand hastig auf und trat in den Mittelgang. Luce nickte einmal kurz, dann hatte sie sich auch schon an ihm vorbeigeschoben und eilte zum Ausgang.

Nur um danach in der Menge auf dem Gangway stecken zu bleiben, die sich mit lähmender Langsamkeit vorwärtsbewegte. Sie steckte in einem Flaschenhals fest und verfluchte all die lockeren Kalifornier in ihrer Freizeitkleidung, von denen es keiner besonders eilig zu haben schien. Luce stellte sich auf die Zehenspitzen, wippte nervös. Als sie schließlich die Ankunftshalle erreicht hatte, war sie vor lauter Ungeduld schon fast verrückt.

Endlich konnte sie losstürmen. Sie schubste und drängelte sich durch die Menge. Den Jungen aus dem Flugzeug hatte sie bereits vergessen. Auch dass sie noch nie in Kalifornien gewesen war, spielte überhaupt keine Rolle. In ihrem ganzen Leben war sie noch nie weiter nach Westen gekommen als bis Brandon, Missouri, wohin ihre Eltern sie einmal mitgenommen hatten, um dort Yakov Smirnoff als Comedian live zu erleben. Und auch die schrecklichen, grauenhaften Ereignisse, deren Zeugin sie in Sword & Cross gewesen war, vergaß sie, wenn auch nur für einen Moment. Sie wusste genau, was sie wollte. Sie stürmte auf die einzige Person zu, in deren Macht es lag, sie wieder mit sich und der Welt zu versöhnen. Die einzige Person, die ihr das Gefühl gab, dass es trotz all des Grauens, das sie durchgestanden hatte – die Schatten, die gespenstische Schlacht auf dem Friedhof, vor allem aber, und das war am schlimmsten, der Tod ihrer Freundin Penn –, ein Leben danach gab.

Da war er.

Er saß genauso da, wie sie es sich ausgemalt hatte. Auf dem letzten Stuhl mehrerer Reihen trauriger grauer Plastikstühle. Hinter ihm öffnete und schloss sich unablässig eine automatische Schiebetür. Eine Sekunde lang stand Luce still und nahm seinen Anblick in sich auf.

Daniel trug Flipflops, eine dunkelblaue Jeans und ein rotes T-Shirt, das sie noch nie an ihm gesehen hatte. Eng umspannte es seinen muskulösen Oberkörper. Er sah aus wie der Daniel von Sword & Cross, den sie kannte, und doch ganz anders. Außerdem wirkte er auch viel relaxter als bei ihrem Abschied vor ein paar Tagen. Kam es nur daher, dass sie ihn so stark vermisst hatte, oder ging von ihm tatsächlich ein noch viel stärkeres Strahlen aus, als sie in Erinnerung hatte? Er blickte auf – und da bemerkte er sie endlich. In seinem Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln aus.

Sie rannte auf ihn zu. Eine Sekunde später lagen sie sich in den Armen. Daniel schlang seine Arme fest um sie. Luce schmiegte sich an ihn und gab einen langen, tiefen Seufzer von sich. Dann hob sie ihr Gesicht zu ihm hoch und sie küssten sich. Sie versanken beide in diesem Kuss, der eine Ewigkeit dauerte. Luce schmolz in seinen Armen dahin. Sie spürte, wie sie ganz weich wurde. Sie war glücklich.

Sie hatte es sich bis jetzt nicht eingestehen wollen, aber ein Teil von ihr hatte daran gezweifelt, ob sie ihn tatsächlich wiedersehen würde, ob das alles nicht nur ein Traum gewesen war. Die Liebe, die sie spürte, die Liebe, die Daniel erwiderte, das alles fühlte sich so unwirklich an. So überirdisch schön.

Noch während sie sich küssten, kniff Luce Daniel in den Arm. Diese Muskeln waren wirklich. Das war kein Traum. Das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit fühlte sie sich zu Hause. Angekommen.

»Du bist da«, flüsterte er ihr ins Ohr.

»Du bist da.«

»Wir sind beide hier.«

Sie lachten leise, küssten sich erneut, und allmählich löste sich die anfängliche Befangenheit, die sie beide bei ihrem Wiedersehen verspürt hatten, in zärtliches Gelächter auf. Doch dann, als Luce es am wenigsten erwartete, brach auf einmal ein Schluchzen aus ihr heraus. Sie hätte Daniel so gern gesagt, wie schwer die letzten Tage für sie gewesen waren – die Tage ohne ihn, vollkommen einsam und verlassen auf der kleinen Insel, in der Fischerhütte, so erschöpft, dass sie der Schlaf immer wieder überwältigte, und zugleich hellwach, im Bewusstsein, dass sich alles verändert hatte. Doch jetzt, in seinen Armen, fand sie nicht die rechten Worte dafür.

»Ich weiß, ich weiß«, sagte er. »Lass uns erst mal raus hier.« Er blickte sie fragend an. »Wo hast du dein Gepäck?«

Luce zuckte erschrocken zusammen, da sah sie auch schon ihren Sitznachbarn aus dem Flugzeug vor ihr stehen. Mit beiden Händen hielt er die Gurte ihres schweren Seesacks umklammert. »Ich hab den ein paar Mal auf dem Gepäckband die Runde machen sehen«, sagte er mit einem bemühten Lächeln, wie um ja keinen Zweifel an seinen freundlichen Absichten aufkommen zu lassen. »Der gehört doch dir, oder?«

Bevor Luce antworten konnte, hatte Daniel den Jungen schon von dem unhandlichen Gepäckstück befreit. Er hängte sich den Seesack schwungvoll über die Schulter. »Danke, Mann. Ab hier übernehme ich«, sagte er. Womit klar war, dass er keine Fortsetzung des Gesprächs wünschte.

