"Entscheidend is auffem Platz!" - Kurt-J. Heering - E-Book

"Entscheidend is auffem Platz!" E-Book

Kurt-J. Heering

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Das Beste vom Bolzplatz

24. August 1963: der erste Spieltag der neu gegründeten Bundesliga. Fünfzig Jahre sind seitdem vergangen, und noch immer geht es nur um das Eine: elf Männer und ein Ball. Kurt-J. Heering nimmt uns noch einmal mit auf die Reise – die besten Tore, die ältesten Helden, die schönsten Siege und schlimmsten Niederlagen, die verrücktesten Spieler, tollsten Trainer, schrägsten Schiedsrichter, die größten Skandale und Tragödien. Ein Buch, das mitten ins Herz aller Fußballfans trifft.

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Seitenzahl: 351

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Kurt-J. Heering

»Entscheidend is auffem Platz!«

50 Jahre Fußball-Bundesliga

Typen, Triumphe, Tragödien

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Autorenfoto © privat

KURT-J. HEERING, geboren 1953, arbeitet nach vielen Jahren in der Verlags- und Lizenzszene als Autor, Herausgeber und Literaturagent in Bonn. Dort gründete er auch seine Agentur Cologne Media Network.

Für Jakob und Jonas

Originalausgabe 06/2013

© 2013 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich,

Redaktion: Thomas Bertram

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-07561-3www.heyne.de

Inhalt

Statt eines Vorworts: »Die Borussen kommen«

Teil I Typen

1

»Viele hatten Angst vor mir«

2

»Gib mich die Kirsche!« – Helden der frühen Jahre

3

»Es ist am schönsten, ganz normal durchs Leben zu gehen« – Zwei frühe Helden und die Zeit danach

4

»Ich danke Sie!« – Von Clowns und Toren

5

Zwischen Disco und Kulturrevolution – Wandlungen des Fußballerbildes um 1970

6

»Wir sind Männer und trinken keine Fanta!«

7

Taktik ist keine jugoslawische Grillspezialität – Wandlungen des Trainerbildes seit 1963

8

»Wir Schwarzen müssen doch zusammenhalten!« – Afrikaner in der Bundesliga

9

Von Fröschen, Tigern und giftigen Schlangen, oder: Wann ist ein Mann ein Typ?

10

Die »Weltpokalsiegerbesieger« – Kultklubs der Liga

Teil II Triumphe

11

»Die goldenen Jahre«: Das Jahrzehnt der Erfolge und Rekorde

12

Als Bambi zum König der Löwen wurde, oder: Revolution in der Provinz

13

»Sie können mich mal da lecken, wo Sie es am liebsten haben!« – Von Machos, Sonnenkönigen und anderen Exoten

14

»Charme allein genügt nicht, Frau Thomas!« – Die kuriosesten Geschichten aus dem Fußballjournalismus

15

»Auf Jahre hin unschlagbar!« – Vom Größenwahn zum Multi-Kulti-Wunder

16

Psycho-Gurus, Professoren und Konzepttrainer – Wandel des Trainerbildes 1985 bis 2010

17

»Schau’n mer mal« – Das Phänomen Beckenbauer

Teil III Tragödien

18

»Ich will nie mehr arbeiten, sondern nur noch am Tresen stehen und saufen!«

19

»Der Christoph muss wieder ’ne klare Linie in sein Leben bringen« – Die größten Skandale der Bundesliga

20

»… jemand, den man leicht überreden konnte« – Stars vor Gericht

21

»Außerdem kann man Wodka auch nicht riechen« – (Ex-)Stars in der Krise

22

»Früher war es ein Virus« – Die größten Tragödien des deutschen Fußballs

23

Statt eines Nachworts: Beatles oder Stones? Streit im Seniorenheim

Register

Statt eines Vorworts: »Die Borussen kommen«

Damals war sie noch schwarz-weiß. Die Welt. Zumindest kam sie so in unsere Wohnzimmer. Damals.

1963. Was für ein Jahr. Im Januar unterzeichnen Bundeskanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle den Élysée-Vertrag und besiegeln damit die Aussöhnung der »Erbfeinde« Deutschland und Frankreich. Im Juni spricht US-Präsident John F. Kennedy bei einem Staatsbesuch in West-Berlin die legendären Worte: »Ich bin ein Berliner!« Im selben Monat stirbt in Rom Angelo Giuseppe Roncalli, besser bekannt als Papst Johannes XXIII. Ende August verkündet der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King beim »Marsch auf Washington« seine Vision: »I have a dream.« Ebenfalls im Juni beginnt nach der Verhaftung des Ajatollah Ruhollah Chomeini durch das Schah-Regime in Iran die »Islamische Revolution«, die 16 Jahre später die Welt verändern sollte. Im Oktober tritt Konrad Adenauer als Bundeskanzler zurück, noch ahnt niemand, wie sehr sich Deutschland in den Jahren danach verändern wird. Und wenige Wochen darauf, am 22. November, fällt John F. Kennedy in Dallas/Texas einem Attentat zum Opfer.

Das geschah in nur einem Jahr. Und es war längst nicht alles. Mit dem ZDF startete in der Bundesrepublik ein zweiter Fernsehsender. Im Oktober ereignete sich das Grubenunglück von Lengede, die dramatische Rettungsaktion wurde live im Fernsehen übertragen, natürlich schwarz-weiß. In den US-Kinos lief Alfred Hitchcocks Die Vögel an, und in Deutschland wurde Das Schweigen des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman wegen zu freizügiger sexueller Szenen verboten.

Die Erinnerung an diese Ereignisse ist für die meisten von uns, die nicht unmittelbar dabei waren, in Schwarz-Weiß-Bildern festgehalten. In Bildern, wie sie seinerzeit das Fernsehen lieferte. Man war dabei, Millionen, ja Milliarden von Menschen konnten all diese Ereignisse hautnah miterleben. Denn das Fernsehen war inzwischen zu einem Massenmedium geworden. Längst nicht so allmächtig wie heute das World Wide Web, aber doch allgegenwärtig. Immer dabei. So hautnah hatte vermutlich noch keine Generation zuvor Geschichte erlebt, die direkt Betroffenen einmal ausgenommen. Dennoch muten die Bilder aus jenen fernen Zeiten heute seltsam fremd, ja irreal an. Denn sie sind eben schwarz-weiß. Wie das Fernsehen sie damals lieferte. Keine 50 Jahre sind seit 1963 vergangen, aber was an Bildern in den Köpfen zurückgeblieben ist, unterscheidet sich kaum von Szenen noch viel älterer Filme, die einer längst entschwundenen Welt zu entstammen scheinen.

In ebenjenem Jahr, in dem sich so viele Geschehnisse von weltbewegender, ja weltverändernder Qualität ereigneten, wurde in der alten Bundesrepublik auch Sport- oder zumindest Fußballgeschichte geschrieben: Am 24. August 1963 nahm die Bundesliga ihren Spielbetrieb auf. Es war die erste nationale Liga im (west-)deutschen Fußball. Ungefähr 35 Jahre nach Etablierung der italienischen Serie A oder der Primera División in Spanien. Und ziemlich genau 75 Jahre nach Gründung der ersten Fußball-Profiliga überhaupt in England (1888). Für Historiker war das damals eine Randnotiz – und ist es wohl auch heute noch. Vermutlich war es auch für die meisten Zeitgenossen, soweit sie keine hartgesottenen Fußballfans waren, nichts anderes.

