Herzwinter XXL-Leseprobe - Andrea Kochniss - kostenlos E-Book

Herzwinter XXL-Leseprobe E-Book

Andrea Kochniss

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Beschreibung

XXL Leseprobe des Romans "Herzwinter"  Diese Leseprobe beinhaltet 20% des aktuellen Romans von Andrea Kochniss   "Weihnachten kann ich nichts mehr abgewinnen. Es ist die Zeit im Jahr, die man mit seinen Lieben verbringt. Der Weihnachtszauber ist ein Gefühl, welches man erst bekommt, wenn man jemanden hat, mit dem man es teilen kann."   Martin Maier war nicht immer einsam. Am Heiligabend des Jahres 2021 lässt er bei seinem täglichen Gang durch das Städtchen Erpenich sein Leben Revue passieren. Wie kam es dazu, dass seine Lebensumstände sich so sehr veränderten?   Martin nimmt dich mit auf die Reise durch die letzten Jahrzehnte seines Lebens, und gewährt dir nicht nur einen Blick in seine Vergangenheit, sondern auch einen eventuellen Blick in seine Zukunft.  

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Andrea Kochniss

Herzwinter XXL-Leseprobe

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Heute

Der Nieselregen wirbelt wie feine Sandkörner in mein Gesicht. Anhand der schneidenden Kälte ist es offensichtlich, dass es nicht mehr lange dauert, bis sich die Tropfen in Schnee verwandeln.

Eben noch habe ich die angenehme Wärme des sozialen Kaufhauses, das ich gerade verlassen habe, genießen können. Ich atme noch einmal tief durch und schlinge meine neue Jacke enger um meinen Körper, bevor ich aus dem nur bedingt wettergeschützten Hauseingang auf den Bürgersteig trete.

Ich hatte Glück. Der winddichte Parka war gerade erst frisch gereinigt in den Kleiderfundus aufgenommen worden. Selten habe ich bisher die Chance gehabt, an ein so gut erhaltenes und vor allem wärmendes Kleidungsstück zu kommen. Zu dieser Jahreszeit ist solch ein Fundstück Gold wert.

Ich schlendere Seitenstraßen entlang. Ich gehe nicht gern durch die Fußgängerzone. Gerade jetzt in der Adventszeit, zudem noch einen Tag vor Heiligabend, hasten viel zu viele Menschen, die sich von diesem Mistwetter nicht abhalten lassen, über die Einkaufsstraße von Geschäft zu Geschäft.

Ich meide die Menschen. Ich bin gern für mich. Und ich reiche mir selbst vollkommen aus.Ich ziehe meine weiße Pudelmütze tiefer ins Gesicht und hauche mir in die hohlen Hände, bevor ich meine warmen Handschuhe überstreife. Feine Atemwölkchen steigen zwischen meinen Fingern hervor. Je näher ich meinem Ziel komme, desto lauter werden die Geräusche, die vom Alten Markt her klingen, dem Herz des Erpenicher Weihnachtsmarktes.

Dezember 1972

»Guten Morgen, Herr Höfer. Sie wollten mich sprechen?«, fragte ich, nachdem ich das Büro meines Chefs betreten hatte.

»Guten Morgen, Maier. Setzen Sie sich doch.« Kurt Höfer lehnte sich hinter dem massiven Schreibtisch auf seinem Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander. Er zog ein Päckchen Zigaretten aus seiner Jackett-Tasche, nahm sich eine heraus und hielt mir die halbvolle Packung anschließend entgegen.

Skeptisch schaute ich die Packung an. Mein Chef hatte mir bis dato nie eine Zigarette angeboten. Davon abgesehen rauchte ich nicht gern. Ja, in Gesellschaft mit meinen Freunden, in der Kneipe, da steckte ich mir schon mal eine an und paffte sie. Einfach, weil es dazu gehörte, weil es alle machten. Aber eigentlich konnte ich dem Qualmen nichts abgewinnen.

Kurt Höfer deutete mein Zögern falsch. »Nun nehmen Sie schon, junger Mann. Seien Sie nicht so bescheiden. Bescheidenheit bringt einen im Leben nicht weiter.«

»Vielen Dank.« Ich griff zu, bevor ich mit einer Ablehnung etwas falsch gemacht hätte. Mein Chef steckte erst mir und dann sich die Zigarette an und lehnte sich anschließend wieder in seinem Sitz zurück.

»Wie lange arbeiten Sie schon für mich, Maier?«

»Dreieinhalb Jahre, Herr Höfer. Wenn ich die Ausbildungszeit in Ihrem Hotel dazurechne.« Ich zog an meiner Zigarette und versuchte, den aufsteigenden Hustenreiz zu unterdrücken. Ich war nervös, hatte keine Ahnung, in welche Richtung dieses Treffen gehen würde. Es kam nicht oft vor, dass mein Chef mich zu einem persönlichen Gespräch in sein Büro zitierte.