Der Junge wurde stummer Zeuge, wie Daniel den anderen Arm um Luce legte und dann mit ihr davonging. Es war das erste Mal seit Sword & Cross, dass Luce Daniel so sah, wie alle Welt ihn wahrnahm; es war das erste Mal, dass sie sich fragte, ob fremde Menschen, die nichts von ihm wussten, wohl ahnten, dass an ihm etwas ganz Außergewöhnliches war.

Sie gingen gemeinsam durch die Schiebetür nach draußen und Luce machte ihren ersten tiefen Atemzug an der Westküste. Die Luft hier war frisch und prickelnd und irgendwie gesund, nicht feucht-kalt wie in Savannah, als sie dort am Nachmittag losgeflogen waren. Der Himmel war von einem hellen, strahlenden Blau und weit und breit war keine einzige Wolke zu sehen. So fühlte es sich also Anfang November am Pazifik an. Alles wirkte frisch gewaschen und sauber – sogar auf dem Parkplatz schienen nur lauter sauber blinkende, funkelnagelneue Autos zu stehen. In der Ferne wurde die ganze Szenerie von einer Bergkette eingerahmt, gelbbraun und grün gesprenkelt; Rücken um Rücken fügte sich dort zu einer geschwungenen Linie aneinander.

Luce war nicht mehr in Georgia.

»Also darauf war ich ja nicht gefasst«, neckte Daniel sie. »Kaum halte ich ein paar Tage lang nicht meine schützenden Schwingen über dich, macht sich schon ein anderer bei dir breit.«

Luce verdrehte die Augen. »Beruhig dich mal. Wir haben kaum miteinander gesprochen. Ich hab fast während des ganzen Flugs geschlafen.« Sie knuffte ihn. »Und dabei von dir geträumt.«

Daniels Lippen öffneten sich zu einem Lächeln und er drückte ihr einen Kuss auf die Haare. Sie blieb stehen und wartete auf weitere Küsse. Dann erst merkte sie, dass Daniel nicht zufällig angehalten hatte. Sie standen vor einem Auto. Nicht irgendeinem Auto.

Vor einem schwarzen Alfa Romeo.

Luce machte große, staunende Augen, als Daniel ihr die Beifahrertür aufhielt.

»D-das …«, stammelte sie, »d-das ist … Hast du gewusst, dass das mein absolutes Traumauto ist?«

»Und nicht nur das.« Daniel lachte. »Der hier gehörte dir früher sogar mal.«

Als sie bei diesen Worten zusammenzuckte, lachte er noch mehr. An die Sache mit den Wiedergeburten im Verlauf ihrer gemeinsamen Geschichte hatte sie sich immer noch nicht so recht gewöhnt. Es war so ungerecht. Ein großes Auto, an das sie sich nicht erinnern konnte. Ganze Leben, die aus ihrem Gedächtnis verschwunden waren. Sie wollte unbedingt mehr wissen, ihr war, als handelte es sich bei ihren früheren Ichs um Zwillingsschwestern, von denen sie bei der Geburt getrennt worden war und die sie nun schmerzlich vermisste. Sie stützte sich mit der Hand auf der Windschutzscheibe ab, wartete auf irgendeinen Wink, irgendein Déjà-vu-Erlebnis.

Nichts.

»Das Auto war mal das Geschenk deiner Eltern zu deinem sechzehnten Geburtstag, das ist schon einige Leben her.« Daniel warf ihr einen prüfenden Blick zu, als sei er sich unsicher, wie viel er ihr zumuten konnte. Als spürte er, wie neugierig sie auf Geschichten aus der Vergangenheit war, wie gern sie mehr über ihre frühere Leben erfahren wollte, und als wüsste er, dass sie davon zu viel auf einmal nicht verkraften konnte. »Ich hab ihn von diesem Typen in Reno gekauft. Er hat, ähm, er hat ihn … na ja, nachdem du …«

Lichterloh in Flammen aufgegangen warst, dachte Luce und ergänzte damit innerlich Daniels Satz um die bittere Wahrheit, die er nicht aussprechen wollte. Denn das wusste sie bereits über ihre lange gemeinsame Vergangenheit. Eines änderte sich nie. Das Ende ihrer Begegnungen blieb sich immer gleich. Selbstentzündung.

Nur diesmal nicht. Diesmal schien alles anders zu sein. Diesmal war der Ausgang womöglich ein anderer. Sie konnten Händchen halten, sie konnten sich küssen, sie konnten … sie wusste nicht, was sie noch alles miteinander tun konnten. Wie weit sie gehen durften. Aber sie wollte es um jeden Preis herausfinden. Wirklich um jeden Preis? Sie rief sich selbst zur Vernunft. Sie mussten vorsichtig sein. Siebzehn Jahre war nicht viel für ein Leben, und Luce war wild entschlossen, es diesmal länger auszuhalten, um herauszufinden, wie es sich wirklich anfühlen würde, mit Daniel zusammen zu sein.