Auch für mich, einen damals zehnjährigen Schüler, war der erste Bundesligaspieltag eine Nebensache, während ich mich an die Bilder vom Kennedy-Attentat und die Live-Übertragungen der dramatischen Ereignisse in Lengede noch gut erinnern kann. Den ersten Spieltag der neuen Fußball-Liga kenne ich hingegen nur aus den Zeitungen. In meinem Elternhaus spielte Fußball keine Rolle. Für meine Mutter ohnehin nicht, wie für fast alle Frauen damals. Aber auch mein Vater zeigte sich, eher untypisch für seine Geschlechtsgenossen, fußballerisch absolut desinteressiert.

Ein halbes Jahr später, genauer gesagt am 19. Februar 1964, sollte sich das ändern. An diesem Tag lief in der ARD ein Dokumentarfilm über den noch amtierenden Deutschen Meister aus Dortmund – Die Borussen kommen. Von Wilhelm Bittorf, einem der bedeutendsten Journalisten und Dokumentarfilmer jener Jahre. Und dass ich diese Dokumentation überhaupt sehen konnte, lag vermutlich daran, dass es in jenem Winter – wie so oft – fast unmöglich war, das ZDF störungsfrei zu empfangen. Denn sonst hätte man bei uns Zuhause garantiert umgeschaltet, egal, was gerade auf dem anderen Kanal lief.

Auch in Die Borussen kommen war die Welt nur schwarz-weiß, aber der 1965 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Film von Bittdorf machte mich zum Fußballfan. Genauer gesagt, zum BVB-Anhänger, zumindest in den frühen Jahre der Liga. Überdies bestätigten die körnigen Schwarz-Weiß-Bilder die Vorstellung, die man damals vom Ruhrgebiet hatte – rauchende Schlote, ein immer düsterer Himmel und unter diesem Himmel Menschen, die hart arbeiten mussten und mit denen man nicht tauschen wollte, es sei denn, sie konnten gut Fußball spielen und standen bei Borussia Dortmund unter Vertrag. Wie Wolfgang Paul, der »letzte Mann« – damals hieß er noch »Stopper«, nicht »Libero« – jenes Vereins, der in den Sechzigern des vorigen Jahrhunderts zu den erfolgreichsten im Lande zählte. Was Wolfgang Paul in der Dokumentation sagte, weiß ich nicht mehr, aber er wurde ebenso interviewt wie Wolf-Dieter »Hoppy« Kurrat, den bis auf BVB-Fans heute keiner mehr kennt.

Vom 19. Februar 1964 an war ich vom Fußball infiziert. Und als frischgebackener BVB-Fan natürlich felsenfest davon überzeugt, dass »mein« Verein am Ende der ersten Bundesligasaison oben stünde. Was indes ein frommer Wunsch blieb, denn die Borussen landeten abgeschlagen mit zwölf Punkten Rückstand auf den 1. FC Köln nur auf Platz 4. In den beiden folgenden Jahren ging es stetig aufwärts: 1965 wurden die Dortmunder Dritter hinter Werder Bremen und dem 1. FC Köln, 1966 sogar Zweiter hinter 1860 München. Nach dem Gesetz der Serie wäre also 1967 endlich wieder der Titel fällig gewesen. Leider aber schien dieses Gesetz im Fußball nicht zu gelten, die Borussen rutschten abermals ab, und Meister wurde Eintracht Braunschweig, eine Mannschaft, mit der kaum jemand gerechnet hatte.

Immerhin hatte der BVB ein Jahr zuvor, 1966, als erste deutsche Mannschaft einen großen europäischen Wettbewerb gewonnen, den Europapokal der Pokalsieger. Meine Erinnerungen an das Spiel gegen den FC Liverpool in Glasgow sind sehr schemenhaft – was vermutlich auch der damaligen schlechten Übertragungsqualität von Spielen unter Flutlicht geschuldet war. Oder es lag Nebel über dem Hampden Park, für Schottland ja nichts Ungewöhnliches. Irgendwie brachte Reinhard »Stan« Libuda in der Verlängerung den Ball aus großer Entfernung ins Tor, aber was gerade geschehen war, begriff ich erst wirklich, als die Spieler in Schwarz-Gelb sich jubelnd in die Arme fielen.

Beim Weltmeisterschaftsendspiel in London, wenige Wochen später, war das anders. Das Match fand wohl tagsüber statt, die Bilder waren jedenfalls hell und klar. Und so konnte jeder sehen, dass der entscheidende Treffer der Engländer zum 3:2 gegen die deutsche Mannschaft eben kein Treffer war. Nur der Linienrichter sah das anders und entschied damit das Spiel. Aber der kam ja auch aus der Sowjetunion und war damit in Wahrheit kein Unparteiischer. Für viele hierzulande jedenfalls nicht. Jedenfalls nicht 1966, in der Hochzeit des Kalten Krieges. Aber das ist eine andere Geschichte.

In den nun folgenden Jahren wurde die Welt nach und nach bunter. Im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. 1967 gab der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin und aktuelle Vizekanzler, Willy Brandt, mit einem symbolischen Knopfdruck den Startschuss zum Zeitalter des Farbfernsehens. Nicht jede Familie erwarb gleich ein neues Gerät, auch meine nicht. Die Bilder von den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko sind deshalb in meinem Kopf ebenfalls noch schwarz-weiß. Doch als zwei Jahre später die Fußball-WM-Endrunde in Mexiko stattfand, erlebte ich das Jahrhundertspiel, das 3:4 der Deutschen im Halbfinale gegen Italien, dann in Farbe. Zwischen beiden Ereignissen lag die erste Mondlandung eines bemannten Raumschiffes – sehr wahrscheinlich war dieser vermeintliche Meilenstein der Menschheitsgeschichte für viele der Anlass gewesen, sich ein Farbfernsehgerät zuzulegen.

Dass fast parallel dazu die Gesellschaft zumindest der alten Bundesrepublik auch im übertragenen Sinne »bunt« wurde, konnte man seinerzeit allenfalls ahnen. Denn erst im Nachhinein zeigte sich, dass die Studentendemonstrationen und die 68er-Bewegung zwar nicht die von vielen erträumte politische »Revolution« brachten, aber doch gesellschaftliche Prozesse einleiteten, die das Land nachhaltig verwandelten. Wieder war der Mann beteiligt, der per Knopfdruck das Zeitalter des Farbfernsehens eingeleitet hatte: Willy Brandt. Der SPD-Vorsitzende wurde 1969 zum ersten sozialdemokratischen Kanzler der Republik gewählt und demonstrierte nicht nur mit großen symbolischen Gesten wie dem Kniefall vor dem Ehrenmal der Helden des Warschauer Ghettos, dass die noch immer junge Bundesrepublik endgültig bereit war, sich von den Lasten der Vergangenheit zu befreien. Kaum weniger bedeutsam war seine Aussage in der ersten Regierungserklärung, die »Schule der Nation« sei eben nicht das Militär, sondern die Schule. Die meisten der nach 1945 Geborenen waren begeistert über diese auf den ersten Blick eher belanglosen Worte – viele ihrer Väter sahen das natürlich ganz anders.

