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Sie fragen sich öfters nach dem Sinn des Lebens – doch eigentlich denken Sie, dass es vor allem darum geht, Freude zu erleben? Dann sind Sie in bester Gesellschaft! Denn genau darum geht es bei Epikurs Lehren und wie Sie mit seinen zeitlosen Erkenntnissen zum Lebensglück gelangen, erfahren Sie in diesem Buch. Maximaler Lustgewinn als höchstes Ziel im Leben – wohl kaum ein Philosoph ist so oft missverstanden worden wie Epikur. Dabei sind seine Lehren damals so überzeugend gewesen wie heute: Im Leben geht es vor allem darum, es zufrieden zu verbringen. Seelenfrieden finden, Erfüllung erlangen und sich persönlich entfalten klappt am besten über das möglichst häufige Erleben von Lust, die bei Epikur als Freude verstanden wird. Dazu hat der griechische Denker einige kluge Grundsätze entwickelt, nach denen Sie auch heute Ihr Leben ausrichten können, und in diesem Ratgeber erfahren Sie alles, was Sie darüber wissen müssen. Anschließend machen Sie aus Theorie Praxis und setzen mit vielfältigen Reflexionsanregungen, Übungen und Techniken das unkomplizierte Streben nach Freude ganz einfach jeden Tag in die Tat um. Das funktioniert? Probieren Sie's aus! Denn das epikureische Lebensrezept richtet sich gezielt an die breite Bevölkerung, verlangt keinerlei philosophische Vorbildung und ermöglicht durch einfache Dinge des Alltags jedem Menschen das Erleben der sinnstiftenden Freude.
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Seitenzahl: 217
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Für Fragen und Anregungen:
Auflage 2024
Inhalt
Epikurs geistiges Erbe
Einführung in die epikureische Philosophie
Ursprung und Grundlagen
Missverständnisse und Klärung: Lust vs. Hedonismus
Die vier Heilmittel Epikurs (Tetrapharmakos)
Die Kunst des Genusses
Verstehen, was wahre Lust ist
Wie Sie bewussten Genuss praktizieren
Genuss als Lebensstil: Qualität über Quantität
Seelenfrieden (Ataraxie) erlangen
Was ist Ataraxie?
Strategien zur Erreichung von Seelenfrieden
Beziehungen und soziale Interaktionen: Freundschaft und Gemeinschaft
Die Rolle der Tugend
Tugend als Mittel zur Lust
Wie Tugenden das Leben bereichern
Praktische Tipps zur Integration von Tugenden in den Alltag
Der Wert der Einfachheit
Selbstgenügsamkeit und Unabhängigkeit
Minimalismus als Lebensstil
Umgang mit Schmerz und Leid
Epikureische Ansätze zur Schmerzbewältigung
Akuter vs. chronischer Schmerz
Den Sinn von Schmerz verstehen
Epikureische Lebenskunst in der modernen Welt
Anwendung epikureischer Prinzipien heute
Praktische Übungen und Reflexionen
Langfristige Ziele und persönliche Entwicklung
Der 30-Tage-Epikur-Selbstentwicklungskalender
Woche 1: Einfache Freuden genießen
Woche 2: Dankbarkeit kultivieren
Woche 3: Bescheidenheit und Maß üben
Woche 4: Freundschaften pflegen
Woche 5: Selbsterkenntnis fördern
Quellenverzeichnis
Epikur war einer der wichtigsten Philosophen des alten Griechenlands. Obwohl er eine eigene Schule gründete und sein Leben in einer Gemeinschaft mit seinen zahlreichen Anhängern teilte, war er doch über seinen Tod hinaus besonders bei jenen umstritten, die sich für „tugendhaft“ hielten. Grund dafür war, dass er „Hédoné“ – die Lust bzw. die Freude – in den Mittelpunkt seiner philosophischen Betrachtungen stellte.
Das Besondere an Epikurs Philosophie ist, dass sie nicht die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt, sondern vielmehr danach, was ein zufriedenes Leben ausmacht und was wir als Individuum aktiv dafür tun können, um ein erfülltes Leben zu führen. Indem Epikur diese essentiell zeitlose Frage stellt, fühlen wir uns noch heute durch seine erstaunlich praktischen Betrachtungen in vielen Punkten genauso berührt wie seine zahlreichen Anhänger vor mehr als 2.000 Jahren.
