3,99 €
Als Eileens Ehemann Joe an Alzheimer erkrankt, gerät ihre Welt aus den Fugen. Im Angesicht der dramatischen Herausforderungen, die Joes Demenz mit sich bringt, findet Eileen Stärke und Halt in ihrer spirituellen Praxis – in Form von Gebet und spiritueller Führung und der Weisheitslehre ihres Gurus, Adi Da Samraj. Mal erschütternd traurig, dann wieder urkomisch, erleben wir mit, wie die Beziehung zu Joe mit fortschreitender Krankheit eine neue Form annimmt. Kann die Liebe im Verlust der Erinnerung bestehen? Ein hoffnungsfrohes Buch für alle, die jemanden kennen, der an Alzheimer erkrankt ist – und zugleich eine inspirierende Geschichte darüber, wie eine ernsthafte spirituelle Praxis durch eine schwere Lebenskrise helfen kann. Mit vielen Original-Zitaten von Adi Da Samraj über Liebe, Tod und Transzendenz – und wie man auch in schwierigen Lebenssituationen glücklich sein kann. "Herzwärmend und berührend ... ein wichtiges Buch für alle, die einen Alzheimer-Kranken kennen oder pflegen." Bill Gottlieb Autor des Bestsellers Alternative Cures
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 157
Veröffentlichungsjahr: 2022
ENTSCHEIDUNG FÜR DIE LIEBE
Adi Da Samraj:«Es ist besser, glücklich zu sein.»
Eileen Haight
Entscheidung für die Liebe
Wie mein Mann an Alzheimer erkrankte und unsere Liebe eine neue Form annahm
Die spirituellen, praktischen, zwischenmenschlichen und kulturellen Praktiken und Disziplinen, die in diesem Buch erwähnt werden, sind geeignete und natürliche Praktiken, die von Mitgliedern der praktizierenden Kongregationen von Adidam freiwillig und schrittweise aufgenommen werden (in dem Maße, wie es für die persönliche Situation jedes Einzelnen angemessen ist). Obwohl jeder diese Praktiken nützlich und hilfreich finden kann, sind sie nicht als Rat oder Empfehlung für die breite Öffentlichkeit gedacht, oder für Personen, die nicht Mitglied einer der praktizierenden Kongregationen von Adidam sind. Und nichts in diesem Buch ist als Diagnose, Rezept, empfohlene Behandlung oder Heilmittel irgendeines spezifischen «Problems» gedacht, sei es medizinischer, emotionaler, psychologischer, sozialer oder spiritueller Art. Keine Behandlung, kein Präventions- oder Heilverfahren und kein allgemeines Gesundheitsprogramm sollte ohne vorherige Konsultation mit einem Arzt oder einem anderen qualifizierten Therapeuten angewendet werden.
Titel der Originalausgabe:
Alzheimer’s Caregivers: The Choice of Love© 2013 Eileen Haight
Zitate und Fotos von Adi Da Samraj:
© The Avataric Samrajya of Adidam Pty Ltd, als Treuhänderin für The Avataric Samrajya of Adidam. Alle Rechte vorbehalten. Verwendung mit freundlicher Genehmigung.
Deutsche Ausgabe: © 2022 Adidam e.V.
Übersetzung: Luisa Rund Lektorat, Umschlaggestaltung und Satz: Nicolai Dehnhard Korrektorat: Oliver Henning, Burkhard Hickisch
Einige Namen in diesem Buch wurden zur besseren Verständlichkeit in der deutschen Ausgabe geändert.
Druck und Distribution im Auftrag von Adidam e.V.: tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN Softcover: 978-3-347-76119-3 ISBN E-Book: 978-3-347-76120-9
Das Cover-Foto zeigt den Walnusshain auf Eileens und Joes Ranch im Winter.
Dem großen avatarischen Weisen Adi Da Samraj, in tiefer Dankbarkeit, meinem geliebten Herz-Meister, der für alle Lebewesen gekommen ist, der mein Leben transformiert und mich erweckt hat zu einem stillen Ort der Freiheit und der Freude, selbst angesichts der Herausforderungen des Lebens und des Verlustes eines geliebten Menschen…. Mein dankbares Herz ist in Liebe aufgebrochen.