»Doch schon so lange? Nun, das hätte ich nicht gedacht. Gefällt es Ihnen denn bei uns?«

Ich hatte einen Job. In dem angesehensten Hotel in der Gegend, in dem schon meine Mutter als Zimmermädchen gearbeitet hatte. Es war ein halbwegs gut bezahlter Job. Ich war im Service, momentan im hoteleigenen Restaurant beschäftigt. »Selbstverständlich, Herr Höfer. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Arbeit. Sie ist sehr erfüllend.«

Höfer lachte laut schallend auf und schlug sich mit der freien Hand auf den Oberschenkel. »Der war gut, Maier! Der war wirklich gut!« Er wischte sich eine Lachträne aus den Augenwinkeln.

Ich war mir nicht sicher, wie ich mit dieser Reaktion auf meine Äußerung umgehen sollte. In keinem Fall hatte ich einen Witz machen wollen, hatte meinen Chef anscheinend trotzdem erheitert. In meiner Hilflosigkeit lächelte ich zaghaft. Damit machte ich bestimmt nichts falsch.

»Es gibt sicher spannendere Tätigkeiten im Höfers, als tagtäglich zu kontrollieren, ob die Kellner und Kellnerinnen ihre Arbeit anständig verrichten. Damit können Sie als junger Mann doch unmöglich zufrieden sein. Sie möchten Ihrer Gattin doch sicherlich etwas bieten?«Ich merkte, wie mir Röte den Hals hinauf kroch. »Ich bin nicht verheiratet«, sprach ich leise aus.Höfer wurde hellhörig. »Es gibt noch keine Frau Maier? Dann sind Sie doch sicherlich verlobt?«

»Nein, Herr Höfer. Es gibt auch keine Verlobte.«

Ich ging ab und zu mit der Schwester meines besten Freundes Karl-Heinz zum Tanzen. Aber sie war nur eine Freundin. Mehr nicht. Die Richtige hatte ich einfach noch nicht getroffen. Wurde das jetzt zum Problem? Dass es momentan keine Frau in meinem Leben gab? Das hatte doch hoffentlich keine Auswirkungen auf meinen Arbeitsplatz?

Höfer nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette und drückte sie dann energisch im Aschenbecher aus, den er anschließend zu mir über den Tisch schob. »Das ist ungewöhnlich für einen stattlichen jungen Mann wie Sie einer sind, Maier. Aber ich kann nicht sagen, dass mich das unglücklich macht. Ich habe nämlich eine Bitte an Sie.«

Mein Herz klopfte mittlerweile bis zum Hals. »Alles, was Sie möchten, Herr Höfer.«

Höfer lachte wieder sein laut schallendes Lachen und drohte mit dem Zeigefinger. »Seien Sie vorsichtig, was Sie da sagen, Maier! Ich könnte Sie beim Wort nehmen!«

Ich lachte mit, obwohl mir nicht danach war. Ich hielt es lediglich für angebracht.

»Spaß beiseite, Maier. Kommende Woche Donnerstag steht ein vorweihnachtliches Geschäftsessen mit der neuen Geschäftsführung von Morschbach & Sohn an. Sie wissen, wer Morschbach & Sohn ist?«

Zum Glück wusste ich das sehr genau. Morschbach & Sohn besaßen den in unserer Umgebung größten Lebensmittelhandel und belieferten das Höfers schon seit seinem Bestehen mit den Lebensmitteln, die unser Küchenpersonal für die im hoteleigenen Restaurant zubereiteten Gerichte verwendete.

»Ja, Herr Höfer, das weiß ich.“

»Gut. Das Geschäftsessen soll zwar familiär gehalten werden, trotzdem hängt für das Höfers viel davon ab. Ich möchte, dass Sie mit dabei sind.«

»Ich?« Nun musste ich doch husten. Und das kam nicht vom Rauchen. Ich konnte mir keinerlei Reim darauf machen, was eine unbedeutende Service-Kraft wie ich bei einem Geschäftsessen der Chefetage verloren hatte. »Ich meine, das ist eine Ehre für mich. Aber ich verstehe nicht ganz, warum.«

»Das ist auch nicht nötig. Meine Bitte an Sie hat nichts mit dem zu tun, was dort besprochen wird. Ich möchte, dass Sie an diesem Abend die männliche Begleitung meiner Tochter sind.«