Daniel räusperte sich und tätschelte die glänzende schwarze Kühlerhaube. »Fährt immer noch wie ein Weltmeister. Das einzige Problem ist …« Er blickte zu dem winzigen Kofferraum des Cabrios, dann auf Luces riesigen Seesack, dann wieder zurück zum Kofferraum.

Ja, es stimmte. Luce hatte diese schreckliche Angewohnheit, immer viel zu viel einzupacken. Sie hätte das auch sofort zugegeben, aber diesmal war es nicht ihre Schuld. Arriane und Gabbe hatten nämlich in Sword & Cross ihre Sachen gepackt, alle ihre schwarzen Kleidungsstücke und auch die bunten, die in Sword & Cross nur am Wochenende erlaubt gewesen waren. Sie selbst hatte keine Zeit dafür gehabt, sie musste sich von Penn, ihrer toten Freundin, verabschieden. Und natürlich von Daniel. Luce seufzte leise, sie hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie nun hier in Kalifornien mit Daniel war, während ihre Freundin auf dem Friedhof von Sword & Cross neben ihrem Vater begraben lag. Das war einfach nicht gerecht. Mr Cole hatte ihr versichert, dass Miss Sophia für Penns Tod zur Rechenschaft gezogen werden würde. Aber als Luce in ihn gedrungen war, als sie wollte, dass er ihr sagte, was genau damit gemeint war, strich er nur über seinen Schnurrbart und antwortete nicht.

Daniel spähte auf dem Parkplatz umher. Er ließ die Kofferraumklappe aufspringen, dann hob er Luces Seesack hoch. Der passte da unmöglich rein. Doch auf einmal war ein leises Sauggeräusch zu hören und der Seesack schrumpfte. Einen Augenblick später schlug Daniel den Kofferraum zu.

Luce blinzelte ungläubig. »Mach das bitte noch mal!«

Daniel lachte nicht. Er wirkte nervös, schlüpfte hinter das Lenkrad und startete den Motor. Wie seltsam und neu das für Luce war: in sein Gesicht zu sehen, das so heiter wirkte, ihn aber gut genug zu kennen, um zu wissen, dass unter dieser Miene etwas Tieferes, Ernsteres lauerte.

»Was ist los?«

»Mr Cole hat dir doch bestimmt gesagt, dass du dich möglichst unauffällig verhalten sollst?«

Sie nickte.

Daniel stieß rückwärts aus der Parkbucht heraus, steuerte dann auf die Ausfahrt des Parkplatzes zu und schob eine Kreditkarte in den Schlitz des Automaten. »Das war dumm von mir. Ich hätte daran denken sollen, dass …«

»Was war daran so schlimm?« Luce strich sich ihre dunklen Haare hinter die Ohren zurück, als das Cabrio seine Geschwindigkeit beschleunigte. »Glaubst du, dass du Cam auf dich aufmerksam machst, weil du ein Gepäckstück in einen Kofferraum stopfst?«

Daniels Blick war weit in die Ferne gerichtet. Er schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht Cam.« Einen Augenblick später berührte er ihr Knie. »Vergiss es. Ich war nur … Wir müssen beide vorsichtig sein.«

Luce hörte, was er sagte, aber sie achtete nicht weiter darauf. Sie war so glücklich. Sie saß hier neben Daniel in dem schwarzen Alfa Romeo, sie waren inzwischen auf dem Freeway, wo Daniel sich sportlich durch den Verkehr schlängelte. Der Wind fuhr ihr durch die Haare, vor ihr war die Skyline der Hochhäuser von San Francisco zu sehen und sie war mit ihm zusammen, mit Daniel.

In San Francisco selbst folgte ein Hügel auf den nächsten. Jedes Mal wenn sie eine Steigung hochgefahren waren und bevor sie wieder in eine Senke abtauchten, bot sich Luce ein anderer Blick auf die Stadt dar. Sie war alt und neu gleichzeitig: Verspiegelte Hochhäuser ragten hoch in den Himmel, und vor ihnen drängelten sich Restaurants und Bars in Häusern, die gut ein Jahrhundert alt sein mussten. Winzige Autos waren entlang der Straßen geparkt und trotzten wundersam der Schwerkraft. Überall waren Spaziergänger mit Hunden zu sehen. Und in der Ferne glitzerte auf allen Seiten blaues Wasser. Sie erhaschte den ersten Blick auf die Golden Gate Bridge, rot leuchtend wie ein Zuckerapfel.

Ihre Augen wanderten umher, um alles aufzunehmen. Und obwohl sie in den vergangenen Tagen fast nur geschlafen hatte, fühlte sie sich von dieser Überfülle plötzlich ganz erschöpft.

Daniel drückte ihren Kopf sacht auf seine Schulter. »Was nur wenige über uns Engel wissen: Wir geben wunderbar weiche Kopfkissen ab.«

Luce lachte, hob den Kopf wieder und küsste ihn auf die Wange. »Ich bin viel zu aufgeregt, um auf dir einzuschlafen«, sagte sie, während sie sich an ihn kuschelte.