Inhalt
Vorwort
Prolog
TEIL EINS – JOE
1 Der Vorfall: Joe, wer bin ich?
2 Die Frauengruppe
3 «Gott in jedem Körper»
4 Die Wunde der Liebe
5 Geben und Empfangen
6 «Woran du denken musst, um glücklich zu sein»
7 Ich lerne, mich wahrhaft hinzugeben
8 Kommuniziere Glücklichsein
9 Liebt einander
TEIL ZWEI – RUTH
10 Wer ist Adi Da Samraj?
11 Wie man einem sterbenden Menschen dient
12 Mütter und Töchter
13 Die Wahrheit allein genügt
14 Was lehrt Adi Da?
TEIL DREI – JOE
15 Wenn die linke Gehirnhälfte in den Hintergrund tritt …
16 «Ich bin jetzt an einem sehr guten Ort»
Epilog
Nachwort
Vorwort
von Bill Gottlieb
Inmitten der Verstörung und Erschütterung, miterleben zu müssen, wie ein geliebter Mensch sich verändert und stirbt, wie kann man da glücklich und unbeschwert sein?
Dies ist eine wahre Geschichte von göttlicher Intervention und von der Transformation gewöhnlicher Menschen, die einen Weg gefunden haben, mit der AlzheimerKrankheit und ihren Auswirkungen zu leben und dabei glücklich zu sein.
Im Verlauf dieser Geschichte wird man Zeuge der tiefgründigen Veränderungen, die sich ereignen, wenn Menschen sich dem zuwenden, was größer ist als sie selbst.
Prolog
Es scheint, wir dürfen uns vermählen – wenn nur die Bettstatt der Natur den Bund erhielte. Doch der Tod erlaubt die «Ewige Vereinigung» nur an Nachmittagen. Und nur, wenn der Garten ohne Regen ist.
ADI DA SAMRAJ,
The Mummery Book
Mittwochs, wenn die Straßen in den Bergen leer sind, besuche ich meinen Mann. Es gibt kein Pflegeheim in der Nähe, das meinen Schatz aufnehmen konnte. Viele «Gedächtnis-Witwen» wie ich verlieren ihre Partner viel zu früh. Sie füllen die Pflegeheime bis zum Überlaufen mit der Leere der Gedanken.
Alleingelassen mit Wut, Angst und Kummer kriecht die Einsamkeit in mich und frisst an meinem traurigen Herzen. Doch es gibt eine Alternative, die ich gesegnet war zu finden: Dies ist die Geschichte, die ich erzählen muss, denn «es ist besser, glücklich zu sein!»
Eileen Haight
Teil einsJOE
KAPITEL EINS
Der Vorfall: Joe, wer bin ich?
Wir waren auf dem Heimweg von einem Besuch bei meinem Sohn Leland und seiner Frau in Ocean Shores im Bundesstaat Washington. Die Autofahrt war lang und wir wollten noch vor Einbruch der Dunkelheit zuhause auf unserer Ranch sein. Joe hätte nicht fahren dürfen, aber heute weiß ich, dass ich mir das damals nicht eingestehen wollte. Als seine Beifahrerin durfte ich meine Augen keinen Moment von der Straße lassen: wir fuhren gemeinsam. Ein kleines Nickerchen? Ausgeschlossen!
Als unsere Ausfahrt näherkam, sagte ich: «Joe, gleich kommt unsere Ausfahrt.»
«Nein, das ist sie nicht», sagte er.
«Guck doch auf das Schild», sagte ich, «Highway 20!»
«Ja, und?»
«Joe, das ist unsere Ausfahrt!»
«Nein, ist sie nicht!»
«Schatz, das ist die Ausfahrt nach Clearlake!»
«Warum sollten wir nach Clearlake fahren?»
«Weil wir da wohnen!»
«Nein, tun wir nicht.»
Inzwischen hatten wir die Ausfahrt verpasst und eine unbekannte Angst befiel mich. Was war mit ihm los? Schon seit vielen Monaten war Joe ungewöhnlich vergesslich und hatte Probleme, seine Sätze richtig zu beenden. Mal war er fröhlich und ging auf mich ein, dann war er wieder streitsüchtig. Das Wort «Alzheimer» war mir ein paar Mal durch den Kopf gehuscht, aber ich hatte es weggeschoben und mir gesagt: «Das ist das Älterwerden; da ist es normal, dass man ein bisschen vergesslich wird.»