Der Grund dafür, dass Epikurs Philosophien nicht an Aktualität verloren und seine Antworten immer noch Relevanz haben, ist die Tatsache, dass er sich an den grundlegenden Bedürfnissen orientiert, die uns Menschen unabhängig von äußeren Umständen verbinden. So wird auf erstaunliche Weise deutlich: Ungeachtet technischer Neuerungen und politischer Umstände treiben uns Menschen im Kern durch die Jahrhunderte hindurch immer noch dieselben Fragen um.
Denn jeder Mensch hegt – unabhängig davon, wo, wann und wie er lebt, den tiefen Wunsch, in seinem Leben möglichst viele glückliche Momente zu erleben. Doch wie kann das gelingen? Epikurs Lehren halten auf den folgenden Seiten erstaunlich pragmatische und anwendbare Antworten für uns bereit.
Hinweis:
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Ursprung und Grundlagen
Epikur, dessen griechischer Name Epikouros „der Helfende“ bedeutet, wurde im Jahr 341 vor Christus auf der Insel Samos geboren. Überliefert wurde sein Lebenslauf von seinem damals wichtigsten Biografen Diogenes Laertios, der im 3. Jahrhundert nach Christus lebte. Epikur wuchs als einer von fünf Söhnen einer landwirtschaftlich geprägten Familie in eher bescheidenen Verhältnissen auf und zeigte schon früh Interesse an der Philosophie. Sein Vater war nicht nur Landwirt, sondern auch Grundschullehrer, und hatte vom Staat ein kleines Stück Land zur Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt bekommen. Seine Mutter verrichtete rituelle Gebete.
Nach den Überlieferungen fand Epikur schon als 12-Jähriger den Zugang zur Philosophie. Beeinflusst wurde er von seinen Lehrern, die Vertreter der Lehren von Platon und Demokrit waren, wobei letzterer mit seinem Weltbild des sogenannten Atomismus einen wichtigen Einfluss für den jungen Epikur darstellte.
Atomismus, auch bekannt als Atomistik, verfolgt die kosmologische Theorie, wonach das Universum aus Atomen (griechisch átomos) – den kleinsten Teilchen – zusammengesetzt ist.
Schon früh war Epikurs philosophisches Genie erkennbar und auch er selbst äußerte bereits als Heranwachsender den Wunsch, sein Leben ganz der Philosophie zu verschreiben. Mit 18 Jahren ging Epikur nach Athen, um seinen Militärdienst zu absolvieren. Es ist davon auszugehen, dass er während dieser Zeit auch Vorlesungen der Philosophen Xenokrates und Aristoteles hörte.
Durch die Niederlage der Athener gegen die Makedonier im Jahr 338 v. Chr. verlor Epikurs Vater sein Land und floh mit seiner Familie ins Exil, wohin Epikur folgte. Danach verliert sich für einige Jahre Epikurs Spur. Es wird vermutet, dass er auf Lesbos Philosophie lehrte und dort einige seiner treuesten Anhänger fand, die mit ihm nach Athen zurückkehrten, als dort die Demokratie wieder auflebte. Für Epikur ergab sich die Gelegenheit, dort für wenig Geld einen Kepos (aus dem Griechischen: Garten) zu erwerben, wo er kurz darauf seine berühmte Schule gründete: Dieses kleine Anwesen wurde ein Treffpunkt für die verschiedensten Menschen, die in Einfachheit, aber dennoch genussvoll in einer über hundertköpfigen Gemeinschaft ohne individuellen persönlichen Besitz zusammenlebten. Den Kepos können Sie sich also als eine Art Vorstufe zu uns bekannten Kommunen vorstellen. Epikurs Garten war unter seinen Kritikern als Ort der Ausschweifung und Exzesse verschrien, worüber es jedoch keine belegbaren Quellen gibt. Die Inschrift über dem Tor von Kepos wurde überliefert und sie lautete:
„Tritt ein, Fremder! Ein freundlicher Gastgeber erwartet dich mit Brot und mit Wasser im Überfluss, denn hier werden deine Begierden nicht gereizt, sondern gestillt.“
Dieser Garten blieb ungefähr 35 Jahre lang der Lebensmittelpunkt und Zentrum des Wirkens von Epikur, nach dessen Philosophie noch heute die Freundschaft als soziale Grundlage des Miteinanders zu den höchsten Gütern unter den Menschen zählt.