Was das alles mit Fußball und der Bundesliga zu tun hat? Nun, sehr viel, zumindest für alle Fans, die diese Zeit mehr oder minder bewusst erlebt haben. Denn in diesen wenigen Jahren von etwa 1965 bis 1975 wurden Entwicklungen in Gang gesetzt, deren Resultate für die Jüngeren heute selbstverständlich sind. Wer jedoch damals »dabei« war, weiß, wie hart einst um Selbstverständlichkeiten gerungen werden musste. Dass pubertierenden Schülern Mitte der Sechzigerjahre verboten wurde, ein Beatles- oder gar ein Rolling Stones-Poster im Klassenzimmer aufzuhängen, löst heute nur noch ungläubiges Kopfschütteln aus. Aber genau so war es, zumindest in der tiefsten niedersächsischen Provinz, wo man am Vorabend des 17. Juni zum demonstrativen Fackelzug an die nahe gelegene DDR-Grenze gezwungen wurde, obwohl handverlesene Volkspolizisten mit strammer Gesinnung die Einzigen waren, die diese Lichterketten sehen oder, besser, belächeln konnten.

Auf der Folie dieses Zeitgeistes war dann ein Fußballstar wie Günter Netzer, der sich die Haare lang wachsen ließ und eine eigene Disco leitete, Anfang der Siebziger tatsächlich ein »Rebell«, ein Repräsentant des Spitzensports, dem aber niemand unterstellen mochte, er sei ein Vorbild für Volksertüchtigung.

Oder gar der junge Paul Breitner, der sich vor einem Mao-Poster fotografieren ließ, mit der Peking Rundschau in Händen. In Zeiten, als Nachwuchsakademiker »Ho-Ho-Ho-Chi-Minh« skandierend durch die Straßen der Großstädte liefen, war dies ein Signal dafür, dass auch Fußballprofis mit ihren Köpfen durchaus mehr anfangen konnten, als einen Lederball im Netz zu versenken. Oder ein Tor zu verhindern.

Dass man damals nichts von den Gräueln der Roten Garden in China oder den Untaten der Roten Khmer in Kambodscha wusste oder nicht einmal wissen wollte, spielt dabei keine wirkliche Rolle. Denn in den meisten Fällen waren die Proteste auf den Straßen nur ein symbolischer Ersatz für die Kämpfe, die man sich in den eigenen Wohnzimmern oder Elternhäusern nicht auszutragen traute.

Nun – Paul Breitner sorgte dafür, dass ich um 1970 dem BVB die Treue kündigte und zum FC Bayern wechselte. Zusammen mit dem fast gleichaltrigen Uli Hoeneß, der als strammer CSU-Anhänger politisch allerdings auf der anderen Seite stand, gehörte Breitner zu den ersten Fußballstars der »wirklichen« Bundesrepublik – geboren und aufgewachsen deutlich nach 1945.

Der folgende Rückblick auf annähernd fünfzig Jahre Fußball-Bundesliga ist geschrieben aus der Perspektive eines Angehörigen dieser Generation. Und natürlich ist es eine ganz persönliche Rückschau, die als Sammlung subjektiver Impressionen aus fünfzig Jahren Fußballgeschichte aber auch zugleich etwas über diese Jahre im Allgemeinen aussagt.

Teil I Typen

Exoten, Helden, schräge Vögel

1

»Viele hatten Angst vor mir«

Am 24. August 1963 liefen 176 Fußballer auf die Plätze der acht Stadien, in denen der erste Spieltag der neuen Liga bestritten wurde. Da zu dieser Zeit Auswechslungen noch verboten waren, selbst im Fall schwerer Verletzungen – Ausnahmen gab es nur in Freundschaftsspielen –, blieb es auch bei dieser Zahl. Mit dem Österreicher Willy Huberts (Eintracht Frankfurt), dem Jugoslawen Petar »Radi« Radenković (1860 München) sowie den Niederländern Jacobus Prins (1. FC Kaiserslautern) und Heinz Versteeg (Meidericher SV, heute MSV Duisburg) hatten ganze vier Spieler, die an diesem 24. August antraten, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit – das entsprach einem »Ausländeranteil« von knapp über zwei Prozent. Außer den Genannten hatten die Bundesligisten der ersten Stunde nur noch zwei weitere Spieler aus anderen Ländern unter Vertrag: den Bremer Ersatztorhüter Dragomir Ilic, Landsmann des populären »Radi« aus München, und den Türken Aykut Ünyazici, der als Student nach Braunschweig gekommen war und seit einigen Jahren für die Eintracht kickte.

Abgesehen von den Profiligen in Italien und Spanien, die seit jeher ein Anziehungspunkt für talentierte Fußballer aus aller Herren Länder waren, sah das in den meisten europäischen Ländern kaum anders aus, selbst in England kamen fast alle Profis von der Insel oder aus dem benachbarten Irland. Die Gründe hierfür waren vielfältig, von wirtschaftlicher Freizügigkeit war in diesen Jahren nur bedingt die Rede; die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) existierte zwar schon seit 1957, umfasste damals jedoch neben Deutschland nur die Benelux-Staaten sowie Frankreich und Italien. »Gastarbeiter« kamen in größerer Zahl, um am bundesrepublikanischen Wirtschaftswunder teilzuhaben, aber die Bundesliga war weit davon entfernt, ein Magnet zu sein – zumindest für Stars aus den westlichen Nachbarländern: Die meist älteren Herren, die beim Deutschen Fußballbund (DFB) über die Statuten wachten, waren dem Profitum gegenüber skeptisch bis feindlich eingestellt und wollten unbedingt verhindern, dass junge Männer mit ihrem Sport Geld verdienten. Oder gar ausschließlich von ihm lebten. Und so waren 1963/64 die Monatsgehälter der Spieler nach dem neuen »Lizenzspielerstatut« auf 1200 DM begrenzt, einzig verdiente Stars wie Uwe Seeler durften bis zu 2500 DM im Monat kassieren, was für den Durchschnittsverdiener jener Tage durchaus eine beachtliche Summe war. Im Vergleich dazu hatte Horst Buhtz, einer der ersten deutschen Italien-Profis, 1952 nach seinem Wechsel zum AC Turin angeblich bereits mehr als 150000 DM jährlich bekommen. Und Anfang der Sechzigerjahre versuchte Inter Mailand, den Hamburger Uwe Seeler mit einem Millionen-Angebot zu ködern. »Uns Uwe« erlag dem Lockruf nicht – sicher auch aus Heimatverbundenheit, vor allem aber wollte er sich als Adidas-Repräsentant eine solide Existenz für die Zeit nach dem Ende seiner sportlichen Laufbahn aufbauen.