Aber jetzt, als wir an der Ausfahrt vorbeifuhren, sah ich Joe besorgt an. Er hatte etwas Fremdartiges an sich, als wäre er nicht ganz da.
Ich sagte: «Joe, bitte fahr mal rechts ran. Hier stimmt etwas nicht.»
Er fuhr weiter.
«Joe, du bist an unserer Ausfahrt vorbeigefahren! Wo fahren wir hin?»
Er sagte: «Nach Hause.»
«Nach Hause? Wo wohnen wir denn?» Und dann sagte er (und ich traute meinen Ohren nicht): «Na, in Redlands natürlich!»
Redlands ist die Stadt, in der Joe seine Kindheit verbracht hatte und in der er später mit seiner ersten Frau, Mary, gelebt hat.
Ich wiederholte: «Joe, bitte fahr rechts ran. Es ist etwas nicht in Ordnung. Ich muss mit dir reden. Bitte fahr von der Straße runter und halte an.» Endlich fuhr er von der Straße und wir hielten an. Er wandte mir sein Gesicht zu und er war eindeutig gereizt und verwirrt. Ich holte tief Luft und sagte: «Joe, wenn wir in Redlands wohnen, wer bin dann ich?»
Er sah mich an, sein Gesicht war ausdruckslos. Wir sagten lange nichts. Er sah mich weiter an und mir wurde klar, dass er keine Ahnung hatte. Er wusste nicht, wer ich war! Es war ein unheimliches Gefühl, von ihm so angestarrt zu werden, als sei ich eine Fremde, die erst seit der letzten Raststätte in seinem Wagen saß. Aber wir waren seit mehr als 30 Jahren verheiratet! Sein Gesicht war leer und undurchdringlich. Er war woanders. Ich fragte mich, ob er da, wo er war, wieder ein junger Mann war. Dachte er, Mary, seine erste Frau, müsste neben ihm sitzen? Fragte er sich: «Wer ist diese Frau mit den grauen Haaren?»
Nach ein paar Minuten änderte sich sein Gesichtsausdruck und er kehrte von dort, wo er gewesen war, zurück. Er schien zu erkennen, wer ich war und was er gerade getan hatte. Und er tat etwas, das ich ihn nie zuvor hatte tun sehen: Er legte den Kopf in die Hände und weinte. Auch ich weinte.
Als ich später in die teilnahmsvollen Gesichter der Frauen in meiner Frauengruppe* sah, schlug ich die Hände vors Gesicht und weinte erneut hemmungslos.
* In Adidam, meinem spirituellen Weg, nimmt man an regelmäßigen Gruppen mit anderen Praktizierenden teil, um sich mit der Lehre von Adi Da Samraj auseinanderzusetzen. Man tauscht sich über Gefühle, Einsichten und Erfahrungen aus und spricht offen über die Herausforderungen der täglichen spirituellen Praxis.
KAPITEL ZWEI
Die Frauengruppe
Nur Gott, nur «Strahlende Helle», nur Glück. Das ist es, was verwirklicht werden muss – nicht das Chaos, das ihr in eurer Angst und Suche erzeugt, in eurer Verkrampfung in die Getrenntheit. Widmet euer Leben diesem Frieden jenseits von «Verschiedenheit», dieser Göttlichkeit, dieser Verbundenheit mit Mir.
AVATAR ADI DA SAMRAJ
My «Bright» Form
Der Raum ist zu eng, die Luft stickig. Ich sehe euch alle vor mir und fühle eure Liebe und Anteilnahme, aber das tröstet mich nicht. Dieser Schmerz überlagert alles. Wie soll ich Ruhe in meine rasenden Gedanken bringen? Wie diese furchtbare Krise loslassen? Ich muss Luft holen, kühlende Meeresluft, die «Mitternachtssonne» fühlen, und aus diesem Traum des Selbst erwachen und das Glück wieder zulassen.