Der Garten Epikurs existierte nicht nur zu Lebzeiten, er wurde auch nach seinem Tod mindestens 500 Jahre durch seine Anhänger und Schüler weitergeführt. Das kleine Anwesen befand sich nordwestlich der Akropolis, in der Nähe der Schule von Platon und ein Stück außerhalb der Stadt Athens, und war gut erreichbar. In diesem Garten wurden weniger Blumen gepflanzt als vielmehr Gemüse angebaut. Es war also eher eine kleine landwirtschaftliche Fläche, die von den dort Lebenden und Arbeitenden gemeinschaftlich bewirtschaftet wurde als ein Projekt der philosophischen Lebensgemeinschaft im Kepos.
Die Idee des Gartens war, gemeinsam in freundschaftlicher Verbindung zu leben und sich der Philosophie hinzugeben. Die Menschen, die dort ihre soziale Utopie unter Leitung ihres Lehrers lebten, waren die sogenannten Epikureer. Sie bildeten mit ihrem Konzept des gemeinsamen Lebens, Arbeitens und Denkens eine der ersten Landkommunen des Abendlandes. Menschen aus verschiedenen Ländern des Mittelmeerraums strömten herbei, um sich ihr anzuschließen. Gemeinsame Aktivitäten, allen voran das Essen und Zubereiten von Mahlzeiten aus dem angebauten Gemüse des Gartens, das Pflegen der Freundschaften und des geistigen Austauschs, sind nach der Lehre Epikurs notwendige Grundbedürfnisse des Menschen, so auch das Trinken, eine Bleibe, Freunde und Philosophie. Nicht alle Mitglieder der epikureischen Gemeinschaft lebten auf dem Grundstück. Epikur selbst hatte ein Haus und es gab Lagerstätten für Menschen, die dort lebten, aber es gab auch andere, die außerhalb wohnten und täglich dort hinkamen, um zum Beispiel beim Anbau und bei der Ernte zu helfen und den gemeinsamen Mahlzeiten sowie Epikurs Vorlesungen beizuwohnen.
Die „Mahlgemeinschaft“ in diesem Garten trug für die damalige Zeit geradezu revolutionäre Züge, denn hier wurde inmitten einer Ständegesellschaft, in der die Unterdrückung von Frauen und Sklavenwirtschaft die Normalität darstellte, Gleichberechtigung praktiziert. Epikur und seine Freunde lebten in dieser Lebensgemeinschaft in einem demokratischen Selbstverständnis mit gleicher Freiheit und Mitspracherecht für alle, zu der Menschen unabhängig von ihrer Nationalität, ihrem Geschlecht und ihrem sozialen Status Zugang hatten.
Das Leben im Garten bildete also eine Gesellschaft ohne Klassen, begründet auf der an den realen Bedürfnissen des Einzelnen orientierten epikureischen Philosophie. Für den Lebensunterhalt wurde gemeinsam gesorgt, indem die wirtschaftliche Grundlage ein System von regelmäßig zu entrichtenden Spenden und Beiträgen bildete. Es war so geregelt, dass die wohlhabenderen Mitglieder dieser Lebensgemeinschaft größere Beiträge beisteuerten, die dann den mittellosen Mitgliedern zugutekamen. So gelang es den Epikureern, in ihrem philosophischen Garten eine Utopie von sozial gerechten Gesellschaftsverhältnissen konkret zu verwirklichen.
Diese Lebensweise gefiel nicht nur den jeweils 200 bis 300 Personen, die dort wohnten: In ganz Griechenland sowie in angrenzenden Ländern wie Kleinasien, Ägypten und auch in Italien fand diese Lebensform Anhänger. Epikur war so populär, dass bisweilen davon ausgegangen wurde, dass er mehr Sympathisanten habe als Athen Einwohner.
Auf der anderen Seite wurde das Leben in Epikurs Garten von Außenstehenden und Kritikern, wie auch der Kirche, mit Ausschweifung, Völlerei und Trunkenheit in Verbindung gebracht, was auf einer Fehlinterpretation des zentralen Lustbegriffs in der Lehre Epikurs beruhte. Der epikureische Hedonismus und die ungewöhnliche Lebenspraxis, die mit Epikurs Garten verbunden sind, wurden systematisch schlechtgemacht, worunter Epikur zeit seines Lebens litt.
Auch nach seinem vermutlich durch Harn- oder Nierensteine verursachten Tod im Jahr 270 oder 271 vor Christus, er zählte damals 71 Jahre, blieb Kepos über Jahrhunderte in dieser Form erhalten und wurde von seinen Anhängern im Geiste Epikurs weiterbetrieben.