Daneben gab es zahlreiche andere, aus heutiger Sicht schwer zu verstehende Gründe, die deutsche Fußballer nicht ins Ausland gehen oder Spieler aus anderen Ländern zögern ließen, sich auf das Abenteuer Bundesliga einzulassen. Fremdsprachenunterricht beispielsweise gab es an deutschen »Volksschulen« – den Vorläufern der heutigen Grund- und Hauptschulen – so gut wie gar nicht, und an Realschulen kam man mit Englisch zu einem sehenswerten Abschluss. Die Zahl der Abiturienten unter den Fußballprofis der frühen Jahre hielt sich in Grenzen. Was Wunder, Ärzte verdienten auch damals schon deutlich mehr als 1200 DM im Monat; und Akademikereltern rümpften häufig noch die Nase, wenn ihre Sprösslinge sich dem »Proletensport« Fußball verschreiben wollten. Auch wenn sie es nicht immer verhindern konnten.

Für Ausländer aus ökonomisch weniger starken Ländern wiederum war die Aussicht, in Deutschland als Fußballer Geld zu verdienen, durchaus attraktiv, aber auch nur das. Das Leben außerhalb des Sports bot nämlich mehr Schwierigkeiten als Anreize. Sicher, wenn man durch sein Äußeres auf den ersten Blick als »Fremder« auffiel, hatte man es auch in Frankreich oder England nicht leicht; aber aufgrund der kolonialen Vergangenheit beider Länder stand man da auch in den Sechzigern des 20. Jahrhunderts nicht ganz allein da. In Deutschland hingegen schon. Was natürlich vor allem für jene Ausländer galt, die man auf den ersten Blick als solche erkennen konnte – oder meinte erkennen zu können. Der bereits erwähnte Niederländer Versteeg hatte vermutlich keine Probleme, und der Österreicher Huberts war in Frankfurt kaum exotischer als ein waschechter Bayer. Dass man seines »anderen« Aussehens wegen damals – und leider oft genug heute noch – diskriminiert bis angefeindet wurde, selbst wenn man kein »Fremder« war, davon konnte in späteren Jahren auch der deutsche Nationalspieler Erwin Kostedde, Sohn eines amerikanischen GI und einer der ersten farbigen Stars der Liga, ein Lied singen.

Um ein Haar hätte schon 1963 ein Schwarzafrikaner im neu geschaffenen Oberhaus des deutschen Fußballs für Furore, auf jeden Fall aber für Aufsehen gesorgt: Seit 1963 stand beim FC St. Pauli der Togolese Guy Acolatse unter Vertrag, kam aber nur in der Regionalliga, der damaligen zweiten Liga, zum Einsatz. Da die Gründerväter der Bundesliga beschlossen hatten, dass aus ein und derselben Stadt nur ein Verein die Lizenz für die Eliteklasse erhalten dürfe, musste Pauli hinter dem Hamburger SV zurückstehen; wie übrigens auch der heutige Rekordmeister FC Bayern hinter dem damals etwas besser positionierten TSV 1860 München. Als Pauli in den späten Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts dann erstmals in die Bundesliga aufstieg, lebte der 1942 geborene Acolatse schon lange in Frankreich – dem Land, das bis 1960 noch die Kolonialmacht seiner Heimat gewesen war.

Im Jahr 2010 feierte der FC St. Pauli sein einhundertjähriges Vereinsjubiläum. Zu den geladenen Ehrengästen gehörte auch dieser frühe schwarzafrikanische Fußballprofi Deutschlands – und den Abschnitt aus der Festschrift über Acolatses Zeit am Millerntor las der aktuelle Publikumsliebling der Hamburger vor: der gebürtige Ghanaer Gerald Asamoah, der sich ungefähr 35 Jahre nach Acolatses Ankunft hierzulande einbürgern ließ und zum ersten deutschen Nationalspieler mit afrikanischen Wurzeln wurde.

Aus Anlass der Rückkehr des ehemaligen Stars in seine kurzzeitige fußballerische Heimat führte die Hamburger Morgenpost im Juli 2010 ein Gespräch mit dem inzwischen fast 70-jährigen Togolesen. Was der zu erzählen hatte, war irritierend und schön zugleich. Schön oder zumindest positiv war Acolatse in Erinnerung, dass er in Hamburg herzlich aufgenommen wurde und die Verantwortlichen des Vereins sich um ihn kümmerten wie um ein Kind.

Eher irritierend war, was der Mann, dessen Name schon mal zu »Apokalypse« oder »Eukalyptus« abgewandelt wurde (Die Zeit, 23.8.1963), sonst noch zu erzählen hatte. Schon bei seiner Ankunft in Hamburg habe er sich über die vielen Besucher am Millerntor gewundert und vermutet, dort würde gerade ein Spiel stattfinden – bis er hörte, die Leute seien nur seinetwegen gekommen. Nicht, weil er als der neue Pelé galt, sondern weil er schwarz wie der brasilianische Superstar war. Doch es kam noch besser: »Einige Leute schabten mit dem Fingernagel an meinen Unterarmen, wollten sehen, ob die Farbe abgeht. Viele andere hatten Angst vor mir.« In dem mittelalterlichen Epos Parzival des Wolfram von Eschenbach stellte man sich den Feirefiz, Spross einer schwarz-weißen Liaison, äußerlich noch wie ein Schachbrett gemustert vor, eben teils schwarz, teils weiß. Aber dass rund siebenhundert Jahre später Menschen an der Haut eines Farbigen kratzten, um zu sehen, ob unter der schwarzen Hautfarbe eines Fußballers nicht doch ein strahlendes Weiß zum Vorschein käme, ist kaum vorstellbar. Aber »lustige« Geschichten dieser Art ereigneten sich auch noch drei Jahrzehnte später. In den Neunzigerjahren war Anthony Yeboah aus Ghana einer der erfolgreichsten und beliebtesten Fußballer in Deutschland, unter anderem zweimal Torschützenkönig der Bundesliga für und mit Eintracht Frankfurt. Als ein Journalist ihn für eine Homestory besuchte, äußerte er irritiert, der Star aus Schwarzafrika lebe wie ein deutscher Durchschnittsbürger. Was Yeboah sinngemäß mit der Frage konterte, ob der Gast erwartet habe, dass er in seinem Wohnzimmer ein Lagerfeuer anzünden würde.

Die große Karriere blieb Guy Acolatse versagt, wie vielen Spielern der frühen Jahre des Profifußballs in der alten Bundesrepublik. Aber seine Geschichte wirft mehr als nur ein zufälliges Schlaglicht auf jene Zeit. Wo, wenn nicht in der Hafenstadt Hamburg, dem »Tor zur Welt«, der traditionell weltoffensten Metropole Deutschlands, hätte man damals, vor rund fünfzig Jahren, schon an den Anblick von Menschen anderer Hautfarbe, anderer Haarfarbe oder anderer Augenform gewöhnt sein können?