Auf der Golden Gate Bridge waren neben den Autos auch jede Menge Fußgänger, Radfahrer in engen bunten Trikots und Jogger unterwegs. Weit unter ihnen strahlte tief dunkelblau, vom nahenden Sonnenuntergang bereits violett eingefärbt, die San Francisco Bay, auf der sich unzählige kleine weiße Segelboote tummelten. »Wir haben uns mehrere Tage lang nicht gesehen«, sagte sie. »Ich will wissen, was in der Zwischenzeit bei dir los war. Du musst mir alles erzählen.«

Einen Augenblick lang meinte sie zu sehen, wie Daniels Hände sich um das Lenkrad verkrampften. »Wenn du nicht einschlafen willst«, meinte er lächelnd, »dann sollte ich dir besser nicht alle Einzelheiten aus der achtstündigen Sitzung des Ältestenrats der Engel erzählen, die mich gestern den ganzen Tag gekostet hat. Der Ältestenrat war zusammengetreten, um einen Antrag auf Änderung des Paragrafen 362 b zu diskutieren, der festlegt, in welchem Ausmaß die Cherubim sich beteiligen dürfen, falls …«

»Okay, ich hab’s kapiert«, unterbrach sie ihn. Daniel sagte das alles, um nicht wirklich auf ihre Frage zu antworten, das spürte sie. Aber er machte immerhin einen Scherz daraus und es war eine neue, andere Art von Scherz als bisher. Er verschwieg nicht länger, dass er ein Engel war, was ihr gefiel – oder zumindest spürte sie, dass es ihr gefallen könnte, sobald sie nur etwas mehr Zeit haben würde, sich an das alles zu gewöhnen. Luce merkte, wie ihr Herz und ihr Kopf sich immer noch schwertaten, die großen Veränderungen in ihrem Leben zu verarbeiten.

Aber Daniel und sie waren jetzt wieder vereint, das machte es für sie unendlich viel leichter. Sie hatten sich gegenseitig ihre Liebe gestanden. Sie brauchten voreinander nichts mehr zu verheimlichen. Alles würde gut werden. Sie zupfte ihn am Arm. »Sag mir wenigstens, wohin wir fahren.«

Daniel zuckte unmerklich zusammen, und Luce spürte, wie sich in ihr etwas verkrampfte, Kälte begann, sich in ihr auszubreiten. Sie wollte ihre Hand auf seine legen, aber er zog sie weg, betätigte die Gangschaltung.

»Nach Fort Bragg. In die Shoreline School. Ab morgen beginnt dort für dich der Unterricht.«

»Wir gehen zusammen auf eine neue Schule?«, fragte sie. »Warum?« Das klang so endgültig. Sie hatte geglaubt, es handle sich nur um eine Art verlängerten Wochenendausflug nach Kalifornien. Ihre Eltern wussten nicht einmal, dass sie nicht mehr in Georgia war.

»Es wird dir dort gefallen. Shoreline ist eine sehr fortschrittliche Schule, ganz anders als Sword & Cross. Du wirst … du wirst dich dort frei entwickeln können. Und du bist dort sicher. Die Schule wird dich beschützen. Sie verfügt über so etwas wie einen besonderen Schutzschirm. So etwas wie eine riesengroße Tarnkappe.«

»Das verstehe ich nicht. Wozu brauche ich einen besonderen Schutzschirm? Ich dachte, hierher nach Kalifornien zu kommen, weit weg von Miss Sophia, würde reichen.«

»Es dreht sich nicht nur um Miss Sophia.« Daniel seufzte leise. »Da sind noch andere.«

»Wer denn? Aber du kannst mich doch beschützen – vor Cam, vor Molly oder wem auch immer.« Luce lachte, spürte jedoch, wie Kälte von ihrem Herzen in ihren ganzen Körper ausstrahlte.

»Es dreht sich auch nicht um Cam oder Molly, Luce«, sagte Daniel. »Ich darf nicht darüber reden.«

»Werden wir dort irgendjemanden kennen? Irgendwelche anderen Engel?«

»Dort sind ein paar Engel, ja. Niemand, den du kennst, aber ich bin mir sicher, du kommst in Shoreline gut zurecht. Denn da ist noch etwas.« Er starrte geradeaus durch die Windschutzscheibe und seine Stimme klang tonlos. »Ich werde nicht dort bleiben.« Seine Augen fixierten einen Punkt auf der Straße. »Wir werden uns trennen müssen. Es ist nur für kurze Zeit.«

»Wie kurz?«

»Ein paar … ein paar Wochen.«

Hätte Luce am Steuer gesessen, dann wäre sie in diesem Augenblick hart auf die Bremse getreten.

»Ein paar Wochen?«

»Wenn ich bei dir bleiben könnte, würde ich es tun.« Daniels Stimme war so tonlos und kalt, dass Luce davon noch wütender wurde. »Du hast doch gesehen, was gerade mit deinem Seesack und dem Kofferraum passiert ist. Das war, als hätte ich eine Leuchtrakete in den Himmel abgeschossen, damit auch jeder sieht, wo wir sind. Ein Signal für alle, die nach mir suchen – und nicht nur nach mir, sondern auch nach dir. Ich bin einfach viel zu leicht ausfindig zu machen. So was Lächerliches wie das mit deinem Gepäck reicht schon. Und das ist noch gar nichts, verglichen mit den anderen Dingen, die ich jeden Tag tun muss und die ganz bestimmt die Aufmerksamkeit auf uns lenken würden, die Aufmerksamkeit von …« Er schüttelte den Kopf. »Ich will dich nicht mutwillig in Gefahr bringen, Luce, das will ich nicht.«

»Dann lass es bleiben.«

Ein Schatten huschte über Daniels Gesicht. »So einfach ist das nicht. Die Dinge sind viel komplizierter.«

»Lass mich raten: Wahrscheinlich darfst du darüber auch nicht reden?«

»Ich wünschte, ich könnte es dir erklären.«

Luce rückte von ihm weg und lehnte sich an die Tür des Beifahrersitzes. Plötzlich fühlt sie sich trotz des weiten blauen Himmels von Kalifornien wie eine Gefangene.