Bücher mit den Schriften Epikurs werden im Deutschen oft mit „Philosophie des Glücks“ oder „Philosophie der Freude“ betitelt. Nach Überlieferungen, unter anderem von seinem bereits erwähnten Biografen Diogenes Laertios, umfasst das philosophische Werk Epikurs insgesamt an die 300 Bücher. Es handelte sich hierbei um Schriftrollen, die wesentlich kürzer waren als herkömmliche Bücher. Sie bewegen sich zwischen Lehren von der Physik, der menschlichen Wahrnehmung, der Beschaffenheit des Geistes sowie der allgemeinen Lebensphilosophie. Die Titel sind meist klar und auf ein bestimmtes Thema bezogen, beispielsweise:
Über die Natur (37 Bücher)
Von den Atomen und dem Leeren
Von der Liebe
Auszug aus den Büchern gegen die Physiker
Schwierige Fragen
Über den Zorn
Über die Freiheit
Hauptlehren
Vom Wählen und Meiden
Vom Endziel
Von den Göttern
Von den Lebensweisen (4 Bücher)
Von vielen dieser Werke sind leider nur noch Fragmente überliefert. Doch aufgrund der gut strukturierten Grundsätze seiner Lehren und den Überlieferungen und Zitaten seiner Anhänger und Schüler, die sein Wissen weitergaben, sind die Leitlinien seiner Philosophie klar umrissen und erstaunlich aktuell. Epikur war ein pragmatischer Philosoph und tatsächlich war es für ihn wichtig, dass die Grundsätze seiner Philosophie sich einfach formulieren und weitergeben ließen. Er wollte die Unterschiede zwischen den Menschen überbrücken und für möglichst viele Menschen zugänglich und als Lebensleitfaden nachvollziehbar sein. Eine seiner Grundforderungen an die Philosophie war es, den Menschen geistiges Handwerkszeug mitzugeben, um sie von ihren Ängsten und Sorgen zu befreien.
Missverständnisse und Klärung: Lust vs. Hedonismus
Einer der am häufigsten missverstandenen Begriffe in der Lehre Epikurs ist der Begriff der Lust, da er bei vielen Menschen auch schon zu seinen Lebzeiten mit sexuellen Bedürfnissen und genereller Ausschweifung sowie mangelnder Disziplin in Verbindung gebracht wurde.
Das griechische Wort für Lust bedeutet Hédoné und demnach wird als Hedonismus eine ethische Grundposition bezeichnet, nach der das Erlangen von Lust das eigentliche Motiv, Ziel und sittliche Kriterium jeglichen menschlichen Handelns ist. Es wurde jedoch auch von verschiedenen Übersetzern und Interpretatoren von Epikurs Lehre angemerkt, dass es sinnvoller sein könnte, den Begriff Hédoné eher mit „Freude“ zu übersetzen, denn mehr als die wilde, freizügige Lust interessiert den Denker und Pragmatiker die gleichmäßige konstante Freude, zu der die auftauchende Lust nur ein Vehikel, ein Mittel zum Zweck ist, um unser Lebensglück zu erreichen.
In Epikurs Philosophie bedeutet der Terminus Lust zunächst einmal ganz neutral die „Abwesenheit von Schmerz“. Reines Zufriedensein, welches darauf beruht, dass für den Moment alle vorhandenen Bedürfnisse gestillt wurden, setzt Epikur bereits mit dem Empfinden von Lust gleich. Es handelt sich bei diesem Lustbegriff nicht um die Suche oder das Erleben nach einem besonderen Kick, sondern eher um eine ruhige Heiterkeit und Gelassenheit der Seele, und in dieser Missinterpretation des epikureischen Lustbegriffs liegt einer der Schlüssel zu der weitreichenden Fehlinterpretation seines Gesamtwerks.
Das wird an folgendem Beispiel deutlich: Wenn Sie Hunger empfinden, daraufhin etwas Leckeres zu Essen machen und es bewusst genießen, entsteht nach Epikur bereits so ein lustvoller Moment. Ihm zufolge sollten wir unser Leben danach ausrichten und gestalten, möglichst viele solcher lustvollen Momente zu erleben. Dennoch bleibt er „der Philosoph“, der diese Thematik zum Mittelpunkt seiner philosophischen Forschung machte.