Guy Acolatse besaß genug Selbstvertrauen und Schlagfertigkeit, um in kritischen Situationen angemessen und zu seinem Vorteil reagieren zu können. Natürlich auch auf dem Platz. Denn Abwehrspieler agierten damals meist recht rustikal, und dem technisch überlegenen Schwarzen gingen sie gern mal auf die Knochen. Der aber drohte dann: »Wenn du mich noch einmal stößt, beiße ich. Der Neger beißt!« Das zeigte Wirkung.

Zwei Jahrzehnte nach Guy Acolatse betrat ein afrikanischer Fußballer die Bühne der Liga, der noch kesser, noch frecher damit umgehen konnte, kein Weißer und trotzdem ein Star zu sein. Anthony Baffoe allerdings wurde erst geboren, als sich die Zeit des »Eisenschenkels aus Togo« schon dem Ende zuneigte. Und zwar in Deutschland. In Bonn-Bad Godesberg.

2

»Gib mich die Kirsche!« – Helden der frühen Jahre

Borussia Dortmund und Schalke 04, die beiden Erzrivalen aus dem Ruhrgebiet, tragen heute ihre Spiele in modernen Hightech-Arenen aus: die Dortmunder im Signal-Iduna-Park und die Schalker in der Veltins Arena, beides auch Schauplätze von Großereignissen jenseits des Fußballs. Ganz anders in den Gründerjahren der Bundesliga. Die damaligen Heimstätten der beiden Reviervereine drückten in ihren Namen noch deutlich die enge Verbindung des Fußballs im Ruhrgebiet mit dem Bergbau aus: Die Borussia spielte im Stadion Rote Erde, und wenn ein paar Kilometer weiter westlich die Fans der Königsblauen »auf Schalke« gingen, pilgerten sie in die Kampfbahn Glückauf. Im alten BVB-Stadion werden in unmittelbarer Nachbarschaft zum neuen Hochglanz-Fußballtempel der Dortmunder noch immer Spiele der Borussia-Amateure und der Jugendmannschaften ausgetragen; die alte Kampfbahn der Schalker hingegen wurde zur Weltmeisterschaft 2006 umgebaut – Spiele konnte man auch hier sehen, allerdings nur auf einer Riesenleinwand beim Public Viewing. Immerhin haben heute Amateurfußballer die Möglichkeit, auf Kunstrasen vor der altehrwürdigen Kulisse am Schalker Markt zu kicken.

Die Blau-Weißen werden im Volksmund bis heute als »Knappen« bezeichnet, in Anspielung auf die altertümelnde Bezeichnung eines Bergmanns, der seine Lehre abgeschlossen hat. Sich die heutigen Stars des Klubs mit rußgeschwärzten Gesichtern unter Tage vorzustellen fällt schwer; auch wenn der Spanier Raúl und sein niederländischer Sturmpartner Klaas-Jan Huntelaar zu Beginn ihrer Verpflichtung die obligatorische Grubenfahrt absolvierten, dürfte ihnen die Bedeutung dieses Namens wenig sagen. Allerdings hat sich auch die Zahl der traditionellen »Malocher« auf den Zuschauerrängen im Laufe der Jahrzehnte kontinuierlich verringert. Bezeichnenderweise erreichte die Kohlenkrise im Ruhrpott ausgerechnet im Gründungsjahr der Bundesliga ihren ersten Höhepunkt: 1963 wurde eine größere Zahl von Zechen stillgelegt – seit 1958 waren es nun insgesamt 33 mit einer Förderkapazität von 10,3 Mio. Tonnen –, und weitere etwa 10000 Bergleute verloren von einem Tag auf den anderen ihren Arbeitsplatz. In den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts lieferten Massenproteste gegen Zechenschließungen noch die Folie für einen Schimanski-»Tatort« aus Duisburg, aufzuhalten war die Entwicklung aber nicht mehr. Gegen Ende der ersten Dekade des neuen Jahrtausends war die Zahl der fördernden Zechen im Ruhrgebiet auf vier zurückgegangen.

Für die Ruhrgebietskicker der Sechzigerjahre jedoch gehörten rauchende Schlote und ein düsterer Himmel zum Alltag. Die meisten Spieler von Schalke, Dortmund oder vom Meidericher SV aus Duisburg kamen aus diesen Städten oder der näheren Umgebung, viele von ihnen hatten im Bergbau gearbeitet oder stammten zumindest aus Familien mit entsprechendem Hintergrund. Der Dribbelkünstler Reinhard »Stan« Libuda, eine Schalker und Dortmunder Legende, kam als Bergmannssohn zur Welt und trat eine Lehre als Maschinenschlosser an, die er nicht beendete, um sich ganz dem Fußball zu widmen. Timo Konietzka, ein weiterer Held jener Zeit, arbeitete ebenfalls im Bergbau, ehe er Fußballprofi wurde. Von dem Fanzine bvb-freunde.de gefragt, ob er nicht ein wenig neidisch sei auf die heutigen Stars, die so viel mehr Geld verdienten als er und seine Kollegen damals, erklärte er: »Durch den Fußball kam ich aus dem Bergwerk, wo ich fünf Jahre lang malochte, zu meinem Traumverein Borussia Dortmund und konnte um die ganze Welt reisen, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen.«

Konietzka hieß mit Vornamen eigentlich Friedhelm; den Spitznamen »Timo«, den er später offiziell annahm, verdankte er einer Ähnlichkeit mit Semjon Timoschenko, dem früheren sowjetischen Volkskommissar für Verteidigung (1940/41). Geschichte schrieb der Innenstürmer von Borussia Dortmund am 24. August 1963, als er in der ersten Minute des Auswärtsspiels seiner Mannschaft bei Werder Bremen das erste Bundesligator überhaupt erzielte. Von diesem Treffer gibt es keine TV-Bilder, ja nicht einmal ein Foto – heute, in einer Zeit, wo die Spieler schon beim Aufwärmtraining von Fotografen und Fernsehkameras belagert werden, kaum vorstellbar. Aber Konietzka war einfach zu schnell für die Kameras.

Zwei Jahre später wiederholte der Stürmer das Kunststück, das keinem Spieler nach ihm je wieder gelang: gleich in der ersten Minute das erste Tor einer Saison zu erzielen. Inzwischen spielte das Ruhrgebietskind allerdings beim TSV 1860 München – und von diesem Tor gibt es natürlich Bilder. Sie zeigen, dass kein Geringerer als der junge Franz Beckenbauer zu spät kam, um Timo am Abschluss zu hindern. Dass dieses Tor nicht nur das Spiel entschied – es blieb beim 1:0 der »Löwen« –, sondern in gewisser Hinsicht bereits die Meisterschaft, ahnte im August 1965 niemand. Am Ende jedoch lagen die gerade aufgestiegenen Bayern mit drei Punkten Rückstand auf die Sechziger auf dem dritten Tabellenplatz; hätten sie das Auftaktspiel gegen den Lokalrivalen gewonnen, wäre ihnen der Titel sicher gewesen. Vizemeister zwischen den beiden Münchner Vereinen wurde 1965/66 Konietzkas Ex-Club aus Dortmund.