»Ihrer Tochter?«

»Ja, selbstverständlich. Meine Begleitung ganz sicher nicht!« Wieder dieses Lachen. Und dann, ganz unvermittelt, wurde Kurt Höfer wieder ernst. »Ich möchte, dass Sie an diesem Abend an ihrer Seite sind. Dass sie sich nicht verloren fühlt. Kümmern Sie sich um sie, machen Sie ihr Avancen.«

Ich sollte Höfers Tochter umgarnen? Dafür sollte ich zu diesem Geschäftsessen kommen? Kurz hatte ich gedacht, meine Anwesenheit bei diesem Treffen könnte wirklich wichtig sein. Wie töricht von mir. Wichtig sein für das Hotel. Nicht für eine Frau, die ich noch nie gesehen hatte. Ich hatte bis jetzt nicht mal gewusst, dass mein Chef überhaupt eine Tochter hatte.

»Schauen Sie nicht so bedröppelt drein, Maier. Meine Tochter ist ein hübsches junges Ding. Es wird Ihnen ein Leichtes sein, ihr ein paar Komplimente zu machen. Da habe ich keinen Zweifel. Wenn Sie das passabel hinkriegen, soll es nicht zu Ihrem Nachteil sein.«

Ich merkte, dass meine Zigarette weitestgehend ungeraucht heruntergebrannt war, und drückte sie im Aschenbecher aus. Was Höfer da gerade gesagt hatte, ließ mich aufhorchen. Trotzdem wagte ich nicht, nachzufragen, was genau er damit meinte.

»Sie haben schon richtig gehört, junger Mann. Wenn Sie sich nicht allzu ungeschickt anstellen, könnten Sie es im Höfers noch weit bringen. Das liegt ganz allein bei Ihnen. Sind Sie einverstanden?« Höfer streckte mir über den Tisch seine Hand entgegen. Ich zögerte nicht, einzuschlagen. Ich war so voller Ehrgeiz und Pläne, es in diesem Hotel weit zu bringen, dass ich über solch ein ungewöhnliches Angebot nicht zweimal nachdachte.

 

Das Geschäftsessen mit Morschbach & Sohn fand in einem von Kölns nobelsten Restaurants statt. Wäre ich nicht eingeladen gewesen, hätte ich mich niemals dorthin verlaufen. In dem Lokal in der Südstadt verkehrte nicht nur die Kölner Prominenz, auch die Preise dort befanden sich in Dimensionen, die ich für gewöhnlich ganz sicher nicht für ein Essen in einem Restaurant ausgegeben hätte.

Ganz zu schweigen von dem Geld, welches ich für den Anzug ausgegeben hatte. Höfer wollte zwar, dass ich seiner Tochter schöne Augen machte, aber er sah sich nicht gewillt, mich dabei finanziell zu unterstützen. Das Essen wurde von der Firma bezahlt, für alles andere war ich selbst verantwortlich.

Karl-Heinz` Schwester Inge war mit mir zum Einkaufen gegangen und hatte mich in Sachen Kleidung beraten. Sie kannte sich in der aktuellen Mode besser aus als ich und wusste genau, was ein Mann von Welt heutzutage trug, wenn er etwas darstellen und Erfolg im Beruf haben wollte. Dass dieser Erfolg in meinem Fall über die Tochter meines Chefs gehen sollte, hatte ich Inge nicht erzählt.

Da ich kein Auto besaß, war ich zu dem Geschäftsessen mit der Bahn bis nach Köln gefahren. Seit letzter Nacht hatte es ohne Unterlass geschneit. Dicke Flocken hatten nicht nur mein Heimatstädtchen Erpenich in eine Winterlandschaft verwandelt, auch Köln lag unter einer dichten Schneedecke. Der Zug hatte dadurch einige Minuten Verspätung gehabt, aber das war nicht relevant. Ich hatte wohlweislich einen Zug früher genommen in der Absicht, meinen guten Willen zu zeigen, indem ich früher als die Höfers am Restaurant war. Ich wollte die Tochter meines Chefs dort so in Empfang nehmen, wie es sich für einen Gentleman gehörte. Sie bewundernd anlächeln, ihr die Türe aufhalten und den Stuhl am Tisch zurechtrücken, um ihr gleich im Anschluss ein Kompliment über ihre Schönheit zu machen. Auch wenn ich mit dem weiblichen Geschlecht bisher nicht so viel Erfahrungen gesammelt hatte, wusste ich doch, was man tun musste, damit sich eine Frau als etwas Besonderes fühlte. Genau das war mein Auftrag für diesen Abend, und ich hatte mir geschworen, diesen so gut wie möglich zu erfüllen. Ich würde Höfers Tochter so sehr den Hof machen, dass ihm Hören und Sehen verging. Ich wollte ihm beweisen, wie wichtig es für mich war, ein Mitarbeiter im Höfers zu sein, der alles für das Hotel tat.