Epikur wird als der Hauptvertreter dieser lustbetonten Philosophie, die sich an den konkreten Bedürfnissen des Menschen und auch seines Körpers orientiert, angesehen. Als Begründer des philosophischen Hedonismus gilt jedoch der griechische Philosoph Aristippos von Kyrene (ca. 435 bis 355 vor Christus), welcher zwischen drei Zuständen der menschlichen Seele unterschied: dem Schmerz, der Lust und der sogenannten Ataraxie, der „Seelenruhe oder Leidenschaftslosigkeit“. Genau diesen Begriff, auf den wir später noch zurückkommen werden, definierte Epikur jedoch als den höchsten zu erreichenden Zustand, da der Mensch mit ihm frei ist von Schmerz und Leid. Nach der hedonistischen Philosophie liegt das Ziel menschlichen Daseins darin, den Schmerz zu minimieren und die lustvollen Momente zu maximieren.
Hier beginnt jedoch das Missverständnis, welches Epikur und seine Philosophie zeit seines Lebens zur Zielscheibe von Kritik seiner Gegner machte. Worin liegen also die Unterschiede?
Lust ist der Grundantrieb für unser Verhalten und unsere Motivation – Epikur definierte den Grundantrieb der menschlichen Psyche lange vor dem Aufkommen der Psychologie, bereits vor dem Christentum. Doch seine Definition der Lust blieb relativ offen, da er sie aus ihrem Gegensatz – dem Mangel von Schmerz – definiert: Lust ist demnach das Freisein von Schmerz. Diese beiden Begriffe stehen in Epikurs Lehre in engem Zusammenhang und es gilt auch hier, zu beachten, dass der Begriff der Lust eher wie „Freude“ zu verstehen und nicht unbedingt mit Begierde gleichzusetzen ist. Wörtlich äußert sich Epikur hierzu:
„Wenn wir also sagen, dass die Lust das Lebensziel sei, so meinen wir nicht die Lüste der Wüstlinge und das bloße Genießen, sondern wir verstehen darunter, weder Schmerz im Körper noch Beunruhigung in der Seele zu empfinden.“
Damit will Epikur Folgendes sagen: Wir sollen uns über unsere wahren Bedürfnisse klar werden und die Erfüllung unserer Lust im Zusammenhang des großen Ganzen sehen. Zudem sollten wir uns beim Aufkommen eines Wunsches fragen:
„Dient die Erfüllung dessen meinem Gesamtlebensglück?“
„Beruht diese Lust auf einem meiner grundlegenden essentiellen Bedürfnisse?“
Und vor allen Dingen: „Wird es mir nach ihrer Erfüllung besser gehen?“
In Epikurs Lehre wird die Lust immer im Gesamtzusammenhang eines großen Ganzen gesehen und beim Auftauchen eines lustbezogenen Bedürfnisses sollten wir uns folgende Fragen stellen:
„Ist diese Lust notwendig, erfüllt zu werden, im Sinne der Erfüllung eines wesentlichen Grundbedürfnisses und meiner Gesamtzufriedenheit?“
„Oder ist sie nur einer oberflächlichen Laune, einer Konsumhaltung, entsprungen, die nicht wesentlich zur Befriedigung beiträgt?“
„Könnte es sogar sein, dass es mir hinterher sogar schlechter geht?“
Je länger und tiefgehender Sie sich mit Epikurs Sichtweise auseinandersetzen, desto klarer wird: Er fordert an keiner Stelle zur unreflektierten Umsetzung jedes launenhaften auftauchenden Bedürfnisses auf – ganz im Gegenteil will er uns dazu bewegen, dass wir uns mit unseren Bedürfnissen rational und reflektiert auseinandersetzen, um in einen Zustand heiterer Gelassenheit zu kommen.
Wird „Lust“ in diesem Kontext gesehen, verliert der Begriff sofort den ausschweifend-anrüchigen Beigeschmack und führt vielmehr direkt zu der grundlegenden Frage epikureischen Denkens und Lehrens: „Wie führe ich als Mensch ein erfülltes, weitgehend glückliches Leben im Einklang mit meinen Bedürfnissen?“
Mit dieser Frage ist die Philosophie des Epikur sehr nahe an einem aktuellen Zeitgeist, zu dem Begriffe wie die Work-Life-Balance, Achtsamkeit und Ausgewogenheit passen. Obwohl Epikur die Lust als zentrales Thema seiner Philosophie behandelt, so lehrt er keinesfalls, dass jede menschliche Lust uneingeschränkt ausgelebt werden sollte. Er verweist vielmehr darauf, dass zwischen vernünftigen und unvernünftigen Genüssen unterschieden werden sollte und dass die Folgen des eigenen Handelns auch im Sinne der Wirkung und der Konsequenzen für andere abgewägt werden sollten.