Wir nennen uns die Silberfüchse. Jede von uns hat ihren Lieblingsstuhl, ich sitze in meinem. Die anderen Frauen warten darauf, dass ich weiterspreche. Ich hoffe,dass ich nicht bloß dasitzen und weinen werde. Wobei, wenn doch, wäre das niemandem unangenehm außer mir selbst. Irgendwann in meiner frühen Kindheit hat man mich erfolglos darauf getrimmt, nicht zu weinen. Ich stecke also in einer Zwickmühle. Ich hole tief Atem und hoffe, dass meine Stimme ruhig genug ist, während ich meine schreckliche Geschichte weitererzähle.
Die Frauen im Raum lauschten meiner Erzählung, ohne mich zu unterbrechen. So waren sie. Wir trafen uns jede Woche, lasen und diskutierten die Lehre unseres spirituellen Meisters Adi Da Samraj, sprachen über unsere Gedanken und Gefühle, offenbarten einander unsere Schwächen und Versäumnisse und lobten und ermutigten einander bei jedem kleinen oder großen Erfolg in unserem persönlichen Wachstum oder unserer spirituellen Praxis.
Sie wussten, dass ich fertig mit Reden war, warteten aber ab, während ich weinte. Nancy, die neben mir saß, legte den Arm um mich. Die anderen Frauen kamen näher heran, sie hielten meine Hand, massierten meine Füße oder streichelten meinen Kopf. Meine lieben Freundinnen! Was für ein kostbares Geschenk!
«Und, wird Joe zum Arzt gehen?», fragte Jana mit ihrem beruhigenden osteuropäischen Akzent. Sie reichte mir ein Taschentuch.
Bevor ich ihre Frage beantworten konnte, fragte Marideth: «Was, glaubst du, ist mit ihm los? Meintest du nicht vor einer Weile, dass dein Schwager Alzheimer hatte? Ich glaube, da gibt es ein paar wirkungsvolle Naturheilmittel.» Wenn Marideth sich Sorgen um jemanden oder etwas macht, spricht sie sehr schnell. Sie wollte immer gern helfen.
Dann sagte Judy, die Pragmatikerin: «Ich geb’ dir mal die Nummer einer Pflegeagentur. Die haben eine Selbsthilfegruppe für Menschen, deren Partner von Gedächtnisverlust betroffen sind.» Judy war eine der Leiterinnen von Lake Countys Hilfsprogramm zur Bekämpfung von Drogenmissbrauch und kannte viele der staatlichen Unterstützungsangebote in der Region. Sie fuhr fort: «Deine Frauengruppe ist natürlich immer für dich da, aber ich glaube, du wirst auch Hilfe von Menschen brauchen, die das gleiche durchmachen oder durchgemacht haben, und auch von professionellen Pflegekräften.»
Nancy sagte die ganze Gruppe über nichts, ich fühlte ihre Stärke und Unterstützung aber auch in ihrer Stille. Ich hatte der Gruppe jede Woche erzählt, wie es mit Joe lief. Wahrscheinlich hatte Nancy, wie die meisten in der Gruppe, geahnt, was mit Joe los war, bevor ich es an mich heranlassen konnte. Als Mitglied der Gilde für devotionale Gebete der Veränderung* in unserer Gemeinschaft hatte sie bereits ein Foto von Joe auf ihrem Altar, und Joe und ich standen beide auf ihrer täglichen Gebetsliste.
Ich versuchte, ihre Fragen zu beantworten. Als ich sprach, wurde die ruhige Haltung, die ich hatte aufrecht erhalten wollen, zu bebender Angst. Und unter dieser Angst lag Wut. Plötzlich merkte ich, dass ich wütend war! Marideths Fragen waren die Fragen, die ich mich nie getraut hatte zu stellen und vor denen ich die Augen nun nicht mehr verschließen konnte! Und in Wahrheit verdeckten die Angst und die Wut überwältigende Trauer! Wie konnte das mit Joe geschehen, meinem Joe? Der so ein guter Kerl war, der beste von allen! Meine Stimme zitterte, während ich sprach.
«Joes Sohn Michael ist ja selbst Arzt», sagte ich, «aber Joe wollte nie zu einem hingehen! Zum Glück war er immer sehr gesund. Vielleicht kann seine Tochter Jeannie ihn überreden. Michael meinte, er macht für Joe einen Termin bei seinem eigenen Arzt, wenn er einverstanden ist.»
«Soll ich dir die Nummer von der Selbsthilfegruppe geben?», fragte Judy.