Eine halbe Stunde lang saßen sie schweigend nebeneinander. Sie fuhren entlang der Küste durch Nebelfelder, auf und ab, durch felsiges, nur spärlich bewachsenes Gelände. Dann folgten sie den Wegweisern nach Sonoma. Inmitten der üppigen grünen Weingärten durchbrach Daniel schließlich das Schweigen. »Es sind noch drei Stunden bis Fort Bragg. Willst du die ganze Zeit weiter auf mich sauer sein?«

Luce antwortete nicht. Sie konnte nicht. In ihrem Kopf tobten zu viele Fragen, Anklagen – und auch die Bitte, ihr zu verzeihen, dass sie sich wie ein trotziges, verzogenes Kind benahm. Aber sie war bitter enttäuscht. An der Abzweigung nach Anderson Valley bog Daniel in Richtung Westen ab und versuchte noch einmal, nach ihrer Hand zu greifen. »Willst du mir nicht verzeihen? Verdirb uns doch nicht die letzten gemeinsamen Minuten!«

Sie wollte ja. Sie wollte mit Daniel nicht ausgerechnet jetzt einen Streit haben. Aber allein schon die Tatsache, dass er von den »letzten gemeinsamen Minuten« sprach und sie gleich verlassen würde – aus Gründen, die sie entweder nicht verstand oder die er ihr nicht nennen wollte –, machte sie erst nervös, ließ sie dann ängstlich werden und schließlich war sie nur noch frustriert. Inmitten all des Aufruhrs – ein unbekannter, neuer Ort, eine neue Schule, neue drohende Gefahren – war Daniel wie ein Fels in der Brandung für sie gewesen. An ihm glaubte sie, sich festhalten zu können. Und er wollte sie jetzt verlassen? Hatte sie noch nicht genug durchgemacht? Hatten sie beide noch nicht genug durchlitten?

Erst nach der Durchquerung der mächtigen, hohen Mammutbaumwälder, als sie in eine tiefblaue, sternenübersäte Nacht hinausfuhren, sagte Daniel etwas, das sie aus ihrem Schweigen herausriss. Sie waren an einem Schild vorbeigekommen, auf dem WELCOME TO MENDOCINO stand. Luce schaute gen Westen. Der Vollmond schien auf eine verstreute Ansammlung von Gebäuden herunter: einen hohen Leuchtturm, mehrere Wassertürme, vor allem aber auf die gut erhaltenen malerischen Holzhäuser. Irgendwo dahinter musste der Ozean sein, den sie hören, aber nicht sehen konnte.

Daniel zeigte nach Osten in einen dichten, dunklen Wald aus Mammut- und Ahornbäumen. »Siehst du die Wohnwagensiedlung da drüben?«

Hätte er nicht darauf gedeutet, sie hätte die schmale Zufahrt und das verwitterte Holzschild, auf dem in ausgeblichenen Buchstaben stand: MENDOCINO MOBILE HOMES nicht bemerkt.

»Da hast du früher mal gelebt.«

»Da?« Luce verschluckte sich fast an ihrer eigenen Spucke und hustete. Die Wohnwagensiedlung wirkte heruntergekommen und trübselig, niedrige, gleichförmig aussehende Container entlang eines Kieswegs. »Wie grässlich.«

»Du hast da gelebt, bevor es eine Wohnwagensiedlung war«, sagte Daniel, bremste und hielt am Straßenrand an. »Lange vorher. Dein Vater war während des kalifornischen Goldrauschs aus Illinois hierhergezogen.« Er schien nach innen zu blicken und schüttelte betrübt den Kopf. »War mal ein schöner Flecken.«

Luce beobachtete einen kahlköpfigen Mann in Trainingsanzugshose und mit fetter Wampe, der einen räudigen schmutzfarbenen Hund an der Leine Gassi führte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, an einem solchen Ort einmal gelebt zu haben.

Doch Daniel war sich ganz sicher. »Ihr habt da in einer kleinen Holzhütte gewohnt, in der es nur zwei Räume gab. Deine Mutter war eine fürchterliche Köchin, deshalb hat es ständig nach Kohl gestunken. Am Fenster hingen weißblau karierte Vorhänge, ich weiß das noch so genau, weil ich sie immer auseinanderschob, um durchs Fenster zu steigen, sobald deine Eltern eingeschlafen waren.«

Daniel hatte den Motor nicht abgestellt. Luce schloss die Augen und versuchte, ihre idiotischen Tränen zurückzuhalten. Eine solche Geschichte aus ihrer Vergangenheit von Daniel zu hören … aber dann musste es so gewesen sein, so unwahrscheinlich sich das auch anhörte. Er würde sie niemals anlügen. Gleichzeitig verspürte sie ein starkes Schuldgefühl. Daniel liebte sie schon so lang, über so viele Leben und Zeiten hinweg. Sie hatte vergessen, wie gut er sie kannte. Sogar besser, als sie selbst sich kannte. Ob er wohl ahnte, was sie gerade dachte? Luce fragte sich, ob es womöglich für sie sogar leichter war als für ihn. Sie erinnerte sich ja an nichts, während Daniel bei allem, was sie miteinander erlebten, immer daran denken musste, wie oft sie das alles schon gemeinsam erlebt hatten. Und wie schlimm es jedes Mal ausgegangen war. Immer und immer wieder.

