Julian riss vorsichtig
eine Seite aus seinem Englisch-Heft heraus und schrieb so
unauffällig wie möglich einige Zeilen darauf. Er faltete den Zettel
zusammen und stupste Robert an. „Gib das mal weiter zu Rebecka“,
flüsterte er.
Das Papierchen wanderte
von Hand zu Hand, bis er endlich zu mir gelangte. Doch bevor ich
zum Lesen der Zeilen kam, nahm mein Lehrer mir den Zettel weg,
zerknüllte ihn und warf die Papierkugel kurzerhand in den
Mülleimer, bevor er in seinem Unterricht fortfuhr, als wäre gar
nichts passiert. Ich drehte mich zu Julian herum und zuckte mit den
Achseln.
"Schon gut!", flüsterte er und winkte ab.
Jennifer, die das Szenario mitangesehen hatte, schlenderte zum
Papierkorb und setzte dazu an, ihren Bleistift zu spitzen.
Zufällig
fiel ihr das Döschen in den Mülleimer. Sie holte sie es wieder
heraus und hatte zusätzlich die Papierkugel in der Hand. Mir wurde
heiß. Bitte nicht! Nicht Jennifer!
Sie steckte den Zettel in
ihre Hosentasche und ging zurück auf ihren Platz.
Völlig aufgekratzt stürzte ich nach der Schule auf Julian zu.
Wie immer wartete er neben dem Eingang der Turnhalle auf mich.
„Was ist los, Becky?“ Er
sorgte sich. Oh, er war so süß!
Vor Aufregung bekam ich
kaum einen vernünftigen Satz raus. „Julian! Jetzt ... Jetzt ist
alles aus!“
Er nahm meine Hand.
„Beruhige dich erstmal. Was ist aus?“
„Jenny! Jennifer Augustin
weiß über uns Bescheid! Durch deinen Brief in Englisch. Verdammt
noch mal, Julian!“ Verzweifelt ließ ich mich auf die Bank fallen,
die glücklicherweise direkt hinter mir stand.
„Bist du sicher?“ Julian
setzte sich zu mir.
„Ja. Ich habs doch mit
eigenen Augen gesehen, wie sie deinen Brief durchgelesen hat. Was
stand eigentlich drin?“
„Nicht viel. Nur, dass ich
mich schon auf unser Date heute freue.“ Er überlegte kurz. „Oh
Mann, wenn sie wirklich weiß, dass wir zusammen sind, ist es
möglich, dass ...“
Ich unterbrach ihn.
„Glaubst du wirklich, sie wagt es, unseren Eltern von uns zu
erzählen?“
„Jenny ist zu allem
fähig!“
„Was sollen wir denn dann
tun?“
„Ich schätze mal, wir
können uns dann nur noch heimlich treffen.“
„Und ich schätze, jetzt
kann ich Romeo und Julia nachfühlen!“, seufzte ich.
Obwohl Julian deprimiert
dagesessen hatte, lachte er jetzt. Er sah mich mit seinen
beruhigenden Augen an.
„Machs gut, Becky. Bis
morgen. Ich verspreche dir, dass ich so schnell wie möglich mit
Jenny spreche. Glaub mir, es kommt alles in Ordnung.“
Ich sah ihm lange nach.
Mir stiegen Tränen in die Augen. Ich zeigte Julian nicht, wie
verzweifelt ich war. Deshalb hatte ich meine Gefühle
zurückgehalten, bis er ging. Er kannte mich sonst als starke
Person, die nicht so schnell weint. Aber jetzt konnte ich nicht
anders. Hoffentlich behielt er Recht und sprach mit Jenny, bevor
sie eine Dummheit anstellte. Doch es sollte alles anders
werden.