«Ja!», sagte ich. «Ich kann es ja mal probieren. Vielleicht wissen die auch, was es für Heilmittel gibt.»
«Ja, vielleicht», stimmte Judy zu. «Und sie werden wissen, wie man damit umgeht, falls es … falls es …»
Ich hoffte, sie würde es nicht aussprechen.
«… Alzheimer ist.» Es folgte ein langes, unangenehmes Schweigen.
«Ach, meine liebe Eileen …» Nancy hielt meine Hand. «Manchmal gibt es einfach keinen Trost. So ist das Leben! So viel verändert sich, wenn man älter wird, und das Loslassen des Körper-Geistes müssen wir alle durchmachen. Wenn Joe an einer Form von Demenz erkrankt ist, dann wird sich dein Leben verändern. Das wird eine harte Probe für dich, deine Familie und deine Freunde.
Aber wir haben großes Glück, weil wir wahre Hilfe von unserem Herz-Meister Adi Da Samraj erhalten, der Seinen Schülern und Schülerinnen gezeigt hat, dass ‹wir mehr sind als das, was man von außen sieht›. Wir sind mehr als nur Körper und Geist, und das in uns, was wirklich ist, stirbt nicht. Außerdem hat Adi Da offenbart, dass wir uns inmitten von Schwierigkeiten immer dafür entscheiden können, uns Ihm zuzuwenden und Zuflucht zu dem zu nehmen, was größer ist als wir selbst.»
Diese Worte waren eine liebevolle Erinnerung an unseren geliebten spirituellen Meister und Seine Weisheitslehre. Ich atmete ein paar Mal tief ein. Ich wusste, ich musste ehrlich sagen, was ich fühlte und darüber hinauswachsen.
Durch die Praxis im Weg des Herzens hatte ich beobachtet, dass der Knoten, den ich in meinem KörperGeist fühlte, wenn ich wütend, angsterfüllt, traurig oder in andere Gefühle verstrickt war, meine eigene Aktivität war. Dadurch war mir klar geworden, dass nichts und niemand der Grund meines Unglücklichseins war! Ich war kein Opfer. Das war für mich durch viele Gruppengespräche, Diskussionen und Ausprobieren wahr und real geworden. Ich wusste (denn ich hatte es erlebt), mein wahrer, natürlicher Zustand war es, glücklich zu sein.
Aber war das auch in jenem Moment meine Realität? War es meine Realität in jenem Moment, in dem ich mich so von Angst, Wut und Traurigkeit überwältigt fühlte? Im Weg des Herzens war es die Praxis, komplett zuzulassen, was man fühlte, es ehrlich auszudrücken und darüber hinauszugehen, indem man sich dem Göttlichen zuwandte. Ich dachte: «Wende dich Gott zu.» War ich dazu fähig?
Als langjährige Schülerin im Weg des Herzens wusste ich, dass Adidam keine Technik oder Methode ist, die man anwendet, sondern ein Prozess des Erörterns gemeinsam mit anderen Praktizierenden, der direkt in Beziehung zu den Realitäten des momentanen Lebens steht und mit Selbsterkenntnis und Selbstüberprüfung einhergeht. Ich wusste, wenn man Selbsterkenntnis erlangen wollte, musste man selbstkritisch sein und durfte nichts verbergen – und die eigenen Gefühle weder unterdrücken noch dramatisieren!
Die eigenen Gefühle und Gedanken ehrlich auszusprechen und über sie hinauszugehen war aber nicht immer leicht! Im Verlauf der Praxis des Wegs des Herzens merkten wir, dass das Ego ein erlerntes Muster ist, und zwar ein sehr kompliziertes. Jetzt, wo ich mich der Möglichkeit gegenüber sah, meinen geliebten Mann an die gefürchtete Demenz zu verlieren, fühlte ich mich desorientiert und verloren.
Ich sagte: «Um ehrlich zu sein, ich habe Riesenangst, weil ich diesen Prozess schon einmal hautnah miterlebt habe! Meine kleine Schwester hat das mit ihrem Mann durchgemacht, der für so ein Schicksal noch viel zu jung war. Ich weiß, wie schwierig das ist. Ich weiß nicht, ob ich das kann! Für meine Schwester war es sehr schwer.» Ich hielt inne und rief mir die vielen Besuche von damals ins Gedächtnis, sowie die drei oder vier Tage, die ich mit ihr verbracht hatte, bevor er starb. Ich sagte: «Ich fühle mich dieser Herausforderung nicht gewachsen.»