In der folgenden Saison stellte Konietzka im Hinrundenspiel gegen seine früheren Teamkollegen einen weiteren, diesmal allerdings eher zweifelhaften Rekord auf, der bis 2012 Bestand hatte, ehe der Georgier Lewan Kobiaschwili wegen im Kern vergleichbarer Vorfälle noch härter bestraft wurde: Wegen einer Tätlichkeit wurde Timo Konietzka für sechs Monate gesperrt. Allerdings darf mit Recht bezweifelt werden, ob sein Vergehen damals wirklich schlimmer war als viele, zum Teil brutale Fouls, die in den Jahren danach begangen wurden; vermutlich war es eher so, dass die Sportgerichtsbarkeit in früheren Jahren andere, sehr viel strengere Maßstäbe anlegte als heutzutage. Strafverschärfend kam hinzu, dass Konietzka angeblich keinen Gegner, sondern den Schiedsrichter attackiert hatte – er selber stritt die Anschuldigungen ab. Irgendwie haftete dieser harten Strafe etwas Unzeitgemäßes an. Es war, als hätte sich der Spieler eine Art »Majestätsbeleidigung« zuschulden kommen lassen.

Auch dazu gab es eine gesellschaftliche Parallele, wenn der Vergleich auch auf den ersten Blick ein wenig gewagt erscheinen mag: Mit dem Strafrechtsreformgesetz vom Juni 1969 wurde in der Bundesrepublik Deutschland die Zuchthausstrafe abgeschafft. In den Jahren und Jahrzehnten danach trat der Sühnegedanke im Strafrecht allmählich zurück gegenüber der Absicht, den »Täter« zu resozialisieren statt ihn zu diskriminieren. Ankläger und Richter der Sportgerichte in den Sechzigern waren mit einem anderen Rechtsverständnis aufgewachsen, und auch die Öffentlichkeit urteilte zu dieser Zeit noch härter. Was den »Fall Kobiaschwili« betrifft, waren die tätlichen Angriffe des Georgiers und einiger seiner Mitspieler von Hertha BSC nach dem Aufstiegsrelegationsspiel bei Fortuna Düsseldorf im Mai 2012 zweifellos schwerwiegender und eindeutiger nachweisbar als das Vergehen Konietzkas.

Zurück zum Fußball: Das Ruhrgebietskind Konietzka war sicher auch wegen des damaligen Löwen-Trainers Max Merkel an die Isar gewechselt; der Wiener hatte den Stürmer einige Jahre zuvor entdeckt und nach Dortmund geholt. Ein anderer Grund, den der Spieler gegenüber bvb-freunde.de nennt, dürfte heutzutage auf Unverständnis stoßen oder gar für Erheiterung sorgen: »Die Sechziger boten mir damals die Übernahme eines Lotto-Toto-Ladens an. Ich musste mir ja auch Gedanken machen, was nach meiner Karriere wird.« Tatsächlich jedoch boten solche Lotto-Annahmestellen vielen Fußballern dieser Generation eine Perspektive für die Zeit nach dem Sport; selbst Hans-Georg Schwarzenbeck, zehn Jahre jünger als Konietzka und immerhin mehrfacher Deutscher Meister, Europapokalsieger sowie Europa- und Weltmeister, führte noch bis 2008 in München einen Tabak- und Zeitschriftenladen. Aber das hatte in diesem konkreten Fall sicher auch mit dem individuellen Naturell des Spielers zu tun, dessen Abwehrpartner Franz Beckenbauer man sich nur schwer hinter einer Ladentheke vorstellen kann.

Auch Konietzka nahm am Ende keine Tippzettel entgegen, sondern wurde Trainer, der seine größten Erfolge in der Schweiz mit dem FC Zürich und den Grasshoppers feierte, wo er bis zu seinem Freitod im März 2012 – Konietzka nahm wegen einer unheilbaren Erkrankung die in der Schweiz legale Sterbehilfe in Anspruch – lebte, ein Gasthaus betrieb und für die Tageszeitung Blick arbeitete. Die Deutsche Meisterschaft mit den Münchner »Löwen« 1966 war seine zweite nach 1963, als der BVB sich in der letzten Oberliga-Endrunde vor dem Start der neuen Liga mit einem 3:1 gegen den 1. FC Köln durchgesetzt hatte. Konietzkas Ex-Verein würde noch bis 1995 auf die nächste Schale warten müssen.

Immerhin holten die Dortmunder 1966 als erste deutsche Mannschaft einen Europapokal: Im Finale des Pokalsiegerwettbewerbs bezwangen die Borussen den FC Liverpool mit 2:1 n.V. Da war Timo Konietzka schon in München, und zum Pokalhelden wurde ausgerechnet ein Spieler, der als Ur-Schalker eigentlich gar nicht nach Dortmund gehörte: Reinhard »Stan« Libuda. Schalke 04 war am Ende der Spielzeit 1964/65 sportlich abgestiegen, und der introvertierte Rechtsaußen entschied sich, um der Karriere willen Gelsenkirchen zu verlassen. Da Dortmund nur gut 35 Kilometer von seiner Heimatstadt entfernt lag, wechselte er halt zum Erzrivalen – für ihn anscheinend das geringere Übel im Vergleich zu der Aussicht, in die Ferne ziehen zu müssen. Und ausgerechnet mit dem BVB feierte Libuda den größten Erfolg seiner Karriere – mit jenem legendären Weitschusstor unter dem düsteren Glasgower Nachthimmel im Mai 1966, das seiner Mannschaft den Europapokal sicherte.

Wie Timo Konietzka zählt »Stan« Libuda zu jenen prägenden Figuren der ersten Bundesligajahre, denen die ganz große internationale Karriere versagt blieb – anders etwa als ihren Zeitgenossen Uwe Seeler, Wolfgang Overath oder Franz Beckenbauer. Das hatte unterschiedliche Gründe. Konietzka beispielsweise spielte auf derselben Position wie Seeler und kam an dem Hamburger nicht vorbei; Libuda dagegen galt als zu eigenwillig, zu ballverliebt, zu wenig torgefährlich. So kam er schließlich auf nur 26 Länderspieleinsätze, in denen er drei Tore erzielte.

Geboren wurde Libuda 1943 in Wendlinghausen im Landkreis Lemgo, wohin seine Familie sich zurückgezogen hatte, um den zahlreichen alliierten Bombenangriffen auf das Ruhrgebiet während des Zweiten Weltkriegs zu entgehen. Seine Kindheit verbrachte er jedoch im Gelsenkirchener Arbeiterviertel Haverkamp und spielte bereits mit neun Jahren für die Jugend der »Knappen«. Berühmt und beliebt wurde der Rechtsaußen wegen seiner Dribbelkünste; seine Spezialität war der Trick, eine Bewegung nach links anzutäuschen, jedoch rechts am Gegner vorbeizugehen. Diese Finte hatte der Engländer Stanley Matthews perfektioniert – mit der Folge, dass der Schalker bald »Stan« gerufen wurde. Sein Talent, die gegnerischen Verteidiger schwindelig zu spielen, sorgte für eine der bekanntesten Anekdoten der Ligageschichte: Als in den frühen Sechzigern ein Evangelist im Ruhrgebiet Plakate mit der Aufschrift »An Gott kommt keiner vorbei!« aufhängen ließ, kritzelte ein Schalke-Fan auf eines von ihnen den Zusatz: »außer Libuda«.