Wenn er ihr jetzt sagte, dass er sie für ein paar Wochen allein lassen musste, ohne erklären zu können, warum … dann musste sie ihm vertrauen.

»Wie war es damals, als du mir das erste Mal begegnet bist?«, fragte sie.

Daniel lächelte. »Ich hackte damals für andere Leute Holz und kriegte dafür als Lohn eine warme Mahlzeit. Eines Tages kam ich um die Mittagszeit an eurer Hütte vorbei. Deine Mutter hatte eine Kohlsuppe auf dem Herd stehen, und es stank so fürchterlich, dass ich schon vorbeigehen wollte, ohne anzuklopfen und zu fragen. Aber dann hab ich dich durchs Fenster gesehen. Du warst am Nähen. Ich konnte den Blick nicht von deinen Händen wenden.«

Luce schaute auf ihre Hände, ihre schlanken weißen Finger und schmalen Handflächen. Ob ihre Hände wohl immer schon so ausgesehen hatten? Daniel griff nach ihnen. »Sie sind genauso zart wie damals.«

Luce schüttelte den Kopf. Sie mochte die Geschichte, sie hätte noch gern Hunderte solcher Geschichten gehört, aber das hatte sie nicht gemeint. »Ich möchte gern wissen, wie es war, als du mir das erste Mal begegnet bist«, sagte sie. »Das allererste Mal. Wie war das?«

Nach einer langen Pause sagte Daniel schließlich: »Es ist schon spät. Du musst noch vor Mitternacht in Shoreline sein. Man erwartet dich.« Er fuhr wieder los und bog nach links ab, in die Ortsmitte von Mendocino hinein. Luce beobachtete im Seitenspiegel, wie die Wohnwagensiedlung kleiner und kleiner wurde, bis sie ganz verschwunden war. Kurz darauf parkte Daniel den Alfa Romeo vor einem menschenleeren 24-Stunden-Diner mit gelben Wänden und großen Fenstern.

Die gemütlichen bunten Holzhäuser ringsum erinnerten Luce an die Küstenorte von New England in der Nähe ihrer früheren Schule in Dover, vor Sword & Cross. Nur dass hier alles weniger spießig wirkte. Die unregelmäßigen Pflastersteine der Straße glänzten im Licht der Straßenlampen gelb wie die Wände des Diners. Sie blickte die Straße entlang, die direkt in den Ozean hineinzuführen schien. Eisige Kälte breitete sich in ihrem Körper aus. Es kostete sie große Kraft, ihre Furcht vor der Dunkelheit im Zaum zu halten. Daniel hatte ihr erklärt, dass sie vor den Schatten keine Angst zu haben brauchte. Sie seien nur Boten. Aber was von ihm gesagt worden war, um sie zu beruhigen, hatte ihr erst recht großen Schrecken eingejagt. Dann das bedeutete, dass es viel gewaltigere Dinge als die Schatten gab, vor denen sie sich fürchten musste.

»Warum willst du es mir denn nicht erzählen, wie es war, als wir uns das allererste Mal begegnet sind?« Sie konnte nicht anders, sie musste ihn einfach danach fragen. Sie wusste selbst nicht, warum das für sie so wichtig war. Aber wenn sie Daniel vertrauen sollte, wenn sie hinnehmen sollte, dass er sie schon wieder verließ, ohne an seiner Liebe zu zweifeln – dann, ja dann war für sie wohl wichtig, mehr über den Ursprung dieses Vertrauens in ihn zu erfahren. Zu erfahren, wie und wann alles begonnen hatte.

»Weißt du eigentlich, was mein Nachname bedeutet?«, fragte er sie plötzlich.

Luce biss sich auf die Lippe. Sie versuchte, sich an das zu erinnern, was Penn und sie in der Bibliothek herausgefunden hatten. »Ich weiß, dass Miss Sophia einmal etwas über das Wächteramt erzählt hat. Aber keine Ahnung, was sie damals eigentlich damit meinte oder ob ich ihr überhaupt irgendwas glauben konnte.« Luces Finger wanderten zu ihrem Hals. Zu der Stelle, an der Miss Sophia ihn mit der Spitze ihres Dolchs berührt hatte.