Judy meldete sich zu Wort: «Du kannst dich von der Pflege-Gruppe beraten lassen, und wenn du finanzielle Unterstützung brauchst, kannst du die bestimmt auch bekommen.» Das war noch etwas, woran ich mich bisher nicht zu denken getraut hatte.
«Geld ist das geringste Problem!», gab ich zurück. «Das Schwerste aber musste selbst Nancy Reagan ertragen* (mit all der Unterstützung, die sie sich leisten und bezahlen konnte): wie meine Schwester dabei zuzusehen, wie der eigene Ehemann sich in einen nicht wiedererkennbaren Fremden verwandelt! Wie kann ich mit so einer Aussicht glücklich sein?» Mein Kopf fühlte sich an, als steckte er in einem Schraubstock. Ich atmete nochmal tief ein. «Ja», fuhr ich fort, «vom Kopf her kenne ich die Antwort! Ich kann mich an das Göttliche wenden, an unseren geliebten Herz-Meister.» Ich wandte meine Aufmerksamkeit dem Bild von Adi Da Samraj zu, das an der Wand hing.
Nancy sagte: «Mit Seiner Gnade kannst du das durchstehen!»
«Nancy, ein Teil von mir weiß das, aber jetzt gerade scheinen weder mein Körper noch mein Geist es zu wissen.» Man konnte mich kaum noch hören, als ich sagte: «Überall ist nur Angst.»
«Wovor genau hast du Angst?», fragte Jana sanft.
«Davor, dass ich versage, dass ich es nicht schaffe, für Joe stark zu sein. Ich werde Hilfe brauchen, und ich hasse es, um Hilfe zu bitten!» Ich fühlte einen intensiven Druck auf meinem Kopf, während ich weitersprach: «Bevor ich Joe kennenlernte, war ich alleinerziehende Mutter, und ich konnte immer die Zähne zusammenbeißen und einfach noch härter arbeiten! Aber jetzt bin ich älter und das hier kann ich durch bloße Anstrengung nicht schaffen.» Tief aus meinem Innern entwich ein schwerer Seufzer. «Das hier ist eine andere Art Herausforderung, eine Bewährungsprobe meiner spirituellen Praxis.»
«Ja, das wird es sein», stimmte Nancy zu, während sie mir noch ein Taschentuch reichte.
«Ich als ruhige, geduldige Betreuerin und Pflegerin?», fragte ich. «Ich weiß nicht, ob ich das kann! Gleichzeitig weiß ich tief in meinem Herzen, dass es Hilfe gibt und dass es sie immer gegeben hat.»
Immer wieder wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Bild von Adi Da Samraj zu, und ich sagte: «So hatten Joe und ich uns unser Leben nicht vorgestellt, als wir nach Lake County gezogen sind, um den Ruhestand zu genießen. Joes Traum war der Walnusshain, meiner war es, Teil der Adidam-Gemeinschaft zu sein, den Weg des Herzens zu leben und dem Mountain-of-Attention-Heiligtum zu dienen!»
Ich hielt kurz inne, um mir die Nase zu putzen, und wandte mich dann wieder den Frauen zu. «Wenn Joe Alzheimer hat (jetzt hatte ich es gesagt), bin ich irgendwann allein auf der Ranch und kann weder weiter dem Heiligtum dienen, noch zur Frauengruppe oder irgendetwas anderem fahren. Da seht ihr, das ist mein Selbstmitleid – aber noch mehr tut mir Joe leid! Ich ertrage nicht, was mit ihm passiert. Dieser liebe, intelligente Mensch! Es kotzt mich an!»
Die Frauen lachten, denn so redete ich normalerweise nicht.
«Weiter so!», ermutigte mich Nancy. Sie war selbst dem Fluchen manchmal nicht abgeneigt. «So viel zu deiner Wut. Und was ist mit der Traurigkeit?»
«Ja, Traurigkeit!» Wieder strömten mir Tränen übers Gesicht. Ich musste lachen! Nancy reichte mir ein weiteres Taschentuch.