Nach drei Jahren im Dortmunder »Exil« kehrte »Stan« 1968 nach Schalke zurück. Inzwischen 25 Jahre alt, kam der Dribbler ins »beste Fußballeralter«. Tatsächlich hatte Libuda 1969/70 auch seine erfolgreichste Phase in der Nationalmannschaft. Mit einem Tor im Qualifikationsspiel gegen Schottland sorgte er 1969 dafür, dass die Deutschen bei der WM im Folgejahr überhaupt dabei sein durften. Und in Mexiko zeigte er beim 5:2 im Gruppenspiel gegen Bulgarien seine vermutlich stärkste Leistung im weiß-schwarzen Trikot; auch beim legendären Jahrhundertspiel, der mit 3:4 nach Verlängerung gegen Italien verlorenen Halbfinalbegegnung, stand Libuda auf dem Platz. Zwei Jahre später gewann er schließlich seinen einzigen Titel mit den Königsblauen, den DFB-Pokal 1972.

Im selben Jahr hatten die Schalker mit einer jungen Mannschaft hinter den Bayern die Vizemeisterschaft errungen. Doch dieses Team, das eigentlich am Anfang seiner Entwicklung stand, wurde auseinandergerissen – als Folge des Bestechungsskandals in der Vorsaison. Mehrere Stars, unter ihnen Klaus Fichtel, Klaus Fischer und leider auch »Stan« Libuda, wurden als Mittäter überführt und bestraft – wegen Summen, die selbst aus damaliger Sicht lächerlich gering waren.

Nach Verbüßung seiner Sperre, die er beim französischen Club Racing Straßburg überbrückte, lief Libuda zwar noch einige Male für Schalke auf, beendete aber seine Karriere schon 1976. Das Leben nach dem Fußball verlief wenig glücklich für den einstigen Publikumsliebling. Da er eine Lehre seinerzeit abgebrochen hatte, musste er sich nun mit diversen Gelegenheitsjobs durchschlagen; eine Zeitlang führte er einen Tabakladen am Schalker Markt, allerdings erfolglos. 1992 erkrankte er an Kehlkopfkrebs, überlebte zwar die Operation, starb aber 1996 mit nur 53 Jahren an Herzversagen.

Libudas Geschichte zeigt, wie wenig die Fußballer der frühen Jahre auf die Professionalisierung ihres Sports vorbereitet waren, insbesondere auch auf das zunehmende Medieninteresse; vor Fernsehkameras konnte sich der scheue Spieler so gar nicht präsentieren. Die Stars von heute werden bereits als Jugendliche durch ein Heer von Kommunikationstrainern und Psychologen betreut und geschult; unter entsprechenden Verhältnissen wäre womöglich auch Libudas Karriere noch erfolgreicher verlaufen. Doch auch ohne die letzte Vollendung seiner Sportlerlaufbahn ist »Stan« zu einer Legende geworden, die von Schalke- und BVB-Fans gleichermaßen geliebt und verehrt wird. Das haben nur ganz wenige geschafft.

Auf ihrem Weg zum Europapokaltriumph 1966 besiegten die Dortmunder hochkarätige Gegner wie Atlético Madrid oder den Titelverteidiger West Ham United, der im Vorjahr im Finale über 1860 München triumphiert hatte. Von den 25 Toren, die das Team bis zum Finale in Glasgow schoss, gingen allein 14 auf das Konto eines Stürmers, der im selben Jahr auch Torschützenkönig der Bundesliga wurde und diesen Triumph als Erster in der Ligageschichte 1966/67 wiederholte: der Linksaußen Lothar Emmerich, von den Fans »Emma« gerufen und wie etliche seiner Mitspieler ein waschechter Dortmunder. Gemessen an den nackten Resultaten, wirkt Emmerichs Karriere aus der Distanz von fast fünfzig Jahren zwar beeindruckend, aber nicht gerade überwältigend: eine Meisterschale, ein Pott (wie der DFB-Pokal im Fußballerdeutsch heißt), ein Europapokal und zwei Torjägerkanonen für den treffsichersten Schützen einer Spielzeit; dazu fünf Länderspiele mit zwei Toren. Die Kanone nahm »Emma« als erster Spieler überhaupt entgegen, denn diese Trophäe wurde 1965/66 zum ersten Mal vergeben.

Diese Bilanz ist vergleichsweise »bescheiden«, wenn man sie mit den Trophäensammlungen von Franz Beckenbauer und Gerd Müller oder, in späteren Jahren, von Andreas Möller und Oliver Kahn vergleicht. Bei genauerer Betrachtung sieht die Sache jedoch etwas anders aus: Vier seiner Länderspiele absolvierte »Emma« bei der WM 1966 in England; dort erzielte er auch eines seiner beiden Tore. Aber was für eins! Wenige Treffer in der Fußballgeschichte sind so in Erinnerung geblieben wie jener eigentlich unmögliche Schuss fast von der Seitenlinie aus, mit dem der Linksaußen das 1:1 im Gruppenspiel gegen die Spanier erzielte; die waren damals amtierender Europameister und galten als einer der Favoriten des Turniers. »Emmas« Jahrhunderttor sorgte mit dafür, dass sie nach der Vorrunde heimreisen durften.

In seinem fünften und zugleich letzten Länderspiel hätte »Emma« sich fast die Krone des Weltfußballs aufgesetzt – aber das Finale gegen England ging unglücklich verloren.

Mit 115 Toren in 183 Spielen steht Lothar Emmerich noch heute in der Top-50-Liste der Bundesligatorjäger; seine Quote wurde einzig von Gerd Müller übertroffen. Und wäre »Emma« nicht 1969 im Alter von 28 Jahren nach Belgien gegangen, würde er in dieser Rangliste womöglich noch weiter oben stehen. Aber wie wenig nackte Zahlen aussagen, vor allem für die Fans, zeigte ja schon das Beispiel »Stan« Libuda. Mit dem teilt »Emma« im Übrigen ein weiteres, weniger schönes Schicksal: Auch er starb viel zu früh, nämlich 2003 im Alter von knapp 62 Jahren – an Lungenkrebs. In Dortmund – und nicht nur hier – ist und bleibt er unvergessen: Im Zeitalter des Internets kommen Jahr für Jahr neue Fanzines mit bisweilen irritierenden Namen auf. Zumindest für nicht Eingeweihte. Eines von ihnen hat die URL www.gib-mich-die-kirsche.de. Mit diesem grammatisch gewagten Ausruf pflegte Lothar Emmerich seine Mitspieler aufzufordern, ihm endlich den Ball zu geben, damit er ihn im Tor versenken konnte.