Unbedachter Genuss ist dadurch gekennzeichnet, dass er nur von kurzer Dauer ist und sich langfristig negativ auf die zu erstrebende Seelenruhe (siehe Kapitel „Seelenfrieden / Ataraxie“) auswirkt. Hierzu würden zum Beispiel ungehemmter Drogenkonsum, Kaufrausch, der Erwerb von Gütern des Status wegen und Lustgewinn auf Kosten anderer zählen. Diese Formen der Lust sollten nach Epikur vermieden werden, da sie nicht zum Finden echter tiefer Zufriedenheit beitragen, sondern den Geist nur unnötig aufwühlen und abschweifen lassen. Die zügellose, ungerichtete Lust kann deswegen auch als „unreflektierte Lust“ bezeichnet werden: Ein Bedürfnis kommt plötzlich auf, es wird wahrgenommen und führt ohne weiteres Hinterfragen hinsichtlich seiner Sinnhaftigkeit direkt zu einer impulsiven Handlung. Spontankäufe, Konsum von Fastfood, die in Eile ohne bewussten Genuss verzehrte Chips-Tüte, nach der wir uns zwar auf eine Weise satt, aber nicht gut fühlen, wären Beispiele für diese Form der Lusterfüllung, aber auch alles Überflüssige, was wir nur erwerben oder begehren, um eine innere Leere zu füllen, nicht aber zu tieferer Erfüllung beiträgt, fällt in diese Kategorie.
Diese oberflächlichen Lustmomente haben eher die Natur der Zerstreuung und gehen fließend über in die zügellose Lust. Das griechische Wort hierfür ist „asélgeia“ und bedeutet so viel wie „zügelloser Wandel“, kann jedoch auch „Ausschweifung“, „Üppigkeit“, „schamloser Wandel“ oder „Unzucht bedeuten. In diesen Begriffen klingen auch immer wieder sexuelle Bezüge an und es werden Assoziationen zu Orgien, opulenten Feiern und das Überschreiten moralischer Grenzen geweckt.
Mit einer Fehlinterpretation von Epikurs Lustbegriff versuchten also kritische Zeitgenossen, das Leben in Epikurs Garten sowie seine Philosophie öffentlich zu verunglimpfen. Obwohl Epikur zeit seines Lebens versuchte, dieses Missverständnis zu klären, und nachweislich weder zur Völlerei neigte noch ein ausschweifendes oder promiskuitives Leben führte, wurden seine Gegner nicht müde, das negative Bild des Kepos aufrechtzuerhalten. Nicht umsonst hielten antike Autoren, wenn sie über die Lehre Epikurs referieren, immer wieder eine Richtigstellung gerade bezüglich der zentralen Begrifflichkeiten für notwendig, denn Epikur wählte für die Terminologie seiner Lehre alltägliche Worte wie Lust und Schmerz, doch verwendete er sie anders als die meisten Menschen. Daher wurde seine Lehre oft unabsichtlich missverstanden – oder auch absichtlich missinterpretiert?
Die eigentliche Erklärung für das Missverständnis von Epikurs Lustbegriff liegt aber vermutlich darin begründet, dass die Art des Zusammenlebens in seinem Garten in Gleichberechtigung ohne persönlichen Besitz nicht zu den damals herrschenden gesellschaftlichen Konventionen passte, weil Epikurs offenes und vorbehaltloses Verkehren mit Menschen aller Herkünfte, gesellschaftlichen Schichten und Berufe nicht der antiken Ständegesellschaft entsprach: Es war bekannt, dass er auch mit Hetären verkehrte (im Altertum der Begriff für Prostituierte), die im alten Griechenland jedoch nicht nur körperliche, sondern auch intellektuelle Bedürfnisse ihrer Kunden erfüllten und durchaus gebildete, aber unverheiratete Frauen waren. Epikur selbst hatte der Überlieferung nach eine Geliebte, zeugte aber keine Nachkommen und hielt sich damit auch auf dieser Ebene nicht an gesellschaftliche Konventionen. Man kann daher guten Gewissens sagen, das Epikur sowohl mit dem Thema seiner Philosophie als auch mit seinem „Lifestyle“ seiner Zeit weit voraus war, entwarf er doch ein Bild eines Menschen, der seine Bedürfnisse wahrnimmt und sein individuelles Glück ins Zentrum seines Wünschens und Wollens stellt.