»Sie hatte recht. Die Grigori sind ein weitverzweigter Clan von Engeln. Ein Clan, der nach mir benannt ist, um genau zu sein. Sie haben jetzt das Wächteramt inne, weil sie nämlich alle dazugelernt haben. Damit nicht mehr passiert, was … was damals geschehen ist, als ich noch im Himmel war. Und als du … Aber das ist schon sehr, sehr lange her, Luce. Ich kann mich kaum mehr daran erinnern.«

»Wie war das damals? Wer war ich?«, bedrängte sie ihn. »Ich erinnere mich, dass Miss Sophia angedeutet hat, die Grigori hätten sich mit sterblichen Frauen eingelassen. War es das? Hast du …«

Er schaute sie an. Irgendetwas in seinem Gesicht hatte sich verändert. Luce wusste nicht genau, was es bedeutete. Aber er schien fast erleichtert, dass sie es erraten hatte. Weil er dann nicht selbst die Wahrheit aussprechen musste.

»Als ich dich das erste Mal sah«, sagte er, »war es zwischen uns nicht anders als die vielen anderen Male, in denen wir uns seither das erste Mal begegnet sind. Die Welt war noch jünger, aber du warst dieselbe wie jetzt. Es war … Liebe auf den ersten Blick.« Diesen Teil der Geschichte kannte Luce.

Er nickte. »Wie immer. Der Unterschied war nur, dass du für mich beim ersten Mal unerreichbar warst. Eine solche Liebe wie die zwischen uns war absolut verboten. Ich wurde hart dafür bestraft, dass ich mich in dich verliebt hatte. Es geschah zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Im Himmel ging es damals drunter und drüber. Und von mir wurde aufgrund meiner Stellung erst recht erwartet, dass ich mich von dir fernhielt. Du stelltest eine gefährliche Ablenkung dar. Wir sollten unsere ganze Kraft und Energie darauf verwenden, den Krieg zu gewinnen. Den Krieg, der immer noch andauert.« Er seufzte. »Und falls du es nicht bemerkt haben solltest, werde ich durch dich immer noch davon abgelenkt.«

»Du warst also ein Engel, der in der Rangordnung der Engel sehr weit oben stand«, murmelte Luce.

»Ja, so war es.« Daniel wirkte sehr bedrückt, machte eine Pause und spuckte, als er weitersprach, die Worte verächtlich aus: »Es war ein Sturz mit großer Fallhöhe. Von einem der höchsten Ämter.«

Ja, so war es. Daniel musste im Himmel ziemlich wichtig gewesen sein, wenn so viel von ihm erwartet wurde. Wenn er so hart dafür bestraft wurde, dass ihn die verbotene Liebe zu einer Sterblichen gepackt hatte.

»Du hast das alles aufgegeben? Für mich?«

Er lehnte seine Stirn an ihre. »Ich habe es keine Sekunde lang bereut.«

»Aber ich war ein Niemand«, sagte Luce. Sie fühlte sich mit einem Mal, als würde sie mit der Schwerkraft ihres Körpers an ihm ziehen. Ihn nach unten ziehen. »Du musstest für mich so viel aufgeben!« In ihrem Magen rumorte es. »Und jetzt bist du für immer verdammt.«

Daniel lächelte sie traurig an. »Vielleicht ist es ja gar nicht für immer.«

»Was willst du damit sagen?«

»Hey«, meinte er plötzlich. »Weißt du was? Lass uns noch einen Spaziergang machen.«

Und so schlenderten sie gemeinsam die Straße entlang, an deren Ende eine steil in den Fels gehauene Treppe bis ans Wasser hinunterführte. Die Luft war kühl und feucht von der Gischt. Doch sie stiegen nicht die Stufen zur Bucht hinunter. Ein schmaler Trampelpfad zweigte links vom Weg ab. Daniel nahm ihre Hand und ging mit ihr bis an die Kante des Kliffs vor.

»Wohin willst du?«, fragte Luce.

Daniel lächelte sie an, reckte die Schultern und dann breitete er seine Flügel aus.

Langsam wuchsen sie aus seinen Schultern heraus, entfalteten sich beinahe unhörbar, mit einem leisen Rascheln und Knistern. Kurz bevor sie ihre volle Größe erreichten, war ein letztes gedämpftes Plopp zu hören, wie wenn ein Federbett aufgeschüttelt wird.

Jetzt erst fiel Luce auf, dass Daniels T-Shirt eine Sonderanfertigung sein musste. Es befanden sich dort zwei schmale, normalerweise unsichtbare Schlitze, durch die nun seine Flügel gekommen waren. Ob alle Kleidungsstücke von Daniel auf seine Schwingen zugeschnitten waren? Oder gab es für Engel ein besonderes Outfit, das sie anlegten, wenn sie vorhatten zu fliegen?

Egal. Luce bestaunte jedenfalls voller Ehrfurcht seine prächtigen Flügel.

Sie waren riesig und überragten Daniel um das Doppelte. Wie prächtige weiße Segel sahen sie aus, dachte Luce, schwungvoll in den Himmel aufgerichtet. Sie fingen das Licht des Mondes und der Sterne ein und strahlten es vervielfacht ab, sodass sie in allen Regenbogenfarben schillerten. Zu seinem Körper hin wurden die Farben dunkler und gingen an Daniels Schultern in ein erdfarbenes Braun über. Aber zum Ende der Schwingen hin leuchteten sie immer heller. Die Spitzen der Flügel waren beinahe durchsichtig.