15 Jahre nach Emmerichs Abschied aus der Liga betrat in der Stadt, deren Namen BVB-Fans niemals in den Mund nehmen – sie sprechen von »Herne-West«, Schalke-Anhänger umgekehrt von »Lüdenscheid-Nord«, wenn sie den Rivalen meinen – ein Nachwuchsstar der nächsten Generation die Fußballbühne, der sich vor Kameras vermutlich ähnlich artikuliert hätte wie einst »Emma mit der linken Klebe«. Aber Olaf Thon, geboren 1966 und damit 25 Jahre jünger als Emmerich, leistete sich immerhin schon einen Rhetorik-Lehrer, um ähnliche Fehltritte zu vermeiden. Mario Götze, Jahrgang 1992, einer der Hoffnungsträger des Dortmunder und des deutschen Fußballs der Gegenwart, braucht wahrscheinlich gar keinen Lehrer oder Trainer mehr, um sich grammatikalisch korrekt zu äußern – er kommt aus einer Akademikerfamilie. Aber im entscheidenden Augenblick würde er vermutlich das Gleiche tun wie Lothar Emmerich, es nur anders ausdrücken: »Ich habe nie lange gefackelt, die Kartoffel immer sofort auf die Bude geballert.«

Ach ja, auch das noch am Ende dieses Kapitels: Der erste Verein aus dem Ruhrpott, der nach Gründung der Bundesliga die Schale holte, war zugleich der letzte, der den Titel vor Gründung der neuen Liga errungen hatte: Borussia Dortmund – 1963 in der Oberliga-Endrunde gegen den 1. FC Köln und 1995 vor Werder Bremen. Zwar schlug auch in den Jahren dazwischen das Herz des Fußballs im Kohlenpott, nur die Titel gingen meistens in den Süden oder manchmal auch in den Norden der Republik.

3

»Es ist am schönsten, ganz normal durchs Leben zu gehen« – Zwei frühe Helden und die Zeit danach

Am 20. Februar 1965, dem 22. Spieltag der Bundesliga-Saison 1964/65, besiegte Eintracht Frankfurt den Hamburger SV zu Hause mit 2:1. Das Spiel an sich war bedeutungslos, beide Teams dümpelten im Niemandsland der Tabelle herum. Dennoch ging ein Aufschrei durch die Medien und die Reihen der Fußballfans, nicht nur derjenigen des HSV. Der Grund: Früh in der zweiten Halbzeit des Spiels hatte sich HSV-Torjäger Uwe Seeler einen Achillessehnenriss zugezogen und würde mehrere Monate ausfallen. Viele fürchteten anfangs sogar, diese Verletzung könnte das Ende der Karriere des »Dicken«, wie er im Volksmund genannt wurde, bedeuten. Das wäre nicht nur für seinen Verein, sondern für ganz Fußballdeutschland eine Katastrophe gewesen, denn Seeler galt zu dieser Zeit nicht nur als einer der weltbesten Mittelstürmer, sondern er war eine Identifikationsfigur für die Massen, populär wie kaum ein Fußballer vor ihm, abgesehen vielleicht von Fritz Walter, dem Kapitän der Weltmeistermannschaft von 1954. Doch bereits sieben Monate später lief der Nationalmannschaftskapitän wieder im Adlertrikot auf und sorgte mit dem 2:1-Siegtreffer im entscheidenden Qualifikationsspiel gegen Schweden dafür, dass die deutsche Mannschaft im Jahr darauf an der WM-Endrunde in England teilnehmen durfte.

In der Eröffnungssaison 1963/64 hatte Seeler sich in den Geschichtsbücher der Bundesliga verewigt – mit 30 Treffern war er der erste Torschützenkönig des neuen Fußball-Oberhauses. Im selben Jahr wurde er zum zweiten Mal nach 1960 (als die Auszeichnung erstmals vergeben wurde) zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt; die dritte Ehrung folgte 1970 – einzig Franz Beckenbauer wurde noch einmal häufiger mit diesem Titel dekoriert. Die 14 Tore, die Seeler in der Folgesaison bis zu seiner Zwangspause erzielt hatte, reichten in der Torschützenliste dieser Spielzeit immerhin noch zu Rang fünf; treffsicherster Schütze in diesem Jahr war der Münchner Rudolf »Rudi« Brunnenmeier, der am Ende 24 Mal eingenetzt hatte.

Zusammen mit Timo Konietzka und Lothar Emmerich waren Brunnenmeier und Seeler in der neuen Liga die Stürmer, die ihren Fans am häufigsten Anlass zum Jubeln gaben. Doch abgesehen von ihrer Torgefährlichkeit und Beliebtheit hatten sie wenig gemeinsam. Vielmehr verdeutlichen ihre Lebensläufe geradezu exemplarisch, wie unterschiedlich sich Ruhm und plötzlicher Reichtum, so bescheiden Letzterer in jenen frühen Jahren auch ausfiel, auf das Leben eines Fußballprofis auswirken können. Exemplarisch nicht nur, aber besonders für diese Ära, als die Gesellschaft der Bundesrepublik sich im Eiltempo veränderte und der Fußball quasi über Nacht vom Freizeitsport zum Millionengeschäft wurde.

Die Fakten über den Fußballer Uwe Seeler lassen sich in wenigen Zeilen zusammenfassen, nicht viele Sportler sind heute, vierzig Jahre nach dem Ende ihrer Karriere, noch so bekannt und beliebt wie der einstige Hamburger Sturmtank. Sein erstes Länderspiel absolvierte er bereits wenige Monate nach dem »Wunder von Bern« und wenige Tage vor seinem 18. Geburtstag: Im Oktober 1954 debütierte er bei einem 1:3 gegen Frankreich. Bei der WM 1958 in Schweden erfolgte der internationale Durchbruch, kurz nach der nächsten WM-Endrunde 1962 in Chile wurde er zum Kapitän der Nationalmannschaft ernannt. Heute ist Uwe Seeler einer von insgesamt nur vier »Ehrenspielführern« des DFB-Teams – neben Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus. Seine einzigen Titel errang er 1960 (Deutsche Meisterschaft) und 1963 (DFB-Pokal) mit dem HSV, mit der Nationalmannschaft wurde er 1966 Vizeweltmeister und 1970 Dritter beim Turnier in Mexiko. Nach seinem Rücktritt aus dem DFB-Team 1968 wäre er in Mexiko eigentlich gar nicht mehr dabei gewesen, doch er ließ sich vom damaligen Bundestrainer Helmut Schön zu einem Comeback überreden und spielte neben und hinter seinem Nachfolger als Sturmspitze, dem jungen Gerd Müller; der wurde mit zehn Treffern WM-Torschützenkönig und sollte Seeler wenig später auch als Rekordschütze der Nationalmannschaft ablösen. Der Hamburger wiederum blieb mit seinen 21 Einsätzen bei WM-Endrunden bis 1998 Rekordspieler und hatte bei jedem seiner vier Turniere mindestens einmal getroffen. Das gelang außer ihm nur dem Jahrhundertfußballer Pelé.