Es existiert jedoch auch eine moderne Missinterpretation von Epikurs Philosophie. Dabei handelt es sich um die Menschen, die sich selbst im positiven Sinne als „Hedonisten“ sehen, da sie ihr Leben schwerpunktmäßig nach dem Lustprinzip ausrichten. Doch sie haben nicht verstanden, dass Epikur kein Partylöwe, sondern ein pragmatischer Rationalist war, für den die Selbstgenügsamkeit und der Verzicht auf bestimmte kurzfristige Gelüste zugunsten eines höheren langfristigen Zieles eine große Rolle spielten. Diese modernen Genussmenschen priorisieren hingegen unter der Maxime der Lusterfüllung einen „YOLO“-Lebensstil (You only live once / du lebst nur einmal). Dieses YOLO ging als Hashtag viral und steht dafür, sich stets darüber bewusst zu sein, dass das Leben vergänglich ist und wir alle jederzeit sterben könnten. Sie postulieren, dass wir deshalb jeden Tag so leben sollten, als ob es unser letzter wäre. Doch der daraus resultierende „Ich will alles, und zwar sofort“-Hedonismus ignoriert wesentliche Teile der epikureischen Lehre, auf die wir in folgenden Kapiteln dieses Buches noch weiter eingehen werden.
Die vier Heilmittel Epikurs (Tetrapharmakos)
Epikur war es wichtig, dass seine Lehren nicht unnötig abgehoben und intellektuell, sondern in einfachen Leitsätzen und auf den Punkt vermittelt werden konnten, um zum einen auch für Nicht-Intellektuelle verständlich zu sein und diese Menschen zu erreichen, vor allen Dingen aber auch, weil er die Philosophie als praktische anwendbare Lebenskunst und Maxime und nicht als bloße theoretische Gehirnakrobatik verstand. Die Hauptaufgabe dieser Denkweise bestand seiner Ansicht nach darin, den Menschen die Lebensangst und die Sorgen zu nehmen. Er sah den Philosophen als eine Art geistigen Führer, wenn nicht sogar „Therapeuten“, der den Menschen geistiges Handwerkszeug mit auf den Weg gibt, um sich im Leben zurechtzufinden und ein möglichst erfülltes, effizientes und weitgehend sorgloses Leben zu führen.
Hab keine Angst vor den Göttern.
Sorg dich nicht über den Tod.
Das Gute ist leicht zu beschaffen.
Das Schreckliche ist leicht zu ertragen.
Lassen Sie uns diese vier Aussagen näher in Augenschein nehmen.
Da Epikur zu einer Zeit lebte, in der die Menschen daran gewöhnt waren, ihr Handeln danach zu beurteilen, ob sie damit den Zorn eines Gottes auf sich ziehen könnten, versuchte er als Vertreter einer materiell-wissenschaftlich orientierten Denkweise, als Erstes den Menschen diese essentielle Furcht zu nehmen.
Er selbst bezeichnete sich nicht als Atheist, war aber der Meinung, dass die Frage, ob es Götter gibt oder nicht, letztendlich für unser Leben irrelevant ist. Seines Erachtens lebten die Götter, wenn es sie denn überhaupt gäbe, in einem von uns abgetrennten Parallel-Universum und wären so sehr mit ihren eigenen Angelegenheiten befasst, dass sie gar keine Zeit hätten, sich mit dem Treiben der Menschen auf der Erde zu befassen.
Und genau aus diesem Grunde sieht Epikur für den Menschen keinen Anlass, sich um den Zorn eines Gottes – oder der damals im alten Griechenland vorherrschenden Gottheiten des griechischen Pantheons wie Zeus, Poseidon, Hades, Ares, Athene – Sorgen zu machen oder gar sein Handeln danach auszurichten. Er fand es höchst bedauerlich und ineffizient, dass ein Mensch so viel Zeit damit zubringt, Angst zu haben und Dinge nicht zu tun, weil er eine Gefahr oder Bestrafung befürchtet, deren Existenz er sich noch nicht einmal sicher sein kann.