Luce schaute ihn verzückt an, versuchte, sich jede einzelne Feder einzuprägen, um sie in sich zu bewahren und sich später daran erinnern zu können, wenn er sie verlassen hatte. Er strahlte so hell, dass sogar die Sonne sich von ihm Licht hätte leihen können. Das Lächeln in seinen violetten Augen sagte ihr, wie wohl er sich fühlte, wenn er seine Schwingen entfalten konnte. So wie Luce sich unendlich wohlfühlte, wenn sie von seinen Flügeln umhüllt war.

»Flieg mit mir«, flüsterte er.

»Wie?«

»Ich werde dich für eine Weile nicht sehen können. Ich will dir noch etwas schenken, damit du dich an mich erinnerst.«

Bevor er noch mehr sagen konnte, küsste ihn Luce. Sie schlang dabei die Arme so fest um ihn, wie sie konnte, und hoffte, dass sie ihm auch etwas geben konnte, woran er sich später erinnerte.

Dann presste Daniel ihren Rücken gegen seine Brust und drückte eine Reihe von sanften, kleinen Küssen auf ihren Nacken. Sie hielt den Atem an, wartete. Er ging leicht in die Knie und stieß sich von der Kante des Kliffs ab.

Sie flogen.

Fort von der felsigen Küste, über die Wellen mit ihren silbernen Kämmen hinweg, die an die Felsen brandeten, in den Himmel aufsteigend, als wollten sie bis zum Mond fliegen. Daniels Umarmung schützte sie vor jedem rauen Windstoß, vor jedem kühlen Lufthauch, der vom Ozean aufstieg. Die Nacht war sternenklar und still. Als wären sie die Einzigen auf der Welt.

»Wir sind im Himmel, oder?«

Daniel lachte. »Ich wünschte, es wäre so. Vielleicht eines Tages. Vielleicht sogar bald.«

Als sie so weit hinausgeflogen waren, dass kein Land mehr zu sehen war, änderte Daniel leicht die Richtung, und in einem weiten Bogen glitten sie an Mendocino vorbei, das in der Ferne unter ihnen aufleuchtete. Sie befanden sich hoch oben über dem Ort und bewegten sich unglaublich schnell voran. Trotzdem hatte Luce sich noch nie sicherer und geborgener gefühlt – und auch noch nie so viel Liebe empfunden.

Und dann, viel zu früh, sanken sie wieder nach unten, das Rauschen der Brandung wurde lauter, sie näherten sich allmählich der Steilküste. Eine schmale dunkle Straße wand sich durch die Landschaft. Als ihre Füße sacht auf einem weichen Graspolster aufsetzten, seufzte Luce.

»Wo sind wir?«, fragte sie, obwohl sie es bereits ahnte.

Die Shoreline School. Sie konnte in einiger Entfernung ein großes Gebäude erkennen, nicht viel mehr als ein Schatten. Kein erleuchtetes Fenster grüßte zu ihr herüber. Daniel hielt sie fest an sich gedrückt, als wären sie immer noch in der Luft. Sie drehte den Kopf, um ihm ins Gesicht zu sehen. Seine Augen glänzten feucht.

»Die mich damals gestürzt haben, verfolgen mich immer noch, Luce. Sie tun das bereits seit Jahrtausenden. Und sie wollen nicht, dass wir zusammen sind. Sie werden alles tun, was in ihrer Macht steht, um der Liebe zwischen uns ein Ende zu setzen. Wenn wir noch länger zusammenbleiben, gefährden wir uns beide. Deshalb darf ich nicht hier bei dir bleiben.«

Sie nickte, auch wenn sie nur schwer ihre Tränen zurückhalten konnte. »Aber warum bin ich nun hier?«

»Weil ich alles tun will, um dich zu beschützen, und das hier im Augenblick der beste Platz für dich ist. Ich liebe dich, Luce. Mehr als alles im Himmel und auf Erden. Sobald ich kann, komme ich wieder und hole dich.«

Luce wollte protestieren, aber dann hielt sie sich zurück. Er hatte alles für sie aufgegeben. Als er sie dann aus seiner Umarmung freigab, öffnete er die Hand, und auf der Handfläche begann etwas Kleines, Rotes zu wachsen. Ihr Seesack. Ohne dass sie es gemerkt hatte, hatte er ihn aus dem Kofferraum genommen und die ganze Zeit in seiner geschlossenen Faust verwahrt. In wenigen Sekunden war das Gepäckstück wieder zu seiner normalen Größe angewachsen. Wenn es ihr nicht das Herz zerrissen hätte, weil sie sich jetzt voneinander verabschieden mussten; wenn sie nicht gewusst hätte, wie schwer es auch ihm fiel, dann hätte sie belustigt aufgelacht, so sehr gefiel ihr dieser Trick.

In dem Gebäude ging ein Licht an. Eine Tür wurde geöffnet. Eine Gestalt war zu sehen.

»Es ist nicht für lang. Sobald alles sicherer ist, komm ich dich holen.«

Seine Hand umklammerte ihr Handgelenk, und bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte er sie bereits wieder umarmt und zu einem Kuss an sich gezogen. Sie vergaß alles andere, was zwischen ihnen noch eine Rolle spielte, und ließ ihr Herz überströmen. Vielleicht konnte sie sich nicht an ihre früheren Leben erinnern, aber wenn Daniel sie küsste, spürte sie die Vergangenheit ganz nah. Und auch die Zukunft.

Die Gestalt trat aus der Tür und kam auf sie zu, eine Frau in einem weißen Kleid.