Epikurs Frage bezüglich der Gottheiten jedweder Religion lautet: Warum sollte sich ein allmächtiges Wesen mit den Aktivitäten vergänglicher Sterblicher befassen? Und er befindet, dass die Eigenschaften, die die Gottesfürchtigen ihrem jeweiligen Gott zuschreiben, allesamt destruktive menschliche Emotionen wie Wut oder Vergeltung sind, die eher Schwäche und Unvollkommenheit implizieren. Warum also sollte ein göttliches Wesen diese Eigenschaften besitzen? Er unterstellt dem Menschen, Emotionen, vor denen er sich fürchtet, auf allmächtige Gottheiten zu projizieren und sich selbst damit von der Verwirklichung seiner tiefsten Wünsche abhalten zu lassen.
Die erste Maxime bedeutet demnach, sich nicht durch diffuse Ängste davon abhalten zu lassen, seinen Lebenstraum zu verwirklichen. Zum Umgang mit moralischen Bedenken empfiehlt Epikur, sich auf die potentiellen positiven Eigenschaften eines Gottes zu konzentrieren und diese zu imaginieren, zum Beispiel das Wohlwollen, das Verständnis und die Barmherzigkeit einer Gottheit. Er appelliert an die Menschen, dennoch definitiv tugendhaft und moralisch zu handeln, aber nicht aus Angst vor einem Gott oder „den Göttern“, sondern weil sie sich als Personen aus ethischen Gründen für das Gute im Sinne des Richtigen entscheiden sollten. Und wenn sie im Sinne des Guten handeln, dann werden sie weniger Angst haben und sich besser fühlen.
Auf unsere moderne und zunehmend atheistische Welt übertragen, schließt diese erste Maxime, Gott nicht zu fürchten, auch alle möglichen anderen machtvollen Kontrollinstanzen ein, denen wir uns bisweilen ausgeliefert fühlen und denen wir deshalb zum Teil unbewusst Macht über unsere Lebensentscheidungen zugestehen. Fragen Sie sich also:
Wovor oder vor wem fürchten Sie sich?
Was hält Sie davon ab, ganz frei zu entscheiden und Ihr Leben zu genießen?
Laut Epikurs Lehren fällt eine große Last von uns ab, sobald wir gelernt haben, Gott – oder wen auch immer – nicht mehr zu fürchten, damit wir uns generell weniger Sorgen machen.
Die zweite große Angst, die nach Epikur den Menschen beherrscht, ist die Angst und Sorge vor dem Tod bzw. die Nichtakzeptanz der eigenen Vergänglichkeit. Sinnbildlich kann damit die Angst vor dem Tod als Urquelle aller anderen Ängste (vor Schmerz, Altern, Hunger, Krankheit oder Einsamkeit) gesehen werden, denn all diese lassen sich auf unsere unausweichliche Sterblichkeit zurückführen. Wir wissen, dass eine Krankheit unseren Tod bedeuten könnte, und leben deshalb in unterschwelliger Furcht, das Gleiche gilt für alle Arten von Phobien, die uns Lebensenergien kosten und die uns dadurch von der Verwirklichung unserer Ziele abhalten können.
Die Angst vor dem Tod ist laut Epikur die größte Angst des Menschen, doch der Tod bereite nicht mit seiner tatsächlichen Präsenz Probleme, sondern mit unserer negativen Erwartung an seine Unausweichlichkeit. Epikur argumentiert auch hier mit dem ihm eigenen Pragmatismus: Solange der Tod noch nicht da ist, existieren wir und leben unser Leben. Und in dem Moment der Ankunft unseres Todes hören wir auf, zu existieren. Tod bedeutet also Empfindungslosigkeit – entweder wir sind präsent oder der Tod ist präsent. Es gibt keinerlei Überschneidung.
Es ist demnach sinnlos, sich um den Tod Gedanken zu machen oder sich deswegen zu sorgen. Wenn Sie nicht an das Leben nach dem Tod oder die Reinkarnation glauben, empfiehlt Epikur, den Tod als eine Rückkehr in die Vergessenheit zu sehen. Wir gehen dorthin zurück, woher wir gekommen sind, und wir haben keinerlei Einfluss darauf. Warum also Gedanken und Energie darauf verschwenden, wenn uns nach dem Tod derselbe Zustand erwartet wie jener vor unserer Geburt? Die Befreiung des menschlichen Geistes von der Angst vor dem eigenen Tod steht für Epikur für ein Loslassen vieler anderer bewusster oder unbewusster Sorgen, die mit dieser essentiellen Angst zusammenhängen und von ihr verstärkt werden.